Das globale Ökosystem
Die Lebensräume des Ozeans
Das Meer
Das Meer nimmt über sieben Zehntel der Oberfläche der Erde ein
– das sind 361 Millionen Quadratkilometer. Obwohl wir die drei
großen Ozeane Pazifik, Atlantik und Indischer Ozean unterscheiden
(und offiziell auch den Arktischen Ozean und das Südpolarmeer als
eigene
Die Ozeane – oder besser:
der Ozean (siehe Text) – der Erde.
Ozeane anerkennen), ist das Meer ein zusammenhängendes, riesiges
Ökosystem; die Ozeane sind durch Meeresströmungen verbunden. Eher
müsste man zwischen Oberflächen- und Tiefenwasser unterscheiden, die
sich nur in weit kleinerem Ausmaß vermischen. Die meisten von uns
kennen das Meer vor allem aus dem Urlaub; und beim Schnorcheln und
Tauchen kann man einen ersten Eindruck der fremdartigen Welt
erhalten, die hier verborgen ist. Was den Lebensraum Ozean
kennzeichnet, sind 1,37 Milliarden Kubikkilometer Salzwasser: über
97 Prozent des Wassers auf der Erde – es
würde ausreichen, eine glatte Erde rundum mit 2.500 Metern Wasser zu
bedecken. Das Meerwasser hat einen Salzgehalt von durchschnittlich
35,3 g Salz pro Liter; das gelöste Salz würde eine 36 Meter hohe
Salzschicht rund um die Erde ergeben. Das Salz stammt vom Festland,
es wird von der Erosion aus Gestein und anderen Oberflächen
herausgelöst und ins Meer gespült. Bei der Verdunstung bleibt es
zurück, bis sich im Meerwasser ein Gleichgewicht zwischen
ausfallendem und eingebrachten Salz einstellt; das ausfallende Salz
bleibt im Sediment des Meeresbodens.
Die Reise der "HMS Challenger" und ihre Nachfolger
1872 lief die britische Dampfkaravelle “HMS Challenger” unter
Leitung des schottischen Zoologen Wyville Thomson
im südenglischen Sheerness aus, um im Auftrag der britischen
Admiralität die Weltmeere zu erkunden: Sie sollte die Meerestiefe
ausloten, die Meeresböden untersuchen, Strömungen verfolgen und die
Tierwelt aus der Tiefsee erforschen. Knapp 70.000 Seemeilen legte
das Schiff zurück: Von England über den Atlantik in die Karibik,
nach Bahia in Brasilien, über den Südatlantik zum Kap der Guten
Hoffnung und weiter in die antarktische Polarregion, und von dort
über Australien, Neuseeland, Neuguinea und die Philippinen nach
Japan. Von dort ging es über Tahiti, durch die Magellanstraße und
über die Kapverden und Spanien zurück nach England. Mit den
Tiefseelotungen entdeckte die Challenger den Mittelatlantischen
Rücken (>> hier),
sammelte über 10.000 Tiere und Pflanzen, darunter 4.500 unbekannte
Arten. Die Challenger-Expedion bewies auch, dass es in großer Tiefe
Tiere gab (was bis dahin auf Unglauben stieß). Die Reise gilt als
Begründung der Ozeanographie (Meereskunde).
Die deutsche Tiefseeforschung begann 1898/1899
mit einer von dem Leipziger Zoologen Carl Chun
geleiteten Fahrt des umgebauten Postdampfers “Valvidia” in den
Atlantik, deren Auswertung erst 1940 abgeschlossen war. 1930 stoßen
der amerikanische Zoologe William Beebe und der
Tiefseetaucher und Erfinder Otis Barton mit einer
von ihnen entwickelten Tauchkugel vor den Bermudas 400 Meter in die
Tiefsee vor; 1960 erreichen schließlich der Schweizer Ingenieur Jacques
Piquard und der bei der US-Marine beschäftigte
amerikanische Meeresforscher Don Walsh mit dem
Tauchboot “Trieste” den Grund des Marianengrabens – mit 10.911
Metern Tiefe bis heute der Tieftauchrekord.
Da die Erdoberfläche nicht glatt ist, schauen große Teile der
Kontinente aus dem Wasser heraus (ein kleiner Teil von ihnen ist
unter der Wasseroberfläche verborgen, dieser untergetauchte Rand der
Kontinente wird Kontinentalschelf genannt). Die Ozeane sind
durchschnittlich 3.730 Meter tief. Ein großer Teil besteht aus 3.000
bis 5.000 Meter tiefen Meeresbecken; sie werden von der riesigen
Gebirgskette der Mittelozeanischen Rücken durchzogen, an der neue
ozeanische Kruste aus dem Erdinneren austritt (>> Plattentektonik),
und von den Tiefseegräben an den Subduktionszonen, wo die ozeanische
Kruste unter die kontinentale Kruste taucht – diese sind über 6.000
Meter tief, die tiefste Stelle sogar über 11.000 Meter.
Mit dem Festland sind die Meere durch den >>
Wasserkreislauf verbunden; aus den Meeren verdunsten jedes
Jahr 434.000 Kubikkilometer Wasser, von denen netto 36.000
Kubikkilometer als Regen oder Schnee auf dem Festland fallen. Die
riesige Wassermenge der Ozeane beeinflusst ebenfalls das >> Klima
auf dem Festland; Wasser speichert Wärme viel besser als Luft, und
daher wirken Ozeane temperaturausgleichend: Ozeanisches Klima ist
durch kühle Sommer und milde Winter gekennzeichnet; das kontinentale
Klima im Inneren der Kontinente durch heiße Sommer und strenge
Winter. Außerdem transportieren die Ozeane Wärme: Durch Winde
angetrieben und von der Erddrehung abgelenkt, entstehen kreisförmige
Wirbel des Oberflächenwassers (auf der Nordhalbkugel im
Uhrzeigersinn, auf der Südhalbkugel andersherum, siehe >>
hier), die warmes Wasser vom Äquator weg und kaltes Wasser zum
Äquator hin transportieren. Unter der Oberfläche verborgen gibt es
eine weiteres System an Meeresströmen, das globale Förderband:
Salzreiches Wasser aus warmen Regionen kühlt im Nordatlantik ab,
sinkt in die Tiefe und zirkuliert durch alle drei großen Ozeane;
erst im Pazifik steigt es wieder auf und gelangt über warme
Oberflächenströme zurück in den Atlantik. Dieser Meeresstrom
übertrifft die Wassermenge aller Flüsse um ein zig-faches, zu diesem
System gehört auch der Golfstrom: Ohne ihn wäre das Frühjahr in
Paris klimatisch wie auf Neufundland.
Das “globale Förderband”,
die wichtigste Tiefseeströmung für das Erdklima (blau:
Tiefenströmungen, rot: Oberflächenströmungen). Die gelben Punkte
markieren die Orte des Absinkens kalten Wassers .
Wasser ist für Licht nur beschränkt durchlässig, unter 200 Meter
ist es im Ozean fast vollständig dunkel. Die >>
Fotosynthese kann daher nur im oberen Bereich stattfinden; und
dieses beeinflusst auch die Verteilung der anderen Lebewesen. Das
Leben hat im Meer begonnen; die heutige Artenvielfalt der Meere ist
aber noch wenig bekannt – neben den einigermaßen erforschten
Küstengewässern und den Bereich des flachen Wassers über dem
Kontinentalschelf weiß man einiges über die die lichtdurchflutete
obere Zone des offenen Ozeans; die dunklen tieferen Zonen sind aber
noch weitgehend unerforscht. Erst seit wenigen Jahrzehnten weiß man,
dass sich auch hier artenreiche und hochinteressante Lebensräume
finden, etwa an den steil abfallenden Kontinentalhänge, den
mittelozeanischen Rücken und in den Tiefseebecken – und sogar in den
Tiefseegräben.
Ökologisch unterscheidet sich das Meer grundlegend von den
Landökosystemen: Während dort die Verteilung der Lebensräumen
wesentlich von der Verfügbarkeit von Sonnenenergie und Wasser
abhängt (>> Die
Lebensräume des Festlands), sind im Ozean Nährstoffe die
entscheidenden Faktoren, vor allem Phosphor und Stickstoff. Daher
sind die tropischen Meere größtenteils “blaue Wüsten”; raue Meere,
in denen aufsteigende Meeresströmungen Nährstoffe liefern, dagegen
reiche Lebensräume. Den so ganz anderen Lebensbedingungen
entsprechen auch Tiere und Pflanzen, die ganz anders sind als die an
Land: Die wichtigsten Pflanzen der Meere sind einzellige Algen, die
so klein sind, dass sie mit bloßem Auge unsichtbar sind. Da sie so
klein sind, schweben sie im Wasser und nutzen das Licht der oberen
Wasserschichten, die von der Sonne beschienen werden. Die
Formenvielfalt der Pflanzenwelt im Meer ist ohne Hilfsmittel kaum zu
eralhnen; dagegen ist die Tierwelt bereits auf den ersten Blick
äußerst arten- und formenreich: Nur in den Ozeanen gibt es zum
Beispiel festsitzende Tiere, ermöglicht durch die Strömungen, die
ihnen das Futter zutreiben. Manche von ihnen erinnern an Blumen
– etwa die Korallenpolypen.
Schema der Lebensräume in den
Ozeanen. Abbildung nach DER SPIEGEL 7/2006, Seite 140/141
und Raven et al., Environment (1993).
Besonders produktiv sind die flachen Küstengewässer
über dem Festlandssockel (auch Schelfmeer
genannt): Hier strömt Wasser, das auf dem Festland Minerale aus dem
Boden und aus Gesteinen auswaschen konnte, in die Meere; durch
Meeresströmungen werden die Nährstoffe in den offenen Ozean
getragen. Im flachen Wasser und im oberen Bereich des offenen
Ozeans, wo genug Sonnenlicht vorhanden ist, produzieren winzige
Meerespflanzen, das Phytoplankton, Jahr für Jahr 20 Milliarden
Tonnen Biomasse – dabei nehmen sie mindestens so viel Kohlendioxid
auf wie alle Wälder der Erde zusammen. Von den Pflanzen leben
winzige Tiere (das Zooplankton), von diesen wiederum Schwarmfische
wie Sardinen und Heringe; und von diesen dann größere Raubfische wie
Thunfische, die ihrerseits Beute für Haie sind: Die enorme
Produktivität ermöglicht lange Nahrungsketten, und die bewirken die
biologische Vielfalt des Meeres. Wo dann noch aufsteigende
Meeresströmungen (“upwellings”) Sedimente und damit weitere
Mineralstoffe nach oben bringen, entstehen die reichsten
Fischgründe; etwa auf dem Kontinentalschelf vor Neufundland
(>>
mehr), aber auch an den Küsten von Namibia, Mauretanien, Peru
und Kalifornien. Die produktivsten Lebensräume des Meeres liegen
alle in flachen Gewässern: an der Küste, wie Wattenmeer und
Mangrovenwälder, die beide besonders vom Nährstoffreichtum an
Flussmündungen profitieren; oder auch auf versunkenen Inseln, wie
der artenreichste Lebensraum der Ozeane überhaupt, die tropischen
Korallenriffe.
Die großen Lebensräume des Meeres
Felsenküste
An der produktiven Küste liegt aber auch einer der härtesten
Lebensräume der Meere: Die Felsenküste in der Gezeitenzone. Bei
einsetzender Flut schlagen hier tonnenschwere Brecher auf die Küste
ein, während der Ebbe steigt durch die Verdunstung der Salzgehalt in
den Wasserbecken – kann bei Regen aber auch fallen. Oder der
Lebensraum fällt gleich ganz trocken. Dennoch leben hier Tiere in
großer Zahl: Miesmuscheln, Austern, Seepocken, Seeigel, ... Sogar
Fische wie die Grundel leben hier. Der Grund: Die Gezeiten bringen
reichlich Nahrung mit sich. Spezielle Anpassungen ermöglichen den
Tieren das Überleben: So können Muscheln und Seepocken im Inneren
eine Wasservorrat speichern, zum Schutz von den Brechern haben
Seepocken eine Art Zement entwickelt, um sich an die Felsen zu
heften. Wer es in diesem Lebensraum aushält, hat noch einen Vorteil:
viele Feinde halten es nicht aus.
Die Felsenküste wird unter Wasser oft von Kelpwäldern
gesäumt: Kelp (auch Seetang genannt) sind Braunalgen, deren
blattartige Wedel bis zu 60 Meter lang werden können. Kelpwälder
gedeihen besonders, wenn reichlich Nährstoffe vorhanden sind; dann
kann sich ihre Biomasse jedes Jahr vervielfachen – und einer reichen
Tierwelt Nahrung bieten, die vor allem abgerissen Pflanzenpartikel
aus dem Wasser filtert. Reicher und produktiver ist die Küste
jedoch, wenn der Untergrund nicht hart ist:
Wattenmeer
Das Wattenmeer liegt im Gezeitenbereich der gemäßigten Klimazonen;
und wir finden diesen Lebensraum vor unserer Haustier: Das
Wattenmeer der Nordsee ist weltweit mit Abstand das größte. Auf den
ersten Blick scheint das Wattenmeer eine eintönige Sand- und
Schlickfläche, nur durchzogen von gewundenen Abflussrinnen. Der Sand
und Schlick stammen zum größten Teil vom Festland, er wird durch
Flüsse oder den Wind ins Meer gebracht; nur auf einigen Stellen
bilden Seegräser einen erkennbaren Pflanzenbewuchs. Der leblose
Eindruck täuscht aber: Im Wattenmeer leben riesige Mengen an
winzigen Kiesel-, Geißel- und Blaualgen; von diesem pflanzlichen
Plankton lebt das tierische Plankton und viele wirbellose Tiere, von
diesen Würmer, Muscheln, Garnelen und Fische, und am Ende der
Nahrungskette stehen Vögel, Seehunde – und der Mensch. Für Garnelen,
Krebse und Fische des offenen Meeres dient das Wattenmeer als
Kinderstube; viele Watvögel, Enten und Gänse finden hier ein Brut-,
Nahrungs-, Rast- oder Überwinterungsgebiet – an den großen
Vogelschwärme wird der biologische Reichtum im Wattenmeer am
leichtesten sichtbar.
Leben im
Wattenmeer: der Sandpierwurm
Beim genauen Hinsehen kann man den unscheinbaren
Anteil der Tierwelt des Watts leicht erkennen: Alle Tiere
hinterlassen unverkennbare Spuren, die oft sehr spezielle
Anpassungen an den Lebensraum Wattenmeer verraten. So beim Sandpier-
oder Wattwurm: Zu erkennen ist er an Trichtern im Sand, die neben
sandfarbigen Kotschnüren liegen. Der Wurm lebt in einem U-förmigen
Gang, der beide verbindet; er treibt mit Körperbewegungen Atemwasser
durch diesen Gang, das von der vor im liegenden Sandsäule gefiltert
wird; den durch das Filtern mit Plankton angereicherten Sand frisst
der Wurm; die erste Anpassung. Alle 30 bis 40 Minuten steigt er
rückwärts an die Oberfläche – er muss wieder ein Stückchen Kotschnur
absondern. Darauf warten Strandkrabben, Schollen, Möwen oder
Austernfischer: Packt aber einer der Räuber zu, bricht das
Schwanzende ab; die zweite Anpassung – der Schwanz wächst in kurzer
Zeit nach, der Wurm hat überlebt.
In den oberen Bereichen, die nur noch bei besonders hohen Fluten
vom Meer erreicht werden, bilden sich Salzmarschen: Der Regen kann
zwischen den seltenen Fluten immer wieder etwas Salz auswaschen,
dadurch nimmt die Vielfalt sichtbarer Pflanzen zu; und auch an
Flussmündungen, in Deutschland etwa von Elbe und Weser, bilden sich
oberhalb des Wattenmeers fruchtbare Marschländer; auch hier zieht
das reiche Nahrungsangebot große Vogelscharen an.
Mangroven
Die Mangrovenwälder sind das tropische Gegenstück
des Wattenmeeres; sie kommen in der Gezeitenzone der Subtropen und
vor allem der Tropen vor. Schon allein durch das Vorhandensein von
Bäumen ist dieser Lebensraum noch artenreicher als das Wattenmeer;
das ausgedehnte Wurzelwerk hält das Sediment fest und sammelt damit
Nährstoffe an. Auch die Mangroven stellen eine Kinderstube für
Fische, Garnelen und Krebse dar. Die größten Mangrovenwälder finden
sich an den Mündungen der großen tropischen Flüsse: am Sambesi,
Amazonas, Mekong und Kongo; an der übrigen Küste hängt ihre
Ausdehnung vom Küstenverlauf ab – insgesamt sind 60 bis 75 Prozent
der tropischen Küsten von Mangrovenwäldern bewachsen. Mangrove ist
der Sammelbegriff für etwa 50 bis 55 verschiedene Baumarten, die
sich an den Lebensraum der Gezeitenzone angepasst haben; als
Anpassung an das instabile Sediment fällt vor allem ein weit
ausladendes Wurzelwerk auf, bei manchen Arten wird dieses noch durch
Luftwurzeln ergänzt, die gegen die Sauerstoffarmut im Schlick
entstanden sind; und „versteckt“ in biochemischen Mechanismen finden
sich verschiedene Wege, Salz auszuscheiden. Die hohe
Salzkonzentration des Meerwassers würde ohne diese Anpassung den
Wurzeln Wasser entziehen, erst spezielle Mechanismen ermöglichen den
Pflanzen das Überleben im Meer. Eine andere Anpassung ist die
Fortpflanzung: Bei manchen Arten entwickeln sich die Jungpflanzen
noch am Baum und sind schwimmfähig; schließlich fallen sie ins
Wasser und treiben dort, bis sie an einem geeigneten Ort wurzeln
könne.
Das dichte Wurzelwerk der Mangroven bietet den Meeresorganismen
zahllose kleine Lebensräume, und es schützt die Küste vor der
Erosion besonders bei tropischen Stürmen – so sind etwa beim Tsunami
rund um den Indischen Ozean im Jahr 2004 hinter Mangroven deutlich
weniger Schäden aufgetreten. Mehr noch: durch die Sedimentablagerung
führen die Mangroven im Laufe der Zeit sogar zur Landgewinnung. Die
aus dem Wasser ragende Baumschicht bietet nicht nur Wasservögeln
einen Brutplatz, sondern auch Landtieren einen Lebensraum: So kommen
selbst Affen zum Krabbenfang in die Mangrovenwälder. Der Lebensraum
Mangrovenwald ist ähnlich produktiv wie die tropischen Regenwälder.
Zudem sind Mangrovenwälder sehr effektive Kohlenstoffsenken, das
heißt, sie binden dauerhaft Kohlendioxid aus der Luft.
Mangrovenwälder sind vor allem durch Garnelenzuchten gefährdet; so
sind in Malaysia in den letzten 50 Jahren etwa die Hälfte aller
Mangrovenwälder für diese Farmen vernichtet worden.
Tropische Korallenriffe
Noch artenreicher sind schließlich die tropischen
Korallenriffe: Eine größere Zahl von Pflanzen- und
Tierstämmen gibt es in keinem anderen Lebensraum auf der Erde; etwa
90.000 Arten sind aus den Korallenriffen bisher beschrieben.
Korallenriffe sind die größten Bauwerke auf der Erde – das Great
Barrier Reef vor Australien erstreckt sich über 2.300 Kilometer.
Auch Atolle sind Korallenriffe, die sich an den Flanken
unterseeischer Vulkane ansiedelten, wodurch sie ringförmig wurden.
Baumeister der Korallenriffe waren – meist nur wenige Millimeter
große – Polypen, die über Jahrtausende Kalk ausschieden. Die
Korallenpolypen leben meist in Symbiose mit Algen: Die
Algen ernähren sich von Stoffwechselprodukten der Polypen und
liefern ihnen dafür Zucker, die sie mittels Fotosynthese aufbauen.
Und sie verändern die innere Chemie der Polypen so, dass die
Kalkproduktion erleichtert wird.
Korallenriff vor
den nordwestlichen Hawaii-Inseln. Korallenriffe sind einer der
artenreichsten Lebensräume der Meere. Foto: James Watt, >> NOAA.
Korallenriffe bieten eine Vielzahl von Lebensräumen und beherbergen
daher viele Arten. Rund 100.000 sind beschrieben; die Schätzungen
der tatsächlichen Artenzahl reicht von 500.000 bis zu zwei
Millionen. Entsprechend herrscht ein intensiver Wettbewerb um Raum
und Nahrung. Dabei haben die Organismen der Korallenriffe ein
Arsenal an chemischen Stoffen entwickelt, das diesen Lebensraum zu
einem viel versprechenden Ort für die Suche nach nützlichen
Naturstoffen machen. Zum Teil gehen auch die bunten Farben der
Tiere, für die die tropischen Korallenriffe berühmt sind, auf diese
Stoffe zurück: manche Tiere warnen mit leuchtenden Farben vor
Giften. Bei anderen Arten täuschen die Farben auch nur: Fische
nehmen Farben anders wahr als Menschen – für uns bunte Tiere können
daher im Riff in Wirklichkeit bestens getarnt sein.
Offenes Meer
92 Prozent der Primärproduktion im Meer geht auf das pflanzliche Plankton
zurück – auf Cyanobakterien, Kieselalgen und Panzergeißler. In der
oberen Schicht der Ozeane, die von der Sonne durchdrungen wird (die
in den klarsten Gebieten bis zu 200 Meter dick ist), bauen sie
riesige Mengen an organischer Substanz auf. Dabei hängt das Wachstum
des Planktons vor allem vom Vorhandensein von Nährstoffen ab, und
findet daher vor allem in den produktiven Schelfmeeren (siehe
>> oben)
oder über der Schelfkante (wo der Festlandssockel zur Tiefsee
abfällt) statt, wenn hier nährstoffreiches Wasser aus der Tiefe
aufsteigt – dies ist oft an den Westküsten der Kontinente der Fall,
etwa vor der Küste Perus. (An ihrer Westseite lenken Kontinente die
Oberflächenströmungen nach Norden ab, wo sie dann vom Südostpassat
erfasst werden, so kommt es hier zum Aufstieg des Tiefenwassers.)
Ähnliches geschieht aber auch vor Inseln oder an untermeerischen
Bergen, daher gibt es eine sehr unterschiedliche Verteilung der
Nährstoffe im Ozean. Die Vielfalt des pflanzlichen Planktons zeigt,
dass es im Ozean eine Vielfalt von unterschiedlichen Habitaten und ökologischen Nischen geben muss; diese sind
noch kaum erforscht – obwohl etwa für die Regulierung des Klimas von
großer Wichtigkeit, denn je nach Artenzusammensetzung wird ein
unterschiedlich großer Anteil des durch die Fotosynthese oder die
Bildung von Kalkschalen gebundenen Kohlendioxids im Meer
zurückgehalten.
Bekannt ist aber, dass es nicht nur mehr pflanzliches Plankton
gibt, je nährstoffreicher das Wasser ist, sondern dass die Arten
auch größer sind – so groß, dass sie direkt von großen Arten des
tierischen Planktons oder von Fischlarven gefressen werden können.
Da auf jeder Ebene der Nahrungskette ein Großteil der Energie
verloren geht (siehe >> hier),
sind kurze Nahrungskette gut für den Energietransfer hin zum Fisch:
Nährstoffreiche Gewässer sind daher besonders reich an Fischen.
Viele Arten des tierischen Planktons verbringen den Tag in der
Tiefe, wo sie vor Fischen geschützt sind – hier werden sie jedoch
von Kalmaren gejagt. Wo es viel Plankton gibt, können Fische in
riesigen Schwärmen vorkommen. Schwarmfische sind zum Beispiel
Heringe, Sardinen und Sardellen. Diese Schwärme sparen Energie beim
Schwimmen und schützen die Fische zudem: Manche Angreifer können in
den Schwärmen offenbar keine Fische mehr erkennen, und manche Arten
können mit einer Wolke kleiner Bläschen, offenbar das Ortungssystem
von Walen stören und so entkommen – die Bläschen erzeugen sie, indem
sie Gas aus ihrer Schwimmblase ablassen.
Aber die Angreifer können auch selbst die Schwarmstrategie nutzen,
etwa Makrelen, die Schwärme umzingeln und mit Angriffen in die Mitte
des Beuteschwarms die Fische in die Mäuler der wartenden Artgenossen
treiben. Diese Raubfische werden von großen Räubern wie Thunfischen
und Haien gejagt; an der Spitze der Nahrungskette stehen die großen
Zahnwale wie der Pottwal. Mantarochen, manche Haie und die
Bartenwale leben direkt von den Planktonschwärmen.
Wie schlecht wir den Leben im offenen Meer kennen, macht der
omnibusgroße Koloss-Kalmar deutlich: Als im Jahr 2004 nach
jahrzehntelanger Suche das zweite lebende Exemplar dieser Art
gefilmt wurde, galt dies als Sensation – dabei kann der
Koloss-Kalmar nicht selten sein, denn er stellt im südlichen Ozean
drei Viertel der Nahrung der Pottwale. (Die schwer verdaulichen
Tintenfischschnäbel erlauben Rückschlüsse auf Art und Größe der vom
Wal verzehrten Tintenfische; ein Pottwal frisst etwa 1.000
Tintenfische am Tag.)
Perfekte Jäger mit Imageproblemen:
Haie
Weißer Hai bei Isla Guadalupe, Mexiko.
Foto: Terry Goss. Aus >> wikipedia,
Lizenz: >> GNU
FDL 1.2.
Haie haben unbestreitbar ein Imageproblem, spielen aber eine
wichtige ökologische Rolle in marinen Ökosystemen wie
Korallenriffen: Sie fressen kranke und schwache Fische und
regulieren die Zahl anderer Fleischfresser – so dass Algenfresser
überleben können. Biologen, die Haie erforschen, staunen über die
perfekte Anpassung dieses großen Jägers: eine perfekte
Stromlinienform, die ihnen energiesparendes Schwimmen ermöglicht,
ebenso wie ihre Haut (Sportschwimmer können seit ein paar Jahren
Schwimmkleidung nutzen, die der Haifischhaut nachgebildet ist). Was
das Image angeht, könnten wir es spätestens seit Hans Hass’ Buch
„Wie Haie wirklich sind“ besser wissen; Haiforscher bezeichnen sogar
den Weißen Hai als „verspielt“! An manchen Orten verdient man mit
Haien sogar Geld: Auf den Bahamas, wo Tauchen ein
Multimilliarden-Dollar-Geschäft ist, ist ein Hai in einem gesunden
Ökosystem bis zu 200.000 US-$ an Tourismuseinnahmen wert.
Jedes Jahr sterben etwa 10 Menschen durch Haie – aber mindestens
100 Millionen Haie durch Menschen. Die meisten Haie müssen sterben,
um Flossen für Haifischflossensuppe zu liefern. Oftmals werden den
lebendigen Tieren die Flossen abgetrennt und Tiere dann in das Meer
zurück geworfen – da sie ohne Flossen nicht schwimmen können,
bedeutet dies ihren qualvollen Tod. Diese Praxis heißt „finning“ –
wie müsste wohl unser Image bei den Haien sein? Von den 428
Hai-Arten sind heute etwa 100 vom Aussterben bedroht.
http://www.sharkproject.org:
Webseite der weltgrößten Organisation zum Schutz der Haie
Tiefsee
Die Tiefsee beinhaltet mehr als eine Millionen Kubikkilometer
Wasser und ist damit mit Abstand der größte Lebensraum der Erde
– der über zwei Drittel der gesamten Biosphäre umfasst. Nur
ein Bruchteil davon ist bislang erforscht, und erst in den letzten
Jahrzehnten entdeckten die Meeresforscher, dass es hier
interessante Lebensräume gibt: An den Kontinentalhängen wurden Kaltwasserkorallenriffe
(auch Tiefwasserriffe genannt) gefunden; im Gegensatz zu den
tropischen Korallenriffe leben die Korallen von Plankton, das sie
mit ihren Tentakeln einfangen. Diese Ökosysteme sind noch kaum
erforscht, werden aber bereits zerstört: durch Bodenschleppnetze,
die seit etwa 1985 in der Hochseefischerei in Tiefen bis zu 1.500
Metern eingesetzt werden.
An den mittelozeanischen Rücken wurden Hydrothermalquellen
entdeckt, darunter die vulkanischen „Schwarzen Raucher“, die
entstehen, wenn Meerwasser in porösem Gestein oberhalb von
Magmakammern erhitzt wird und mit Temperaturen von über 400 °C
(aufgrund des hohen Drucks trotzdem flüssig bleibend) nach oben
schießt. Beim Kontakt mit dem kalten Bodenwasser flocken
mineralische Stoffe aus und bilden im Laufe der Zeit kaminartige
Schlote. Ähnlich entstehen etwas abseits der eigentlichen Gräben, wo
das Wasser nur noch 90 Grad Celsius warm ist, weiße Türme aus
Kalziumkarbonat (als lost city, “versunkene Stadt” bekanntgeworden).
In beiden Fällen muss das Leben hier ohne Sonnenenergie auskommen
und basiert auf chemischer Energie – Bakterien nutzen den
Schwefelwasserstoff aus den Quellen, um organische Verbindungen
herzustellen. Andere Arten leben von diesen Bakterien, oder leben
mit ihnen in Symbiose. Diese Lebensräume ähneln der
Umgebung, in der möglicherweise das Leben entstanden ist (>> Das Leben),
und wimmeln von bizarren Lebensformen.
In den Tiefseebecken gibt es Schlammböden, in
denen mehrere Tausend Arten meist winziger Organismen von der
organischen Substanz leben, die nach ihrem Absterben aus den oberen
Zonen zu Boden sinkt. Diese Schlammböden machen 60 Prozent der
Erdoberfläche aus, ihre Vielfalt ist noch wenig erforscht;
möglicherweise sind hier Millionen von Arten noch unentdeckt. Auf
dem Böden leben Schlangensterne, Seeigel und Seegurken, die
organische Reste fressen, aber auch riesige, bis zu 25 Zentimeter
(!) große Amöben.
Im offenen Wasser der Tiefsee leben die
Organismen entweder von dem, was von oben herabrieselt, dem
sogenannten Meeresschnee, oder von anderen Tieren. Viele Tiere sind
hier zur Tarnung lichtdurchlässig, andere nutzen Licht, um Beute
anzulocken: Die Tiefseeangelfische leben mit Leuchtbakterien in
Symbiose. Damit lockt er Beute direkt vor sein Maul. Auch viele
andere Organismen erzeugen Licht, etwa um damit ihre Körperumrisse
aufzulösen oder Angreifer abzuschrecken.
Arktis und Südpolarmeer
Zu den Lebensräumen des Meeres gehört auch die Arktis:
Während die Antarktis ein weitgehend von Eis bedeckter Kontinent
ist; umfasst die Arktis neben den nördlichsten Bereichen Kanadas,
Russlands und Skandinaviens vor allem den eisbedeckten Arktischen
Ozean. Hier finden sich wichtige Fischgründe: Seelachs in der
Beringsee und Kabeljau in der Barentssee; zudem leben auf dem Eis
verschiedene Robbenarten und Eisbären. Im Südpolarmeer rund um die Antarktis
ist vor allem der antarktische Krill bemerkenswert, ein
garnelenähnliches Krebstierchen: Er ist die Hauptnahrung für Wale,
Robben, Tintenfische und Pinguine; seine Biomasse ist nach
Schätzungen größer als die das Menschen. Krill lebt vom pflanzlichen
Plankton; dieses kann im Winter sogar in Hohlräumen
Arktis (links) und Antarktis
(rechts).
vor allem an der Unterseite des Meereises leben. Daher findet das
tierische Plankton und der Krill sogar im Winter viel Nahrung. Eine
reiche Artenvielfalt findet sich auch auf dem Meeresboden, die
Organismen leben von herabfallendem Material aus den
oberflächennahen Schichten.
Literatur:
Wer Zugriff auf ältere Exemplare (der internationalen
englischsprachigen Ausgabe) des National-Geographic-Magazins hat –
Abonnenten haben dies auch im Internet –, findet dort zwei sehr
schöne Beiträge über Seeleoparden, die – wie der
Eisbär in der Arktis – an der Spitze der Nahrungskette in der
Antarktis stehen sowie über Kaiserpinguine:
- National Geographic November 2006 – Leopard Seals: Deadly
Beauty
- National Geographic November 2012 – Escape Velocity.
Die Arktis gehört zu den Lebensräumen, die besonders stark vom
>> Klimawandel betroffen sind, mehr
dazu >> hier.
Empfehlenswerte Websites
Aktuelle Nachrichten zum Zustand der Weltmeere auf der Website Naturwunder
Erde.
Google Ocean: Google
Earth bietet mit “Google Ocean” auch die Möglichkeit die Weltmeere
zu erkunden; zahlreiche Partner ergänzen die Seiten mit weiteren
Informationen.
Census of Marine Life: Der
“Census of Marine Life” ist eine internationale Initiative, die
weitgehend unbekannte Artenvielfalt der Weltmeere und seine
Lebensräume zu erforschen. Die Seite bietet eine Beschreibung des
Projektes, weiterführende Informationen, Presseberichte, Neuigkeiten
und anderes (englischsprachig).
Alfred-Wegener-Institut
für Polar- und Meeresforschung: Webseite des wichtigen
deutschen Meeresforschungsinstituts, das seinen Schwerpunkt auf
Arktis und Antarkis hat und das Forschungsschiff Polarstern
betreibt.
Weiter mit:
>> Lebensräume
II (Das Festland)
Zum Lebensraum Ozean siehe auch:
>>
Die Verschmutzung der Ozeane (Das Zeitalter der Industrie)
>> Die
Überfischung der Weltmeere
Weitere Seiten zum Ökosystem Erde:
>> Übersicht
>> Die
Erde als Ökosystem
>> Boden
>> Wasser
>> Luft
>> Klima
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