Das Zeitalter der Industrie

"Das Wasser ergibt eine akzeptable Tinte..."

Eine kleine Geschichte der Wasserverschmutzung

Die auf der vorigen Seite dargestellte >> Wassernutzung verbraucht nur einen Teil des Wasser, ein anderer Teil wird mehr oder weniger verschmutzt wieder in den Wasserkreislauf zurückgeleitet. Und Wasser diente immer schon auch dazu, Abfälle wegzuspülen. Solange die Zahl der Menschen gering und die eingebrachten Stoffe biologisch abbaubar waren, war dieses auch kein Problem; mit steigender Bevölkerung und später mit großen Mengen gefährlicher Stoffe durch die Industrielle Revolution änderte sich dieses jedoch.

Foto, dass die Wasserverschmutzung in der Bucht von Maracaibo zeigt

Wasserverschmutzung in der Bucht von Maracaibo (Venezuela): Eintrag von Nährstoffen in Gewässer kann zu übermäßigen Wachstum von Algen und anderen Wasserpflanzen (hier: Lemna minor) führen. Foto: Wilfredo R. Rodriguez H., aus wikipedia commons, abgerufen 17.7.2009. Lizenz: >> GNU FDL 1.2.

Wasserverschmutzung in den Städten

Die bereits in den vorindustriellen Städten erhebliche Wasserverschmutzung (>> mehr) verschlimmerte sich mit der wachsenden Bevölkerungsdichte noch einmal. Mit verbesserter Wasserversorgung und Einführung von Toiletten mit Wasserspülung wurde zwar die Situation auf den Gassen besser, nicht aber die der Flüsse. 1858 musste eine Sitzung des britischen Unterhauses abgebrochen werden, da der Gestank der Themse unerträglich war! Da immer noch ein Teil des Trinkwassers aus diesen Flüssen gewonnen wurde, kam es immer wieder zu großen Typhus- und (in Europa seit 1830) auch Choleraepidemien; 1892 starben alleine in Hamburg 8.600 Menschen bei der letzten großen Choleraepidemie.

Zu dieser Zeit waren aber die Übertragungswege (Salmonellen bzw. Bakterien im Abwasser) bereits bekannt, und daher begannen nun die ersten großen Städte in den reichen Ländern mit der Aufbereitung (Filterung und ab 1910 Chlorierung) von Trinkwasser und mit dem Bau von Abwassersystemen, so etwa London und Paris. In den 1920er und 1930er Jahren begannen die ersten Städte mit dem Bau von Kläranlagen. Zwar dauerte es, bis diese die meisten Häuser erfassten (in Paris gelangte noch in den 1960er Jahren die Hälfte des Abwassers ungereinigt in die Seine), aber inzwischen wird das Abwasser der meisten großen Städte in den reichen Ländern aufwändig gereinigt. Anders ist aber die Situation in den armen Ländern. In Manila, der Hauptstadt der Philippinen, sind 9 von 10 Häusern nicht an das Abwassersystem angeschlossen, unbehandeltes Abwasser macht 70 Prozent des Wassers des in die Manilabucht mündenden Flusses Pasig aus. Auch in China wird das Abwasser von 90 Prozent der Stadtbevölkerung nicht gereinigt. Weltweit verfügt die Hälfte der Stadtbevölkerung über keine Abwasserreinigung.

Wasserverschmutzung durch die Industrie

Aber während die biologische Gewässerbelastung durch eine große Zahl von Menschen in den Industrieländern einer Lösung entgegenging, entstand hier ein neues Problem: Mit der >> Industriellen Revolution entstanden zunehmend schwer abbaubare, giftige Abwässer. Die Abwässer aus den Eisen- und anderen Bergwerken konnte durch hohen Schwefelgehalt des Erzes sehr sauer sein sowie Eisen- und Schwermetalle enthalten; Eisen- und Stahlproduktion verursachten große Mengen giftiger Abwässer, die unter anderem Cyanide und Schwermetalle enthielten, und die entstehende chemische Industrie setzte Salze, Farbstoffe sowie neuartige und giftige organische Chemikalien frei.

Wozu dieses führte, beschreibt John R. McNeill in seinem Buch >> Blue Planet wie folgt: “Eine königliche Kommission fand im Jahr 1866 heraus, dass das Wasser des Flusses Calder in Nordengland eine Tinte von akzeptabler Qualität abgibt. Zum Beweis wurde ein Teil des Berichts mit Calderwasser geschrieben.” In Deutschland zeigt die Geschichte der Rheinverschmutzung die Entwicklung: Noch im 18. Jahrhundert waren im Rhein Lachse so häufig, dass Diener sich beschwerten, weil sie zu oft Lachs essen mussten. Im 19. Jahrhundert entstand am Mittellauf des Rheins ein Industriegebiet mit Eisen- und Stahlproduktion, und im Gefolge aufgrund der guten Schiffbarkeit des Flusses Chemieindustrie. Der Rhein wurde mit Schwermetallen, Salzen und organischen Chemikalien belastet; Lachse wurden selten; der letzte Stör wurde 1931 gefangen. Seit 1948 kamen noch Phosphor und Stickstoff aus Waschmitteln und Kunstdüngern dazu; im Unterlauf lebten fast keine Fische mehr – an Baden war schon längst nicht mehr zu denken.

Beispiel Ruhrgebiet

Obgleich die Ruhr die wichtigste Trinkwasserquelle im Ruhrgebiet (>> Wassernutzung im Ruhrgebiet), dem am schnellsten wachsenden Ballungsgebiet im Kaiserreich war, hinderte dies die örtlichen Industriebetriebe und die Kommunen nicht, ihre Abwässer dort einzuleiten: eingeleitet wurden Fäkalien, aber auch cyanhaltige Gaswaschwässer aus Hüttenwerken, Säuren und Eisenschlamm aus Zellstoff- und Papierfabriken und Eisenbeizereien. Noch schlimmer war aber die Situation an der nördlich der Ruhr gelegenen Emscher. Diese hatte kaum Gefälle, und als es in Folge des Bergbaus zu Bergsenkungen (>> Bodenzerstörung: Beispiel Ruhrgebiet) kam, dehnte sich die ohnehin bestehenden Sumpfflächen aus.

Allerdings war dies kein Gewinn für die Natur, denn das Wasser war hochgradig mit Industrieabwässern verseucht: mehr als die Hälfte des Wassers in der Emscher bestand aus Abwasser; das Abwasser stammte zu 90 Prozent aus der Industrie. Aber auch Städte wie Oberhausen verzichteten auf eine Reinigung ihres Abwassers, da dieses ja ohnehin in einen völlig verdreckten Fluss geleitet wurde. Die Typhussterblichkeit war 1887-1900 doppelt so hoch im preußischen Durchschnitt. 1901 starben rund 500 Menschen an einer Typhusepidemie in Gelsenkirchen, hierzu schrieb ein Hygieniker: "Ich habe die hygienischen Verhältnisse in Neapel, Palermo und Konstantinopel während der ... Choleraepidemien untersucht und dabei ... schlimme sanitäre Zustände gesehen. ... aber so bedenkliche Zustände in bezug auf Entwässerung, Abwasser und Fäkalienbeseitigung ... wie in den von Thyphus ergriffenen Bezirken des Emschertales habe ich nirgends gefunden" (50). Rechtlich war es schwer, sich gegen die Verschmutzer durchzusetzen (1345). Selbst wenn die Kläger gewannen, wurden die Urteile oft nicht umgesetzt: Als die Gemeinde Altenessen 1897 ein Verbot der Abwassereinleitungen der Stadt Essen in die Berne erreichte, verweigerte der Oberbürgermeister von Essen dies mit der Begründung, dann müsse er seine Stadt unter Abwasser setzen.

Versuche, eine gesetzliche Regelung zu finden, stießen auf Probleme. Die Zechenbesitzer wollten eine Erlaubnis, ihre Abwässer in Privatflüsse einleiten zu dürfen, ohne eine Entschädigung zahlen zu müssen (wie im sächsischen Bergrecht vorgesehen), was jedoch die preußischen Ministerien und die Großgrundbesitzer ablehnten, denen die Entschädigungen zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden waren. 1899 wurde eine Emschergenossenschaft gegründet, deren Aufgaben 1904 in einem Gesetz festgelegt wurden: im Wesentlichen sollte sie eine Ableitung des Abwasser sicherstellen, um die wirtschaftliche Nutzung des Emscherraumes sicherzustellen. Eine Klärung der Abwässer nach dem damaligen Stand der Technik war dagegen nicht vorgesehen – neben den Kosten war ein Argument, dass diese ja in den Rhein gelangten, der ebenfalls so verschmutzt war, dass sie dort keinen Schaden anrichten würden (52). Die Umsetzung war die 1906 beginnende Emscherregulierung: die Emscher und ihre Zuflüsse wurden zu offenen Abwasserkanälen umgebaut. Die im Gesetz über die Emschergenossenschaft geforderte Reinigung der Industrieabwässer von Schlämmen, die die Ableitung des Abwassers erschweren könnten, überließ die Genossenschaft lange der Industrie, musste aber feststellen, dass sie kaum stattfand. Bald klagten die Rheinfischer über die Unverkäuflichkeit von Fischen, die bis 20 Kilometer unterhalb der Rheinmündung nach Karbol stanken: Grund war die Einleitung von Phenolen (siehe auch >> Bodenverschmutzung: Beispiel Ruhrgebiet) aus den Abwässern der Teer-, Ammoniak- und Benzolgewinnung aus Kokereigas.

Phenole hatten schon an der Ruhr zu Problemen geführt, wo sie (etwa in Essen 1925) im Trinkwasser aufgetaucht waren – weil die Chlorung von Trinkwasser den Karbolgeruch verstärkte, wurde ein Krisentelefon zwischen Wasserwerken und Zechen eingerichtet, damit diese kein Phenolwasser einleiteten, wenn die Hygienesituation eine Chlorung erforderte. Ab 1926 begann die Emschergenossenschaft daher mit Versuchen, Phenolwasser aufzubereiten – und fand ein gewinnbringendes Verfahren, das Phenol auszuwaschen; 1928 wurde der Bau von 11 Anlagen beschlossen (die etwa 5.000 der damals im Jahr produzierten 10.000 Tonnen zurückhalten sollten, für den Rest galten die Anlagen als unwirtschaftlich). Daneben wurde, da die Industrie nach wie vor nicht zur Reinigung ihrer Abwässer zu bewegen war, als Notmaßnahme an Mündungen der "ganz besonders verschmutzter" Zuläufe zur Emscher mit dem Bau von mechanischen Großkläranlagen begonnen. Aufgrund der anfallenden Schlammmengen erwiesen sich diese aber als kaum wirksam, so dass schließlich 1927 eine zentrale Flusskläranlage bei Bottrop gebaut wurde. Diese hielt jährlich 250.000 Tonnen (Trockengewicht) Schlamm zurück. Um dieser Mengen Herr zu werden, wurden die verschiedensten Versuche angestellt – schließlich zeigte sich, dass der getrocknete Schlamm gemahlen und als Kohlenstaub verwertet werden konnte. Verhandlungen mit dem Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk führten dazu, dass dieses hierfür das 1937 in Betrieb genommene Kraftwerk Karnap baute.

Erst mit dem Wasserhaushaltsgesetz von 1957 wurde eine wirksame rechtliche Basis geschaffen, Anforderungen an Abwassereinleitungen festzulegen. Da die Behörden aber den Umfang vieler Einleitungen nicht kannten und die Betriebe bei Untersagung illegaler Einleitungen gerne mit Betriebsstilllegungen drohten, dauerte es lange, bis die Regelungen wirksam werden. Erst die Umweltbewegung ab Anfang der 1970er Jahre führte zum Bau wirksamer Kläranlagen; an der Ruhr entstanden bis Anfang der 1980er Jahre 118 Kläranlagen, 75 Prozent der Abwässer wurden biologisch behandelt (und sie führte zu einer Neufassung des Wasserhaushaltsgesetzes im Jahr 1976). An der Emscher wurde 1976 bis 1978 ein Mündungsklärwerk in Dinslaken gebaut, dass die Abwässer biologisch behandelte. Aber weiter wurden große Mengen Schwermetalle wie Blei, Cadmium und Chrom in den Rhein geleitet. In den 1990er Jahren wurde die Abwasserreinigung auf vier zentrale Klärwerke umgestellt, dazu gehört das erweiterte und modernisierte Mündungsklärwerk. Zum Teil sind diese Bestandteil eines 1992 begonnen Projektes zur Renaturierung der Emscher und ihrer Nebenflüsse, die Abwässer sollen künftig in unterirdischen Abwasserkanälen (darunter einem zentralen Abwasserkanal Emscher, der parallel zum Fluss verläuft) transportiert werden.

Des Öfteren gerieten Flüsse gar in Brand. Am 22. Juni 1969 brannte in Ohio der Cuyahoga River, und dieser Brand brachte das Fass in den USA zum Überlaufen: 20 Millionen Menschen demonstrierten am ersten Earth Day am 22. April 1970 gegen die Umweltverschmutzung, und 1972 verabschiedete die Regierung Nixon unter diesem Druck das Clean Water Act, ein Gesetz zur Reinhaltung von Gewässern. In Deutschland wurde das Wasserhaushaltsgesetz von 1957 vor allem durch eine Novelle von 1976 zum Gewässerschutzgesetz. Auch am Rhein brachten in den 1970er Jahren internationale Übereinkommen und der Bau von Kläranlagen langsam Besserung; ab 1976 nahm der Fischbestand wieder zu – 1992 wurde auch wieder ein Lachs gefangen.

In Entwicklungs- und Schwellenländern ist die industrielle Wasserverschmutzung dank älterer Technologie und mangels Abwasserreinigung noch weit schwerer: In China sind 80 Prozent der großen Flüsse so belastet, dass in ihnen keine Fische mehr leben; an den Ufern vieler Flüsse liegen “Krebsdörfer” – so genannt, weil hier viele Menschen vorzeitig sterben (>> Umweltverschmutzung in China). In Indien ist die Situation kaum besser; nicht nur der heilige Ganges ist eine offene Kloake. In Afrika droht der Viktoriasee umzukippen, in den Kenia, Tansania und Uganda ungeklärte Haushalts- und Industrieabwässer einleiten; in den Flüssen Senegal und Niger leben kaum noch Fische.

Einen Einfluss auf die Gewässerqualität hat auch die >> Luftverschmutzung. So können Schwefel- und Stickstoffoxide mit Wasser Säuren bilden, die zum Sauren Regen führen, der Gewässer versauern ließ. Da saures Wasser zudem giftige Aluminiumionen aus dem Böden löst, führte der Saure Regen in den USA und Skandinavien zu fischlosen Seen; in den Wäldern führte er zur Schädigung von Bäumen. Die Reduktion von Schwefel- und Stickstoffemissionen führte ab den 1990er Jahren in Nordamerika und Europa zu einer Besserung der Situation und zur Erholung der Gewässer; in Ostasien ist das Problem nach wie vor akut und in Südostasien von zunehmender Bedeutung.

Wasserverschmutzung durch die Landwirtschaft

Seit den 1940er Jahren nutzte die Landwirtschaft zunehmend Kunstdünger (>> Industrielle Landwirtschaft): Abflüsse aus Feldern und Weiden führten dazu, dass große Mengen an Phosphor und Stickstoff in Gewässer gelangten. Hier ist Phosphor- und Stickstoffmangel aber oft der begrenzende Faktor für das Wachstum von Bakterien und Pflanzen; mit dem Eintrag wurde die Begrenzung aufgehoben, Bakterien und Wasserpflanzen wuchsen übermäßig. Das Problem: Wenn sie absterben, verzehrt der Zersetzungsprozess Sauerstoff, der dann anderen Lebewesen fehlt. So kann Nährstoffzufuhr durch Sauerstoffmangel alles Leben töten. Dieser Eutrophierung genannte Prozess ist vor allem in Seen ein Problem, da das Wasser hier nicht wie in den Flüssen ständig ausgetauscht wird. Mit zunehmender Intensivierung und Spezialisierung der Landwirtschaft gewann die Nährstoffzufuhr eine neue Dimension, da nun tierischer Dünger immer konzentrierter anfiel und nicht mehr unproblematisch direkt auf dem Land genutzt werden konnte. 600 Rinder erzeugen eine organische Belastung des Abwassers wie 1000 Menschen, aber ihr Abwasser wird in der Regel nicht durch eine Kläranlage gereinigt. Und Stickstoff gelangte zunehmend – und in Form des leicht löslichen, gesundheitsschädlichen Nitrats – in das Grundwasser. In Deutschland liegen die Nitratwerte im Grundwasser nach wie vor bei über der Hälfte der offiziellen Überwachungsmessstellen über dem Grenzwert für Trinkwasser (50 mg/l) (weitere Informationen >> hier [Umweltbundesamt]); die EU-Kommission hat im Jahr 2013 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, da die EU-Nitratrichtlinie unzureichend umgesetzt wurde. Der intensive Ackerbau trägt noch auf eine weitere Weise zur Wasserverschmutzung bei: Ammoniakemissionen (global 54 Mio. t Stickstoff jährlich) werden in der Atmosphäre zu Ammonium umgewandelt und reichern Gewässer mit Nährstoffen an; nach der Nitrifizierung tragen sie zur Versauerung von Gewässern bei.

Ein anderer Aspekt der Wasserverschmutzung durch die Landwirtschaft ist das Eindringen von Pestiziden in Gewässer. In der Landwirtschaft werden weltweit etwa 10.000 verschiedene Pestizide verwendet. In Deutschland gilt ein Grenzwert von 0,1 Mikrogramm/l; dieser wird gelegentlich überschritten. Die am häufigsten gefundenen Pestizide wie Atrazin oder Bromacil sind hier inzwischen verboten – ihr Auffinden ist ein Beleg für die Langlebigkeit dieser Verschmutzung.

Die Verschmutzung des Ozeans

Tote Zonen und giftige Algenblüten

Das Wasser aus den Flüssen, aber auch direkte Einleitungen aus Küstenstädten und Touristenzentren, landet schließlich (zusammen mit Stickstoff aus der Luft) im Ozean, und dieser scheint auf den ersten Blick dank seiner enormen Wassermengen kaum zu verschmutzen zu sein. Das dies nicht so ist, zeigen die mittlerweile über 400 toten Zonen (54), die sich dauerhaft oder jahreszeitlich an Küsten (meist vor seichten Flussmündungen) oder in Binnenmeeren befinden. Ursache ist die Zufuhr von Nährstoffen. Was früher vor den Flussmündungen für reiche Fischgründe sorgte, schlug mit der Zunahme der Bevölkerung und vor allem seit der Einführung von Kunstdüngern wie in den Seen (siehe oben) um: Jetzt wuchsen derart viele Algen, dass die (oft auch noch übermäßig befischten) Austern, Muscheln und Fische diese nicht mehr fressen konnten; und abgestorbene Algen sanken in das Tiefenwasser und verbrauchten dort den ohnehin schon knappen Sauerstoff: Tiere, die schwimmen können, verlassen das Gebiet; bodenlebende Tiere wie Muscheln und Garnelen sterben ab. Die größten toten Zonen bildeten sich in der Ostsee, der Adria und im Schwarzen Meer, im Long Island Sound vor New York und im Golf von Mexiko (Mississippi-Delta) und der Chesapeake Bay bei Washington.

Natürlich (wie von manchem Industrievertreter behauptet wurde) ist daran nichts. Normal sind, vor allem in gemäßigten und polaren Breiten, wo Winterstürme Nährstoffe aufwirbeln, Algenblüten im Frühjahr und Frühsommer. Tote Zonen sind aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg aufgetreten, wie Sedimentuntersuchungen etwa im Golf von Mexiko zeigten (56). Im Mississippi, der 40 Prozent der zusammenhängenden 48 US-Staaten entwässert, nahm die Sedimentfracht Anfang des 19. Jahrhunderts zunahm, als die Prärien in Ackerland umgewandelt wurden, und Anfang des 20. Jahrhunderts, als Dämme gebaut wurden (die die Schlammfracht zurückhielten), wieder ab. Die Verwendung von Kunstdünger zeigt sich an der Zahl der Diatomeen (eine Phytoplanktongruppe) im Sediment, die ab den 1950er ansteigt – und erst danach bildete sich regelmäßig eine erst kleine, aber ab den 1970er unübersehbar große tote Zone im Golf von Mexiko. Heute ist sie über 20.000 Quadratkilometer groß.

Auch die Staudämme und die durch Entnahmen zur Bewässerung verringerte Wassermenge in vielen großen Flüssen (>> hier) trugen zur Entstehung toter Zonen bei: die verringerte Strömung der Flüsse kann nicht mehr dazu beitragen, sauerstoffreichen Oberflächen- und sauerstoffarmes Tiefenwasser zu vermischen, wie dies üblicherweise in Flussmündungen geschieht. Mitunter muss die Nährstoffanreicherung auch nicht erst zu einer toten Zone führen, sondern kann auch direkt gesundheitsschädlich sein, wenn die durch Nährstoffanreicherung zunehmenden Algen giftige Stoffe produzieren. Dies geschieht etwa bei den regelmäßigen "roten Fluten" vor Florida, die von der Art Karenia brevis ausgelöst werden. Diese produzieren Brevetoxine, ein Cocktail von Nervengiften, die die wichtigste Todesursache für Manatis (eine Seekuh-Art) sind und bei Gischt beim Menschen Halsschmerzen, Augenreizungen und Atemwegsprobleme auslösen können. Nicht alle Arten leiden aber unter Nährstoffanreicherung und Sauerstoffmangel: Quallen kommen damit gut zurecht. Da durch die Überfischung Tiere wie Dornhaie und Meeresschildkröten, die Quallen fressen, selten geworden sind und Quallen auch eine zunehmenden Versauerung gut ertragen können, könnten das 21. Jahrhunderte eines der Quallen werden.

Langlebige organische Schadstoffe

Mit den Abwässern und Flüssen gelangen aber nicht nur Nährstoffe, sondern auch gefährliche Schadstoffe in die Meere. Eine Gruppe, die langlebigen organischen Schadstoffe (die "POPs", nach englisch persistant organic pollutants), haben dabei die unangenehme Eigenschaft, sich in Meeresorganismen anzureichern, weil sie "lipophil" -fettliebend – sind und im Fettgewebe gespeichert werden. Ein Beispiel sind die >> polychlorierten Biphenyle (PCBs), die wie Hormone wirken und die Entwicklung von Embryonen beeinträchtigen (solche Stoffe werden "endokrine Disruptoren" genannt). Die Anreicherung beginnt an der Wasseroberfläche: Die oberste, durch die Oberflächenspannung stabilisierte Schicht der Meere ist reich an Fetten und Fettsäuren, und daher leben hier auch viele Mikroorganismen, Fischeier und Fischlarven. Und hier sammeln sich auch die fettliebenden POPs an, und gelangen über das Futter in die Jungfische. Am Ende der Nahrungskette ist die Konzentration dann hoch gesundheitsschädlich. Bei einer Delhphinart, den Großen Tümmlern, konnte schon gezeigt werden, dass in der Sarasota-Bay in Florida der PCB-Gehalt in der Muttermilch die Jungtiere gefährdet (58).

Ein anderes Beispiel ist Tributylzinn (TBT), das bis 2008 in Unterwasser-Schutzfarben für Schiffe verwendet wurde – wo es den Bewuchs der Schiffsrümpfe mit Algen, Seepocken und Muscheln verhindert, die den Wasserwiderstand vergrößern. TBT wirkt auf Meeresschnecken wie ein Hormon, und beeinträchtigt die Fortpflanzungsorgane der Schnecken so stark, dass die Tiere unfruchtbar werden. Unfruchtbare Schnecken findet man mittlerweile weltweit, vor allem in Häfen und an Meeresstraßen, über 100 Arten von Meeresschnecken sind vom Aussterben bedroht. Auch wenn der Einsatz von PCBs deutlich eingeschränkt und der von TBT verboten wurde – die Ersatzstoffe sind nicht immer besser: bromierte Flammschutzmittel beispielsweise, die in Möbeln, Elektronikgeräten und Kunstfaserkleidung eingesetzt werden, stehen ebenfalls in Verdacht, endokrine Disruptoren zu sein. Auch die Konzentration an chlorierten Kohlenwasserstoffen im Fettgewebe vor allem subtropischer und tropischer Meerestiere nimmt nach wie vor zu.

Schwermetalle

Zu den Schadstoffen, die über Flüsse und Luft in die Ozeane eingetragen werden, gehören auch Schwermetalle. Besonders kritisch ist Quecksilber, das zu großen Teil aus den Emissionen von Kohlekraftwerken stammt – und dessen Gehalt mit dem Boom der Kohle vor allem in Asien wieder ansteigt. Besonders sind große Raubfische am Ende der Nahrungskette wie Schwert- und Thunfische betroffen; in den USA stammen 40 Prozent des Quecksilbergehalts im menschlichen Körper aus Thunfisch. Dort rät die Lebensmittelbehörde Schwangeren und Frauen im gebärfähigen Alter mittlerweile, den Verzehr von fettem Fisch einzuschränken. Der schwerwiegendste Fall von Meeresverschmutzung durch Quecksilber ereignete sich in der Bucht von Minamata in Japan (siehe Kasten).

Die Umweltkatastrophe in der Minamata-Bucht

Nachdem in den 1950er Jahren in der japanischen Stadt Minamata die Katzen irrsinnig wurden und wie betrunken tanzten, bevor sie schließlich starben, traten hier im Jahr 1956 erste Hirnschäden bei Kindern auf. Im Herbst identifizierten Forscher den hohen Quecksilber-Gehalt der Fische aus der Bucht von Minamata als Ursache der Krankheit. Als Ursache wurden sofort quecksilberhaltige Abwässer aus der Acetaldehyd-Produktion der ortsansässigen Firma Chisso vermutet. Diese stritt zunächst jeden Zusammenhang ab. Als die Fischer von Minamata 1959 mehrfach die Fabrik besetzten, wurde der Fall landesweit bekannt. Aber erst nach langen Jahren, und nachdem der Fall durch den Fotografen W. Eugene Smith dokumentiert und 1972 durch sein Buch “A warning to the world ... Minamata” weltweit bekannt gemacht wurde, gab es 1973 ein Gerichtsurteil, nach dem der Konzern 100 Millionen US-Dollar Schadenersatz an die Opfer zahlen musste. 1984 wurde die Bucht über 14 Jahre und für insgesamt 400 Millionen US-Dollar ausgebaggert, um die Verschmutzung zu beseitigen. Nach heutigen Kenntnissen starben in der Region Minamata etwa 3.000 Menschen an dieser Quecksilber-Vergiftung.

Eine zweite Masservergiftung an Quecksilber ereignete sich 1964 am Fluss Agano in der Präfektur Niigata auf, Ursache war der gleiche Produktionsprozess. Beide Ereignisse gehören heute zu den “Vier großen Umweltvergiftungen” der japanischen Geschichte.

Die Schadstoffe in den Meeren stammen zum größten Teil aus Abwassereinleitungen an den Küsten und aus Flüssen und konzentrieren sich rund um Flussmündungen und Häfen; dazu kommen die Abfälle, die aus Bohrinseln und von Schiffen ins Meer geworfen werden. Noch schlimmeres wurde verhindert, da die nach dem zweiten Weltkrieg beginnende “Verklappung” (Einbringen) von Abfällen in die Meere inzwischen weitgehend illegal ist. Sie wurde vor allem für flüssige Industrieabfälle (Dünnsäure aus der Herstellung von Titandioxid, aber auch Klärschlämme) und radioaktive Abfälle praktiziert. Aber eine großflächige Verschmutzung der Meere haben wir dennoch hinbekommen: Verursacher sind die Kunststoffe, von denen wir heute jedes Jahr 300 Millionen Tonnen produzieren – und ein Drittel davon zu Wegwerfverpackungen verarbeiten.





Foto von Plastikmüll an einem Strand

Plastikmüll an einem Strand am Roten Meer. Foto: Vberger, aus >> wikipedia commons (abgerufen 12.78.2014), public domain.

Plastikmüll

Schon Thor Heyerdahl berichtete, wie er bei seiner Atlantiküberquerung im Jahr 1970 immer wieder auf treibenden Plastikmüll stieß. Dieser macht heute auch einen großen Anteil des Treibguts aus, der die Strände der Erde säumt (wenn sie nicht morgens, bevor die Touristen kommen, gesäubert werden – regelmäßige Strandsäuberungen sind für Urlaubsorte heute ein Muss). Aber vor allem sammelt er sich in riesigen Müllflecken in den Ozeanen. Dass der Plastikmüll sich hier sammelt, liegt an der >> Oberflächenzirkulation der Meere im Zusammenspiel mit dem >> Wind: Im Zentrum der Meere entstehen riesige, als Meereswirbel bezeichnete kreisförmige Strömungen. Den Seeleuten ist seit langem bekannt, dass sich in ihrem Zentrum schwimmende Gegenstände ansammeln: so sammelt sich im atlantischen Wirbel derartig viel Seetang der Gattung Sargassum, dass er als Sargassosee bekannt wurde. Heute liegen in diesen Wirbeln die großen Müllflecken der Weltmeere. Die Wirbel rotieren unterschiedlich schnell – die Umlaufzeiten reichen von gut drei bis 13 Jahre – und bei jedem Umlauf, so wird geschätzt, gelangt etwa die Hälfte des Plastikmülls an den Rand des Wirbels (und findet im Laufe der Zeit seinen Weg an die Küste).

Lage der Müllflecken in den Weltmeeren

Die Lage der Müllflecken im Ozean. Eigene Abbildung nach Schaubild 4 in >> Roberts 2013 (und dort nach Curtis Ebbesmeyer).

Foto eines verendeten Albatrosses mit Plastikmüll im Magen

Mageninhalte eines toten Albatross-Jungen, aufgenommen im Midway Atoll National Wildlife Refuge im Pazifik  Foto: Chris Jordan, US Fish and Wildlife Service, aus >> wikipedia commons (abgerufen 12.78.2014), Lizenz: >> cc 2.0.

Das größte Problem dieser Müllflecken: Meerestiere kennen kein Plastik und halten es für Nahrung. Meeresschildkröten etwa halten Plastiktüten offenbar für Quallen: in verendeten Meeresschildkröten hat man schon zweieinhalb Kilo Plastiktüten gefunden; im Körper verendeter Jungalbatrosse wurden über 500 Kunststoffstückchen gefunden. Selbst Pottwale sind schon an Plastikverstopfung gestorben. In den Müllflecken finden sich aber nicht nur große Plastikteile, sondern auch viele kleine Teilchen: zum Teil ist dieses Kunststoffgranulat, das bei Unfällen verloren ging, zum (vermutlich größeren) Teil das Produkt der Zersetzung von Kunststoffen, oder auch Produkt – die Kosmetikindustrie setzt zum Beispiel Hautcremes als Peeling kleine Kunststoffteilchen zu, die so klein sind, dass sie in Kläranlagen nicht ausgefiltert werden. An solche Teilchen lagern sich die Schadstoffe in der Oberflächenschicht an, und da in den Meereswirbeln heute ein Drittel aller planktonfressenden Fische Kunststoffteilchen im Darm hat, gelangen sie damit in besonders konzentrierter Form in die Nahrungskette – noch weiß man wenig darüber, wie und in welchem Ausmaß sie vom Kunststoff in die Tiere übergehen.

Erdöl

Schlagzeilen machen auch immer noch Ölunfälle: Sterbende, verölte Vögel und andere Tiere erregen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Mit zunehmendem Ölverbrauch und den an wenigen Orten konzentrierten Erdölvorkommen (>> mehr) nehmen die Transporte und damit die Unfallgefahren zu (siehe Kasten). Aber Tankerunfälle sind nur für etwa fünf Prozent des Öls verantwortlich, die ins Meer gelangen: 10 Prozent kommen aus natürlichen Quellen, der Rest wird aus Pipelines, Bohrinseln, Schiffen, zum größten Teil (in den USA rund zwei Drittel der Gesamtmenge) aber aus Flüssen ins Meer gespült. Dieses Öl sieht man jedoch kaum, da es sich nicht an der Wasseroberfläche sammelt; Folgen für die Meeresorganismen hat es trotzdem – Öl enthält sehr giftige “polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe” (PAKs). Im Unterschied zu vielen anderen Schadstoffen kommt Öl aber auch in der Natur vor, und es gibt Organismen, die Öl abbauen, was seine Schädlichkeit etwas mindert.

Schwarzer Tod – Ölunfälle und ihre Folgen

Torrey Canyon, 1961: Der für BP fahrende Tanker lief vor der Küste von Cornwall auf­grund eines Navigationsfehlers auf ein Riff; 100.000 Tonnen Rohöl liefen aus und ver­schmutzten 190 km englische und 80 km französische Küste.

Amoco Cadiz, 1978: Der für Amoco Oil fahrende Tanker rammte nach einem Ausfall der Ruderanlage einen Felsen vor der Bretagne; 223.000 Tonnen Rohöl verschmutzten 150 km Küste.

Exxon Valdez, 1989: Der für ExxonMobil fahrende Tanker rammte ein Riff vor Alaska, während sein Kapitän betrunken in der Kabine lag. 40.000 Tonnen Rohöl liefen aus und verschmutzten über 2.000 Kilometer Küste in einem besonders empfindlichen Ökosystem (>> mehr).

Sea Empress, 1996: Der unter liberianischer Flagge fahrende Tanker lief aufgrund eines Lotsenfehlers in Südwales bei der Hafeneinfahrt auf einen Felsen; 72.000 Tonnen Rohöl liefen aus und verschmutzten 200 Kilometer Küste, die überwiegend zum Pembrokeshire Coast Nationalpark gehören (offizieller Untersuchungsbericht über die Folgen >> hier).

Erika, 1999: Der Tanker zerbrach vor der Bretagne bei Windstärke 10 und 14 Meter hohen Wellen und sank; dabei verlor er 17.000 Tonnen Öl. Der Auftraggeber TotalFinaElf, der Eigentümer und die Klassifikationsgesellschaft wurden zu einer Strafe und Schadensersatz verurteilt, da sie wussten, dass das Schiff nicht hochseetauglich war. In der Folge wurde von der EU die Nutzung einhülliger Tanker bis spätestens 2015 verboten.

Prestige, 2002: Der auf den Bahamas registrierte Tanker havarierte vor der Küste Gali­ziens (Nordwestspanien) und zerbrach; 64.000 Tonnen Öl verschmutzten 2.900 Kilometer Küste in Spanien und Frankreich, 250.000 Seevögel starben. Verurteilt wurden der Kapi­tän, der von strukturellen Schwächen des Schiffes wusste und es außerdem überladen hatte, sowie der Schiffseigner Mare Shipping und dessen Versicherung P&I Club.

Deepwater Horizon, 2010: Im April 2010 explodierte im Golf von Mexiko nach einem unkontrollierten Gasaustritt am Bohrloch die von BP betriebene Ölbohrinsel Deepwater Horizon. 11 Mitarbeiter starben, auch Löschboote konnten den Brand nicht stoppen, so dass die Bohrinsel zwei Tage später unterging. Dabei brach die Rohrleitung, die Ölquelle

Foto der brennenden Ölplattform Deepwater Horizon

April 2010: Die Ölplattform Deepwater Horizon brennt im Golf von Mexiko, 670.000
Tonnen Öl gelangten daraufhin ins Wasser. Foto: US-Küstenwache.

und Bohrinsel verband. Der »Blowout-Preventer«, eine Sicherheitseinrichtung, die ein un­kontrolliertes Austreten von Erdgas und/oder Erdöl eigentlich verhindern soll, versagte, und das Erdöl konnte fast drei Monate lang ungehindert ausströmen. Bis es BP gelang, den Ölaustritt zu stoppen, wurden nach Schätzungen der US-Regierung 4,9 Mio. Barrel Öl freigesetzt.

Auch Gegenmaßnahmen wie das Abbrennen des Öls an der Wasseroberfläche oder der Einsatz von Chemikalien, die das Öl zersetzen sollten, so dass es leichter von Bakterien aufgenommen werden kann (und auch weniger sichtbar ist …) konnten nicht verhindern, dass erhebliche Ölmengen die Küste erreichten, darunter das Flussdelta des Mississippi und die Sumpfküste von Louisiana. Im Golf von Mexiko starben rund 25.000 Meeressäuger, 6.000 Schildkröten und 82.000 Seevögel. Die anschließende Unfalluntersuchung zeigte als Hauptursache ein Versagen des Sicherheits- und Notfallmanagements: Da die Bohrung hinter dem Zeitplan zurücklag, wurden aus Kostengründen zentrale Prüfungen wie der Test der Zementschicht, die das Bohrloch eigentlich bis zum Beginn der Förderung abschließen sollte, nicht ausgeführt; zudem waren zahlreiche Fehlermöglichkeiten am (eigentlich als "ausfallsicher" geltenden) Blowout-Preventer bekannt, der zudem nicht mit den tech­nischen Zeichnungen übereinstimmte. Außerdem gab es keine spezifischen Notfallpläne für den Fall eines solchen unkontrollierten Austritts – dieser wurde schlicht für unmöglich erklärt. BP wurde 2014 von einem US-Gericht als Hauptschuldiger verurteilt; der Oberste Gerichtshof lehnte eine Berufung von BP gegen die Kostenübernahme ab; die Gesamt­kosten für BP werden auf rund 40 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die langfristigen ökologischen Folgen etwa der auf den Meeresboden abgesunkenen Abbauprodukte einschließlich der giftigen Chemikalien und der Schwermetalle aus dem Bohrschlamm werden aber kaum genau bestimmt werden können, da der Zustand vieler Tier- und Pflanzenarten vor dem Unglück gar nicht genau erfasst wurde und daher nicht bekannt ist.

Mehr:
>> DER SPIEGEL online zur Ölpest im Golf von Mexiko
>> National Geographic Society: Gulf Oil Spill (englischsprachig)
>> DIE ZEIT über den Einsatz von Correxit im Golf von Mexiko

Da die Ölförderung sind zunehmend in die Tiefsee verlagert, sind verbindliche internationale Sicherheitsregeln dringend notwendig. Bisher, das hat Deepwater Horizon gezeigt, hinken unsere Fähigkeiten, eine Katastrophe zu verhindern, wenn etwa schiefgeht, deutlich hinter den Fördermöglichkeiten her. Um die Motivation für mehr Sicherheit zu erhöhen, fordert beispielsweise die >> Global Ocean Commission auch, dass Verursacher für Schäden an der Meeresumwelt haften.

Wenn Tankerunfälle nur einen kleinen – wenn auch spektakulären – Anteil an der Ölverschmutzung der Ozeane haben, so stellt der Schiffsverkehr auch in anderen Punkten eine Belastung dar. Zum einen verbrennen die meisten Schiffe Schweröl mit hohem Schwefelanteil zum Antrieb – eine Art Sondermüllverbrennung auf See. Schiffe verursachen heute in Europa etwa die Hälfte aller Schwefelemissionen insgesamt! (Übrigens auch im Hafen, wo die Motoren zur Stromversorgung weiterlaufen.)

Lärm

Schall breitet sich unter Wasser schneller und viel weiter aus als an Land; und weil in manchen Gebieten – etwa vor Flussmündungen mit hoher Sedimentfracht – und in der Tiefe eine Orientierung mit den Augen schlecht möglich ist, hat Schall unter Wasser eine ganz andere Bedeutung als Land: Manche Wale etwa finden ihre Beute mit Echoortung; andere Wale können mit Lauten über Hunderte oder sogar Tausende von Kilometern miteinander kommunizieren. Welche Auswirkungen der vom Menschen verursachte Lärm auf die Welt unter Wasser hat, weiß niemand so genau. Aber nach Tests von militärischen Sonarsystemen sind mehrmals Wale mit allen Anzeichen von Dekompressionskrankheit gestrandet und verendet; die über 50.000 Schiffe, die achtzig Prozent des internationalen Warenverkehrs über die Meere transportieren, verringern mit ihrem Lärm die Fähigkeit von Walen, sich zu verständigen erheblich (die Geräusche von Finnwalen beispielsweise werden schon ab 10 Kilometer Entfernung übertönt). Manche Forscher vermuten, dass manche Wale sich auch nach dem Ende des >> Walfangs kaum erholen, weil Männchen und Weibchen aufgrund des Lärms in den Meeren kaum noch zusammenfinden. In Aquarien gehaltene Fische reagieren – wie Menschen – auf Lärm mit erhöhter Cortisolproduktion – ein Zeichen für Stress.

Eingeschleppte Arten

Wie an Land, stellen auch im Meer >> eingeschleppte Arten mitunter eine Bedrohung dar. Die meisten Arten werden mit dem Ballastwasser von Schiffen verschleppt. Zwar sterben die meisten so verschleppten Arten am Zielort ab, manche richten aber großen Schaden an: So wurde mit Ballastwasser die amerikanische Rippenqualle Mnemiopsis ins Schwarze Meer eingeschleppt und hat Milliardenschäden angerichtet; an der Ostsee verursacht der aus Asien stammende Schiffsbohrwurm jedes Jahr Schäden in Millionenhöhe. In der Karibik hat sich der (wohl von Aquarianern im Süden Floridas freigelassene) Pazifische Rotfeuerfisch explosionsartig vermehrt und richtet unter den Rifffischen Verwüstungen an; im Mittelmeer überwuchert die aus dem Südwesten Australiens stammende Seetangart Caulerpa racemosa Seegraswiesen, Schwämme und heimische Seetangarten, die wesentlich reicher an Fisch-, Krebstier-, Seestern-, Seeigel- und anderen Arten sind.

Begünstigt werden solche eingeschleppten Arten vermutlich von der Schwächung ursprünglicher Ökosysteme durch Verschmutzung und Überfischung; artenarme Ökosysteme scheinen deutlich empfindlicher zu sein als artenreiche. Rückgängig machen lässt sich eine solche "biologische Umweltverschmutzung" kaum (selbst an Land ist dies nur mit sehr großem Aufwand möglich, wie etwa der Versuch gezeigt hat, eingeschleppte Ratten auf Inseln zu bekämpfen); Vorbeugung ist daher der besten Schutz. So könnte etwa das Problem der Verschleppung von Arten im Ballastwasser mit Hilfe der Abwärme der Motoren oder mit UV-Licht leicht gelöst werden. In den USA, Australien und Neuseeland ist zumindest schon vorgeschrieben, dass das Ballastwasser auf hoher See, wo es weniger Schaden anrichtet, und nicht mehr in Küstennähe gewechselt wird.

Die größte Beeinträchtigung des >> Lebensraums Ozean stellt heute jedoch die >> Überfischung dar – und auch der Klimawandel droht dem Ozean.

Die Ozeane und der Klimawandel

Die Ozeane werden wärmer

In jüngster Zeit kommen die Folgen des >> Klimawandels zu diesen Belastungen hinzu. Wie die Atmosphäre, so werden auch die Ozeane wärmer, aufgrund der Trägheit der riesigen Wassermengen jedoch bisher etwas langsamer als die Luft – die Erwärmung beträgt 0,6 Grad Celsius an der Meeresoberfläche (im Vergleich zu 0,9 Grad Celsius der Luft). In Teilen des Polarmeeres liegt die Erhöhung der Oberflächentemperatur jedoch bei 3 Grad Celsius. Diese Temperaturerhöhung führt zum einen zu einer Erhöhung des Meeresspiegels (wärmer werdendes Wasser dehnt sich aus) und einer Stabilisierung der Trennung und damit Verringerung des Austausches von warmem Oberflächen- und kaltem (dichteren) Tiefenwasser.

Der Anstieg des Wassertemperatur führt zu Verschiebung – oder, wenn die Arten sich nicht schnell genug anpassen können, zur Vernichtung – von Lebensräumen. So kommen in der Nordsee Warmwasserarten wie der Wolfsbarsch häufiger vor, während sich etwa der Dorsch nach Norden zurückgezogen hat. Arten und Lebensgemeinschaften, die sich der Temperaturänderung nicht einfach durch Wanderung anpassen können, wie die besonders artenreichen Kaltwasser- und tropischen Korallenriffe, sind durch die Erwärmung des Wasser in besonderem Maß gefährdet (mehr dazu >> hier und hier). Auch die Stabilisierung der Schichtung des Meerwasser hat Folgen: Mit dem verringerten Wasseraustausch gelangt weniger Sauerstoff in die Tiefe und gelangen weniger Nährstoffe an die Oberfläche. Wenn weniger Sauerstoff in die Tiefe gelangt, bedeutet dies, dass der Abbau von abgestorbenen Organismen aus der produktiven, lichtdurchfluteten Oberfläche stärker als ohnehin schon an den Sauerstoffvorräten zehrt, und lebensfeindliche, sauerstoffarme Zonen sich ausdehnen.

Eine weitere mögliche Folge der Temperaturerhöhung des Meerwassers ist die Freisetzung des Treibhausgases Methan durch die Zersetzung des dort reichlich vorhandenen Methanhydrats (Methanhydrat ist eine Mischung aus Methan und Wasser, die unter hohem Druck und bei niedrigen Temperaturen entsteht; im Meer kommt es in Mengen vor, deren Kohlenstoffgehalt in etwa dem der weltweiten Kohlevorräte entspricht. Wird das Wasser in der Tiefe wärmer, geht ein Teil des Methans in den gasförmigen Zustand über und entweicht zum Teil in die Atmosphäre.)

Die Ozeane werden saurer

Infolge der höheren Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre nimmt auch die Kohlendioxid-Konzentration im Oberflächenwasser der Ozeane zu – seit Beginn der Industriellen Revolution haben die Weltmeere 568 Milliarden Tonnen vom Menschen freigesetztes Kohlendioxid aufgenommen (>> hier). In Wasser bildet Kohlendioxid Kohlensäure, und Kohlensäure reagiert mit Carbonat-Ionen im Wasser (206). Die aber brauchen viele Planktonarten und andere Meeresorganismen wie Austern, Muscheln, Krebstiere, Seeigel und Steinkorallen, um ihre aus Calciumcarbonat bestehenden Gehäuse

Grafik, die den abnehmenden pH-Wert der Weltmeere zeigt

Säuregrad (pH-Wert) des Weltmeeres über die vergangenen 24 Millionen Jahre
 und Hochrechnung bis zum Jahr 2100. (Der pH-Wert ist eine logarithmische Einheit,
d.h. eine Verringerung um den Wert 1 bedeutet einen 10-mal höheren Säuregehalt;
eine Verringerung um 0,1 einen rund 30 Prozent höheren Säuregehalt.) Abbildung
aus Synthesis Report Climate Change: Global Risks,  Challenges & Decisions.
Copenhagen 2009, 10-12 March,  eigene Übersetzung.

oder die riffbildenden Kalkskelette auszubilden. Die Folgen für die Biologie der Meere werden noch erforscht, aber neben einer Abnahme der Artenvielfalt – durch die Versauerung sind beispielsweise die ohnehin durch die Erwärmung des Wassers gefährdeten Korallenriffe zusätzlich gefährdet – könnte auch die Produktivität der Meere zurückgehen, weil die Planktonarten, die insbesondere in den Polarmeeren die Grundlage des Nahrungsnetzes in den Meeren bilden, geschädigt werden. Dazu kommt, dass die Versauerung auch die Aufnahme von Nährstoffen erschwert: Eisen zum Beispiel – ohnehin im Meer oftmals der begrenzende Faktor für das Wachstum von Phytoplankton – wird bei höherem Säuregehalt weniger leicht aufgenommen. Mittelfristig könnte zudem ein Rückgang der Kapazität der Meere, Kohlendioxid aufzunehmen, die Folge sein: Die Bildung von Calciumcarbonat ist nämlich einer der Wege der Natur, Kohlendioxid aus dem >> Kohlenstoffkreislauf zu entfernen – abgestorbene Organismen sinken auf den Boden herab und werden dort zu Sediment. Wird weniger Calciumcarbonat gebildet, wird weniger Kohlendioxid gebunden und aus dem Kreislauf entfernt.

Empfehlenswerte Websites zum Thema

Eine aktuelle Übersichtskarte über die Beeinträchtigung der Weltmeere haben im Februar 2008 der amerikanische Meeresforscher Benjamin Halpern und Kollegen in der Wissenschaftszeitschrift Science veröffentlicht – >> Bericht auf spiegel online.

Siehe zum Thema auch:
>> Der Bericht der Global Ocean Commission 2014
>> Die Plünderung der Weltmeere

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>> Wassernutzung

oder zur:
>> Übersicht Industriezeitalter

© Jürgen Paeger 2006 – 2020

Siehe zu diesem Thema auch die Seite: >> Wassernutzung durch den Menschen.

Daher genießen  britische Parlamentarier noch heute eine Sommerpause von Juni bis Oktober – behauptet jedenfalls Callum Roberts in seinem Buch Der Mensch und das Meer.

"Ein größenwahnsinniger Quallenherrscher, der die Weltherrschaft anstrebt, hätte sich die heute in den Ozeanen bevorstehenden Veränderungen ganz genau so herbeige-sehnt." (Callum Roberts, Der Mensch und das Meer, Seite 193).

Zu den möglichen Folgen des Klimawandels für die Meere siehe auch:
>> Die Folgen des Klimawandels