Das Zeitalter der Industrie
"Das Wasser ergibt eine akzeptable
Tinte..."
Eine kleine Geschichte der Wasserverschmutzung
Die auf der vorigen Seite dargestellte >>
Wassernutzung verbraucht nur einen Teil des Wasser, ein
anderer Teil wird mehr oder weniger verschmutzt wieder in den
Wasserkreislauf zurückgeleitet. Und Wasser diente immer schon auch
dazu, Abfälle wegzuspülen. Solange die Zahl der Menschen gering und
die eingebrachten Stoffe biologisch abbaubar waren, war dieses auch
kein Problem; mit steigender Bevölkerung und später mit großen
Mengen gefährlicher Stoffe durch die Industrielle Revolution änderte
sich dieses jedoch.
Wasserverschmutzung in der Bucht
von Maracaibo (Venezuela): Eintrag von Nährstoffen in
Gewässer kann zu übermäßigen Wachstum von Algen und anderen
Wasserpflanzen (hier: Lemna minor) führen. Foto: Wilfredo
R. Rodriguez H., aus wikipedia commons, abgerufen 17.7.2009. Lizenz:
>>
GNU FDL 1.2.
Wasserverschmutzung in den Städten
Die bereits in den vorindustriellen Städten erhebliche
Wasserverschmutzung (>> mehr)
verschlimmerte sich mit der wachsenden Bevölkerungsdichte noch
einmal. Mit verbesserter Wasserversorgung und Einführung von
Toiletten mit Wasserspülung wurde zwar die Situation auf den Gassen
besser, nicht aber die der Flüsse. 1858 musste eine Sitzung des
britischen Unterhauses abgebrochen werden, da der Gestank der Themse
unerträglich war! Da immer noch ein Teil des Trinkwassers aus diesen
Flüssen gewonnen wurde, kam es immer wieder zu großen Typhus- und
(in Europa seit 1830) auch Choleraepidemien; 1892 starben alleine in
Hamburg 8.600 Menschen bei der letzten großen Choleraepidemie.
Zu dieser Zeit waren aber die Übertragungswege (Salmonellen bzw.
Bakterien im Abwasser) bereits bekannt, und daher begannen nun die
ersten großen Städte in den reichen Ländern mit der Aufbereitung
(Filterung und ab 1910 Chlorierung) von Trinkwasser und mit dem Bau
von Abwassersystemen, so etwa London und Paris. In den 1920er und
1930er Jahren begannen die ersten Städte mit dem Bau von
Kläranlagen. Zwar dauerte es, bis diese die meisten Häuser erfassten
(in Paris gelangte noch in den 1960er Jahren die Hälfte des
Abwassers ungereinigt in die Seine), aber inzwischen wird das
Abwasser der meisten großen Städte in den reichen Ländern aufwändig
gereinigt. Anders ist aber die Situation in den armen Ländern. In
Manila, der Hauptstadt der Philippinen, sind 9 von 10 Häusern nicht
an das Abwassersystem angeschlossen, unbehandeltes Abwasser macht 70
Prozent des Wassers des in die Manilabucht mündenden Flusses Pasig
aus. Auch in China wird das Abwasser von 90 Prozent der
Stadtbevölkerung nicht gereinigt. Weltweit verfügt die Hälfte der
Stadtbevölkerung über keine Abwasserreinigung.
Wasserverschmutzung durch die Industrie
Aber während die biologische Gewässerbelastung durch eine große
Zahl von Menschen in den Industrieländern einer Lösung entgegenging,
entstand hier ein neues Problem: Mit der >>
Industriellen Revolution entstanden zunehmend schwer
abbaubare, giftige Abwässer. Die Abwässer aus den Eisen- und anderen
Bergwerken konnte durch hohen Schwefelgehalt des Erzes sehr sauer
sein sowie Eisen- und Schwermetalle enthalten; Eisen- und
Stahlproduktion verursachten große Mengen giftiger Abwässer, die
unter anderem Cyanide und Schwermetalle enthielten, und die
entstehende chemische Industrie setzte Salze, Farbstoffe sowie
neuartige und giftige organische Chemikalien frei.
Wozu dieses führte, beschreibt John R. McNeill in seinem Buch
>> Blue
Planet wie folgt: “Eine königliche Kommission fand im Jahr
1866 heraus, dass das Wasser des Flusses Calder in Nordengland eine
Tinte von akzeptabler Qualität abgibt. Zum Beweis wurde ein Teil des
Berichts mit Calderwasser geschrieben.” In Deutschland zeigt die
Geschichte der Rheinverschmutzung die Entwicklung: Noch im 18.
Jahrhundert waren im Rhein Lachse so häufig, dass Diener sich
beschwerten, weil sie zu oft Lachs essen mussten. Im 19. Jahrhundert
entstand am Mittellauf des Rheins ein Industriegebiet mit Eisen- und
Stahlproduktion, und im Gefolge aufgrund der guten Schiffbarkeit des
Flusses Chemieindustrie. Der Rhein wurde mit Schwermetallen, Salzen
und organischen Chemikalien belastet; Lachse wurden selten; der
letzte Stör wurde 1931 gefangen. Seit 1948 kamen noch Phosphor und
Stickstoff aus Waschmitteln und Kunstdüngern dazu; im Unterlauf
lebten fast keine Fische mehr – an Baden war schon längst nicht mehr
zu denken.
Beispiel Ruhrgebiet
Obgleich die Ruhr die wichtigste Trinkwasserquelle im Ruhrgebiet
(>> Wassernutzung im
Ruhrgebiet), dem am schnellsten wachsenden Ballungsgebiet im
Kaiserreich war, hinderte dies die örtlichen Industriebetriebe und
die Kommunen nicht, ihre Abwässer dort einzuleiten: eingeleitet
wurden Fäkalien, aber auch cyanhaltige Gaswaschwässer aus
Hüttenwerken, Säuren und Eisenschlamm aus Zellstoff- und
Papierfabriken und Eisenbeizereien. Noch schlimmer war aber die
Situation an der nördlich der Ruhr gelegenen Emscher. Diese hatte
kaum Gefälle, und als es in Folge des Bergbaus zu Bergsenkungen
(>> Bodenzerstörung:
Beispiel Ruhrgebiet) kam, dehnte sich die ohnehin bestehenden
Sumpfflächen aus.
Allerdings war dies kein Gewinn für die Natur, denn das Wasser war
hochgradig mit Industrieabwässern verseucht: mehr als die Hälfte des
Wassers in der Emscher bestand aus Abwasser; das Abwasser stammte zu
90 Prozent aus der Industrie. Aber auch Städte wie Oberhausen
verzichteten auf eine Reinigung ihres Abwassers, da dieses ja
ohnehin in einen völlig verdreckten Fluss geleitet wurde. Die
Typhussterblichkeit war 1887-1900 doppelt so hoch im preußischen
Durchschnitt. 1901 starben rund 500 Menschen an einer Typhusepidemie
in Gelsenkirchen, hierzu schrieb ein Hygieniker: "Ich habe die
hygienischen Verhältnisse in Neapel, Palermo und Konstantinopel
während der ... Choleraepidemien untersucht und dabei ... schlimme
sanitäre Zustände gesehen. ... aber so bedenkliche Zustände in bezug
auf Entwässerung, Abwasser und Fäkalienbeseitigung ... wie in den
von Thyphus ergriffenen Bezirken des Emschertales habe ich nirgends
gefunden" (50).
Rechtlich war es schwer, sich gegen die Verschmutzer durchzusetzen (1345). Selbst
wenn die Kläger gewannen, wurden die Urteile oft nicht umgesetzt:
Als die Gemeinde Altenessen 1897 ein Verbot der Abwassereinleitungen
der Stadt Essen in die Berne erreichte, verweigerte der
Oberbürgermeister von Essen dies mit der Begründung, dann müsse er
seine Stadt unter Abwasser setzen.
Versuche, eine gesetzliche Regelung zu finden, stießen auf
Probleme. Die Zechenbesitzer wollten eine Erlaubnis, ihre Abwässer
in Privatflüsse einleiten zu dürfen, ohne eine Entschädigung zahlen
zu müssen (wie im sächsischen Bergrecht vorgesehen), was jedoch die
preußischen Ministerien und die Großgrundbesitzer ablehnten, denen
die Entschädigungen zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden
waren. 1899 wurde eine Emschergenossenschaft
gegründet, deren Aufgaben 1904 in einem Gesetz festgelegt wurden: im
Wesentlichen sollte sie eine Ableitung des Abwasser sicherstellen,
um die wirtschaftliche Nutzung des Emscherraumes sicherzustellen.
Eine Klärung der Abwässer nach dem damaligen Stand der Technik war
dagegen nicht vorgesehen – neben den Kosten war ein Argument, dass
diese ja in den Rhein gelangten, der ebenfalls so verschmutzt war,
dass sie dort keinen Schaden anrichten würden (52).
Die Umsetzung war die 1906 beginnende Emscherregulierung:
die Emscher und ihre Zuflüsse wurden zu offenen Abwasserkanälen
umgebaut. Die im Gesetz über die Emschergenossenschaft geforderte
Reinigung der Industrieabwässer von Schlämmen, die die Ableitung des
Abwassers erschweren könnten, überließ die Genossenschaft lange der
Industrie, musste aber feststellen, dass sie kaum stattfand. Bald
klagten die Rheinfischer über die Unverkäuflichkeit von Fischen, die
bis 20 Kilometer unterhalb der Rheinmündung nach Karbol stanken:
Grund war die Einleitung von Phenolen (siehe auch >>
Bodenverschmutzung: Beispiel Ruhrgebiet) aus den Abwässern der
Teer-, Ammoniak- und Benzolgewinnung aus Kokereigas.
Phenole hatten schon an der Ruhr zu Problemen geführt, wo sie (etwa
in Essen 1925) im Trinkwasser aufgetaucht waren – weil die Chlorung
von Trinkwasser den Karbolgeruch verstärkte, wurde ein Krisentelefon
zwischen Wasserwerken und Zechen eingerichtet, damit diese kein
Phenolwasser einleiteten, wenn die Hygienesituation eine Chlorung
erforderte. Ab 1926 begann die Emschergenossenschaft daher mit
Versuchen, Phenolwasser aufzubereiten – und fand ein
gewinnbringendes Verfahren, das Phenol auszuwaschen; 1928 wurde der
Bau von 11 Anlagen beschlossen (die etwa 5.000 der damals im Jahr
produzierten 10.000 Tonnen zurückhalten sollten, für den Rest galten
die Anlagen als unwirtschaftlich). Daneben wurde, da die Industrie
nach wie vor nicht zur Reinigung ihrer Abwässer zu bewegen war, als
Notmaßnahme an Mündungen der "ganz besonders verschmutzter" Zuläufe
zur Emscher mit dem Bau von mechanischen Großkläranlagen begonnen.
Aufgrund der anfallenden Schlammmengen erwiesen sich diese aber als
kaum wirksam, so dass schließlich 1927 eine zentrale Flusskläranlage
bei Bottrop gebaut wurde. Diese hielt jährlich 250.000 Tonnen
(Trockengewicht) Schlamm zurück. Um dieser Mengen Herr zu werden,
wurden die verschiedensten Versuche angestellt – schließlich zeigte
sich, dass der getrocknete Schlamm gemahlen und als Kohlenstaub
verwertet werden konnte. Verhandlungen mit dem
Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk führten dazu, dass dieses
hierfür das 1937 in Betrieb genommene Kraftwerk Karnap baute.
Erst mit dem Wasserhaushaltsgesetz von 1957 wurde eine wirksame
rechtliche Basis geschaffen, Anforderungen an Abwassereinleitungen
festzulegen. Da die Behörden aber den Umfang vieler Einleitungen
nicht kannten und die Betriebe bei Untersagung illegaler
Einleitungen gerne mit Betriebsstilllegungen drohten, dauerte es
lange, bis die Regelungen wirksam werden. Erst die Umweltbewegung ab
Anfang der 1970er Jahre führte zum Bau wirksamer Kläranlagen; an der
Ruhr entstanden bis Anfang der 1980er Jahre 118 Kläranlagen, 75
Prozent der Abwässer wurden biologisch behandelt (und sie führte zu
einer Neufassung des Wasserhaushaltsgesetzes im Jahr 1976). An der
Emscher wurde 1976 bis 1978 ein Mündungsklärwerk
in Dinslaken gebaut, dass die Abwässer biologisch behandelte. Aber
weiter wurden große Mengen Schwermetalle wie Blei, Cadmium und Chrom
in den Rhein geleitet. In den 1990er Jahren wurde die
Abwasserreinigung auf vier zentrale Klärwerke umgestellt, dazu
gehört das erweiterte und modernisierte Mündungsklärwerk. Zum Teil
sind diese Bestandteil eines 1992 begonnen Projektes zur Renaturierung
der Emscher und ihrer Nebenflüsse, die Abwässer sollen
künftig in unterirdischen Abwasserkanälen (darunter einem zentralen
Abwasserkanal Emscher, der parallel zum Fluss verläuft)
transportiert werden.
Des Öfteren gerieten Flüsse gar in Brand. Am 22. Juni 1969 brannte
in Ohio der Cuyahoga River, und dieser Brand brachte das Fass in den
USA zum Überlaufen: 20 Millionen Menschen demonstrierten am ersten
Earth Day am 22. April 1970 gegen die Umweltverschmutzung, und 1972
verabschiedete die Regierung Nixon unter diesem Druck das Clean
Water Act, ein Gesetz zur Reinhaltung von Gewässern. In
Deutschland wurde das Wasserhaushaltsgesetz von 1957 vor allem durch
eine Novelle von 1976 zum Gewässerschutzgesetz. Auch am Rhein
brachten in den 1970er Jahren internationale Übereinkommen und der
Bau von Kläranlagen langsam Besserung; ab 1976 nahm der Fischbestand
wieder zu – 1992 wurde auch wieder ein Lachs gefangen.
In Entwicklungs- und Schwellenländern ist die industrielle
Wasserverschmutzung dank älterer Technologie und mangels
Abwasserreinigung noch weit schwerer: In China sind 80 Prozent der
großen Flüsse so belastet, dass in ihnen keine Fische mehr leben; an
den Ufern vieler Flüsse liegen “Krebsdörfer” – so genannt, weil hier
viele Menschen vorzeitig sterben (>>
Umweltverschmutzung in China). In Indien ist die Situation
kaum besser; nicht nur der heilige Ganges ist eine offene Kloake. In
Afrika droht der Viktoriasee umzukippen, in den Kenia, Tansania und
Uganda ungeklärte Haushalts- und Industrieabwässer einleiten; in den
Flüssen Senegal und Niger leben kaum noch Fische.
Einen Einfluss auf die Gewässerqualität hat auch die >>
Luftverschmutzung. So können Schwefel- und Stickstoffoxide mit
Wasser Säuren bilden, die zum Sauren Regen führen,
der Gewässer versauern ließ. Da saures Wasser zudem giftige
Aluminiumionen aus dem Böden löst, führte der Saure Regen in den USA
und Skandinavien zu fischlosen Seen; in den Wäldern führte er zur
Schädigung von Bäumen. Die Reduktion von Schwefel- und
Stickstoffemissionen führte ab den 1990er Jahren in Nordamerika und
Europa zu einer Besserung der Situation und zur Erholung der
Gewässer; in Ostasien ist das Problem nach wie vor akut und in
Südostasien von zunehmender Bedeutung.
Wasserverschmutzung durch die
Landwirtschaft
Seit den 1940er Jahren nutzte die Landwirtschaft zunehmend
Kunstdünger (>>
Industrielle Landwirtschaft): Abflüsse aus Feldern und Weiden
führten dazu, dass große Mengen an Phosphor und Stickstoff
in Gewässer gelangten. Hier ist Phosphor- und
Stickstoffmangel aber oft der begrenzende Faktor für das Wachstum
von Bakterien und Pflanzen; mit dem Eintrag wurde die Begrenzung
aufgehoben, Bakterien und Wasserpflanzen wuchsen übermäßig. Das
Problem: Wenn sie absterben, verzehrt der Zersetzungsprozess
Sauerstoff, der dann anderen Lebewesen fehlt. So kann
Nährstoffzufuhr durch Sauerstoffmangel alles Leben töten. Dieser
Eutrophierung genannte Prozess ist vor allem in Seen ein Problem, da
das Wasser hier nicht wie in den Flüssen ständig ausgetauscht wird.
Mit zunehmender Intensivierung und Spezialisierung der
Landwirtschaft gewann die Nährstoffzufuhr eine neue Dimension, da
nun tierischer Dünger immer konzentrierter anfiel
und nicht mehr unproblematisch direkt auf dem Land genutzt werden
konnte. 600 Rinder erzeugen eine organische Belastung des Abwassers
wie 1000 Menschen, aber ihr Abwasser wird in der Regel nicht durch
eine Kläranlage gereinigt. Und Stickstoff gelangte zunehmend – und
in Form des leicht löslichen, gesundheitsschädlichen Nitrats – in
das Grundwasser. In Deutschland liegen die Nitratwerte im
Grundwasser nach wie vor bei über der Hälfte der offiziellen
Überwachungsmessstellen über dem Grenzwert für Trinkwasser (50 mg/l)
(weitere Informationen >>
hier [Umweltbundesamt]); die EU-Kommission hat im Jahr 2013
ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, da
die EU-Nitratrichtlinie unzureichend umgesetzt wurde. Der intensive
Ackerbau trägt noch auf eine weitere Weise zur Wasserverschmutzung
bei: Ammoniakemissionen (global 54 Mio. t
Stickstoff jährlich) werden in der Atmosphäre zu Ammonium
umgewandelt und reichern Gewässer mit Nährstoffen an; nach der
Nitrifizierung tragen sie zur Versauerung von Gewässern bei.
Ein anderer Aspekt der Wasserverschmutzung durch die Landwirtschaft
ist das Eindringen von Pestiziden in Gewässer. In
der Landwirtschaft werden weltweit etwa 10.000 verschiedene
Pestizide verwendet. In Deutschland gilt ein Grenzwert von 0,1
Mikrogramm/l; dieser wird gelegentlich überschritten. Die am
häufigsten gefundenen Pestizide wie Atrazin oder Bromacil sind hier
inzwischen verboten – ihr Auffinden ist ein Beleg für die
Langlebigkeit dieser Verschmutzung.
Die Verschmutzung des Ozeans
Tote Zonen und giftige Algenblüten
Das Wasser aus den Flüssen, aber auch direkte Einleitungen aus
Küstenstädten und Touristenzentren, landet schließlich (zusammen mit
Stickstoff aus der Luft) im Ozean, und dieser scheint auf den ersten
Blick dank seiner enormen Wassermengen kaum zu verschmutzen zu sein.
Das dies nicht so ist, zeigen die mittlerweile über 400
toten Zonen (54),
die sich dauerhaft oder jahreszeitlich an Küsten (meist vor seichten
Flussmündungen) oder in Binnenmeeren befinden. Ursache ist die Zufuhr
von Nährstoffen. Was früher vor den Flussmündungen für
reiche Fischgründe sorgte, schlug mit der Zunahme der Bevölkerung
und vor allem seit der Einführung von Kunstdüngern wie in den Seen
(siehe oben) um: Jetzt wuchsen derart viele Algen, dass die (oft
auch noch übermäßig befischten) Austern, Muscheln und Fische diese
nicht mehr fressen konnten; und abgestorbene Algen sanken in das
Tiefenwasser und verbrauchten dort den ohnehin schon knappen
Sauerstoff: Tiere, die schwimmen können, verlassen das Gebiet;
bodenlebende Tiere wie Muscheln und Garnelen sterben ab. Die größten
toten Zonen bildeten sich in der Ostsee, der Adria und im Schwarzen
Meer, im Long Island Sound vor New York und im Golf von Mexiko
(Mississippi-Delta) und der Chesapeake Bay bei Washington.
Natürlich (wie von manchem Industrievertreter behauptet wurde) ist
daran nichts. Normal sind, vor allem in gemäßigten und polaren
Breiten, wo Winterstürme Nährstoffe aufwirbeln, Algenblüten im
Frühjahr und Frühsommer. Tote Zonen sind aber erst nach dem Zweiten
Weltkrieg aufgetreten, wie Sedimentuntersuchungen etwa im Golf
von Mexiko zeigten (56).
Im Mississippi, der 40 Prozent der zusammenhängenden 48 US-Staaten
entwässert, nahm die Sedimentfracht Anfang des 19. Jahrhunderts
zunahm, als die Prärien in Ackerland umgewandelt wurden, und Anfang
des 20. Jahrhunderts, als Dämme gebaut wurden (die die Schlammfracht
zurückhielten), wieder ab. Die Verwendung von Kunstdünger zeigt sich
an der Zahl der Diatomeen (eine Phytoplanktongruppe) im Sediment,
die ab den 1950er ansteigt – und erst danach bildete sich regelmäßig
eine erst kleine, aber ab den 1970er unübersehbar große tote Zone im
Golf von Mexiko. Heute ist sie über 20.000 Quadratkilometer
groß.
Auch die Staudämme und die durch Entnahmen zur Bewässerung
verringerte Wassermenge in vielen großen Flüssen (>> hier)
trugen zur Entstehung toter Zonen bei: die verringerte
Strömung der Flüsse kann nicht mehr dazu beitragen,
sauerstoffreichen Oberflächen- und sauerstoffarmes Tiefenwasser zu
vermischen, wie dies üblicherweise in Flussmündungen geschieht.
Mitunter muss die Nährstoffanreicherung auch nicht erst zu einer
toten Zone führen, sondern kann auch direkt gesundheitsschädlich
sein, wenn die durch Nährstoffanreicherung zunehmenden Algen giftige
Stoffe produzieren. Dies geschieht etwa bei den regelmäßigen "roten
Fluten" vor Florida, die von der Art Karenia brevis
ausgelöst werden. Diese produzieren Brevetoxine, ein Cocktail von
Nervengiften, die die wichtigste Todesursache für Manatis (eine
Seekuh-Art) sind und bei Gischt beim Menschen Halsschmerzen,
Augenreizungen und Atemwegsprobleme auslösen können. Nicht alle
Arten leiden aber unter Nährstoffanreicherung und Sauerstoffmangel:
Quallen kommen damit gut zurecht. Da durch die Überfischung Tiere
wie Dornhaie und Meeresschildkröten, die Quallen fressen, selten
geworden sind und Quallen auch eine zunehmenden Versauerung gut
ertragen können, könnten das 21. Jahrhunderte eines der Quallen
werden.
Langlebige organische Schadstoffe
Mit den Abwässern und Flüssen gelangen aber nicht nur Nährstoffe,
sondern auch gefährliche Schadstoffe in die Meere. Eine Gruppe, die
langlebigen organischen Schadstoffe (die "POPs",
nach englisch persistant organic pollutants), haben dabei
die unangenehme Eigenschaft, sich in Meeresorganismen anzureichern,
weil sie "lipophil" -fettliebend – sind und im Fettgewebe
gespeichert werden. Ein Beispiel sind die >> polychlorierten
Biphenyle (PCBs), die wie Hormone wirken und
die Entwicklung von Embryonen beeinträchtigen (solche Stoffe werden
"endokrine Disruptoren" genannt). Die Anreicherung
beginnt an der Wasseroberfläche: Die oberste, durch die
Oberflächenspannung stabilisierte Schicht der Meere ist reich an
Fetten und Fettsäuren, und daher leben hier auch viele
Mikroorganismen, Fischeier und Fischlarven. Und hier sammeln sich
auch die fettliebenden POPs an, und gelangen über das Futter in die
Jungfische. Am Ende der Nahrungskette ist die Konzentration dann
hoch gesundheitsschädlich. Bei einer Delhphinart, den Großen
Tümmlern, konnte schon gezeigt werden, dass in der Sarasota-Bay in
Florida der PCB-Gehalt in der Muttermilch die Jungtiere gefährdet (58).
Ein anderes Beispiel ist Tributylzinn (TBT), das
bis 2008 in Unterwasser-Schutzfarben für Schiffe verwendet wurde –
wo es den Bewuchs der Schiffsrümpfe mit Algen, Seepocken und
Muscheln verhindert, die den Wasserwiderstand vergrößern. TBT wirkt
auf Meeresschnecken wie ein Hormon, und beeinträchtigt die
Fortpflanzungsorgane der Schnecken so stark, dass die Tiere
unfruchtbar werden. Unfruchtbare Schnecken findet man mittlerweile
weltweit, vor allem in Häfen und an Meeresstraßen, über 100 Arten
von Meeresschnecken sind vom Aussterben bedroht. Auch wenn der
Einsatz von PCBs deutlich eingeschränkt und der von TBT verboten
wurde – die Ersatzstoffe sind nicht immer besser: bromierte
Flammschutzmittel beispielsweise, die in Möbeln,
Elektronikgeräten und Kunstfaserkleidung eingesetzt werden, stehen
ebenfalls in Verdacht, endokrine Disruptoren zu sein. Auch die
Konzentration an chlorierten Kohlenwasserstoffen im Fettgewebe vor
allem subtropischer und tropischer Meerestiere nimmt nach wie vor
zu.
Schwermetalle
Zu den Schadstoffen, die über Flüsse und Luft in die Ozeane
eingetragen werden, gehören auch Schwermetalle.
Besonders kritisch ist Quecksilber, das zu großen
Teil aus den Emissionen von Kohlekraftwerken stammt – und dessen
Gehalt mit dem Boom der Kohle vor allem in Asien wieder ansteigt.
Besonders sind große Raubfische am Ende der Nahrungskette wie
Schwert- und Thunfische betroffen; in den USA stammen 40 Prozent des
Quecksilbergehalts im menschlichen Körper aus Thunfisch. Dort rät
die Lebensmittelbehörde Schwangeren und Frauen im gebärfähigen Alter
mittlerweile, den Verzehr von fettem Fisch einzuschränken. Der
schwerwiegendste Fall von Meeresverschmutzung durch Quecksilber
ereignete sich in der Bucht von Minamata in Japan (siehe Kasten).
Die
Umweltkatastrophe in der Minamata-Bucht
Nachdem in den 1950er Jahren in der japanischen Stadt Minamata die
Katzen irrsinnig wurden und wie betrunken tanzten, bevor sie
schließlich starben, traten hier im Jahr 1956 erste Hirnschäden bei
Kindern auf. Im Herbst identifizierten Forscher den hohen
Quecksilber-Gehalt der Fische aus der Bucht von Minamata als Ursache
der Krankheit. Als Ursache wurden sofort quecksilberhaltige Abwässer
aus der Acetaldehyd-Produktion der ortsansässigen Firma Chisso
vermutet. Diese stritt zunächst jeden Zusammenhang ab. Als die
Fischer von Minamata 1959 mehrfach die Fabrik besetzten, wurde der
Fall landesweit bekannt. Aber erst nach langen Jahren, und nachdem
der Fall durch den Fotografen W. Eugene Smith dokumentiert und 1972
durch sein Buch “A warning to the world ... Minamata”
weltweit bekannt gemacht wurde, gab es 1973 ein Gerichtsurteil, nach
dem der Konzern 100 Millionen US-Dollar Schadenersatz an die Opfer
zahlen musste. 1984 wurde die Bucht über 14 Jahre und für insgesamt
400 Millionen US-Dollar ausgebaggert, um die Verschmutzung zu
beseitigen. Nach heutigen Kenntnissen starben in der Region Minamata
etwa 3.000 Menschen an dieser Quecksilber-Vergiftung.
Eine zweite Masservergiftung an Quecksilber ereignete
sich 1964 am Fluss Agano in der Präfektur Niigata auf, Ursache war
der gleiche Produktionsprozess. Beide Ereignisse gehören heute zu
den “Vier großen Umweltvergiftungen” der japanischen Geschichte.
Die Schadstoffe in den Meeren stammen zum größten Teil aus
Abwassereinleitungen an den Küsten und aus Flüssen und konzentrieren
sich rund um Flussmündungen und Häfen; dazu kommen die Abfälle, die
aus Bohrinseln und von Schiffen ins Meer geworfen werden. Noch
schlimmeres wurde verhindert, da die nach dem zweiten Weltkrieg
beginnende “Verklappung” (Einbringen) von Abfällen
in die Meere inzwischen weitgehend illegal ist. Sie wurde vor allem
für flüssige Industrieabfälle (Dünnsäure aus der Herstellung von
Titandioxid, aber auch Klärschlämme) und radioaktive Abfälle
praktiziert. Aber eine großflächige Verschmutzung der Meere haben
wir dennoch hinbekommen: Verursacher sind die Kunststoffe, von denen
wir heute jedes Jahr 300 Millionen Tonnen produzieren – und ein
Drittel davon zu Wegwerfverpackungen verarbeiten.
Plastikmüll an einem Strand am Roten Meer. Foto:
Vberger, aus >>
wikipedia commons (abgerufen 12.78.2014), public domain.
Plastikmüll
Schon Thor Heyerdahl berichtete, wie er bei seiner
Atlantiküberquerung im Jahr 1970 immer wieder auf treibenden Plastikmüll
stieß. Dieser macht heute auch einen großen Anteil des Treibguts
aus, der die Strände der Erde säumt (wenn sie nicht morgens, bevor
die Touristen kommen, gesäubert werden – regelmäßige
Strandsäuberungen sind für Urlaubsorte heute ein Muss). Aber vor
allem sammelt er sich in riesigen Müllflecken in
den Ozeanen. Dass der Plastikmüll sich hier sammelt, liegt an der
>>
Oberflächenzirkulation der Meere im Zusammenspiel mit dem
>> Wind: Im Zentrum der Meere
entstehen riesige, als Meereswirbel bezeichnete
kreisförmige Strömungen. Den Seeleuten ist seit langem bekannt, dass
sich in ihrem Zentrum schwimmende Gegenstände ansammeln: so sammelt
sich im atlantischen Wirbel derartig viel Seetang der Gattung Sargassum,
dass er als Sargassosee bekannt wurde. Heute liegen in diesen
Wirbeln die großen Müllflecken der Weltmeere. Die Wirbel rotieren
unterschiedlich schnell – die Umlaufzeiten reichen von gut drei bis
13 Jahre – und bei jedem Umlauf, so wird geschätzt, gelangt etwa die
Hälfte des Plastikmülls an den Rand des Wirbels (und findet im Laufe
der Zeit seinen Weg an die Küste).
Die Lage der Müllflecken im Ozean.
Eigene Abbildung nach Schaubild 4 in >> Roberts
2013 (und dort nach Curtis Ebbesmeyer).
Mageninhalte eines toten Albatross-Jungen,
aufgenommen im Midway Atoll National Wildlife Refuge im
Pazifik Foto: Chris Jordan, US Fish and Wildlife Service, aus
>>
wikipedia commons (abgerufen 12.78.2014), Lizenz: >> cc 2.0.
Das größte Problem dieser Müllflecken: Meerestiere kennen kein
Plastik und halten es für Nahrung. Meeresschildkröten etwa halten
Plastiktüten offenbar für Quallen: in verendeten Meeresschildkröten
hat man schon zweieinhalb Kilo Plastiktüten gefunden; im Körper
verendeter Jungalbatrosse wurden über 500 Kunststoffstückchen
gefunden. Selbst Pottwale sind schon an Plastikverstopfung
gestorben. In den Müllflecken finden sich aber nicht nur große
Plastikteile, sondern auch viele kleine Teilchen:
zum Teil ist dieses Kunststoffgranulat, das bei Unfällen verloren
ging, zum (vermutlich größeren) Teil das Produkt der Zersetzung von
Kunststoffen, oder auch Produkt – die Kosmetikindustrie setzt zum
Beispiel Hautcremes als Peeling kleine Kunststoffteilchen zu, die so
klein sind, dass sie in Kläranlagen nicht ausgefiltert werden. An
solche Teilchen lagern sich die Schadstoffe in der
Oberflächenschicht an, und da in den Meereswirbeln heute ein Drittel
aller planktonfressenden Fische Kunststoffteilchen im Darm hat,
gelangen sie damit in besonders konzentrierter Form in die
Nahrungskette – noch weiß man wenig darüber, wie und in welchem
Ausmaß sie vom Kunststoff in die Tiere übergehen.
Erdöl
Schlagzeilen machen auch immer noch Ölunfälle: Sterbende, verölte
Vögel und andere Tiere erregen die Aufmerksamkeit der
Öffentlichkeit. Mit zunehmendem Ölverbrauch und den an wenigen Orten
konzentrierten Erdölvorkommen (>> mehr)
nehmen die Transporte und damit die Unfallgefahren zu (siehe
Kasten). Aber Tankerunfälle sind nur für etwa fünf Prozent des Öls
verantwortlich, die ins Meer gelangen: 10 Prozent kommen aus
natürlichen Quellen, der Rest wird aus Pipelines, Bohrinseln,
Schiffen, zum größten Teil (in den USA rund zwei Drittel der
Gesamtmenge) aber aus Flüssen ins Meer gespült. Dieses Öl sieht man
jedoch kaum, da es sich nicht an der Wasseroberfläche sammelt;
Folgen für die Meeresorganismen hat es trotzdem – Öl enthält sehr
giftige “polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe” (PAKs). Im
Unterschied zu vielen anderen Schadstoffen kommt Öl aber auch in der
Natur vor, und es gibt Organismen, die Öl abbauen, was seine
Schädlichkeit etwas mindert.
Schwarzer Tod – Ölunfälle und ihre Folgen
Torrey Canyon, 1961: Der für BP fahrende Tanker
lief vor der Küste von Cornwall aufgrund eines Navigationsfehlers
auf ein Riff; 100.000 Tonnen Rohöl liefen aus und verschmutzten 190
km englische und 80 km französische Küste.
Amoco Cadiz, 1978: Der für Amoco Oil fahrende
Tanker rammte nach einem Ausfall der Ruderanlage einen Felsen vor
der Bretagne; 223.000 Tonnen Rohöl verschmutzten 150 km Küste.
Exxon Valdez, 1989: Der für ExxonMobil fahrende
Tanker rammte ein Riff vor Alaska, während sein Kapitän betrunken in
der Kabine lag. 40.000 Tonnen Rohöl liefen aus und verschmutzten
über 2.000 Kilometer Küste in einem besonders empfindlichen
Ökosystem (>> mehr).
Sea Empress, 1996: Der unter liberianischer Flagge
fahrende Tanker lief aufgrund eines Lotsenfehlers in Südwales bei
der Hafeneinfahrt auf einen Felsen; 72.000 Tonnen Rohöl liefen aus
und verschmutzten 200 Kilometer Küste, die überwiegend zum
Pembrokeshire Coast Nationalpark gehören (offizieller
Untersuchungsbericht über die Folgen >>
hier).
Erika, 1999: Der Tanker zerbrach vor der Bretagne
bei Windstärke 10 und 14 Meter hohen Wellen und sank; dabei verlor
er 17.000 Tonnen Öl. Der Auftraggeber TotalFinaElf, der Eigentümer
und die Klassifikationsgesellschaft wurden zu einer Strafe und
Schadensersatz verurteilt, da sie wussten, dass das Schiff nicht
hochseetauglich war. In der Folge wurde von der EU die Nutzung
einhülliger Tanker bis spätestens 2015 verboten.
Prestige, 2002: Der auf den Bahamas registrierte
Tanker havarierte vor der Küste Galiziens (Nordwestspanien) und
zerbrach; 64.000 Tonnen Öl verschmutzten 2.900 Kilometer Küste in
Spanien und Frankreich, 250.000 Seevögel starben. Verurteilt wurden
der Kapitän, der von strukturellen Schwächen des Schiffes wusste
und es außerdem überladen hatte, sowie der Schiffseigner Mare
Shipping und dessen Versicherung P&I Club.
Deepwater Horizon, 2010: Im April 2010 explodierte
im Golf von Mexiko nach einem unkontrollierten Gasaustritt am
Bohrloch die von BP betriebene Ölbohrinsel Deepwater Horizon. 11
Mitarbeiter starben, auch Löschboote konnten den Brand nicht
stoppen, so dass die Bohrinsel zwei Tage später unterging. Dabei
brach die Rohrleitung, die Ölquelle
April 2010: Die Ölplattform
Deepwater Horizon brennt im Golf von Mexiko, 670.000
Tonnen Öl gelangten daraufhin ins Wasser. Foto: US-Küstenwache.
und Bohrinsel verband. Der »Blowout-Preventer«, eine
Sicherheitseinrichtung, die ein unkontrolliertes Austreten von
Erdgas und/oder Erdöl eigentlich verhindern soll, versagte, und das
Erdöl konnte fast drei Monate lang ungehindert ausströmen. Bis es BP
gelang, den Ölaustritt zu stoppen, wurden nach Schätzungen der
US-Regierung 4,9 Mio. Barrel Öl freigesetzt.
Auch Gegenmaßnahmen wie das Abbrennen des Öls an der
Wasseroberfläche oder der Einsatz von Chemikalien, die das Öl
zersetzen sollten, so dass es leichter von Bakterien aufgenommen
werden kann (und auch weniger sichtbar ist …) konnten nicht
verhindern, dass erhebliche Ölmengen die Küste erreichten, darunter
das Flussdelta des Mississippi und die Sumpfküste von Louisiana. Im
Golf von Mexiko starben rund 25.000 Meeressäuger, 6.000 Schildkröten
und 82.000 Seevögel. Die anschließende Unfalluntersuchung zeigte als
Hauptursache ein Versagen des Sicherheits- und Notfallmanagements:
Da die Bohrung hinter dem Zeitplan zurücklag, wurden aus
Kostengründen zentrale Prüfungen wie der Test der Zementschicht, die
das Bohrloch eigentlich bis zum Beginn der Förderung abschließen
sollte, nicht ausgeführt; zudem waren zahlreiche Fehlermöglichkeiten
am (eigentlich als "ausfallsicher" geltenden) Blowout-Preventer
bekannt, der zudem nicht mit den technischen Zeichnungen
übereinstimmte. Außerdem gab es keine spezifischen Notfallpläne für
den Fall eines solchen unkontrollierten Austritts – dieser wurde
schlicht für unmöglich erklärt. BP wurde 2014 von einem US-Gericht
als Hauptschuldiger verurteilt; der Oberste Gerichtshof lehnte eine
Berufung von BP gegen die Kostenübernahme ab; die Gesamtkosten für
BP werden auf rund 40 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die
langfristigen ökologischen Folgen etwa der auf den Meeresboden
abgesunkenen Abbauprodukte einschließlich der giftigen Chemikalien
und der Schwermetalle aus dem Bohrschlamm werden aber kaum genau
bestimmt werden können, da der Zustand vieler Tier- und
Pflanzenarten vor dem Unglück gar nicht genau erfasst wurde und
daher nicht bekannt ist.
Mehr:
>> DER
SPIEGEL online zur Ölpest im Golf von Mexiko
>>
National Geographic Society: Gulf Oil Spill (englischsprachig)
>>
DIE ZEIT über den Einsatz von Correxit im Golf von Mexiko
Da die Ölförderung sind zunehmend in die Tiefsee verlagert, sind
verbindliche internationale Sicherheitsregeln dringend notwendig.
Bisher, das hat Deepwater Horizon gezeigt, hinken unsere
Fähigkeiten, eine Katastrophe zu verhindern, wenn etwa schiefgeht,
deutlich hinter den Fördermöglichkeiten her. Um die Motivation für
mehr Sicherheit zu erhöhen, fordert beispielsweise die >> Global Ocean Commission auch, dass
Verursacher für Schäden an der Meeresumwelt haften.
Wenn Tankerunfälle nur einen kleinen – wenn auch spektakulären –
Anteil an der Ölverschmutzung der Ozeane haben, so stellt der Schiffsverkehr
auch in anderen Punkten eine Belastung dar. Zum einen verbrennen die
meisten Schiffe Schweröl mit hohem Schwefelanteil
zum Antrieb – eine Art Sondermüllverbrennung auf See. Schiffe
verursachen heute in Europa etwa die Hälfte aller Schwefelemissionen
insgesamt! (Übrigens auch im Hafen, wo die Motoren zur
Stromversorgung weiterlaufen.)
Lärm
Schall breitet sich unter Wasser schneller und viel weiter aus als
an Land; und weil in manchen Gebieten – etwa vor Flussmündungen mit
hoher Sedimentfracht – und in der Tiefe eine Orientierung mit den
Augen schlecht möglich ist, hat Schall unter Wasser eine
ganz andere Bedeutung als Land: Manche Wale etwa finden
ihre Beute mit Echoortung; andere Wale können mit Lauten über
Hunderte oder sogar Tausende von Kilometern miteinander
kommunizieren. Welche Auswirkungen der vom Menschen verursachte Lärm
auf die Welt unter Wasser hat, weiß niemand so genau. Aber nach
Tests von militärischen Sonarsystemen sind mehrmals Wale mit allen
Anzeichen von Dekompressionskrankheit gestrandet und verendet; die
über 50.000 Schiffe, die achtzig Prozent des internationalen
Warenverkehrs über die Meere transportieren, verringern mit ihrem
Lärm die Fähigkeit von Walen, sich zu verständigen erheblich (die
Geräusche von Finnwalen beispielsweise werden schon ab 10 Kilometer
Entfernung übertönt). Manche Forscher vermuten, dass manche Wale
sich auch nach dem Ende des >> Walfangs
kaum erholen, weil Männchen und Weibchen aufgrund des Lärms in den
Meeren kaum noch zusammenfinden. In Aquarien gehaltene Fische
reagieren – wie Menschen – auf Lärm mit erhöhter Cortisolproduktion
– ein Zeichen für Stress.
Eingeschleppte Arten
Wie an Land, stellen auch im Meer >>
eingeschleppte Arten mitunter eine Bedrohung dar. Die meisten
Arten werden mit dem Ballastwasser von Schiffen verschleppt.
Zwar sterben die meisten so verschleppten Arten am Zielort ab,
manche richten aber großen Schaden an: So wurde mit Ballastwasser
die amerikanische Rippenqualle Mnemiopsis ins Schwarze
Meer eingeschleppt und hat Milliardenschäden angerichtet; an der
Ostsee verursacht der aus Asien stammende Schiffsbohrwurm jedes Jahr
Schäden in Millionenhöhe. In der Karibik hat sich der (wohl von
Aquarianern im Süden Floridas freigelassene) Pazifische
Rotfeuerfisch explosionsartig vermehrt und richtet unter den
Rifffischen Verwüstungen an; im Mittelmeer überwuchert die aus dem
Südwesten Australiens stammende Seetangart Caulerpa racemosa
Seegraswiesen, Schwämme und heimische Seetangarten, die wesentlich
reicher an Fisch-, Krebstier-, Seestern-, Seeigel- und anderen Arten
sind.
Begünstigt werden solche eingeschleppten Arten vermutlich von der
Schwächung ursprünglicher Ökosysteme durch Verschmutzung und
Überfischung; artenarme Ökosysteme scheinen deutlich empfindlicher
zu sein als artenreiche. Rückgängig machen lässt sich eine solche
"biologische Umweltverschmutzung" kaum (selbst an Land ist dies nur
mit sehr großem Aufwand möglich, wie etwa der Versuch gezeigt hat,
eingeschleppte Ratten auf Inseln zu bekämpfen); Vorbeugung ist daher
der besten Schutz. So könnte etwa das Problem der Verschleppung von
Arten im Ballastwasser mit Hilfe der Abwärme der Motoren oder mit
UV-Licht leicht gelöst werden. In den USA, Australien und Neuseeland
ist zumindest schon vorgeschrieben, dass das Ballastwasser auf hoher
See, wo es weniger Schaden anrichtet, und nicht mehr in Küstennähe
gewechselt wird.
Die größte Beeinträchtigung des >> Lebensraums
Ozean stellt heute jedoch die >> Überfischung
dar – und auch der Klimawandel droht dem Ozean.
Die Ozeane und der Klimawandel
Die Ozeane werden wärmer
In jüngster Zeit kommen die Folgen des >>
Klimawandels zu diesen Belastungen hinzu. Wie die Atmosphäre,
so werden auch die Ozeane wärmer, aufgrund der Trägheit der riesigen
Wassermengen jedoch bisher etwas langsamer als die Luft – die
Erwärmung beträgt 0,6 Grad Celsius an der Meeresoberfläche
(im Vergleich zu 0,9 Grad Celsius der Luft). In Teilen des
Polarmeeres liegt die Erhöhung der Oberflächentemperatur jedoch bei
3 Grad Celsius. Diese Temperaturerhöhung führt zum einen zu einer Erhöhung
des Meeresspiegels (wärmer werdendes Wasser dehnt sich
aus) und einer Stabilisierung der Trennung und damit Verringerung
des Austausches von warmem Oberflächen- und kaltem (dichteren)
Tiefenwasser.
Der Anstieg des Wassertemperatur führt zu Verschiebung
– oder, wenn die Arten sich nicht schnell genug anpassen können, zur
Vernichtung – von Lebensräumen. So kommen in der
Nordsee Warmwasserarten wie der Wolfsbarsch häufiger vor, während
sich etwa der Dorsch nach Norden zurückgezogen hat. Arten und
Lebensgemeinschaften, die sich der Temperaturänderung nicht einfach
durch Wanderung anpassen können, wie die besonders artenreichen Kaltwasser-
und tropischen Korallenriffe, sind durch die
Erwärmung des Wasser in besonderem Maß gefährdet (mehr dazu >>
hier und
hier). Auch die Stabilisierung der Schichtung des Meerwasser
hat Folgen: Mit dem verringerten Wasseraustausch gelangt weniger
Sauerstoff in die Tiefe und gelangen weniger Nährstoffe an die
Oberfläche. Wenn weniger Sauerstoff in die Tiefe gelangt, bedeutet
dies, dass der Abbau von abgestorbenen Organismen aus der
produktiven, lichtdurchfluteten Oberfläche stärker als ohnehin schon
an den Sauerstoffvorräten zehrt, und lebensfeindliche,
sauerstoffarme Zonen sich ausdehnen.
Eine weitere mögliche Folge der Temperaturerhöhung des Meerwassers
ist die Freisetzung des Treibhausgases Methan
durch die Zersetzung des dort reichlich vorhandenen Methanhydrats
(Methanhydrat ist eine Mischung aus Methan und Wasser, die unter
hohem Druck und bei niedrigen Temperaturen entsteht; im Meer kommt
es in Mengen vor, deren Kohlenstoffgehalt in etwa dem der weltweiten
Kohlevorräte entspricht. Wird das Wasser in der Tiefe
wärmer, geht ein Teil des Methans in den gasförmigen Zustand über
und entweicht zum Teil in die Atmosphäre.)
Die Ozeane werden saurer
Infolge der höheren Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre
nimmt auch die Kohlendioxid-Konzentration im Oberflächenwasser der
Ozeane zu – seit Beginn der Industriellen Revolution haben die
Weltmeere 568 Milliarden Tonnen vom Menschen freigesetztes
Kohlendioxid aufgenommen (>> hier).
In Wasser bildet Kohlendioxid Kohlensäure, und Kohlensäure reagiert
mit Carbonat-Ionen im Wasser (206).
Die aber brauchen viele Planktonarten und andere Meeresorganismen
wie Austern, Muscheln, Krebstiere, Seeigel und Steinkorallen, um
ihre aus Calciumcarbonat bestehenden Gehäuse
Säuregrad (pH-Wert) des Weltmeeres
über die vergangenen 24 Millionen Jahre
und Hochrechnung bis zum Jahr 2100. (Der pH-Wert ist eine
logarithmische Einheit,
d.h. eine Verringerung um den Wert 1 bedeutet einen 10-mal höheren
Säuregehalt;
eine Verringerung um 0,1 einen rund 30 Prozent höheren Säuregehalt.)
Abbildung
aus Synthesis Report Climate Change: Global Risks, Challenges
& Decisions.
Copenhagen 2009, 10-12 March, eigene Übersetzung.
oder die riffbildenden Kalkskelette auszubilden. Die Folgen für die
Biologie der Meere werden noch erforscht, aber neben einer Abnahme
der Artenvielfalt – durch die Versauerung sind beispielsweise die
ohnehin durch die Erwärmung des Wassers gefährdeten
Korallenriffe zusätzlich gefährdet – könnte auch die
Produktivität der Meere zurückgehen, weil die Planktonarten,
die insbesondere in den Polarmeeren die Grundlage des Nahrungsnetzes
in den Meeren bilden, geschädigt werden. Dazu kommt, dass die
Versauerung auch die Aufnahme von Nährstoffen erschwert: Eisen zum
Beispiel – ohnehin im Meer oftmals der begrenzende Faktor für das
Wachstum von Phytoplankton – wird bei höherem
Säuregehalt weniger leicht aufgenommen. Mittelfristig könnte
zudem ein Rückgang der Kapazität der Meere, Kohlendioxid
aufzunehmen, die Folge sein: Die Bildung von Calciumcarbonat ist
nämlich einer der Wege der Natur, Kohlendioxid aus dem >> Kohlenstoffkreislauf zu
entfernen – abgestorbene Organismen sinken auf den Boden herab und
werden dort zu Sediment. Wird weniger Calciumcarbonat gebildet, wird
weniger Kohlendioxid gebunden und aus dem Kreislauf entfernt.
Empfehlenswerte Websites zum Thema
Eine aktuelle Übersichtskarte über die Beeinträchtigung der
Weltmeere haben im Februar 2008 der amerikanische Meeresforscher
Benjamin Halpern und Kollegen in der Wissenschaftszeitschrift Science
veröffentlicht – >>
Bericht auf spiegel online.
Siehe zum Thema auch:
>> Der Bericht der Global Ocean
Commission 2014
>> Die Plünderung der Weltmeere
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