Das Zeitalter der Industrie
Der Mensch bewegt die Erde:
unsere Rohstoffe
Die Industrieproduktion in der zweiten Hälfte
des 20. Jahrhunderts führte zu nie gekanntem materiellen Wohlstand
für den reichen Teil der Menschheit, ihr Rohstoffverbrauch machte
den Menschen aber auch zur wirksamsten geologischen Kraft, die jedes
Jahr viele Milliarden Tonnen Material bewegt. Die ökologischen
Folgen und die dabei entstehenden Abfälle überschreiten inzwischen
die Tragfähigkeit des Ökosystems Erde.
Rohstoffe bilden die Grundlage für alles Wirtschaften auf der Erde:
Der Natur werden Mineralien, metallische Erze und fossile
Energieträger (>> mehr)
entnommen, von der Wirtschaft in Güter verwandelt und schließlich
als Abfall wieder in die Natur zurückgegeben. Dieser Materialfluss
ist Bestandteil des „gesellschaftlichen Stoffwechsels“ (siehe
Abbildung).

Der “gesellschaftliche Stoffwechsel” der
Erde.
Der Rohstoffverbrauch spiegelt den Anstieg der Produktion wieder.
Ein guter Maßstab sind Eisen und Stahl, die für
Gebäude, Eisenbahnen, Schiffe, Autos, Maschinen, Haushaltsgeräte und
viele andere Güter gebraucht werden. Die vorindustrielle
Eisenherstellung kann nur geschätzt werden, sie dürfte im Jahr 1400
bei etwa 100.000 Tonnen pro Jahr gelegen haben; im Jahr 1700 bei
etwa 300.000 Tonnen. Mit der Industrialisierung stieg die Stahl- und
Eisenproduktion: Im Jahr 1850 lag sie bei 12 Millionen Tonnen - 1980
bei 1,2 Milliarden Tonnen und im Jahr 2005 bei über 1,9 Milliarden
Tonnen. Die Produktion von Kupfer, ein
Schlüsselmetall für die Elektrotechnik, stieg von 120.000 Tonnen in
den 1880er Jahren auf 15.100 Millionen Tonnen im Jahr 2005. Aluminium,
dessen Produktion erst Ende des 19. Jahrhunderts mit der Entwicklung
eines elektrolytischen Verfahrens zur Reduktion von Aluminiumoxid
begann, stieg von 223 Tonnen im Jahr 1895 auf 31,9 Millionen Tonnen
im Jahr 2005.

Jahresproduktion einiger
ausgewählter Metalle. Daten aus Ponting: A New Green
History of the World, für 2005 vom >> US
Geological Survey.
In der Summe betrug der globale Ressourcenverbrauch im Jahr 2009
etwa 60 Milliarden Tonnen; im Jahr 2030 könnten es 100 Milliarden
Tonnen sein. Die Jäger und Sammler hatten einen Verbrauch von etwa 1
Tonne natürlicher Rohstoffe pro Kopf und Jahr, der Einwohner eines
Industrielandes verbraucht heute zwischen 15 und 35 Tonnen Rohstoffe
im Jahr. Da zudem die genutzten Produkte heute in der Regel
aufwendig hergestellt werden und während der Herstellung weitere
Rohstoffe verbraucht werden, liegt der Verbrauch in den
Industrieländern bei Berücksichtigung dieser Vorstufen (siehe Kasten
„Ökologischer Rucksack“) tatsächlich sogar zwischen 40 und 80 Tonnen
pro Kopf und Jahr.
Ökologischer Rucksack
In den meisten Produkten steckt viel mehr Material, als ihr Gewicht
ahnen lässt: Beim Abbau der Rohstoffe entsteht Abraum; für den
Transport und die Verarbeitung wird Energie verbraucht, für deren
Erzeugung wiederum Brennstoffe verbraucht werden; bei der
Herstellung entstehen Abfälle. Alleine, um ein Kilo Stahl zu
erzeugen, müssen der Erde im Durchschnitt acht Kilo Gestein und
fossile Brennstoffe entnommen werden; für ein Kilo Kupfer 348 Kilo
und für ein Kilo Aluminium 37 Kilo. Eine Weltjahresproduktion von
31,9 Millionen Tonnen Aluminium bedeutet also, dass insgesamt 1,18
Milliarden Tonnen Material bewegt werden müssen. Der gesamte
Materialverbrauch abzüglich des Eigengewichts eines Produktes ist
sein „ökologischer Rucksack“. Er ist oft erstaunlich schwer: Eine
Armbanduhr wiegt mit ökologischem Rucksack 12,5 Kilo, eine Jeans 30
Kilo, Laufschuhe 3,5 Kilo und ein Laptop mit drei Kilo Gewicht über
300 Kilogramm. In einem Kilogramm Getreide stecken 1.000 Liter
Wasser (zum Wasser siehe auch >> hier).
Global finden sich etwa 7 Prozent der genutzten
Ressourcen tatsächlich in Produkten wieder; 93 Prozent werden schon
vorher zu Abfall. Von diesen Produkten werden etwa 80 Prozent nur
einmal genutzt, dann werden auch sie zu Abfall.
Diese Rohstoffnutzung ist eine massive Umgestaltung natürlicher
>>
Stoffkreisläufe. Mit dieser Umgestaltung haben wir
Menschen die Natur als wirksamste geologische Kraft abgelöst:
Mit unserer Technik bewegen wir ein Mehrfaches der Masse, die von
den natürlichen Kräften bewegt wird. Und dies hat Konsequenzen
entlang der gesamten Kette. Die erste sind Umweltzerstörungen durch
den Bergbau. In Deutschland wurde dies zuletzt anlässlich der
Ausweitung des Braunkohle-Tagebaus Garzweiler ins Bewusstsein
gerufen; der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung (WBGU)
nennt die Umweltzerstörung durch der Bergbau “Katanga-Syndrom” -
nach der rohstoffreichen Provinz Katanga im Kongo - und wertet ihn
als eines der (16) Krankheitsbilder der Erde. Für den Tagebau werden
großflächig Wälder und andere Landschaften vernichtet und ganze
Städte und Dörfer umgesiedelt; in den USA werden - insbesondere in
den Appalachen - im Rahmen des mountaintop removal ganze
Berge einfach abgetragen, um an die Kohlevorräte in ihrem Inneren zu
gelangen. Dadurch fallen im Tagebau etwa acht- bis zehnmal s oviele
Abfälle - die im Bergbau “Abraum” genannt werden - an als im Bergbau
unter Tage. Dieser ist aber teurer und für die Arbeiter noch
gefährlicher - ohnehin gehört der Bergbau zu den gefährlichsten
Tätigkeiten auf der Erde. Unter Tage werden nicht nur immer wieder
Bergleute verschüttet oder sterben durch Explosionen sich
ansammelnden Gases, sondern sie leiden auch besonders häufig unter
der Staubbelastung (“Staublunge”).

Braunkohle-Tagebau Garzweiler
im Jahr 2005. Neben Braun- und Steinkohle wird in Deutschland vor
allem Baumaterial wie Kies, Schotter und Steine abgebaut, der
stärker umweltbelastende Abbau von Metallen findet vor allem im
Ausland statt. Foto aus wikipedia, Eintrag >>
Garzweiler, abgerufen 14.9.2007. Fotograf Raimond Spekking,
Lizenz: >>
GNU FDL.
Der Abbau von Metallen ist noch viel umweltbelastender als der von
Mineralien: Erze enthalten nur einen kleinen Anteil reinen Metalls,
und Metalle kommen oft in chemischen Verbindungen mit Schwefel vor
und gemeinsam mit Schwermetallen vor. Das Erz muss daher unter hohem
Wasserverbrauch und mit oftmals giftigen Chemikalien behandelt
werden, um das Metall zu gewinnen. Beim Abbau entsteht daher je nach
Schwefelgehalt saures bis sehr saures Abwasser, das einen hohen
Schwermetallgehalt aufweisen kann; Schwefel, Schwermetalle und Reste
der verwendeten Chemikalien finden sich auch im Abraum und werden
durch Regen ausgewaschen und gelegentlich auch durch Unfälle
freigesetzt.
Beispiel Gold
Gold ist eines der wenigen Metalle, das gediegen (als Element) in
der Natur vorkommt; und mit seinem Glanz und seinem auffallend hohen
Gewicht wurde es schon früh vom Menschen für rituelle Gegenstände
verwendet und war sehr begehrt. Gold hat die Geschichte der
Menschheit verändert - die Gier nach Gold war eine Triebkraft bei
der Eroberung Südamerikas (>> mehr)
und bei der Besiedelung des amerikanischen Westens (>>
mehr); heute wird es zum größten Teil zu Schmuck verarbeitet,
aber auch als Geldanlage gehortet und in der Elektronikindustrie
verwendet. Im einfachsten Fall kann Gold etwa aus Flusssand
ausgewaschen werden. Die Ausbeute kann aber noch erhöht werden, wenn
goldhaltige Sande mit Quecksilber vermischt werden - dabei entsteht
Amalgam, das leichter abgetrennt werden kann; das Quecksilber wird
anschließend durch Erhitzen verdampft. Bei diesem Verfahren wirden
sowohl im Wasser als auch beim Verdampfen große Mengen Quecksilber
freigesetzt; Quecksilber ist ein starkes Gift, das Gehirn,
Rückenmark, Leber und Nieren angreift. Wegen seiner Einfachheit wird
dieses Verfahren bei der informellen Goldgewinnung immer noch
verwendet; dieser nichtindustrielle Goldabbau gehört zu den 10
größten Umweltproblemen der Erde (>>
hier)). Beim industriellen Goldabbau wird dagegen die
Cyanidlaugung verwendet: Goldhaltiges Erz wird mit einer
Cyanidlösung überschüttet, in der sich das Gold löst. Durch eine
chemische Reduktion wird hieraus Reingold gewonnen. Auch das hierbei
verwendete Cyanid ist hochgiftig, wird in guten Minen aber
wiederverwendet und bei Freisetzung wenigstens schnell abgebaut. Der
anfallende Abraum (und das sind riesige Mengen, da der Goldabbau
sich bereits bei kleinsten Anteilen lohnt) ist jedoch in der Regel
mit Cyanidspuren verunreinigt.
Webtipp: Für nachhaltigen Goldabbau
setzt sich die Kampagne >> No
Dirty Gold ein.
MAL Aluminium, Ungarn 2010
Am 4. Oktober 2010 kam es in Ungarn zur bis dahin schlimmsten
Umweltkatastrophe im Land, als der Damm des Absetzbeckens einer
Aluminiumfabrik (MAL) in Ajka brach. Die austretenden 700.000 Tonnen
Schlamm zerstörten zwei Dörfer, töteten acht Menschen und jedes
Leben in den Flüssen Torna und Marcal. Bei dem Schlamm handelte es
sich um Rotschlamm, ein Abfallprodukt der Aluminiumgewinnung. Hierzu
wird der Rohstoff Bauxiterz mit Natronlauge versetzt, um die
Aluminiumverbindungen aufzuschließen. So Aluminiumhydroxid und
Aluminiumoxid, das zu Aluminium weiterverarbeitet wird - und der
“Rotschlamm”, der seinem Namen dem roten Eisenoxid verdankt, aus dem
er zum großen Teil besteht. Außer Eisenoxid besteht er aus
Natriumlauge und je nach Herkunft des Erzes unterschiedlich hohem
Schwermetallanteil. Der in Ungarn ausgelaufene Rotschlamm war mit
einem Gehalt von 5 bis 8 Prozent Natronlauge extrem basisch und
damit gefährlich; Kontakt mit den Augen kann beispielsweise zur
Erblindung führen. Außerdem enthielt er Schwermetalle wie
Quecksilber, Blei und Arsen, die langfristig die Böden der Region
verunreinigen werden.
In modernen Aluminiumwerken wird die Natronlauge
dagegen ausgewaschen und wiederverwendet. Dies senkt auch das
Gefahrenpotential des Rotschlamms deutlich, das dann im wesentlichen
vom Schwermetallgehalt bestimmt wird.
Insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern entziehen sich
die Minenbetreiber nach dem Abbau oftmals durch Konkurs der
Verantwortung für diese Hinterlassenschaften (und der Verpflichtung
zur Rekultivierung). Bei der Verhüttung werden weitere Abgase und
Metalle freigesetzt; und über ihren Energieverbrauch trägt die
Rohstoffgewinnung auch zum >> Klimawandel
bei. Dieser Verbrauch ist beachtlich: Die Herstellung einer Tonne
Stahl braucht 8.300 Kilowattstunden (kWh) Primärenergie, eine Tonne
Aluminium aus Erzen 56.000 kWh.
Die dreckigen Fünf
Von den 10 dreckigsten Orten auf der Welt, die das Blacksmith
Institute im Jahr 2007 ermittelte (>> mehr),
gingen fünf auf Bergbau und Metallschmelzen und -verarbeitung
zurück:
- Tianying in China: In Tianying wird etwa die
Hälfte des chinesischen Bleis produziert. Veraltete Technologien
und nicht ernsthaft betriebener Umweltschutz haben mehrere Fälle
schwerer Bleivergiftung ausgelöst, der Bleigehalt in Luft und
Boden überschreitet die chinesischen Grenzwerte um ein mehrfaches.
Auch in der Region angebautes Getreide überschreitet die
Grenzwerte.
- Sukinda in Indien: Bei Sukinda liegen 97
Prozent des indischen Chromiterzes, 12 Minen haben über 30
Millionen Tonnen Abfallgestein produziert, häufige Fluten haben
dazu geführt, dass 70 Prozent der Gewässer und 60 Prozent des
Trinkwassers mehr als doppelt soviel giftiges achtwertiges Chrom
enthalten als erlaubt. Luft und Boden sind ebenfalls schwer
verunreinigt.
- La Oroya in Peru: In der Umgebung der
Metallschmelze von La Oroya haben fast alle Kinder zu viel Blei im
Blut, im Schnitt dreimal so viel wie die Grenzwerte der
Weltgesundheitsorganisation erlauben. Blei behindert die geistige
Entwicklung von Kindern. Die Metallschmelze wurde 1997 von der
amerikanischen Doe Run Corporation gekauft, diese hat in den
letzten Jahren auf Druck peruanischer Behörden erheblich in
Umweltmaßnahmen investiert, die nach Ansicht des Blacksmith
Instituts auch wirksam sind, so dass hier Besserung zu erwarten
ist.
- Norilsk in Russland: Das Hüttenwerk von
Norilsk ist ein Erbe von Stalins Industrialisierungspolitik
(>>
mehr), noch heute entlässt es jedes Jahr 500 Tonnen Kupfer-
und Nickeloxide und zwei Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die
Luft. Die Lebenserwartung eines Hüttenarbeiters liegt etwa 10
Jahre unter dem russischen Durchschnitt; im Umkreis von 60
Kilometern um die Stadt ist der Boden mit Kupfer und Nickel
verseucht (der Betreiber MMC Norilsk Nickel erzielte alleine 2007
5,3 Milliarden US-Dollar Gewinn).
- Kabwe in Sambia: Die von einer
inzwischen aufgelösten britischen Betreibergesellschaft
betriebene, jetzt stillgelegte Bleimine und -hütte von Kabwe hat
Boden und Wasser in einem Umkreis von 20 Kilometern dauerhaft mit
Blei und anderen Metallen verseucht. Der Bleigehalt im Blut der
Kinder liegt bei 5 bis 10 mal höher als die Grenzwerte der
Weltgesundheitsorganisation.
Die Gesellschaftlichen Folgen des Rohstoffabbaus
Viele Rohstoffe kommen in den ärmsten Ländern der Erde vor -
oftmals hat der Abbau dieser Rohstoffe aber nicht zu einer
nachhaltigen Entwicklung geführt, sondern die Lebensbedingungen
sogar noch verschlechtert. Das liegt zum einen daran, dass die
Rohstoffeinnahmen zu einer Aufwertung der Landeswährung führen
können - dadurch werden andere Produkte auf Exportmärkten teurer und
ihre Herstellung lohnt sich nicht mehr. Zum anderen lebt oftmals die
reiche Elite gut von den Einnahmen und hat gar kein Interesse an
anderweitiger wirtschaftlicher Entwicklung. Diese Entwicklung wird
oft auch als “Rohstofffluch” bezeichnet. Sie ist aber, wie andere
Beispiele - etwa Botswana oder Norwegen - zeigen, kein Naturgesetz,
sondern eine Frage der von der Regierung verfolgten Politik und der
Funktionsfähigkeit staatlicher Institutionen. Gerade in
rohstoffreichen, armen Ländern gibt es aber oftmals keine
Regierungen, die dem Wohl ihres Volkes verpflichtet sind und keine
funktionierenden Institutionen; und dann haben bei hohen Einnahmen
durch Rohstoffe Korruption und Misswirtschaft leichtes Spiel. Ein
extremes Beispiel ist Äquatorialguinea, wo alleine Präsident Obiang
die Erdöleinnahmen verwaltet - er kommt inzwischen auf ein
geschätztes Privatvermögen von drei Milliarden Dollar, während die
Bevölkerung auf Hilfe aus dem Ausland angewiesen ist (was weder
westliche Banken davon abhält, Obiangs Konten zu verwalten noch die
brasilianische Petrobras und die chinesische CNOOC, sich an der
Erdölproduktion zu beteiligen).
Aufgrund der strategischen Bedeutung mancher Rohstoffe ignorieren
die reichen Industrie- und die neu in den Markt drängenden
Schwellenländer diese Probleme - wie im Fall Äquatorialguinea -
oftmals. Dies ist jedoch nicht nur moralisch verantwortungslos,
sondern gefährdet auch die langfristige Rohstoffversorgung:
Korruption und Misswirtschaft führen zu Unzufriedenheit in der
Bevölkerung bis hin zu bewaffneten Konflikten zwischen
rohstoffreichen Regionen und Zentralregierungen; in Nigeria
beispielsweise kommt es immer wieder zu Anschlägen auf die
Ölproduktion durch bewaffnete Gruppen, die die Erdölproduktion um
einige Hunderttausend Barrel pro Tag verringern. Die Regierungen und
die Sicherheitskräfte der Rohstoffunternehmen regieren derart, dass
ihnen immer wieder Menschenrechtsverletzungen bis hin zum Völkermord
vorgeworfen werden. Besonders folgenreich sind die von
Rohstoffeinnahmen finanzierten Kriege, die in den letzten Jahren in
Sierra Leone, Liberia und der Demokratischen Republik Kongo
stattgefunden haben - in Liberia beispielsweise finanzierte der
Warlord Charles Taylor seinen Aufstand mit “Blutdiamanten” und
illegal gehandeltem Holz; nach seiner Machtübernahme versorgte er
die Rebellen in Sierra Leone mit Waffen und erhielt dafür Diamanten
aus den Diamantenfeldern Sierra Leones. Auch können mit Hilfe der
Korruption fragwürdige Interessengruppen das Rohstoffgeschäft in
ihre Hand bekommen - in der Ukraine wird beispielsweise vermutet,
dass die organisierte Kriminalität den Gashandel mitbestimmt, was
auch die Gaslieferungen nach Europa betrifft.
Die wichtigsten Forderungen der Entwicklungsorganisationen zur
Verbesserung der Situation gerade in den ärmsten Förderländern sind
die Förderung von Transparenz und Kontrolle bei der Vergabe von
Bergbaukonzessionen und der Verwendung der Einnahmen aus dem Bergbau
- um Transparenz sowohl seitens der Konzerne als auch der
Rohstoffländer bemühen sich Initiativen wie “Publish what you
pay” (>> website)
- und die Entwicklung von weltweit verbindlichen Umwelt- und
Sozialstandards, die etwa bei der Finanzierung von Bergbauprojekten
durch die Weltbank und andere private und öffentliche Banken
einzuhalten wären. Deren Entwicklung ist aber ein langwieriger
Prozess; ein Zwischenschritt könnte die Zertifizierung sozial- und
umweltverträglich geförderter Rohstoffe sein.
Webtipp: Heinrich-Böll-Stiftung zur >>
Ressourcenpolitik im 21. Jahrhundert, unter anderem mit einem
Memorandum “Haben und Nichthaben” aus dem Jahr 2007.
Ein Rohstoff der Zukunft: Lithium
Das Leichtmetall Lithium, ein wesentlicher Rohstoff für die
Lithium-Ionen- und Lithium-Polymer-Akkus der Elektroautos der
Zukunft (>>
mehr), kommt in wirtschaftlich lohnenden Konzentrationen nur
in Salzlaugen vor; abgebaut wird es zur Zeit in Chile, Argentinien,
den USA und China. Das weltgrößte Vorkommen, mit 5.4 Millionen
Tonnen womöglich die Hälfte der nutzbaren Weltvorkommen liegt jedoch
im Salzsee Salar de Uyuni in Bolivien. Bolivien, eines der ärmsten
Länder der Welt, hofft, mit dem Lithium Anschluss an die
wirtschaftliche Entwicklung der modernen Welt zu finden: die
Industrienationen, so die Idee des bolivianischen Präsidenten Evo
Morales, sollen im Gegenzug zur Ausbeutung dieses Vorkommens auch
eine Produktion von Lithium-Akkumulatoren in Bolivien in Gang
bringen und das Land über Gemeinschaftsunternehmen daran beteiligen.
Wie schwer solche Projekte durchzusetzen sind, ist daran zu
erkennen, dass der chilenische Konzern SQM kürzlich seine
Lithiumpreise gesenkt hat - das soll heißen “kauft lieber bei uns,
als in Bolivien zu investieren.” (DIE ZEIT Nr. 21/2010).
mehr: >> Der
Schatz im Salzsee. (Dossier in DIE ZEIT Nr. 21/2010)
Intensiv diskutiert wurde seit den 1970er Jahren die weitere Folge
dieser Rohstoffnutzung: die Gefahr einer möglichen
Rohstoffverknappung – etwa im Buch „Die Grenzen des Wachstums“ von
1972. Für die meisten mineralischen Rohstoffe wird diese Gefahr
heute in absehbarer Zeit nicht gesehen, wohl aber für fossile
Brennstoffe, insbesondere Erdöl (siehe >> Das
Ende des billigen Öls). Allerdings bringt die steigende
Nachfrage aus Indien und China insbesondere in guten
wirtschaftlichen Zeiten die Minen an den Rand der Förderkapazität,
wodurch die Preise steigen und politische Konflikt entstehen:
Der neuen kalte Krieg: Kampf um Rohstoffe
Knapper werdende Rohstoffe und der gleichzeitige
Aufstieg der bevölkerungsreichen Schwellenländer China und Indien
verändern nicht nur die Weltwirtschaft, sondern auch die Balance in
der Weltpolitik. Die Jagd nach Rohstoffen führt zu gefährlichen
Konflikten. >>
mehr
Angesichts des getriebenen Aufwandes und der Folgen von Bergbau und
Verhüttung ist es bemerkenswert, dass der größte Teil der
entnommenen Rohstoffe nur kurzzeitig in den technischen
Produkten des “gesellschaftlichen Stoffwechsels” verbleibt und
danach als Abfall, Abgas oder Abwasser in der Umwelt landet.
Unter diesen Stoffen sind viele Problemstoffe, die vor dem
Rohstoffabbau fest in der Erdkruste gebunden waren. Beispiel Schwermetalle:
Blei kommt an der Erdoberfläche fast nur in Folge menschlicher
Nutzung vor. In industriellen Prozessen werden zudem aus Rohstoffen
viele Stoffe hergestellt, die es in der Natur so nicht gibt, wie
viele der über 50.000 verwendeten Chemikalien. Die
am schlimmsten verschmutzten Orte der Erde (siehe >>
hier) entstehen meist als Mischung von Luft- und
Wasserverschmutzung mit Schwermetall- und Chemikalienbelastung.
Alleine in Deutschland werden jedes Jahr fast 400 Millionen Tonnen
Abfall produziert; zu den Umweltfolgen des Abwassers siehe >>
hier;
zu denen der Abgase >> hier
und zur Belastung der Böden >> hier).
Aber nicht nur an sich gefährliche Stoffe sind ein Umweltproblem,
sondern oft auch die schiere Menge an sich harmloser Substanzen. Es
ist das Verdienst Friedrich Schmidt-Bleeks und seiner Mitarbeiter,
auf die Umweltfolgen der Materialmassen auch nach ihrem Abbau
hingewiesen zu haben. Ein mittlerweile bekanntes Beispiel ist das
>> Treibhausgas
Kohlendioxid. Kohlendioxid ist ein natürlicher Bestandteil unserer
Atmosphäre, ein ungiftiges Stoffwechselprodukt und für
Pflanzenwachstum notwendig (>>
Kohlenstoffkreislauf). Heute haben wir durch unsere
Tätigkeiten solch gewaltige Mengen Kohlendioxid freigesetzt, dass
sich die Konzentration in der Atmosphäre erhöht hat und sich der
Treibhauseffekt verstärkt (>> Klimawandel).
Ein weiteres Argument für Vorsicht ist Vorsorge angesichts unserer
Unkenntnis über die ökologischen Folgen bestimmter Stoffe. So galten
Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) lange Zeit als umweltfreundlich,
ihre zerstörende Wirkung in der Ozonschicht wurde erst viel zu spät
erkannt (>>
Das Ozonloch).
Eines hat der Rohstoffverbrauch der vergangenen Jahrhunderte aber
bewirkt: Der reiche Teil der Menschheit hat einen nie zuvor
gekannten materiellen Wohlstand erreicht. Aber eine Milliarde
Menschen müssen auch heute noch mit weniger als einem Dollar pro Tag
auskommen, die materielle Armut auf der Erde wurde längst nicht
besiegt. Eine ganze Reihe von „Schwellenländern“ ist dabei, mit
hohen Wachstumsraten diese Entwicklung nachzuholen – manche, wie
China und Indien, so erfolgreich, dass sie mittlerweile als
wirtschaftliche Bedrohung und/oder Erfolg versprechender Markt
gesehen werden. Länder wie Südkorea, Südafrika, Brasilien,
Argentinien, Mexiko, die Türkei und Russland befinden sich ebenfalls
auf dem Weg. Und dies in einer Welt, deren Grenzen sichtbar geworden
sind:
Unser „ökologischer Fußabdruck“: Der
Rohstoffverbrauch ist zu hoch
Der weltweite Rohstoffverbrauch und die damit verbundenen
Umweltfolgen überschreiten schon heute die langfristige Kapazität
des Ökosystems Erde. Dies ergeben Untersuchungen zum „ökologischen
Fußabdruck“: Dieser Ausdruck bezeichnet die Fläche, die notwendig
ist, um die Rohstoffe für unsere Wirtschaft bereitzustellen und um
die Abfälle, Abwässer und Abgase aufzunehmen. Heute überschreitet
der ökologische Fußabdruck unserer Lebensweise die verfügbare Fläche
bereits um 25 Prozent – mit anderen Worten: Wir leben vom Kapital,
nicht mehr von den Zinsen.
In den reichen Ländern ist die Bilanz noch viel schlechter: Eine
Bewohner Deutschlands im Mittel hat einen ökologischen Fußabdruck,
der zweieinhalb mal so groß ist wie die zur Verfügung stehende
Fläche; und auch kein anderes der reichen Industrieländer hat einen
naturverträglichen Rohstoffverbrauch. Kurz vor dem Erreichen der
Schwelle befindet sich China.

Ökologischer Fußabdruck
ausgewählter Länder (angegeben ist der Fußabdruck
in Hektar / Person; Daten aus dem Living Planet Report 2006 [siehe unten])
Bereits im Jahr 2004 konsumierte China mit seinen fast 1.300
Millionen Einwohnern 30 Prozent des weltweit geförderten Eisenerzes,
31 Prozent der Kohle, ein Viertel des Aluminiums und 27 Prozent
aller Stahlprodukte, bei Wachstumsraten von 10 Prozent im Jahr.
Wenn diese Entwicklung so weitergeht, werden wir im Jahr 2050 die
Ressourcen von zwei Planeten Erde brauchen. Damit riskieren wir
schwere Schäden am Ökosystem Erde. Würden alle Menschen auf der Erde
so leben wie wir, bräuchten wir vier Planeten Erde. (Ein Beispiel:
Hätte China den Motorisierungsgrad und Durchschnittsverbrauch der
USA, würde es alleine mehr als die gesamte heutige Erdölproduktion
verbrauchen.) Das zeigt: Unser Wirtschaftsmodell kann kein Vorbild
sein. Es führt kein Weg um eine deutliche Verringerung unseres
Rohstoffverbrauchs herum.
Bessere Nutzung der Rohstoffe – eine Lösung?
Neue Technologien nutzten bereits in der Vergangenheit Rohstoffe
und Energie immer besser: Von 1980 bis 2002 ist die Rohstoffnutzung
der Weltwirtschaft um 25 Prozent besser geworden - 1980 waren 2
Kilogramm Rohstoffe für einen US-Dollar Wertschöpfung nötig, 2002
noch etwa 1,5 Kilogramm. Trotzdem wurden insgesamt mehr Rohstoffe
verbraucht: Die Weltwirtschaft wuchs im gleichen Zeitraum um 83
Prozent, glich die Einsparungen also mehr als aus.
Die Umweltfolgen des Rohstoffverbrauchs beruhen aber auf der
absoluten Menge des Rohstoffverbrauchs. Um tatsächlich eine
zukunftsfähige Wirtschaft zu erreichen, reichen graduelle
Effizienzsteigerungen, die von einer wachsenden Wirtschaft zunichte
gemacht werden, nicht aus: Hätten alle Menschen auf der
Welt unseren Rohstoffverbrauch, würden wir 2050 siebenmal mehr
Ressourcen benötigen als heute. Es müssen ganz neue
Maßstäbe der Ressourceneffizienz angelegt werden: Wir müssen unseren
Ressourcenverbrauch um den Faktor 10 reduzieren, damit er wirklich
zukunftsfähig wird. (Nebenbei: Dies ist der gleiche Faktor, um den
wir auch unsere Kohlendioxid-Emissionen senken müssen, wenn wir den
menschengemachten Klimawandel beenden wollen, >>
Wieviele Treibhausgase sind pro Kopf erlaubt.)
Dabei lastet eine besondere Verantwortung auf den reichen
Industrieländern; sie überschreiten seit langem die ökologische
Kapazität der Erde, und sie bilden das Modell, dem die
Schwellenländer nacheifern. Konzepte zur notwendigen
Entmaterialisierung unserer Wirtschaft finden Sie unter >>
Wirtschaften mit viel weniger Rohstoffverbrauch - die
Faktor-10-Strategie.
Empfehlenswerte Websites:
>> Eine Übersicht über die globalen Materialflüsse bietet www.materialflows.net; mit
den Folgen des Bergbaus setzt sich die Organisation Earthworks (www.earthworksaction.org/home.cfm,
englischsprachig) auseinander.
>> Der ökologische Fußabdruck wird vom
>> Global
Footprint Network errechnet; alle zwei Jahre wird vom World
Wide Fund for Nature (WWF) ein Bericht veröffentlicht (>>
Living Planet Report).
>> Ihren persönlichen ökologischen Fußabdruck können sie auf
spielerische Weise auf der Seite >>
www.footprint.ch ermitteln.
>> Mit dem Zusammenhand zwischen Bergbau und Menschenrechten
und den sozialen Folgen in den Förderländern setzt sich die
Menschenrechtsorganisation Global Witness auseinander: www.globalwitness.org/.
Weitere Seiten zum Industriezeitalter:
>>
Hintergrund: Die industrielle Revolution
>> Böden
>> Energie
>>
Wassernutzung
>>
Wasserverschmutzung
>>
Luftverschmutzung
>> Klimawandel
>>
Gefährdung der biologischen Vielfalt
Zur >> Übersicht