Das Zeitalter der Industrie
Die Folgen der
industriellen Landwirtschaft
Die industrielle Landwirtschaft erzeugt
reichlich billige Nahrung, hat aber in den reichen Ländern die
bäuerliche Landwirtschaft weitgehend zerstört und die armen Ländern
in ein ungerechtes Handelssystem gezwungen; sie ist hochgradig von
billigen fossilen Brennstoffen abhängig, verbraucht und verschmutzt
enorme Mengen Wasser, zerstört Böden und verändert den Stickstoff-
und Phosphatkreislauf der Erde.
Weizenanbau in den USA:
riesige, leicht mechanisch zu bearbeitende Monokulturen sind ein
Kennzeichen der industrialisierten Landwirtschaft. Foto: Victor
Szalvay, aus wikipedia, >> Landwirtschaft
(abgerufen 10.5.2010), Lizenz: >> c.c
2.0 US-amerikanisch
Fortsetzung von: >>
Vom Bauern zur industriellen Landwirtschaft
Der Preis ist billig, aber das Fleisch ist schwach
(Überschrift eines Artikels im stern
22/2010 über die Fleischerzeugung in Deutschland)
Herkömmliche Lebensmittel, zog Stiftung Warentest im Juni 2010
Bilanz aus 85 Lebensmitteltests seit 2002, sind öfter mit Pestiziden
belastet als Lebensmittel aus biologischem Anbau, und die
Biohersteller waren “wesentlich weiter” beim Engagement für Mensch
und Umwelt. Die Stiftung Warentest konnte aber nicht nachweisen,
dass Biolebensmittel reicher an bioaktiven Stoffen sind, wie
Anhänger der Biolandwirtschaft glauben. Hier sind aber wenig
verarbeitete Lebensmittel deutlich besser als aufwändiger
verarbeitete, native Öle etwa im Vergleich zu raffinierten Ölen.
Noch deutlicher sind die Unterschiede beim Fleisch: Nicht nur die
ethischen Probleme der Massentierhaltung (>>
hier), sondern auf die Fleischqualität sprechen für Fleisch
aus bäuerlicher Landwirtschaft, und am besten in Bioqualität.
Ansonsten bedeutet Fleisch aus Deutschland “ungefähr so viel wie
made in China bei Spielzeug – Ramsch” – “wäre es Wein, würden wir
ausschließlich Pennerglück trinken” (der “stern” in dem oben
genannten Artikel). Trotzt des massenhaften Einsatzes von
Antibiotika wächst durch die Massentierhaltung und die industrielle
Fleischverarbeitung zudem die Gefahr von Lebensmittelerkrankungen
und neuen Krankheiten: So verdanken wir etwa den blutigen Durchfall
verursachenden Stamm O157:H7 des Darmbakteriums Escherichia coli der
Massentierhaltung (>>
mehr), und die Gefahr eines Überspringens der Vogelgrippe auf
Menschen wird deutlich erhöht (>>
mehr).
Bauernsterben
Mit der Industrialisierung der Landwirtschaft begann auch die
Arbeitsteilung: Kunstdünger wurde in Industrien hergestellt, Saatgut
von großen Saatgutfirmen erzeugt, geschlachtet wurde in
Schlachthäusern, Pflanzen gingen zunehmend in die industrielle
Verarbeitung. Die Landwirtschaft war der Verlierer, weil Land als
teuerstes Produktionsmittel sich nicht einfach stilllegen ließ,
während eine Fabrik ihre Arbeiter entlassen könnte, wenn sie nicht
gebraucht wurden. Überleben konnten nur die Landwirte, die ihre
festen Kosten auf möglichst hohen Ertrag umlegen konnten; verdrängt
wurde die traditionelle bäuerliche Landwirtschaft, die noch eigenes
Saatgut vorhielt, die Felder mit dem Dung der Tiere düngte und ihr
Getreide vor Ort mahlen ließ. Die Rationalisierung der
Landwirtschaft umfasste so auch die Vergrößerung der Betriebe. In
Deutschland gab es im Jahr 1950 über 2 Millionen Betriebe, ein
Viertel aller Beschäftigten war in der Landwirtschaft tätig. Heute
bestehen noch 366.000 Betriebe, von denen viele zudem im Nebenerwerb
betrieben werden; in der Landwirtschaft arbeiten noch 2,3 Prozent
der Beschäftigten101..
Aber acht Prozent aller Betriebe sind größer als 100 Hektar und
bewirtschaften die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche in
Deutschland; vier Prozent der Rinderbetriebe halten 26 Prozent des
Milchviehbestandes und 3 Prozent der Betrieben 29 Prozent des
Schweinebestandes. (Aus der Geschichte der Kollektivierung folgend
sind zudem die Betriebe in Ostdeutschland größer als die in
Westdeutschland.) 1950 ernährte ein Landwirt 10 Menschen, heute
ernährt er 127 Menschen.
Die Folgen des Bauernsterbens
Mit dieser Entwicklung ging eine Schwächung des ländlichen Raums
einher, der mit den Arbeitsplätzen an Wirtschaftskraft verlor und
aus dann Bildungseinrichtungen, Ämter, Dienstleistungen und
schließlich die Menschen abwanderten – bis hin zu “sterbenden
Dörfern”. Zwar wurde die bäuerliche Landwirtschaft in Sonntagsreden
immer hochgehalten, und viele Bauern stemmten sich gegen den Trend
und versuchten mit regionaler Vermarktung (Hofverkauf und
“Bauernmärkte”) und Ideen wie “Ferien auf dem Bauernhof” zu
überleben; ein gegenläufiger Trend – unter anderem eine Ergebnis der
Agrarwende unter Renate Künast – etablierte sich aber erst mit dem
Biolandbau, der inzwischen 4,5 Prozent der Landwirtschaftsfläche
umfasst. Hier sind Betriebsgrößen und Spezialisierung geringer, und
der Handel findet überwiegend in der Region statt (wobei auch hier
eine zunehmende Intensivierung zu beobachten ist – das Interesse der
Discounter an Bioware hat seinen Preis). Auch regionale
Qualitätssiegel und die Pflege der Kulturlandschaft im Rahmen von
Agrarumweltprogrammen stellen zukunftsträchtige Entwicklungen dar;
eine Chance könnte auch die zunehmende Nutzung der Bioenergie sein,
“Bioenergiedörfer” wie das niedersächsische Jühnde sind hier
Vorläufer.
Die Entwicklung der ländlichen Räume sollte uns
jedenfalls nicht egal sein, denn eine zukünftige Gesellschaft, deren
Energieverbrauch erheblich verringert werden muss (siehe zum
Beispiel >> hier),
braucht nachhaltige Landbewirtschaftung und regionale Wertschöpfung.
Die Globalisierung der industriellen Landwirtschaft
Die Erfolge der industriellen Landwirtschaft führten dazu, dass die
Erzeugerländer immer mehr landwirtschaftliche Produkte exportieren
konnten, und dazu auf freien Zugang zu den Märkten anderer Länder
drängten. Ihre theoretische Begründung hatte Anfang des 19.
Jahrhunderts der britische Nationalökonom David Ricardo
mit seiner Theorie der komparativen Kostenvorteile
geschaffen: Eine Land sollte danach nicht etwa Selbstversorgung
anstreben, sondern diejenigen Produkte für den Markt herstellen, bei
denen es geringere Produktionskosten als andere Länder hat – wenn es
diese verkauft, kann es auf dem Markt mehr von anderen benötigten
Dingen einkaufen, als es selber produzieren könnte; gewinnt also
insgesamt bei dem Geschäft. Das von Nahrungsmittelimporten abhängige
Großbritannien glaubte an diese Theorie; die Exporteure waren
zunächst skeptisch geblieben, wussten sie doch, dass die
Landwirtschaft mit ihrer Abhängigkeit etwa vom Wetter in freien
Märkten extremen Preisschwankungen ausgesetzt war. Nicht umsonst
hatten etwa die USA unter Roosevelt ihren Bauern Mindestpreise
garantiert, um kleine Bauern vor diesen Schwankungen zu schützen.
Diese Mindestpreise führten aber unabhängig von der Nachfrage zu
steigender Produktion; und um diese loszuschlagen, exportierten die
USA in die Staaten Asiens und Lateinamerikas, wo es eine Nachfrage
gab. Auf diesen Märkten war das amerikanische Getreide aber ohne
Subventionen nicht wettbewerbsfähig, und als sich die USA in den
1960er Jahren im Gefolge des Vietnamkrieges und einer Haushaltskrise
diese Subventionen nicht mehr im bisherigen Umfang leisten konnte,
erfolgte unter Richard Nixons Landwirtschaftsminister Earl Butz zum
einen der Umbau der amerikanischen Landwirtschaft mit dem Ziel der
globalen Wettbewerbsfähigkeit, zum anderen die globale Unterstützung
des freien Marktes. Als dann aber die Preise deutlich zu fallen
begannen, zogen Politiker aus den Landwirtschaftsregionen die
Reißleine: Fortan erhielten amerikanische Farmer den
Preisunterschied zwischen Produktionskosten und Weltmarktpreis als
“Ausgleichszahlung”. Im Jahr 2005 betrugen diese etwa 20 Milliarden
Dollar, bei einem durchschnittlichen Farmer betrugen sie 22 Prozent
seines Einkommens. Andere gingen den gleichen Weg, und zahlten sogar
noch mehr: In Europa betrugen die Subventionen im Jahr 2000 37
Prozent des Einkommens eines durchschnittlichen Landwirts, in Japan
über 50 Prozent.
Um ihre eigene Landwirtschaft vor der Zerstörung durch die
subventionierten Erzeugnisse aus den USA und Europa zu schützen,
versuchten viele Staaten, ihre Märkte mit Steuern und Zölle für
importierte Produkte zu schützen. Diese Politik scheiterte aber
spätestens in den 1980er Jahren: Im Gefolge der lateinamerikanischen
Schuldenkrise (die begann, als Mexiko 1982 seine Schulden im Ausland
nicht mehr bezahlte) verlangten Weltbank und Internationaler
Währungsfonds als Voraussetzung für eine Umschuldung wirtschaftliche
Reformen, die als “Washington Consensus” bekannt wurden und unter
anderem die Öffnung der Märkte für ausländische Anbieter verlangten.
Auch ausländische Direktinvestitionen wurden erleichtert; und so
investierten die großen Agrarunternehmen aus den Industriestaaten in
zahlreichen Ländern, die nun ebenfalls zu globalen Playern wurden:
In Brasilien investierten amerikanische Konzerne
wie Cargill und Archer Daniels Midland ebenso wie chinesische
Investoren in Farmen, Lager- und Verladeanlagen, Häfen und andere
Infrastruktur – das Land ist inzwischen der weltgrößte Exporteur von
Sojabohnen, ebenso wie von Zucker und Kaffee; und ist ein wichtiger
Exporteur von Hähnchen- und Rindfleisch. Inzwischen könnte Brasilien
Hähnchenfleisch billiger in die USA liefern, als diese es selbst
erzeugen könnten – weshalb die USA ihre Bauern durch Einfuhrzölle
schützen; und trotzdem ist die amerikanische Handelsbilanz für
Nahrungsmittel inzwischen negativ – das Land importiert mehr, als es
exportiert. Die Rolle der USA als wichtigster Agrarexporteur scheint
zu Ende zugehen, die Achse Argentinien/Brasilien nach Indien/China
wird in Zukunft wohl wichtiger sein. Besonders problematisch hier:
Die Ausweitung der Anbaugebiete in den Tropen in
den letzten Jahrzehnten geht oft bis in die tropischen Regenwälder
hinein: Sie fallen in Brasilien für den Sojaanbau – in tropischen
Regionen ist der Anbau ganzjährig möglich – und seit kurzem auch in
Asien, um Platz zu machen für Palmölplantagen, die für die
Herstellung von Biotreibstoffen genutzt werden (mehr dazu >>
hier).
Der große Gewinner dieser Entwicklung sind die Großunternehmen der
Agrarindustrie. Fünf Unternehmen kontrollieren weltweit drei Viertel
des Handels mit Saatgut, drei Unternehmen kontrollieren 48 Prozent
des weltweiten Getreidehandels. Die zehn weltgrößten
Supermarktketten haben zusammen einen Umsatz, der dem gesamten
afrikanischen Bruttoinlandsprodukt entspricht. Früher selbstständige
Bauern sind dabei oft zu einem abhängigen Baustein dieses
internationalen Agrobusiness geworden. Diese Entwicklung lässt viele
Fragen nach der Begründung für diese Entwicklung aufkommen – manche
Globalisierungskritiker glauben, schon die Kreditvergabe an die
lateinamerikanischen Länder sei eine langfristige Verschwörung mit
dem Zugang zu diesen Märkten gewesen -; wichtiger ist die Frage, wie
die Landwirtschaft in den neu geöffneten Ländern vor den größten
sozialen und ökologischen Nebenwirkungen geschützt werden kann, für
die der Markt blind ist (>>
hier). Amerikanische und andere Tierhalter etwa gehen auch
deshalb nach Brasilien, weil es dort keine Gesetze zum Umgang mit
der anfallenden Gülle gibt. Dazu könnten etwa Vorgaben in die
Regeln der Welthandelsorganisation eingebaut werden; dazu bräuchte
es aber eines besseren Bewusstseins in der Öffentlichkeit der
Industrieländer. Die andere Frage ist grundsätzlicher: Soll die
Versorgung eines Landes mit Lebensmitteln wirklich vom
internationalen Handel abhängig sein, und so beispielsweise
politischem Druck von anderen Staaten unterliegen können?
Landwirtschaft in
"Entwicklungsländern"
Obwohl auf der Erde so viel Nahrung wie noch nie zuvor in der
Geschichte erzeugt wird, und diese mehr als ausreichend für die
Ernährung aller Menschen wäre, hungern rund 800 Millionen Menschen
und sind eine weitere Milliarde Menschen mangelernährt (>>
hier). Warum dies so ist, ist eine der umstrittensten Fragen
in der Diskussion über die Welternährung. Einen Anteil haben die
Exportorientierung und die Eigentumsverhältnissen aus der
Kolonialzeit: In Lateinamerika besitzen 1,5 Prozent der Landwirte
zwei Drittel des Landes, in Afrika wirtschaften drei Viertel der
Bauern auf 4 Prozent des Landes. In den Industrieländern wurde dies
zuweilen als Chance gesehen: Auf Ricardos Theorie der komparativen
Vorteile aufbauend sollten die Länder auf Anbau für den Export oder
Industrialisierung setzen und ihre Nahrungsmittel importieren.
Andere, etwa die Ford- und die Rockefeller-Stiftung, setzten auf
eine Modernisierung der Landwirtschaft und die >> "Grüne
Revolution".
Beispiel Kenia: Kenia hat eine zweigeteilte
Landwirtschaft. Zu Zeiten der Briten wurden hier Kaffee, Tee und
Ananas für den Export angebaut, und noch heute gibt es einige
hundert große Exportbetriebe. Daneben gibt es etwa 10 Millionen
Kleinbauern, die meist Mais und Sorghum anbauen und Hühner und
Ziegen halten. Als die grüne Revolution nach Kenia kam, wuchs die
Produktivität zunächst um 4 Prozent im Jahr, genauso viel wie in
Asien. In Asien hielt diese Steigerung aber an, Kenias Produktivität
war Ende der 1980er Jahre wieder auf das Niveau der 1960er Jahre
abgesunken. Die Ursachen lagen zum einen an korrupten Regierungen,
die etwa Preise zu ihrem eigenen Wohl manipulierten, zum anderen
daran, dass das Saatgut der grünen Revolution nicht an die
Verhältnisse in Afrika angepasst wurde: Die Pflanzen brauchten viel
Wasser, das es in Asien gab, nicht aber überall in Afrika – 85
Prozent der Ackerfläche hängen vom Regenwasser ab, und Kenias
Probleme begannen mit einer Dürre im Jahr 1984. Hybridsaatgut muss
außerdem ständig neu gekauft werden, und dies konnten sich
afrikanische Kleinbauern, wo Systeme zur Kreditvergabe fehlten,
nicht leisten. Düngemittel mussten in immer größerem Umfang
eingesetzt werden, um auch nur den Ertrag zu halten (dies liegt
vermutlich daran, dass ihr Einsatz die organische Substanz der Böden
zerstört, und diese Wasser und Mineralien dann schlechter halten
können). Als dann die Düngerpreise im Gefolge der Ölkrise 1979
stiegen und die Regierungen der Industrieländer nicht länger gewillt
waren, Dünger zu subventionieren (die Anhänger des freien Marktes,
die darauf hinwiesen, dass diese Subventionen das Entstehen einer
lokalen Düngemittelindustrie verhinderten, hatten sich – wohl auch
unter dem Einfluss steigender Ausgaben für Energie und der
Frustration über die Korruption in den Empfängerländern –
durchgesetzt), brach die Grüne Revolution in Kenia zusammen.
Dort, wo sich wie in Asien die
Grüne Revolution sich durchgesetzt hat, hat sie die Erträge zum Teil
verdoppelt, nach manchen Schätzungen verdanken bis zu 700 Millionen
Menschen ihre Ernährung der Grünen Revolution. Auch hierfür gab es
jedoch einen Preis: In vielen dieser Gebiete, etwa im Punjab, dem
indischen Brotkorb, in dem auf 1,5 Prozent der Fläche Indiens 20
Prozent des indischen Weizens und 12 Prozent des indischen Reises
erzeugt werden, ist heute das Grundwasser abgesunken und mit
Pestiziden verseucht. In Indien versucht die Regierung die Probleme
mit dem Bau von Wasseraufbereitungsanlagen zu lösen. Aber zahlreiche
Bauern haben sich auch derart für Saatgut, Dünger und Pestizide
verschuldet, dass viele im Selbstmord den einzigen Ausweg sahen –
Schätzungen reichen bis zu 60.000 Selbstmorde für die Jahre 1988 bis
2006.
In den Ländern, wo die Grüne Revolution gescheitert ist, setzten
die Geberländer wieder auf den Anbau von Exportgütern,
wenn sie sich überhaupt noch um die Landwirtschaft kümmerten. In
Kenia setzten sie, nachdem in den frühen 1990er Jahren die
brasilianischen Kaffeeplantagen durch Kälte geschädigt waren, auf
den Anbau von Kaffee. Dies tat allerdings auch Vietnam, und der
vietnamesische Robusta-Kaffee war zwar schlechter als der
kenianische Arabica-Kaffee – aber billiger. Das große Geschäft ging
daher an Vietnam, das im Jahr 2000 Kolumbien als zweitgrößten
Kaffeeerzeuger (nach Brasilien) überholte. Das Überangebot führte zu
sinkenden Preisen, und da Kaffee wenig preiselastisch ist (nach der
Theorie der Ökonomen sollten sinkende Preise zu steigendem Verbrauch
führen und dieser wieder zu steigenden Preisen führen; Kaffeetrinker
trinken aber in der Regel nicht mehr, wenn Kaffee billiger wird) und
auch das Überangebot nicht einfach reduziert werden kann (die teuer
zur Produktionsreife gebrachten Bäume produzieren ja weiter),
blieben die Preise dauerhaft niedrig. Diese Situation ist typisch
für zahlreiche Exportpflanzen, und die Anhänger des freien Marktes
sehen dies als natürlichen Prozess, bei dem die schwächeren Anbieter
aus dem Geschäft aussteigen. Die amerikanische Hilfsorganisation
U.S. AID hat aber ermittelt, dass alleine die Kaffeekrise eine halbe
Millionen Menschen ihren Job kostete; Menschen, die anschließend in
Afrika oft als Wilderer “bush meat” jagten oder in Mittel-
und Südamerika sich dem Kokainanbau widmeten – diesen Preis sieht
der freie Markt nicht.
In Kenia setzen die Exporteure jetzt auf hochwertige frische
Früchte und Gemüse, etwa grüne Böhnchen, Babymais und Babykarotten.
Dieser Anbau ist jedoch fest in das globale Handelssystem
eingebunden, und leidet daher unter dem Preisdruck des Handels und
steigenden Qualitätsanforderungen, die von Kleinbauern nicht zu
erfüllen sind. Insbesondere leidet der Sektor aber unter steigenden
Treibstoffkosten (die Ware wird per Flugzeug transportiert), was
wiederum seine Zukunft in Frage stellt.
Die Kleinbauern haben zudem besonders unter der Praxis der
Industrieländer gelitten, ihre mit Garantiepreisen geförderte
Überschussproduktion (mit weiteren, "Exporterstattungen" genannten
Subventionen) in Entwicklungsländer zu exportieren. So landen noch
heute die Hähnchenkarkassen und -flügel, die wir nicht essen wollen,
in Westafrika – und sorgen für Preise, die örtliche Erzeuger in die
Pleite treiben. Mitunter wird die Politik – nach europäischem und
amerikanischem Vorbild – von den Staaten selbst betrieben, etwa in
Indien, das ebenfalls landwirtschaftliche Erzeugerpreise
subventionierte. Wie in Europa stieg dadurch die Produktivität –
anders als in Europa nahm aber auch der Hunger zu, da Kleinbauern
weniger von den Subventionen profitierten als Großbauern, in Indien
aber nicht wie einst in Europa Arbeit in Industrie und
Dienstleistung fanden. Zudem leiden insbesondere Kleinbauern, die
oft keine oder schlecht abgesicherte Landtitel besitzen, unter der
als Landgrabbing bekannten Praxis, landwirtschaftliche
Fläche an Großunternehmen aus anderen Ländern (führend hierbei:
China und die Golfstaaten) zu verkaufen – in der Hoffnung, dass
diese die Produktion erhöhen (und Devisen ins Land bringen). Dabei
setzten Experten heute eigentlich wieder auf die Förderung von
Kleinbauern, denn diese leiden besonders unter dem Hunger auf der
Welt, siehe den folgenden Kasten.
Der Hunger auf der Welt
Weltweit sind etwa 800 Millionen Menschen unzureichend
ernährt; 20.000 Menschen verhungern jeden Tag. Eine
weitere Milliarde Menschen leidet “stillen Hunger”, bei
dem zwar die Nahrungsmenge ausreicht, aber wichtige Nährstoffe wie
Eisen, Zink oder Vitamin A fehlen. Meist liegt Hunger nur in
Krisenregionen an Nahrungsmangel. Viele Länder, in denen gehungert
wird, sind Lebensmittelexporteure. 1943 verhungerten im britischen
Bengalen drei Millionen Menschen, während Polizei und Armee volle
Geschäfte schützten; während der Hungersnot in Äthiopien 1972-74
exportierte das Land Nahrungsmittel. Auch heute hungern Menschen in
vielen Ländern vor allem deshalb, weil ihre eigene Ernte nicht fürs
ganze Jahr oder eine ausgewogene Ernährung reicht und sie kein Geld
haben, das Fehlende dazu zu kaufen. 70 Prozent der
Hungernden sind Bauern, und sie gehören zu den etwa 1,1
Milliarden Menschen auf der Erde, die von weniger als einem Dollar
pro Tag leben müssen.
Im Jahr 2000 versprach die internationale
Staatengemeinschaft in den
Millennium- Entwicklungszielen, den Anteil der hungernden
Menschen an der Gesamtbevölkerung bis zum Jahr 2015 zu halbieren. In
nahezu der Hälfte der Länder wurde dieses Ziel nicht erreicht.
Rückschläge gab es zwischenzeitlich insbesondere durch steigende
Preise für Grundnahrungsmittel, die in vielen Ländern zu Unruhen
führten – Anfang 2007 in Mexiko, 2008 in Burkina Faso, Bangladesch,
Ägypten, Haiti – und nach Angaben der Weltbank in weiteren 29
Ländern...
Um den Kleinbauern zu helfen, setzen internationale Organisationen
wie die Welternährungsorganisation FAO wieder auf die
Landwirtschaft: Dass der Anteil der Landwirtschaft an der
Entwicklungshilfe ständig zurückgegangen ist (von 6,2 Milliarden
Dollar im Jahr 1982 auf 2,3 Milliarden Dollar im Jahr 2002; im Jahr
2006 betrug sie gerade einmal drei Prozent) wird von FAO-Chef
Jacques Diouf (>> hier
– Interview in der ZEITonline) heftig kritisiert. Ebenso ist Abkehr
von der Ideologie des freien Marktes zu beobachten, da klar ist,
dass Kleinbauern aus Entwicklungsländern hier keine Chance gegen die
subventionierte Landwirtschaft aus den Industrieländern, die zudem
von einer hervorragenden Infrastruktur profitiert, haben: Die FAO
etwa setzt auf geschützte, lokale Märkte, auf denen Kleinbauern
ihren Überschuss verkaufen können (siehe etwa >>
Weltagrarbericht 2008). Dafür muss auch die lokale
Infrastruktur verbessert werden – also Lagermöglichkeiten geschaffen
werden und Straßen und Eisenbahnen gebaut werden, damit die Ernte
nicht verdirbt und zu den Märkten gelangt. Was die Kleinbauern
anbauen sollten, ist allerdings umstritten: Die Bill und Melinda
Gates Stiftung etwa setzt auf Saatgut, das durch Genmanipulation an
die Verhältnisse in Afrika angepasst wird; andere warnen, dass dabei
die Gefahr besteht, die Fehler der grünen Revolution zu wiederholen,
und sich die Arbeit daher auf die Verbesserung der Bodenqualität
konzentrieren sollte. Gerade nachhaltige Landwirtschaft kann auf
kleinen Flächen sogar höhere Erträge erwirtschaften als die
industrielle Landwirtschaft (mehr dazu >>
hier), und bietet sich daher für Kleinbauern in
Entwicklungsländern an.
Dass den armen Ländern der Kampf gegen den Hunger gelingt, ist
nicht nur ein moralisches Muss in einer Welt, in der es eigentlich
genug zu essen gäbe, sondern liegt auch in unserem eigenen
Interesse: In einer globalisierten Welt wird der Hunger nicht
zunehmen, ohne dass wir dieses ebenfalls spüren.
Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen
Die Ertragssteigerung der industrialisierten Landwirtschaft kam vor
allem durch eine massive Steigerung der Inputs (Düngemittel,
Maschineneinsatz) zustande. Diese und die Globalisierung der
Landwirtschaft führte aber auch dazu, dass die Landwirtschaft heute
ebenso von billigem Öl und Gas (für Treibstoffe und zur Herstellung
von Düngemitteln) abhängig ist wie der Rest der
Industriegesellschaft auch; in der industriellen Landwirtschaft
werden heute pro Kalorie erzeugter Nahrungsenergie 1,6 Kalorien (250)
aufgewendet (in der traditionellen, nicht-mechanisierten
Landwirtschaft wurden mindestens 10 Kalorien pro aufgewandter
Kalorie erwirtschaftet); bis die Lebensmittel auf unserem Tisch
stehen, kommen für Transport, Verarbeitung, Verpackung, Verkauf,
Aufbewahrung und Zubereitung noch einmal mehr als 6 Kalorien pro
Kalorie Nahrungsenergie hinzu (250).
Damit gefährdet das Ende des billigen Öls (>> mehr)
die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft, wie sie heute betrieben
wird; und die Landwirtschaft trägt erheblich zum Klimawandel bei
(mehr >>
hier).
Da die Steigerung der Inputs mittlerweile keine Steigerung der
Erträge mehr bringt, nimmt die Produktivität der Landwirtschaft
immer langsamer zu; inzwischen liegt sie unter dem
Bevölkerungszuwachs. Seit 1999 schrumpften die Getreidevorräte, da
der Verbrauch schneller wächst als die Produktion. Zum steigenden
Verbrauch tragen heute auch die Nutzung als Rohstoff für
Biotreibstoffe bei (>> mehr).
Vertreter der konventionellen Landwirtschaft sehen weitere
Steigerungsmöglichkeiten der Produktion vor allem im Einsatz der
grünen Gentechnologie (>>
mehr).
Die Folgen für das Ökosystem Erde
Bodenzerstörung
Die Beseitigung der natürlichen Vegetationsdecke erhöht, wenn sie
nicht durch gleichwertige Vegetation ersetzt wird, die >>
Bodenerosion. In der Geschichte der Menschheit gab es drei
Erosionsschübe: Bei der Ausbreitung der Landwirtschaft
von den Flusstälern in ehemalige Waldgebiete, bei der Neubesiedlung
großer Landflächen in der Folge der europäischen Auswanderung nach
1840, und seit den 1950er Jahren mit der Abholzung tropischer
Regenwälder zugunsten der Landwirtschaft (>>
mehr). Letzteres geschieht insbesondere zugunsten der
Rinderhaltung – sei es, dass der Regenwald zu Weideland wird, sei
es, dass Soja als Futter angebaut wird. In armen Ländern kommt
hinzu, dass Hunger die Kleinbauern dazu treibt, auch eigentlich
ungeeignete Flächen auf steilen Hängen zu beackern.
Diese Bodenerosion kann mit modernen, bodenschonenden
Bewirtschaftungsmethoden zwar auch in der konventionellen
Landwirtschaft reduziert werden, aber nach wie vor gehen jährlich
rund 10 Millionen Hektar landwirtschaftliche Böden verloren (1100)
– das ist viel mehr, als neu gebildet werden kann. Dazu kommt, dass
viele landwirtschaftliche Böden immer weniger organische
Bestandteile enthalten, die in einem gesunden Boden genau so viel
Wasser und Nährstoffe enthalten wie die mineralischen Bestandteile –
ihr Anteil geht zurück, weil organisches Material wie Mist als
Dünger durch Kunstdünger ersetzt wird (mehr: >>
Die Zerstörung der Böden).
Eingriff in die globalen Stickstoff-,
Phosphat- und Kaliumkreisläufe
Die Verwendung von Kunstdüngern ist ein Eingriff in die globalen
Stickstoff-, Phosphat- und Kaliumkreisläufe, deren Folgen niemand
abschätzen kann. Um das Jahr 1990 herum haben die Produktion von
Stickstoffdüngern (der wichtigste technische Beitrag zur
Stickstoffbildung) und die Entstehung durch Stickstoff bei
Verbrennungsprozessen (>>
hier) die Bindung von Stickstoff aus der Luft durch natürliche
Prozesse übertroffen; der
Stickstoffkreislauf wird seither vom Menschen dominiert.
Alleine die Tierhaltung verursacht 65 Prozent hiervon: Da bei der
Massentierhaltung auch der Anfall von Gülle nicht mehr an Land
gebunden ist, fällt diese zudem konzentriert in bestimmten Regionen
an, wo die Böden die anfallenden Mengen längst nicht mehr aufnehmen
können. Die meisten Mastanlagen verfügen aber noch nicht über eine
Abwasserreinigung, und so landet ein Großteil auf den überforderten
Feldern und Nitrat und Phosphor von dort in Grundwasser. Beim
Phosphatkreislauf übertrifft der technische Beitrag die natürliche
Menge inzwischen um das zehnfache. Da auch der größte Teil der
ausgebrachten Dünger nicht ihr eigentliches Ziel, die angebaute
Pflanze, erreichen, tragen insbesondere diese beiden Stoffflüsse
heute erheblich zur Wasserverschmutzung, sei es von Grundwasser,
Wasser in Flüssen und Seen oder Meerwasser (>>
mehr), und zum Klimawandel (durch die Bildung des
Treibhausgases Distickstoffoxid, >> hier)
bei. Auf dem Festland begünstigt die Düngung solche Pflanzenarten,
die mit den Nährstoffen gut zurechtkommen – auch auf den Äckern.
Dadurch reduziert sich die Vielfalt unserer Nahrungsmittel – und die
genetische Grundlage für weitere Züchtungen (siehe den folgenden
Abschnitt).
Rückgang der biologischen Vielfalt
Die Umwandlung von Wäldern und Feuchtgebieten, die schon durch die
traditionelle Landwirtschaft natürliche Ökosysteme zerstörte
(>> mehr),
nahm durch den Einsatz von Maschinen noch einmal zu. Die 15
Millionen Quadratkilometer Ackerland auf der Erde waren zuvor zum
größten Teil Wälder: 8 Millionen Quadratkilometer gemäßigte Wälder,
2 Millionen Quadratkilometer Tropenwälder und 1 Millionen
Quadratkilometer borealer Nadelwald wurden zu Ackerland umgewandelt;
der größte Teil des Restes waren einst Grasländer (etwa die Prärien
der USA). Besonders betroffen waren auch die Feuchtgebiete, die
weltweit etwa zur Hälfte trockengelegt wurden. Die heutigen
Everglades in Florida etwa sind nur noch ein Rest der einstigen
Feuchtgebiete, die vor allem für den Zuckerrohranbau trockengelegt
wurden. Wälder wurden auch in Weideland umgewandelt – die grünen
Weiden Irlands oder Neuseelands waren einst Waldland. Heute geht die
Vernichtung natürlicher Lebensräume vor allem in den tropischen
Regenwäldern (>>
mehr) weiter – insgesamt ist die Vernichtung natürlicher
Lebensräume zugunsten der Landwirtschaft die wichtigste Triebkraft
des Rückgangs an biologischer Vielfalt (>>
mehr).
Verlust an genetischer Vielfalt bei Kulturpflanzen
Aber auch die Landwirtschaft selber leidet unter einem Verlust an
biologischer Vielfalt: Mit der industriellen Landwirtschaft ging
auch eine Konzentration auf einige wenige, besonders ertragreiche
Nutzpflanzen einher. Die Hälfte der Welternährung wird heute von
Weizen, Reis und Mais sichergestellt; zwölf Pflanzenarten machen 80
Prozent der Erntemenge aus. Auch innerhalb dieser Arten geht die
Vielfalt zurück: Anstelle der Vielfalt zahlreicher (vieler
tausender), jeweils an die besonderen lokalen Bedingungen
angepassten Landrassen dominieren heute wenige Hochertragssorten die
Felder, und damit geht nicht nur genetische Vielfalt verloren,
sondern auch die jahrhundertealte Erfahrung mit ihrer Zucht und mit
ihrem Anbau. Die Ernährung der Menschheit wird damit immer
abhängiger von wenigen Hochertragssorten, die eingeschränkte
genetische Vielfalt macht aber die ertragreichen Arten immer
anfälliger gegen Krankheitserreger und gegen Umweltveränderungen wie
den Klimawandel. So konnte etwa die Kartoffelfäule im Jahr 1845 die
irische Kartoffelernte nur deshalb so weitgehend vernichten, weil
überwiegend eine einzige Sorte angebaut wurde, und suchen im
Augenblick die Pflanzenzüchter und Agrarwissenschaftler fast schon
verzweifelt nach einer Weizensorte, die gegen eine sich schnell
ausbreitende, besonders aggressive Variante (Ug99) des
Getreiderostes resistent ist. Gegen den Verlust an genetischer
Vielfalt bei Kulturpflanzen sollen Saatgutlager wie etwa das in
Norwegen gelegene “Svalbard Global Seed Vault” helfen; eine reine
Lagerung kann aber die Weiterentwicklung durch lokale Bauern und
deren Know-How ersetzen.
Die industrielle Landwirtschaft fördert (leichter maschinell zu
bearbeitende) Monokulturen. Diese sind ein Paradies für Schädlinge,
die dann wiederum mit chemischen Mitteln bekämpft werden:
Umweltschäden und Vergiftungen durch
Pflanzenschutzmittel
Pflanzenschutzmittel wurden wegen ihrer Giftwirkung auf
Pflanzenschädlinge eingesetzt, bald stellte sich heraus, dass sie
auch auf andere Lebewesen wirkten. So führte DDT dazu, dass in den
USA der Wappenvogel, der Weißkopfseeadler, vom Aussterben bedroht
war (>> mehr).
In Mittelamerika führte in den 1970er und 80er Jahren DBCP
(Dibromchlorpropan, ein Mittel gegen Fadenwürmer) dazu, dass 30.000
Arbeiter auf Bananenplantagen der Dole Food Company unfruchtbar
wurden. (Das Mittel wurde dort auch weiterverwendet, nachdem die
Nebenwirkung durch Unfruchtbarkeit von Arbeitern bei der Herstellung
von DBCP längst bekannt war.)
Alleine in Deutschland werden jedes Jahr über 30.000 Tonnen
chemische Pflanzenschutzmittel (auch Schädlingsbekämpfungsmittel
oder Pestizide genannt; vor allem Unkrautvernichtungsmittel und
Mittel zur Bekämpfung von Schimmelpilzen) eingesetzt und über
100.000 Tonnen hergestellt. In Entwicklungsländern werden giftige
Pflanzenschutzmittel, die in den USA oder Europa längst verboten
sind, oft ohne Schutzkleidung und -masken versprüht, die
Weltgesundheitsorganisation schätzte 1990, dass jedes Jahr drei
Millionen Menschen durch Pestizide vergiftet werden. Pestizide
reichern sich in verschiedenen Nahrungsketten an (das heißt, ihre
Konzentration nimmt von Stufe zu Stufe (>>
hier) zu), bis hin zum Menschen. Pestizide führen zur
Verarmung der Flora und Fauna im Boden; und Pestizidspuren finden
sich immer wieder auch im Grundwasser und in Lebensmitteln.
Pestizide können auch in geringen Konzentrationen Krebs auslösen und
das Nervensystem beeinflussen; manche Pestizide wirken auch wie
Hormone und können daher die Fruchtbarkeit und das Verhalten
beeinflussen. (Biolebensmittel sind deutlich weniger mit Pestiziden
belastet, siehe >>
oben)).
Enormer Wasserverbrauch
Durch die Bewässerung ist die Landwirtschaft der mit
Abstand der wichtigste Wasserverbraucher weltweit – 69
Prozent des Wassers gehen in die Landwirtschaft (mehr dazu >>
hier). Fast alle großen wasserbaulichen Projekte, die das
Gesicht der Erde verändert haben (mehr dazu: >>
Wassernutzung) dienten auch der Wasserversorgung der
Landwirtschaft. Eine andere Wasserquelle für die Landwirtschaft ist
das Grundwasser, das in landwirtschaftlichen Regionen oftmals
übernutzt wird (mehr dazu >>
hier); in vielen Regionen Indiens und Chinas etwa fällt der
Grundwasserspiegel kontinuierlich. Nach Schätzungen des
amerikanischen Autors Lester R. Brown beruhen etwa zehn Prozent der
weltweiten Weizenproduktion auf Übernutzung von Grundwasser. Brown
spricht daher von einer „bubble economy“, einer mit einer
Börsenblase vergleichbaren, durch Übernutzung von Wasser künstlich
hochgetriebenen Lebensmittelproduktion.
Weitere Informationen zu diesem Thema: Seite >>
Wassernutzung durch den Menschen
Klimawandel
Mit ihren Kohlendioxid- und Methanemissionen trägt die
industrialisierte Landwirtschaft auch zum >> Klimawandel
bei. Einen besonders großen Anteil daran hat die Tierhaltung:
Insbesondere für die Rinderhaltung werden Regenwälder abgeholzt, aus
den Rindermägen entweicht das Treibhausgas Methan, ebenso wie aus
unter Wasser stehenden Reisfeldern. Insgesamt hat die Landwirtschaft
einen Anteil von 18 Prozent am Klimawandel, fast so viel wie die
USA. Dazu kommt, dass durch die weltweite Verflechtung der
Landwirtschaft die Umweltbelastung durch Ferntransporte,
etwa für Futtermittel, aber auch für die Produkte, erheblich
geworden ist.
Über 40 Prozent der
biologischen Produktion...
... der Erde wird vom Menschen genutzt. Diesen Wert haben zuerst
Peter Vitousek und Kollegen im Jahr 1986 recherchiert und
veröffentlicht; im Jahr 2001 hat der amerikanische Biologe Stuart
Pimm die Untersuchung nachvollzogen und ein ganzes >> Buch
darüber geschrieben. Die biologische Produktion auf dem Festland
beträgt 120 bis 130 Milliarden Tonne Biomasse pro Jahr (>>
hier); davon essen wir direkt etwa eine Milliarde Tonnen.
(Dies können Sie selber nachvollziehen: Ein Mensch braucht im
Durchschnitt 2.500 Kalorien pro Tag, den Energiegehalt von 500 Gramm
Biomasse. Also: 0,5 Kilogramm x 365 Tage x 6,6 Milliarden Menschen =
1,2 Milliarden Tonnen Biomasse. Ein Sechstel essen wir in Form von
Fleisch (im Jahr 2000, laut Welternährungsorganisation FAO), bleiben
1 Milliarde Tonnen Pflanzen – also ein Prozent der globalen
Biomasseproduktion.
Fleisch kostet noch mehr Biomasse; unsere Nutztiere fressen mehr
Grünzeug als wir: Im Jahr 2000 verzehrten sie rund 2 Milliarden
Tonnen Biomasse. Dieses Sechstel unserer Nahrung verbraucht also
doppelt soviel Biomasse wie die übrigen fünf Sechstel – wir essen
daher insgesamt 3 Milliarden Tonnen Biomasse. Das ist aber noch
nicht die ganze Wahrheit, denn ein großer Teil der zur Ernährung
genutzten Pflanzen gehen verloren – Ackerland produziert 26
Milliarden Tonnen Biomasse im Jahr. Die Biomassenutzung
auf Weideland beträgt insgesamt 17 Millarden Tonnen
Biomasse im Jahr: Dabei ist eingerechnet, dass etwa die
Hälfte des heutigen Weidelands einst produktivere Ökosysteme (etwa
tropische Wälder) beherbergte, und in manchen Regionen Überweidung
zur Wüstenbildung führte.
Dazu kommen die Pflanzen, die wir nicht essen, aber direkt
verbrauchen: Je 1 Milliarde Tonnen Holz aus der Forstwirtschaft und
1 Milliarde Tonnen Brennholz im Jahr (wobei die Menge an Brennholz
ungenau erfasst ist, es kann auch deutlich mehr sein).
Zwischensumme: 5 Milliarden Tonnen. (Auch hier ist das Bild
unvollständig: Waldnutzung und Forstwirtschaft in gemäßigten Zonen
entsprechen bei Berücksichtigung der Verluste insgesamt einer
Biomassenutzung von 3,75 Milliarden Tonnen im Jahr, zusammen mit der
Brennholznutzung nutzen wir also insgesamt knapp 5 Milliarden Tonnen
der Holzproduktion.) Dazu kommt die Biomasse, die jedes Jahr durch
das Abbrennen tropischer Wälder verlorengeht: 9 Milliarden Tonnen
Biomasse. Unsere Nutzung der Holzproduktion beträgt also 14
Milliarden Tonnen Biomasse im Jahr.
Und schließlich gilt es, die Ökosysteme zu berücksichtigen, die
durch Überbauung (Häuser, Straßen, Parkplätze, ...) ganz der Nutzung
entzogen wurden: Hier gehen noch einmal 3 Milliarden Tonnen
Biomasse im Jahr verloren. Diese Überschlagsrechnung
kommt also zu einer Summe von 60
Milliarden Tonnen Biomasse pro Jahr, die vom Menschen
genutzt wird (einschließlich 14 Millarden Tonnen, deren anderweitige
Nutzung vom Menschen durch Umwandlung in Weideland und durch
Überbauung verhindert wird, und mit denen die globale Produktion 134
– 144 Milliarden Tonnen Biomasse betrüge).
Und in den Meeren?
Die 100 Millionen Tonnen Fisch, die wir jedes Jahr
essen, scheinen mit 25 Millionen Tonnen Trockenmasse hier fast
vernachlässigbar zu sein. Das ist aber nicht so: Da Fische aufgrund
der längeren Nahrungsketten im Meer mehr biologische Produktion
enthalten, macht dieser Anteil in den produktiven Meeresgebieten
ebenfalls 25 bis 30 Prozent der gesamten Produktion aus. Diese
Nutzung stellt eine schwere Beeinträchtigung des Ökosystems Meer dar
(>> Die
Überfischung der Weltmeere)).
Wechselwirkungen
Die Landwirtschaft ist einerseits Verursacher, andererseits aber
auch Leidtragende von Umweltveränderungen. Die Landwirtschaft wird
zu denen gehören, die am meisten unter dem Klimawandel
leiden (>>
hier), und sie leidet unter der Umwandlung
von Ackerland für die Ausweitung von Städten, Fabriken und
Verkehrswegen. Die zunehmende Verstädterung der
Weltbevölkerung (>> hier)
führt dazu, dass die Bauernhöfe, die einst die Städte versorgt
haben, heute durch das Wachstum der Städte verschwunden sind – und
da Städte meist dort entstanden sind, wo es fruchtbaren Boden gab,
ist auch der hier überbaute Boden in der Regel besonders fruchtbar.
Auch bei der Ansiedlung von Industriegebieten und die Anlage von
Straßen und Bahnlinien ist die Qualität des überbauten Bodens meist
kein Kriterium für die Standort- und Trassenauswahl. Welchen
Einfluss der Bau von Häusern, Fabriken und Straßen auf die
Landwirtschaft haben kann, zeigt Japan: 1965 betrug die
Selbstversorgungsrate mit Lebensmitteln noch 73 Prozent, heute liegt
sie bei 40 Prozent. Auch andere Länder mit hohem
Industrialisierungsgrad haben immer weniger Fläche für die
Landwirtschaft und sind zunehmend auf Agrarimporte angewiesen, etwa
Taiwan oder Südkorea. In der Zukunft droht diese Entwicklung auch
den Riesenländern Indien und China. In China könnten bis 2030
zwischen 7 und 20 Prozent des Ackerlands dem Bauboom zum Opfer
fallen, errechnete das McKinsey Global Institute (siehe auch
>>
hier)). Einige bevölkerungsreiche Länder wie China, Japan und
Korea und viele reiche Ölstaaten beginnen inzwischen, Land in
Entwicklungsländern zu kaufen – über den Versuch des koreanischen
Konzerns Daewoo Logistics, auf Madagaskar 13.000 Quadratkilometer
Ackerland zu pachten, stürzte Anfang 2009 sogar die Regierung
Madagaskars. (Auch Investoren kaufen inzwischen in großem Umfang
Ackerland – ein deutlicher Hinweis, dass die globalen Kämpfe um
Ackerland zunehmen werden.)
Warum die Landwirtschaft sich ändern muss
Die Praktiken der Landwirtschaft sind schon heute nicht nachhaltig,
wo sie “nur” 7 Milliarden Menschen ernähren muss; in Zukunft sollen
aber über 9 Milliarden Menschen auf der Erde leben (>> hier).
Zur gleichen Zeit wird das Öl knapp (>> hier),
das die Trecker, Mähdrescher und Pumpen der Bewässerungsanlagen
antreibt und aus und mit dem die Kunstdünger hergestellt werden;
wird schon heute zuviel Wasser für die Bewässerung verbraucht, so
dass die Grundwasserspiegel fallen (>>
hier) und eine Abnahme der Reserven, und keine eigentlich
nötige Zunahme zu erwarten sind; und wird der Klimawandel
Trockenzeiten und Überschwemmungen verschärfen (>>
hier). Die Versorgung von über 9 Milliarden Menschen wird auf
jeden Fall eine Herausforderung, und die heutige Landwirtschaft ist
für diese denkbar schlecht gerüstet. Aber es gibt Wege zu einer
nachhaltigen Landwirtschaft, die bessere Chancen bietet; mehr dazu
unter >>
Gesunde Nahrung für alle.
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Gesunde Nahrung für alle
Die Folgen der Industrialisierung für das Ökosystem Erde:
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