Das Zeitalter der Industrie
Die Plünderung der Meere
Jedes Jahr werden in den Meeren etwa 80
Millionen Tonnen Fisch gefangen. Der einst unerschöpflich
erscheinende natürliche Reichtum der Weltmeere ist hierdurch
gefährdet: 90 Prozent aller Fischbestände sind vollständig oder
übermäßig ausgebeutet; fast ein Drittel sind akut gefährdet. Die
Überfischung gefährdet nicht nur eine gesunde und für viele arme
Menschen unverzichtbare Nahrungsquelle, sie hat auch unabsehbare
Folgen für die Ökosysteme der Meere.

Der Reichtum der Auslage täuscht:
Es muss immer mehr Aufwand betrieben werden, um die Läden mit Fisch
zu versorgen; die Fischerei hat in den Meeren schwere Schäden
angerichtet. Foto des Maine Avenue Fish Markets in Washington, D.C.
von Bien Stephenson, >>
wikipedia commons, Lizenz: >> cc
2.0.
Die Geschichte der Fischerei
Die Fischerei (801)
ist wohl so alt wir die Menschheit. Muschelhaufen mit
Steinwerkzeugen und zum Fischfang geeignete Werkzeuge - zum Beispiel
90.000 Jahre alte Harpunen aus dem ostafrikanischen Rift-Valley -
gehören zu den ältesten Spuren des >> Homo
sapiens. Niemand weiß genau, wann die Menschen sich
erstmals mit Booten aufs offene Meer hinaus getraut haben, aber auch
dies dürfte früh in der Menschheitsgeschichte geschehen sein: die
ersten Menschen, die vor 60.000 bis 50.000 Jahren >> Australien
erreichten, werden Fischer gewesen sein - wer sonst hätte bis zu 80
Kilometer breite Meeresarme im Boot überqueren können? Fischspeere,
Harpunen und seit spätestens 30.000 Jahren auch Angelhaken zeugen
vom Fischfang während der gesamten Steinzeit; Fischernetze sind aus
10.000 Jahre alten Felszeichnungen bekannt (aber vermutlich viel
älter).
Ähnlich den großen Bisonherden Nordamerikas zogen einst Schwärme
des majestätischen Nordatlantischen Blauflossen-Thunfisches
(auch Roter oder Großer Thunfisch genannt) durch den Atlantik und
ins Mittelmeer. Schon die Phönizier handelten mit eingesalzenem
Thunfisch - und mit einer Fischsauce, die später unter den Römern
als >> garum im
gesamten Römischen Reich verbreitet war. Auf Holzgestellen
getrockneter Kabeljau - Stockfisch - diente den
Wikingern als Proviant auf ihren Fahrten; der Kabeljau führte sie
wohl schon vor über 1.000 Jahren an die Küste Nordamerikas. Auch in
Nordeuropa nahm ab 1050, als die Wasserqualität der Flüsse mit
zunehmender Bevölkerung und zunehmender Landwirtschaft schlechter
wurde, die Bedeutung von Meeresfisch zu; der Handel mit Salz und Salzhering
aus der Ostsee trug zum Aufstieg der Hanse bei. Als Mitte des 15.
Jahrhunderts der Hering in der Ostsee seltener wurde, verlagerte
sich die Heringsfischerei in die Nordsee - und führte dort zum
Aufstieg der Niederlande. Der schärfste
Konkurrent des Herings wurde der Kabeljau, nachdem
baskische Fischer entdeckten, dass vor dem Trocknen eingesalzener
Kabeljau aufgrund seines geringen Fettgehaltes länger hielt als
Salzhering; außerdem war er leichter zu lagern - Kabeljau konnte
lose gestapelt werden und musste nicht wie der Hering in Fässern mit
Salzlake schwimmen. Bald wurde der „Klippfisch“
(der noch an Bord eingesalzene Kabeljau wurde zum Trocknen auf
Klippen gelegt) vor allem im Mittelmeerraum zu einer begehrten
Handelsware. Anfang des 15. Jahrhunderts haben die Basken
möglicherweise dem Kabeljau folgend bei Neufundland und Labrador
bereits die Küste Nordamerikas erreicht – dafür spricht, dass die
Bewohner Neufundlands das baskische Wort baccalao für
Kabeljau benutzten, als John Cabot 1497 im Auftrag der englischen
Krone die Küste Nordamerikas erreichte.
Während die Basken ihre Entdeckung für sich behalten hatten,
berichtete Cabot vom Fischreichtum des neuen Landes. Tatsächlich
waren die Fischgründe vor Nordamerika reicher als alles, was in
Europa bekannt war, und so stürzten sich alle Fischereiflotten auf
diesen Reichtum: 50 Jahre später trugen sie dazu bei, dass Kabeljau
60 Prozent des Fischverzehrs in Europa ausmachte.
Franzosen, Basken, Spanier, Portugiesen, Briten: Sie alle fischten
vor der Küste Nordamerikas. Häfen wie La Rochelle in Frankreich,
Vigo und Bilbao in Spanien, Bristol und Plymouth in Britannien
verdankten diesen Kabeljaugründen ihren Aufschwung. Stock- und
Klippfisch wurden zur strategischen Handelsware, da sie als Proviant
für die immer häufiger werdenden Seereisen in die neue Welt geeignet
waren.

Der Kabeljau (Gadus
morhua) war einst vor der Küste Amerikas so reichlich, dass
in Europa ein regelrechter Kabeljaurausch ausbrach. Die industrielle
Fischerei hat aber die einst größten Bestände zusammenbrechen
lassen. (Abbildung aus wikipedia, Eintrag >> Kabeljau,
abgerufen 17.9.2007)
Kabeljau und die
amerikanische Unabhängigkeit
Besondere historische Bedeutung sollten die Kabeljau-Fanggründe vor
dem heutigen Massachusetts erlangen: Hier, wo eine Landzunge wegen
des massenhaften Vorkommens Cape Cod („Kabeljaukap“)
getauft wurde, und es im nördlich davon gelegenen heutigen Maine
eine bestens zum Trocknen des Fangs geeignete Felsküste gab, sollten
sich die „Pilgerväter“ niederlassen. Nachdem sie im ersten Jahr fast
verhungert waren, gelang es ihnen schließlich mit Hilfe der
Fischerei zu überleben. Sie profitierten davon, dass die Kabeljaue
im Winter das noch flachere, wärmere Wasser an der Küste zum Laichen
aufsuchten. Die Winterfischerei war den europäischen Schiffen
praktisch unzugänglich, da sie dafür den Atlantik im stürmischen
Herbst hätten überqueren müssen.
Zusammen mit Tabak wurde Kabeljau so zum wichtigsten Exportgut der
neuenglischen Kolonien, bereits im Jahr 1640 wurden 300.000 Stück
Kabeljau verschickt. Der Kabeljauhandel machte Neuengland zu
internationalen Handelsmacht; schlechtere Ware, die die
anspruchsvollen Märkte am Mittelmeer nicht akzeptierten, wurde in
die Karibik geliefert, wo damit die Sklaven auf den
Zuckerrohrplantagen ernährt wurden. Im Gegenzug erhielt Neuengland
Melasse, mit der Rum erzeugt wurde, der wiederum (auch) auf
ausländischen Märkten verkauft wurde.
Dem Gesetz nach hätte die Kolonie ihre Waren aber eigentlich nur
über das englische Mutterland vertreiben dürfen. Praktisch wurde der
Handel zunächst geduldet. Erst ein Jahrhundert später versuchten die
Briten, ihre Kolonie an die Kandare zu nehmen - im Jahr 1733 mit dem
Molassegesetz, das die Zuckereinfuhr aus der nichtbritischen Karibik
mit Zöllen belegte. Zu spät: langandauernde Zoll- und
Steuerstreitigkeiten führten 1773 zur Boston Tea Party,
die schließlich zum Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1775 - 1783
führte, der mit der >>
Entstehung der Vereinigten Staaten von Amerika endete. Im
Regierungsgebäude von Massachusetts in Boston, dem Old State
House, wurde danach ein holzgeschnitzter Kabeljau aufgehängt
– die Amerikaner wussten, wem sie ihre Unabhängigkeit verdankten.
(Der Kabeljauhandel der Vereinigten Staaten wurde vom
Ende der Sklaverei schwer getroffen - mit dem Ende der
Plantagenwirtschaft wurde der karibische Markt sehr klein. Zwar
entwickelte sich ein heimischer Markt, aber die alten
Kaufmannsfamilien steckten ihr Geld lieber in die beginnende
Industrialisierung.)
Die Entstehung der industriellen Fischerei
Unterdessen hatten sich die Methoden des Fischfangs kaum geändert:
Schwarmfische wie Heringe oder Sardinen wurden mit Netzen
gefangen, Kabeljau von kleinen Fangbooten aus mit Handleinen.
1780 wurden vor Island erstmals Netze für den Kabeljaufang
eingesetzt; ab 1815 rüsteten die Franzosen ihre Flotte mit
Langleinen (auch Grundschnur genannt) aus - eine damals
mehrere Hundert Meter (und heute mehrere Kilometer) lange Schnur, an
der alle sechzig Zentimeter ein Haken mit Köder befestigt ist. Weil
die riesigen Mengen an Köder sehr teuer waren, galt die Methode als
ungerecht und war umstritten. Beim Kabeljau konnte sich die
Grundschnur nicht durchsetzen; sie wird heute aber für andere
Raubfische wie Thunfische, Marline und Schwertfische verwendet.
Technische Neuerung in der Fischerei kamen meist aus Europa: Hier
waren die Fischgründe weniger ergiebig und die Konkurrenz größer,
alleine die Nordsee teilten sich acht Anliegerstaaten. Schon im 14.
Jahrhundert war hier für die Garnelenfischerei das Grundschleppnetz
erfunden worden, aber die Verwüstungen, die es am Meeresboden
anrichtete, riefen den Widerstand anderer Fischer hervor, wiederholt
wurde sein Einsatz verboten. Ohnehin konnte man große Mengen Fisch,
der nicht wie Hering oder Kabeljau konserviert werden konnte, nicht
schnell genug in die Städte bringen. Das sollte sich aber mit dem
Bau der ersten Eisenbahnlinien und der Erfindung der Eismaschine ab
1860 ändern. Neue Fischgründe, wie die zentral in der Nordsee
gelegene Doggerbank, wurden entdeckt und mit Grundschleppnetzen, die
von Trawlern (Schiffen, die ihr Fischfanggerät
hinter sich herziehen) gezogen wurden, befischt. 1865 wurde in
Frankreich der erste dampfbetriebene Trawler
gebaut, und 1881 bauten die Briten den ersten dampfgetriebenen
stählernen Trawler. Diese konnten unabhängig von Wind und
Gezeiten arbeiten. Ab 1892 setzte sich das verbesserte Scherbrettschleppnetz
durch - ein sackähnliches Netz, dessen Öffnung durch Schwimmer aus
Kork an der Oberseite und den „Scherbrettern“ an den Seiten offen
gehalten wurde.
Das Grundtau eines solchen Netze wird über den Meeresboden gezogen;
Ketten scheuchen Bodenfische wie Schollen, Seezungen oder Flunder
auf. Grundtaue und Ketten rasieren aber auch Korallen, Schwämme,
Seefächer, Seetang und andere Bodenlebewesen ab - es ist, als
“würden wir Hirsche, Kaninchen und Wildschweine jagen, indem wir die
Wälder abholzen” (GEO 6/2007). Was überbleibt, ist eine
Spur der Verwüstung - und es ist eine riesige Spur: Heute
werden praktisch alle Meeresgebiete, die weniger als einen Kilometer
tief sind, mit Grundschleppnetzen befischt; nach Schätzung ist jedes
Jahr eine Fläche von 15 Millionen Quadratkilometern betroffen (das
sind mehr als 40.000 Quadratkilometer am Tag). Außerdem fallen
bei dieser Methode erhebliche Mengen an „Beifang“ (siehe Kasten) an.
"Beifang"
Die Geschichte des "Beifangs" begann mit der
Langleine: die Köder locken nicht nur die gesuchten Fische, sondern
auch andere Tiere wie Meeresschildkröten, Delphine und Seevögel an.
Weiter ging es mit Grundschleppnetzen und andere unselektive
Fangmethoden, mit denen große Menge Tiere gefischt wurden, die
niemand wollte. Der “Beifang” wird im besten Fall zu Fischmehl
verarbeitet, meist aber einfach tot wieder über Bord gekippt wird -
die Laderäume sollen lieber mit teurer Ware gefüllt werden –, macht
nach Schätzungen (er wird in den meisten Statistiken nicht erfasst)
heute global etwa 20 Prozent des Gesamtfangs aus, in der Nordsee gar
ein Drittel. Zu diesen Opfern des Fischfangs gehören jedes Jahr auch
250.000 Meeresschildkröten. Er ist die wichtigste Todesursache der
majestätischen, bis 2,50 Meter und 1.000 Kilo schweren
Lederschildkröte, die sich zudem leicht in Fischernetzen
und -leinen verheddert, durch >> Plastikmüll
in den Meeren und den Klimawandel
gefährdet ist, da der ansteigende Meeresspiegel die Sandstrände, an
denen sie ihre Eier ablegt, schrumpfen lässt.
Erste Sorgen um die Fischbestände
Die Leinenfischer, die angesichts der Grundschleppnetze um ihre
Zukunft fürchteten, konnten sich mit ihren Bedenken nicht
durchsetzen. Mit der Industriellen Revolution wurden in England
Fish & Chips zu einem Grundnahrungsmittel der Arbeiter.
Aber immerhin wurden - um die Bedenken überprüfen zu können - in
England und Wales ab 1889 die Fangmengen in den wichtigsten Häfen
erfasst. Im Jahr 1900 erschien eine erste Studie (810),
auf auf der Grundlage dieser Daten einen Rückgang der Fischbestände
aufzeigte, da der Aufwand für die Fischerei schneller stieg als die
Erträge. 1902 wurde der International Council
for the Exploration of the Sea (ICES, dt. Internationaler Rat
für Meeresforschung) gegründet. Dieser sollte für anfänglich acht
(heute 20) Fischereinationen die Entwicklung der Fischbestände
beobachten. Seit 1904 veröffentlicht er die jährlichen
Fischereierträge im Nordatlantik. Da man Fische nicht direkt zählen
kann, sind die Fangmengen eine wichtige Grundlage für
Bestandsschätzungen; die mathematischen Modelle müssen aber die
technischen Fortschritte „herausrechnen“. Zur Überprüfung der Zahlen
werden zudem Probefänge durchgeführt. Dank der Berichte des ICES
kann man heute nachvollziehen, wie beispielsweise der Heringsfang
sich immer weiter von der südlichen in die nördliche Nordsee
verlagerte, da Überfischung die Laichpopulationen in der südlichen
Nordsee vernichtete.
Können Biologen
fischen?
Im Streit um die noch vorhandenen Fischbestände sagen Fischer oft,
dass die Biologen die Bestände zu niedrig schätzen, da sie nicht
fischen könnten: Sie verwendeten veraltete Methoden und fischten
dort, wo jeder wisse, dass es keine Fische gäbe...
Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Während es den
Fischern um maximale Fänge geht, wollen die Biologen die Entwicklung
der Fischbestände erforschen. Daher müssen sie die gleichen Methoden
verwenden, wie bei den Vergleichsmessungen vor Jahrzehnten -
ansonsten wären die Fangmengen nicht vergleichbar. Ähnlich ist es
mit den Orten, an denen gefischt wird: Die Biologen haben ein festes
Raster, an denen jedes Jahr gefischt wird, während die Fischer
natürlich den Fischen folgen. Für die Biologen ist es eben auch eine
Erkenntnis, dass es an einem Ort keine Fische (mehr) gibt.
Weniger Fisch in der Nordsee und Kabeljaukriege vor Island
Aber Anfang des 20. Jahrhunderts konnte der technische Fortschritt
den Rückgang der Fischbestände noch verbergen: mit dem Dampfantrieb
konnten die Schiffe nun den Fischen folgen, die Fänge stiegen auf
ein mehrfaches. Als die Fischerei in der Nordsee schwieriger wurde,
begann man eben, vor der Küste Islands den dort reichlichen Kabeljau
zu fischen. Einen nächsten Hinweis, wie stark die Fischerei bereits
in die Fischbestände eingriff, gab der Erste Weltkrieg:
die Rekrutierung der britischen Trawler als Minensucher und zum
Aufspüren von U-Booten und das Versenken von 156 Fischereischiffen
im Jahr 1916 führten faktisch zur Einstellung der Fischerei abseits
der Küsten - und die Fangmengen der isländischen Küstenfischer
stiegen an, die Fischbestände in der Nordsee verdreifachten sich,
was nach den Krieg kurzzeitig für Rekordfänge sorgte. Als die Briten
dann wieder nach Island zurückkehrten und in den 1920er Jahren auch
die Deutschen begannen, vor Island zu fischen, kam es zu ersten
Konflikten um die Fischbestände dort: die isländische Küstenwache
brachte mehrfach englische und deutsche Trawler auf. Ab 1928 gab es
die ersten dieselgetriebenen Trawler, die noch
leistungsstärker waren. Mit ihnen fuhr man bis in die arktischen
Gewässer vor Spitzbergen - die reichen, zuvor kaum befischten
Fischgründe dort lohnten den hohen Aufwand.
Erst der Zweite Weltkrieg brachte erneut eine
Erholungspause für die Fischbestände. Vor Island fischten wieder nur
Isländer, die mit den Rekordpreisen zu Kriegszeiten gutes Geld
verdienten - der Krieg endete für Island mit der Unabhängigkeit und
beachtlichem Reichtum. Um dessen Grundlage, den Kabeljau, zu
schützen, erklärte das Land 1950 eine Viermeilenzone vor seine Küste
zu Hoheitsgewässern. (Traditionell galten die Meere als frei,
staatlich durchsetzbare Rechte gab es nur, "soweit die Waffen
reichten" (814)
- und das waren einst drei Meilen, weshalb in der Nordsee etwa seit
1822 eine Dreimeilenzone als Hoheitsgewässer galt. Die Möglichkeit
einer Ausweitung hatten 1945 die Amerikaner ins internationale Recht
eingeführt, als Präsiden Truman das Eigentum am amerikanischen
Kontinentalschelf beanspruchte, um die küstennahe Ölförderung der
USA zu schützen. Auch Island begründete die Ausweitung mit dem
Kontinentalschelf.)
Die nächste bedeutsame Erfindung kam aus Amerika: hier baute 1923
der Erfinder Clarence Birdseye die erste Anlage zum schnellen Tiefgefrieren.
1930 gab es tiefgekühltes Gemüse auf dem amerikanischen Markt. 1954
erreichte diese Erfindung auch die Fischerei: Die britische Fairtry
war das erste Fabrikschiff, an dessen Bord sich
Filetiermaschinen, Schnellgefrieranlagen und Kühlräume befanden.
Andere Länder folgten. Zum Teil wurden die Filets in Blockform
eingefroren und zu Stäbchen zersägt: Fischstäbchen
wurden zu einem großen Markterfolg und steigerten den Fischabsatz
weiter. Die im Zweiten Weltkrieg zum Aufspüren feindlicher U-Boote
entwickelten Sonargeräte hatten ebenfalls Einzug in die Fischerei
gehalten und halfen nun den Fabrikschiffen ebenso wie
Aufklärungsflugzeuge, Fischschwärme zu finden. Heute werden auch
Wärmesensoren auf Satelliten (und deren GPS-Daten) für den Fischfang
genutzt. Die Fabrikschiffe wurden immer größer, neue Fischfangländer
wie die Sowjetunion, Taiwan und Japan fischten mit ihnen in den
reichsten Fischgründen. Neue Formen der Fischerei, wie die
Gespannfischerei (riesige Schleppnetze werden zwischen
zwei Fabrikschiffe gehängt) und neue Netzformen, wie Ringwaden-
und Treibnetze, eroberten die Meere.
Herrenlose
Tötungsmaschinen in den Meeren
Mit den Ringwadennetzen, die vor allem zum Fang von
Sardinen, Makrelen und Thunfisch eingesetzt wurden, wurde der
>> „Beifang“ erstmals zum Thema in der
Öffentlichkeit: In den 1960er und 1970er Jahren wurde bekannt, dass
beim Thunfischfang im tropischen Pazifik Hunderttausende Delphine
in die Netze gerieten und dort qualvoll starben. Hochseetreibnetze
aus fast unsichtbarem Kunstfasergarn wurde ab den 1970er Jahren von
Fischern aus Japan, Taiwan und Südkorea eingesetzt, insbesondere für
die Jagd auf Thunfische. Da die Fische sich mit ihren Kiemen in
diesen Netzen verhaken, werden sie auch Kiemennetze genannt. In
ihnen verfing sich besonders viel „Beifang“, darunter jedes Jahr bis
zu eine Million Delphine. Verlorengegangene Treibnetze trieben
oftmals jahrelang als herrenlose Tötungsmaschinen durch die Meere.
Seit 1991 ist der Einsatz von Treibnetzen verboten, illegale
Piratenfischer verwenden sie jedoch weiterhin.
1958 weitete Island seine Hoheitszone dann auf zwölf Meilen aus.
Das traf die internationale Fischerei schwer, und insbesondere die
Briten weigerten sich, diese Ausweitung anzuerkennen. Es kam zum ersten
“Kabeljaukrieg” (so die englische Presse): Die Briten
fischten unter dem Schutz britischer Kriegsschiffe weiter. Erst 1961
erkannten sie die neue Zwölfmeilenzone dann doch an. 1972 dehnte
Island seine Hoheitsgewässer auf 50 Meilen aus, und es kam zum
zweiten "Kabeljaukrieg". Diesmal kappte die isländische
Küstenwache die Schleppnetze ausländischer Trawler. Als der Konflikt
mit den Briten zu eskalieren drohte, drängte die NATO - die mitten
im Kalten Krieg keinen Konflikt zwischen zwei Mitgliedern brauchen
konnte - die Briten erfolgreich zum Einlenken. 1973 vereinbarten
über 100 Staaten auf einer UN-Konferenz, ab 1975 eine Zweihundertmeilenzone
als "Ausschließliche Wirtschaftszone" einzuführen - was Island im
Juli 1975 umsetzte. Wieder musste die NATO Briten und Isländer an
den Verhandlungstisch bringen. Aber als 1976 auch die EWG eine
Zweihundertmeilenzone ausrief; hatten die Briten endgültig verloren.
So hatte Island die Möglichkeit, Regelungen zum Schutz der
Fischbestände einzuführen: zuerst wurde die Fangflotte
beschränkt, 1984 wurden Fangquoten eingeführt, und seit 1995 dürfen
höchstens noch ein Viertel des Bestandes gefischt werden. Die alten
Fangmengen werden bei weitem nicht mehr erreicht. Aber immerhin
erholen sich die Bestände langsam; Island gilt heute als Beispiel
für gutes Management des Kabeljaus.
Die Zerstörung der Fischgründe vor Nordamerika
Die amerikanischen Fischer konnten dank besserer
Transportmöglichkeiten ab Anfang des 20. Jahrhunderts auch den
Schellfisch vermarkten, den die Kabeljaufischer zuvor immer über
Bord geworfen hatten, weil er nicht durch Einsalzen konserviert
werden konnte. Dieses gab es in großen Mengen in der George Bank,
einer Untiefe vor der Bucht von Maine. Als der Schellfisch seltener
wurde, fischten sie stattdessen Rotbarsch und ab 1950 Flunder-Arten,
die zu Tiefkühl-Filets verarbeitet wurden. Der Rückgang der
heimischen Bestände und die Konflikte um Island brachten ab den
1960er Jahren viele europäische Fischer dazu, ebenfalls die George
Bank zu befischen; und bald folgten ihnen auch Fischer aus der
Sowjetunion. Die sowjetische Fischerei war besonders wirkungsvoll,
da die Boote im Kollektiv arbeiteten und große Fischschwärme
gemeinsam befischten. Verarbeitet wurde der Fang in riesigen
Mutterschiffen – das Fabrikschiff war hier zur Fabrikflotte
geworden. Die Fänge der europäischen und sowjetischen Schiffe
übertrafen die der amerikanischen bei weitem. 1977 nutzten daher
auch die USA die Möglichkeit, eine Zweihundertmeilenzone
einzurichten. Genauso machte es Kanada, das hierin eine Möglichkeit
zur Entwicklung des abgelegenen Neufundland sah. Beide Länder bauten
ihre eigene Fangflotte aus, um die zuvor ausländischen Fischern
überlassene Fangmenge selber fischen zu können.
Bald bemerkten aber die Küstenfischer in beiden Ländern, dass ihre
Kabeljaufänge zurückgingen: Die Schuld gaben sie den
Grundschleppnetzen der Hochseefischerei - es kamen keine Fische mehr
zum Laichen an die Küste. 1992 waren die Bestände soweit
zurückgegangen, dass Kanada die Aussetzung des Kabeljaufangs im
nördlichen Atlantik verfügen musste; 1994 wurde das Moratorium auf
die gesamte Küste Kanadas ausgedehnt. Bis heute sind die Bestände
jedoch nicht wieder angestiegen; der Kabeljau ist in Kanada heute
eine vom Aussterben bedrohte Art.
(Eine Überlegung, wie es zu diesem Rückgang kommen konnte, finden
Sie >> hier)
Das Rätsel des kanadischen Kabeljaus
Warum sich der Kabeljau vor den kanadischen Küste nach
dem Ende seiner Befischung nicht wieder erholt hat, ist noch unklar.
Möglicherweise hat hier eine ökologische Umgestaltung
stattgefunden: andere Arten wie Rochen, Glattrochen und Dornhaie
haben die ökologische Nische des Kabeljaus besetzt und fressen seine
(frühere) Nahrung, die nun keine großen Kabeljaubestände mehr
ernähren kann. Oder aber Lodden, Heringe und Makrelen, die frühere
Nahrung des Kabeljaus, fressen seine Eier und Larven (das haben sie
schon immer getan; früher waren es aber einfach zu viele, so dass
dieses keine Rolle spielte). Die Ökologie der Meere ist immer noch
nicht gut genug verstanden, um eine sichere Antwort zu wissen. Die
einst so reichen Fischgründe Neufundlands sind jedenfalls
erschöpft, und die Arbeitsplätze, um derentwillen sie
vernichtet wurden, sind auch verloren.
1994 musste die Georges Bank, eine einst sehr fischreiche Untiefe
vor der US-Küste von Maine, für die Fischerei gesperrt werden, und
obwohl sie mit dem amerikanischem Gesetz für nachhaltige Fischerei,
dem Sustainable Fisheries Act von 1996 faktisch zum
Meeresschutzgebiet wurden, hat sich der Bestand nur etwas erholt:
die Amerikaner gehen davon aus, dass er noch bis zum Jahr 2026
hierfür braucht.
Das Versagen der europäischen Fischereipolitik
Für die europäischen Fischer bedeutete die Zweihundertmeilenzone,
dass viele von ihren in den Jahrzehnten zuvor etablierten
Fanggebieten, etwa vor Island, ausgeschlossen wurden. Aber weil seit
1971 europäische Fischer in der Wirtschaftszone aller anderen
EG-Staaten fischen durften, gab es mit der Ausweitung Gewinner
(denen reiche Fanggründe zugänglich wurden) und Verlierer (in deren
reichen Fanggründe andere fischen durften); und es dauerte bis 1983,
bis die EWG sich auf eine Gemeinsame Fischereipolitik
(GFP) einigen konnte. Zukünftige Fangquoten sollten den historischen
Anteil eines Staates am Gesamtfang berücksichtigten. Eigentlich
sollte der zuständige Ministerrat die Fangquoten auf Basis der
Empfehlungen des ICES und des Fischfangkomitees der Europäischen
Kommission festsetzen; legte diese aber auf Druck der
Fischereiindustrie oftmals deutlich höher fest. Das Ergebnis: In
europäischen Gewässern steht es um die Fischgründe noch schlechter
als im Durchschnitt der Weltmeere. Im Mittelmeer beispielsweise (mit
einem europäischen Anteil von 82 Prozent) sind 63 Prozent
überfischt. Beispielhaft für die Situation im Mittelmeer steht der
nordatlantische Blauflossen-Thunfisch:
Der Nordatlantische Blauflossen-Thunfisch (Thynnus
thynnus), auch Großer Thunfisch oder Roter Thunfisch genannt,
kann bis 4,50 Meter lang und 700 kg schwer werden; er lebt im
Nordatlantik und im Mittelmeer. Die jährliche Wanderung dieses
Thunfisches ins Mittelmeer war eines der Höhepunkte des Jahres von
der Atlantikküste nahe der Straße von Gibraltar und entlang der
Mittelmeerküste bis hin zum Bosporus; im Laufe der Zeit entwickelten
sich Fangrituale wie die "almadraba"
vor Andalusien oder die "tonnara" vor Sizilien. Der
Thunfisch bedeutete reichlich Nahrung und Überschüsse, die gehandelt
werden konnten; er war schon auf keltischen und griechischen Münzen
abgebildet.
Wo aber früher dreißig Thunfische schwammen, lebt heute noch einer.
Alleine seit 1980 sind seine Bestände um 80 Prozent geschrumpft:
Thunfisch ist zum Modefisch geworden, der für Sushi und Sashimi
verwendet wird. Daran konnten auch die Bemühungen der 1969
gegründeten International Convention for the Conservation of
Atlantic Tunas (ICCAT) nichts ändern - die von der ICCAT
festgelegten Fangquoten lagen viele Jahre lang über den Empfehlungen
ihrer eigenen Fischereibiologen. Unabhängige Fischereiexperten
bezeichnetet ICCAT daher gelegentlich auch als International
Conspiracy to Catch All Tuna (Internationale Verschwörung, um
alle Thunfische zu fangen). Der wirtschaftliche Druck auf die ICCAT
ist groß: Ein mittelgroßer Blauflossen-Thunfisch wird in Japan je
nach Zustand für 10.000 - 20.000 US-Dollar gehandelt; im Januar 2013
erzielte ein Exemplar in Tokio den Rekordpreis von 1,76 Millionen
Dollar (der erste Thunfisch des Jahres wird traditionell versteigert
und erzielt auch für japanische Verhältnisse ungewöhnlich hohe
Preise).
Im Jahr 2009 hat Monaco vorgeschlagen, den Blauflossen-Thunfisch im
Anhang I der CITES-Liste aufzunehmen; damit wäre der internationale
Handel mit Thunfisch verboten worden, seit 2011 gilt er zudem als
weltweit stark gefährdete Art. Seither folgt die ICCAT zumindest den
Empfehlungen ihrer Fischereibiologen bei der Festsetzung der
Fangquoten. Sie testet zur Zeit zudem ein System, den illegalen Fang
dadurch zu bekämpfen, dass die Fische vom Fang bis zum Markt
elektronisch markiert werden. Aber die Wirtschaftsinteressen haben
immer noch großen Einfluss, und ähnlich wie beim Klimawandel
versuchen Vertreter der Industrie, mit Hinweisen auf bestehende
Unsicherheiten das notwendige Handeln zu verschieben - in diesem
Fall, die Fangquoten hoch zu halten. Unter anderem argumentierten
sie mit dem Hinweis auf mögliche noch unentdeckte Laichgründe des
Blauflossen-Thunfisches. Auch die EU hat die ICCAT-Empfehlungen bei
der Festlegung ihrer Fangquoten in der Vergangenheit oft deutlich
überschritten – und die Quoten wurden von den Fischern nicht
eingehalten. Dabei spielt mangelnde Überwachung eine Rolle. Zum
anderen werden heute überall im Mittelmeer Thunfische gefangen und
in Netzkäfigen gehalten – die Regeln der GFP gelten nicht für die
Fischmast, die rechtlich weder Fischerei noch Fischzucht ist.
Thunfische
Der Nordatlantische Blauflossen-Thunfisch ist
die größte der insgesamt acht Thunfisch-Arten, die in allen außer
den polaren Meeren vorkommen. Eng mit ihm verwandt sind der in
gemäßigten und kühlen Meeren der Südhalbkugel lebende Südliche
Blauflossen-Thunfisch, der sogar vom Aussterben bedroht
ist, sowie der im Pazifik vorkommende Pazifische
Blauflossen-Thunfisch. Auch dieser ist auf einen
Bruchteil seiner historischen Vorkommen zusammengeschrumpft. Der Weiße
Thunfisch ist die Thunfisch-Art, die am häufigsten in
Thunfisch-Konserven landet (noch häufiger landet dort aber der Bonito,
der kein echter Thunfisch, sondern eine verwandte Art ist). Der
Bonito kommt oft gemeinsam mit dem Schwarzflossen-Thunfisch
vor; weitere wichtige Speisearten sind der Gelbflossen-
und der Großaugen-Thunfisch.
Darf man noch guten
Gewissens Sushi essen?
Der WWF rät in seinem >>
Sushi-Ratgeber von Blauflossen-Thunfisch (Maguro) ab;
der oftmals alternativ angebotene Gelbflossen-Thunfisch
kann dagegen ohne schlechtes Gewissen gegessen werden, wenn er im
Pazifik oder im Indischen Ozean mit Handleinen oder Angeln gefischt
wurde (um andere Meerestiere zu schonen). Ob die Verschiebung in
Zukunft zu einer stärkeren Überfischung des Gelbflossen-Thunfisches
führt, wird jedoch im Auge zu behalten sein. Der >>
Einkaufsratgeber Fisch von Greenpeace hält nur noch den Bonito
(ebenfalls aus dem Pazifik oder dem Indischen Ozean und gefischt
mittels Ringwaden und Leinen oder Angeln) für empfehlenswert.
Auch die EU-Kommission stellte 2009 fest, dass die Realität der
europäischen Fischerei nach wie vor Überfischung heißt, die
derzeitige GFP habe bei diesem Problem „versagt“. Nicht nur beim
Schutz der Fische: So ist die Fischereiflotte mit 90.000 Schiffen -
deren Modernisierung weiterhin mit europäischen Mitteln gefördert
wird - viel größer, als die Fischbestände erlauben, und im Jahr 2009
zahlten 13 EU-Staaten, darunter Deutschland, ihren Fischern höhere
Subventionen, als die gefangenen Fische wert waren.
Der Zustand der Fischbestände
Die Zeiten des Überflusses sind nicht
nur in den traditionellen Fischgründen, sondern weltweit längst
vorbei. Der aktuelle Weltfischerei-Report
der Welternährungsorganisation
FAO sagt, dass 90 Prozent aller Bestände der kommerziell
genutzten Meeresfische und -früchte überfischt oder bis an die
Grenzen ausgebeutet sind; fast ein Drittel ist akut gefährdet. Die
Fischerei in den Weltmeeren ist in der Krise: Von 1950 bis 1996
haben sich die Fänge noch vervierfacht, seither sinken sie trotz
neuer Schiffe und besserer Fangtechniken leicht ab:

Der weltweite Fischfang in den
Meeren von 1950 bis 2012 (ohne Beifang und illegale
Fänge). 1996 erreichte er einen Höhepunkt mit 86,4 Millionen Tonnen,
seither sinkt er leicht.
Im Jahr 2012 betrug die Fangmenge 79,7 Millionen Tonnen (820).
Zahlen aus / Abb. nach FAO
Weltfischerei-Report 2014.
Die Qualität der Fänge nahm sogar noch viel deutlicher ab:
Heute werden Arten gefischt, die früher kaum beachtet
wurden. Die Rolle des Kabeljau als „Industriefisch“ (wegen ihren
weißen Fleisches als Rohmaterial für Fastfood und
Supermarkt-Tiefkühlkost verwendete Fische) haben heute der vor
Neuseeland lebende Hoki und der Alaska-Seelachs eingenommen. Auch
andere überfischte Fischarten wurden durch neue Arten ersetzt; und
hierfür hat der in Kanada arbeitende französische Fischereibiologe
Daniel Pauly eine kennzeichnende Zahl gefunden: die
durchschnittliche Trophiestufe des Fischfanges.
Die Trophiestufe gibt an, wo ein Fisch im Nahrungsnetz der Meere
steht: Raubfische wie Thunfische stehen auf Stufe 4, ihre Beute,
Fische wie Sardinen oder Anchovis, auf Stufe 3, das Zooplankton auf
Stufe 2 und das Phytoplankton auf Stufe 1. Da die großen Räuber für
Fischer am attraktivsten sind, aber in geringerer Zahl vorkommen,
verschwinden sie als erste, und nach ihrem Verschwinden sinkt die
durchschnittliche Trophiestufe. Im Jahr 2000 hat Pauly errechnet,
dass der Durchschnitt des Fischfangs in den Jahrzehnten zuvor von
3,4 auf 3,1 abgesunken war - wir
fressen uns also in der Nahrungskette nach unten. Auf
Stufe 3 gibt es noch gut schmeckende Arten (wie Sardinen und
Anchovis, die heute zum größten Teil zu Fischmehl verarbeitet
werden) mit großer Biomasse; wenn diese überfischt werden, würde
dies den endgültigen Zusammenbruch der Fischgründe bedeuten.
Piratenfischerei
Rund ein Drittel des Fischfangs wird nach Schätzungen
der Welternährungsorganisation FAO von den Statistiken gar nicht
erfasst - die offiziell „illegale, ungemeldete und unregulierte
(IUU-)Fischerei" genannte Piratenfischerei bezeichnet sowohl die
Fischerie durch Fischereiflotten aus Ländern, die keines der
internationalen Fischereiabkommen unterzeichnet haben und daher auch
keine Kontrollen ausüben, als auch die Praxis an sich legaler
Flotten, ihre Fangquoten zu überschreiten oder illegale Fangmethoden
zu nutzen. Besonders verbreitet ist die Piratenfischerei auf Hoher
See und in den Gewässern armer Länder, die diese kaum kontrollieren
können. Gerade dort rauben sie armen Küstenfischern die Grundlage.
Außerdem ist die Piratenfischerei oft besonders grausam: Es sind
Piratenfischer, die beispielsweise >> Haien
für die in China beliebte Haifischflossensuppe die Flossen
abschneiden, und die Tiere dann lebendig - aber ohne Flossen nicht
überlebensfähig - ins Meer zurückwerfen.
Eine Steigerung der Fangmenge ist ohne vorhergehende >> Schutzmaßnahmen
kaum zu erwarten: die zehn ertragsreichsten Fischarten sind allesamt
vollständig befischt und zum Teil sogar überfischt. Daran ändert
auch nichts, dass die Fangflotten aus den überfischten Gebieten der
nördlichen Meere jetzt gen Süden ziehen, etwa vor die Küsten
Westafrikas, wo sie mit den Küstenfischern konkurrieren, jenen 60
Prozent der Fischerboote, die nicht einmal eine Kajüte haben, mit
ihrem Fang aber 200 Millionen Menschen in Afrika mit Protein
versorgen (weltweit ist Fisch für eine Milliarden meist armer
Menschen die wichtigste Proteinquelle).
Dass dennoch jedes Jahr neue Rekordmengen an Fisch und
Meeresfrüchten wie Thunfisch, Lachs, Hering, Kabeljau, Miesmuscheln,
Tiefseegarnelen und viele andere auf unseren Tellern landen, liegt
allein an der >> Aquakultur (die
schnell wächst und im Jahr 2012 24,7 Millionen Tonnen an Meeresfisch
und Meeresfrüchten lieferte).
Die ökologischen Folgen des Fischfangs
Die Überfischung bedroht die Ernährung der eine Milliarde Menschen,
für die Fisch die wichtigste Proteinquelle ist; sie nimmt der Erde
auch einen Teil ihrer Schönheit - denken wir nur an das mögliche
Aussterben von Meeresschildkröten, Blauflossenthunfisch oder die
Verarmung der Korallenriffe; und sie hat auch Folgen für die
Ökosysteme - die allerdings noch kaum bekannt sind, wie das
Schicksal der Kabeljaubestände vor Kanada zeigt (>> hier).
Schon das Leben in den Ozeanen ist wenig bekannt (>> mehr).
Manche Verbindungen erkennen wir, wenn es zu spät ist: So führte der
Rückgang der Wale zu einer Verminderung der biologischen
Produktivität des Südpolarmeeres (>> mehr),
die Jagd auf Seeotter zu einer Vernichtung der Kelpwälder - Seeotter
fressen Seeigel, die wiederum Kelp fressen; mit dem Rückgang der
Seeotter nahmen die Seeigel zu und zerstörten die Kelpwälder.
Die Rolle der besonders von der Überfischung betroffenen Großfische
wie Haie, Schwert- oder Thunfische im Ökosystem des Weltmeeres ist
aber noch kaum bekannt, die Folgen ihres Rückgangs daher nicht
abzusehen. Manches beginnen wir zu ahnen. Vor der amerikanischen
Atlantikküste war vermutlich die intensive Jagd auf große Haie dafür
verantwortlich, dass die Bestände ihrer Beute, kleine Haiarten und
Rochen, zunahmen; die Kuhnasenrochen haben dann die Jacobsmuscheln
der Art Agropecten irradians gefressen - was zum
Zusammenbruch der Muschelfischerei führte (zur Folge der Jagd auf
Meeressäuger siehe >> Die
ökologischen Folgen des Walfangs). Wenn die Grundschleppnetze
Seetangwälder zerstören und sich dort anschließend einfachere
Seetangwiesen ansiedeln, ähnelt der Unterschied in Komplexität und
Vielfalt der Lebensräume dem von Wald und Wiese auf dem Festland.
Wenn die Schleppnetze so häufig über den Meeresboden gezogen werden,
dass am Meeresboden eine Art Acker entsteht (in den allerdings
niemand etwas aussäht), gefährdet der Verlust an Produktivität die
Fischbestände auch irgendwann. Und wenn die Fischer auf früher nicht
genutzte Arten ausweichen, wird die Nahrungsbasis der Großfische
angegriffen, und eine mögliche Erholung der Bestände verhindert.
Auch in den Meeren gilt >> wie
auf dem Festland: Grobmaschige Nahrungsnetze sind weniger
stabil, Artenvielfalt ist der Schlüssel für Ökosysteme.
Flussmündungsgebiete haben beispielsweise durch die >>
Wasserverschmutzung viel an ökologischer Qualität verloren -
das liegt an den Schad- und Nährstoffen im Wasser, aber auch daran,
dass die Muscheln, die einst zum Beispiel in der Chesapeake Bay bei
Washington D.C. das gesamte Wasser in wenigen Tagen filtern konnten,
heute durch Überfischung derart dezimiert sind, dass sie hundertmal
so lange brauchen.
Aber die Überfischung verändert auch die globalen Stoffkreisläufe
der Erde: Nicht nur Planktonorganismen mit Kalkgehäuse (>> hier),
auch die Ausscheidungen von Fischen tragen beispielsweise dazu bei,
Kohlendioxid aus der Atmosphäre in die Tiefe der Meere zu
transportieren und somit die Konzentration dieses Treibhausgases in
der Atmosphäre zu verringern.
Wie wir die Fische schützen können
Die Fachleute sind weltweit längst einig, was geschehen müsste, um
die Fischbestände in den Meeren zu schützen: Die Ozeane müssen als
Ökosystem geschützt werden; und bei der Festlegung der Fangquoten
müssen die Empfehlungen der Wissenschaftler wie in Island bindend
sein. Gut bewirtschaftete Fischgründe erlauben langfristig eine
höhere Fangmenge, weil bei größeren Beständen auch mehr Jungtiere
heranwachsen. Wir wissen beispielsweise heute, dass der für optimale
Erträge notwendige Mindestbestand an Kabeljau in der Nordsee rund
70.000 Tonnen beträgt. Aber obwohl der tatsächliche Bestand auf nur
30.000 bis 50.000 Tonnen geschätzt wird, ist eine Pause in der
Kabeljaufischerei in der Nordsee politisch nicht durchsetzbar - die
Fischerei- und Landwirtschaftsminister auch der EU verstehen sich
als Interessenvertreter der Fischer, und fühlen sich weniger der
langfristigen Erhaltung der Fischbestände oder den Konsumenten
verpflichtet.
Zentrale Lebensräume für
Meerestiere sollten außerdem zu Schutzgebieten
erklärt werden, in denen der Fischfang ganz verboten wird, damit die
Fischbestände sich in ihnen regenerieren können. Auch diese würden
nach allen bisherigen Erfahrungen im Ergebnis zu einem Anstieg der
Fangmengen außerhalb der Schutzgebiete führen. Nötig wäre dafür ein
Umgang von mindestens 20 bis 30 Prozent der Meere. Der britische
Meeresbiologe Callum Roberts hat für Greenpeace einen Vorschlag für
25 Schutzgebiete auf hoher See entwickelt, zu denen beispielsweise
Süd- und Nordpolarmeer mit ihrem Reichtum an Algen und Krill, das
pazifische Äquatorgebiet (in dem Thunfische, Haie und Wale reichlich
Nahrung finden) sowie das Sargassomeer und das Rockall-Plateau
südlich von Island als Kinderstube für Tiefseefische gehören
(>>
Greenpeace: Ein globales Netzwerk von Meeresschutzgebieten).
Schutzgebiete und Fangquoten müssten auch deutlich besser überwacht
werden als bisher, Verstöße härter bestraft. Das Geld hierfür könnte
etwa aus den Töpfen kommen, mit denen heute die überdimensionierte
Fangflotte subventioniert wird. Grundschleppnetze sollten in
internationalen Gewässern verboten werden. Last, but not least:
Verbraucher haben schon heute die Möglichkeit, mit Produkten
aus nachhaltiger Fischerei (etwa mit dem Siegel des Marine
Stewardship Council - MSC) ihren Beitrag zum Erhalt der
Bestände von Meeresfischen zu leisten.
Alternative Aquakultur?
Schon heute stammt fast jeder zweite verzehrte Fisch aus
Mastanlagen; gäbe es Lachs nur als Wildfang, wäre er für die meisten
Kunden längst unbezahlbar. Im Jahr 2012 übertraf die
Nahrungsmittelproduktion mittels Aquakultur erstmals die
Rindfleischproduktion. Produziert werden nicht nur 24,7 Millionen
Tonnen Meeresfische und -früchte, sondern auch 41,9 Millionen Tonnen
Süßwasserfische und 23,8 Millionen Tonnen Pflanzen (zumeist
Seetang). Aber auch die Aquakultur hat ihre Probleme: Insbesondere
die Lachs- und Garnelenzucht hat den Ruf der Branche gefährdet, als
tropische Mangrovenwälder für Garnelenzuchtanlagen abgeholzt wurden
und dicht besetzte Lachsgehege Meeresbuchten verschmutzten. Der
Einsatz von Antibiotika und Pestiziden in den dicht besetzten
Zuchtanlagen kann zudem zu belasteten Nahrungsmitteln führen; in
asiatischen Garnelen wurden gelegentlich auch in Europa nicht
zugelassene Pestizide gefunden. Zum anderen werden immer noch Fische
eigens als Futter für die Farmen gefangen - Kritiker fürchten, dass
Aquakulturen daher das Problem der Überfischung nur verlagern.
Aber angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung und eines
wachsenden Appetits der Menschheit auf Fisch und Meeresfrüchte wird
die Bedeutung von Aquakulturen zunehmen: aktuell wächst sie vier Mal
so schnell wie die Weltbevölkerung. Sie alleine sorgt dafür, dass
das Angebot an Fisch doppelt so schnell wächst wie die
Weltbevölkerung. Erfreulicherweise ist die verhältnismäßig junge
Aquakultur noch nicht so eingefahren wie große Teile der
Landwirtschaft und hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, so
dass viele Betriebe heute recht umweltschonend arbeiten. So werden
Alternativen zur Fischmehl und Fischöl im Futter gesucht (der Ersatz
von Fischöl ist allerdings schwierig, da es eine wichtige Quelle für
die als gesund geltenden Omega-3-Fettsäuren ist); werden die Farmen
in das offene Meer verlagert, wo Meeresströmungen eine Verschmutzung
des Wassers und die schnelle Ausbreitung von Krankheiten verhindern
oder wird daran gearbeitet, dass Anlagen an Land mit einem
geschlossenen Wasserkreislauf arbeiten können. Nach alten
chinesischen Vorbildern wird bei der "integrierten multitrophischen
Aquakultur" versucht, die Funktionsweise natürlicher Ökosysteme
nachzuahmen: So filtern Muscheln und Seegurken die von Fischen
produzierten organischen Nährstoffe aus dem Wasser, Seetang die
anorganischen Nährstoffe; Muscheln, die in der asiatischen Küche
genutzten Seegurken und Seetang lassen sich ebenfalls verkaufen. In
der Bio-Aquakultur wird das Futter aus den Resten
von Filettierbetrieben bezogen und werden Schädlinge wie Seeläuse
statt mit Antibiotika mit Putzerfischen bekämpft.
Seit dem Jahr 2000 hat sich die Aquakultur von Seetang mehr als
verdoppelt; produziert wird zu über 80 Prozent in China und
Indonesien. Seetang wird zu einen (vor allem in China, Japan und
Korea) gegessen, zum anderen wird daraus Gelier- und
Verdickungsmittel hergestellt. Zudem wird er als Zusatz in
Tierfutter genutzt. Da Seetang anorganische Nährstoffe aufnimmt,
wird der Anbau in der Umgebung von Zuchtanlagen für Meeresfisch und
Meeresfrüchte etwa in China vorangetrieben.
Produkte aus umweltfreundlicher Aquakultur
Verbraucher können umweltverträglich erzeugten Zuchtfisch
mittlerweile am Siegel des "Aquaculture Stewardship Council"
(ASC) erkennen. Dieses Siegel ist noch recht neu und
zertifizierte Produkte daher noch selten. Weiterhin kann man sich
auch an Bio-Siegeln orientieren: Bio-Lachs oder Bio-Garnelen aus
Aquakultur sind auch für Naturschutzorganisationen wie den WWF
empfehlenswert. Inzwischen ist es sogar gelungen, Kabeljau in Farmen
zu züchten; im Jahr 2007 kamen bereits 13.000 Tonnen Zuchtkabeljau
auf den Markt - und ist nach Angaben von Gourmetköchen sogar besser
als der Wildfang (Der Spiegel 7/2009). Auch beim Lachs
schnitt Zuchtlachs in einem aktuellen Test der Stiftung Warentest
(test 12/2012) besser ab als Wildlachs (der jedoch eine andere Art -
nämlich Pazifiklachs - ist, was den Vergleich einschränkt).
Erfreulich, dass ein Anbieter von gutem Lachs auch Spitzenreiter
beim Tier- und Umweltschutz und beim Umgang mit den Mitarbeitern war
- die "Deutsche See".
Weitere Informationen zum Thema:
FAO-Weltfischerei-Report: >> www.fao.org/fishery/sofia/en
(englischsprachig).
Weiterführende >> Literatur
Siehe auch:
>> Eine
kleine Geschichte des Walfangs
>> Der Bericht der Global Ocean
Commission
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Das große Aussterben
>>
Die Verschmutzung der Ozeane
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