Das Zeitalter der Industrie

Die Zerstörung der Böden

Böden sind die Grundlage für die Erzeugung unserer Nahrungsmittel, und daher eines der kostbarsten Güter der Menschheit. Und dennoch werden die Böden großräumig zerstört: Fast ein Viertel der vom Menschen genutzten Landfläche ist heute durch Erosion geschädigt, wertvolle Böden werden immer weiter überbaut oder durch Eintrag von Giften geschädigt.

Foto eines Ackers

Acker in Oberbayern: Der Einsatz von schweren Maschinen, Kunstdüngern und Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft kann den Boden schädigen, indem die Bodenstruktur geschädigt, organische Substanz abgebaut und Gifte eingetragen werden. Foto: Harald Bischoff, >> wikipedia commons, Lizenz: cc 3.0.

Mit der >> Erfindung der Landwirtschaft begann eine Entwicklung, in deren Verlauf die natürliche Pflanzendecke der Erde an geeigneten Standorten allmählich durch vom Menschen gezüchtete Pflanzen ersetzt wurde - heute sind etwa die Hälfte der Erdoberfläche in Acker- oder Weideland umgewandelt (der Rest ist zum größten Teil für die Landwirtschaft ungeeignet); ein Viertel davon werden intensiv als Ackerland genutzt. Damit haben wir auch die Verantwortung für den Erhalt der Böden übernommen, die die Fruchtbarkeit des Acker- oder Weidelandes garantieren. Aber Übernutzung und/oder falsche Bewirtschaftung sowie vom Menschen verursachte Umweltveränderungen gefährden die Böden in großem Ausmaß, und damit auch die Sicherheit unser Nahrungsmittelversorgung.

Vom Beginn der Landwirtschaft an hat der Mensch die Chemie der Böden verändert: Mit den geernteten Pflanzen werden Nährstoffe entfernt. Lange Zeit gelangten die Nährstoffe noch auf die Felder zurück, aber seit dem Entstehen der Städte gelangen sie meist in Abwasserkanäle, Flüsse und Meere - und waren damit für die Landwirtschaft verloren. Im 19. Jahrhundert konnten mit sinkenden Transportkosten fossile Düngemittel (Guano aus Peru oder Chile) eingeführt werden; mit der Entdeckung von Verfahren zur technischen Herstellung von Phosphaten und Stickstoff (>> hier) wurden zunehmend Kunstdünger eingesetzt. Und die >> Industrielle Revolution führte dazu, dass auch die Landwirtschaft mechanisiert werden konnte.

Mit der Grünen Revolution wurde diese Art der Landwirtschaft unter Federführung der Weltbank auch in den armen Länder gebracht: Unter stark steigendem Verbrauch von Agrochemikalien und stark ausgeweiteter Bewässerung und der Züchtung von Sorten, die unter diesen Bedingungen ertragreicher waren, konnte der Ertrag enorm gesteigert werden (mehr >> hier). Mechanisierung der Landwirtschaft bedeutete aber auch schwere Maschinen, und schwere Maschinen bedeuten Bodenverdichtung: weniger Luft und Wasser im Boden schädigen das Bodenleben. Kunstdünger statt Kreislauf der Nährstoffe und Pestizideinsatz führten dazu, dass der Boden immer weniger organische Bestandteile enthält, Bewässerung führte in vielen trockenen Gebieten zur Versalzung der Böden (siehe >> unten).

Neben der großindustriellen Landwirtschaft leben aber eine Milliarden Menschen, vor allem in den Tropen, von einer ganz anderen Art Landwirtschaft: Auf kleinen Parzellen, oft abseits der besten Lagen, bauen sie an, was sie zum Leben brauchen. Diese Selbstversorger leiden ebenfalls unter Erosion ihrer Böden; für sie bedeuten abnehmende Erträge meistens unmittelbar Hunger.

Verweht und weggespült - Erosion

Die Erosion, der Abtrag von Boden durch Wind und Wasser, ist ein natürlicher Vorgang, der jedoch durch die Landwirtschaft stark beschleunigt wurde - heute ist der Mensch für 60-80 Prozent der Bodenerosion verantwortlich, die auf über 25 Milliarden Tonnen pro Jahr geschätzt wird. Wo die Erosion besonders stark ist, kann sie schließlich dazu führen, dass ganze Regionen für die Landwirtschaft verloren gehen.

Hauptursachen der Erosion sind das Abholzen von Wäldern, dem Klima nicht angepasste landwirtschaftliche Praktiken und die Nutzung ungeeigneter Flächen für die Landwirtschaft. Kahlschläge in gebirgigen Regionen führen oft dazu, dass beim nächsten Starkregen der nun ungeschützte Boden abgetragen wird. Ungeeignete landwirtschaftliche Praktiken, etwa die Übertragung der gewohnten Anbaumethoden durch europäische Siedler in trockene Regionen oder in den Mittelmeerraum und die Tropen führten oft zu großen Bodenverlusten. So kam es in den nordamerikanischen Prärien, in der kasachischen Steppe und zuletzt in China zu Staubstürmen, die gewaltige Mengen Boden davontrugen.

Dust Bowl

In den 1930er Jahren kam es in den nordamerikanischen Prärien zu Staubstürmen, die in die Geschichte und in die Literatur eingingen: Die Erschließung des Westens durch die Eisenbahn und die Mechanisierung der Landwirtschaft ermöglichte die Bestellung riesiger Felder. Durch eine Reihe regenreicher Jahre ging dies zunächst auch gut, aber als in den 1930er Jahren trockene Jahre begannen, begann eine Reihe von Staubstürmen, die die obersten Bodenschichten von den Feldern bliesen: Im Mai 1934 erreichten Tausende Tonnen Boden so Chicago, Boston, New York und Washington, im Winter 1934/35 fiel in Neuengland roter Schnee, im April 1935 machten "schwarze Blizzards" den Tag zur Nacht. Teile der Great Plains wurden regelrecht zugeweht und als Dust Bowl ("Staubschüssel") bezeichnet. Manche Regionen verloren drei Viertel des Oberbodens; viele Farmer verloren ihre Existenzgrundlage und mussten ihre Glück anderswo versuchen: den Staat Oklahoma beispielsweise verließen damals 15 Prozent der Bevölkerung.

Im Mittelmeerraum und den Tropen waren es neben dem Wind die ungewohnt heftigen Regenfälle, die die Böden wegspülten. Kolonialismus zwang oftmals die einheimische Bevölkerung zum Anbau auf Böden in den Bergen: auch hier ging der Boden oft bald durch Erosion verloren. Besonders betroffen sind Asien und Afrika, wo über die Hälfe des landwirtschaftlich genutzten Ackerlandes in trockenen Regionen von Erosion betroffen sind.

Erosion betrifft nicht nur Acker-, sondern auch Weideland. Das gesamte Weideland der Erde beträgt bis zu 46 Millionen Quadratkilometer (die Schätzungen schwanken, da die Grenze zwischen Weideland und unfruchtbarer Wüste oft nicht genau auszumachen ist), davon ist auf 10 Millionen Quadratkilometern der Boden durch Überweidung so geschädigt, dass die Produktivität eingeschränkt ist.

Für die gesamte Welt schätzte bereits 1992 ein Bericht des UN-Umweltprogramms UNEP, dass seit dem Zweiten Weltkrieg 17 Prozent der gesamten bewachsenen Fläche durch Erosion geschädigt wurde; heute gelten 23 Prozent der Fläche als geschädigt.

Die Versalzung von Böden

In bewässerten Trockenländern ist Versalzung die Hauptursache von Bodenzerstörung: Die im Wasser enthaltenen Salze verdunsten nicht mit, und reichern sich - da sie in Trockenländern nicht durch regelmäßige Regenfälle wieder ausgewaschen werden - im Boden an. Das Problem ist so alt wie die Bewässerung in Trockenländern (>> mehr); heute werden jedes Jahr etwa 15.000 Quadratkilometer Land durch Versalzung unbrauchbar gemacht; auf weiteren 450.000 Quadratkilometern ist die Produktion durch Salzbelastung eingeschränkt. Am schlimmsten ist der Irak betroffen: Hier sind etwa 70 Prozent der Ackerfläche von Versalzung betroffen.

Zubetoniert - Die Versiegelung der Böden

Beispiel Ruhrgebiet

Vor der >> Industriellen Revolution war das Ruhrgebiet eine landwirtschaftlich geprägte Region; nur entlang der westfälischen Hellwegs, der auf eine schon in germanischen Zeiten bestehende Handelsroute zwischen Rhein und Elbe zurückging, gab es – ungefähr eine Tagesreise auseinanderliegend – kleinere Städte wie Duisburg, Essen, Bochum, Dortmund, die zum Teil der Hanse angehörten. Als hier die Industrialisierung begann (>> Luftverschmutzung: Beispiel Ruhrgebiet), kamen Bergwerke hinzu, die wachsende Bevölkerung vergrößerte die Hellwegstädte. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts explodierte der Bodenbedarf aber geradezu, wozu der mit der Eröffnung der Strecke von Duisburg nach Hamm 1846 beginnende Eisenbahnbau mit den zugehörigen Werksbahnen, aber auch der Bau von Kanälen, Straßen, Werksiedlungen und Lager- und Abfallflächen der Bergbauunternehmen (Halden, Schlackenberge) beitrugen. Von 1820 bis 1900 stieg der Anteil bebauter Fläche von 3,6 auf 11,6 Prozent (1330). Erleichtert wurde diese Umwandlung, da seit 1865 das preußische Berggesetz Enteignungen zugunsten von Bergwerken vorsah und diese Möglichkeit 1874 mit dem preußischen Enteignungsgesetz noch ausgeweitet wurde.

Mit dem Übergang zum Tiefbau kamen weiträumige Bodensenkungen hinzu. Diese verhinderten, dass die Flüsse aufgrund des Gefälles abfließen konnten, so dass großflächige Sümpfe und Überschwemmungsgebiete entstanden, die landwirtschaftlich nicht mehr nutzbar waren. An Gebäuden und Verkehrswegen kam es zu Schäden infolge der Senkungen: der erste Risse an Häusern wurden in Essen 1866 festgestellt, im Juli 1868 waren bereits 132 Häuser beschädigt. Auch wenn Schadenersatz schwierig war – die Geschädigten mussten nachweisen, welche Zeche bzw. mit welchem Anteil die einzelnen Zechen hieran beteiligt waren, was hohe Sachverständigenkosten verursachte – kauften die Zechen, um Schadenersatzkosten zu vermeiden, große Flächen auf (mögliche Bergschäden galten im Enteignungsgesetz als "ankaufsförderndes Moment"), was die ohnehin nicht sonderlich systematische Stadtplanung erschwerte (in Hamborn etwa gehörten 1910 fast 60 Prozent des Stadtgebietes Industriebetrieben). Auch wenn 1920 der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk (SVR) gegründet wurde, um die Planung zu koordinieren und die verbleibenden Grün- und Freiflächen von der Bebauung freizuhalten, änderte sich an dem auch vom SVR anerkannten Vorrang der Industrieansiedlung nichts, zumal die Industrie mit dem "Gesetz über ein vereinfachtes Enteignungsverfahren" ab 1922 auch zur Abwendung von Arbeitslosigkeit Flächen enteignen konnte. Das weitere Wachstum (1927 waren bereits 21,2 Prozent der Fläche bebaut) führte zu einem Mangel an in der Nähe liegenden Erholungsgebieten, die bestehenden waren hoffnungslos überlaufen – den Hengsteysee bei Essen sollen bei gutem Wetter an Sonn- und Feiertagen über 100.000 Menschen besucht haben.

Die Nazis versuchten nach der Machtübernahme, diese Entwicklung zu stoppen: zum einen liebten sie ohnehin keine Großstädte, zum anderen war es während der Weltwirtschaftskrise im Ruhrgebiet zu über 30 Prozent Arbeitslosigkeit und entsprechenden sozialen Unruhen gekommen, die entschärft werden sollten: es sollte eine planmäßige Aussiedlung als "Bauernsiedler" erfolgen. Mit wenig Erfolg. Selbst wer wollte, hatte zumeist nach Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit das Geld hierfür nicht. Stattdessen sollte dann mit Nebenerwerbssiedlungen für Industriearbeiter eine "größere Krisenfestigkeit" erreicht werden und auch im Hinblick auf einen möglichen Luftkrieg sollte die Bebauung aufgelockert werden, was den Flächenverbrauch vergrößerte. Da im Zweiten Weltkrieg die >> Luftverschmutzung zielgenaue Bombenangriffe erschwerte, lag 1945 das gesamte Ruhrgebiet in Trümmern. Aber im Kalten Krieg brauchte Europa deutsche Kohle, deutsches Eisen und deutschen Stahl; das Ruhrgebiet wurde schnell als Industriegebiet wieder aufgebaut, die Inanspruchnahme an Fläche stieg noch einmal deutlich – 1956 waren 34,3 Prozent der Fläche bebaut. Von den verbliebenen Flächen gehörten viele immer noch den Bergbauunternehmen. Das sollte ab den 1960er Jahren zum Problem werden, als die Städte im Ruhrgebiet im Zeichen der Kohlekrise versuchten, neue Industrien anzusiedeln. In der Regel erwies es sich als leichter, die letzten noch freien Flächen zu erschließen, als mit den Bergbauunternehmen über den Verkauf zu verhandeln.

Der Verbrauch an Fläche – mit dem auf Industrieflächen zudem eine üblicherweise eine starke Bodenverschmutzung einherging, siehe unten – wurde lange nicht als Beitrag zur Umweltzerstörung wahrgenommen. Auch wenn das Ruhrgebiet und andere Industrieregionen extreme Beispiele sind, in Deutschland insgesamt sind bereits über zehn Prozent der Fläche versiegelt, also mit Asphalt, Beton, Industrieanlagen oder Häusern bebaut – und tagtäglich kommen ca. 120 Hektar dazu. Auf diesen Flächen gehen die Bodenfunktionen verloren: Wasserabfluss und Überflutungen werden verstärkt, Versickerungen und Neubildung von  Grundwasser gehen zurück, Landwirtschaft ist auch nicht mehr möglich. In anderen Ländern ist die Versiegelung landwirtschaftlicher Flächen heute schon ein Thema (z.B. in China), obwohl dort die Motorisierung gerade erst beginnt: Ein Auto „kostet“ in Deutschland 0,2 Hektar an Fläche für Straßen und Parkplätze; wenn die Chinesen unseren Motorisierungsgrad erreichen, bedeutete dies die Versiegelung einer Fläche, die fast der Hälfte der gesamten Reisanbaufläche entspricht.

Bei weiter wachsender Bevölkerung und gleich bleibender Erosion und Überbauung wird die Ackerfläche pro Kopf von 0,33 Hektar (1986) auf 0,15 Hektar im Jahr 2050 absinken.

Verschmutzung durch Schadstoffe

Beispiel Ruhrgebiet

Dass mit den Abraum- und Kohlehalden aus dem Bergbau auch Schwermetalle und andere Gifte abgelagert und von dort in den Boden und ins Grundwasser gelangen konnten, war lange nicht bekannt. Das hätte ihre Ablagerung aber wohl ohnehin nicht verhindert: es wurden auch Gifte wie das in Kokereien bei der Gewinnung von Teer und Nebenprodukten wie dem damals zur Stadtbeleuchtung genutztem Leuchtgas anfallende Phenol auf Halden gepumpt, um dort zu versickern, obwohl seine Giftigkeit bereits bekannt war (1340). Aber nicht nur Bergbauunternehmen, auch Städte und Kommunen lagerten die anfallenden Abfälle (und die darin zunehmend enthaltenen Gifte) in Deponien ab, >> Abfallbeseitigung wurde lange vor allem als hygienisches Problem und Teil der Stadtreinigung gesehen; wie die Ablagerung aussah, blieb lange den Städten und Kommunen selber überlassen.

Auch die >> in die Atmosphäre abgegebenen Rauchpartikel und -gase blieben dort nicht: sie sinken im Laufe der Zeit nieder oder werden durch Regen ausgewaschen – so gelangen sie schließlich (mitunter in andere Stoffe umgewandelt) ins >> Wasser oder in den Boden. Durch die Bergsenkungen konnten bis zur Regulierung der Emscher aber auch viele Flüsse im Ruhrgebiet nicht abfließen, so dass diese die in ihnen enthaltenen Schadstoffe nicht abtransportieren konnten: bei Hochwasser oder durch Wasserentnahmen gelangten die Schadstoffen aus dem Wasser dann zum Teil auch noch in den Boden. Als dann Kläranlagen gebaut wurden, wurden die z.T. hochbelasteten Klärschlämme ebenfalls einfach abgelagert – die Folgen waren die gleichen. Die ersten Opfer waren die Landwirte an der Emscher, die ihre Wiesen und Felder im Winter mit Flusswasser berieselten und Flussschlamm zur Düngung aufbrachten: auf den Wiesen und Feldern löste sich die Grasnarbe, Bäume gingen ein und das Vieh bekam Durchfall. Eine Entschädigung war nur auf dem Wege des Schadensersatzes möglich (die Emscher war nach preußischem Recht, da nicht schiffbar, ein privater Fluss [1345]), vor allem die kleinen Bauern hatte aber nicht die hierfür nötigen Mittel und gingen meist leer aus; Großgrundbesitzer konnten sich oftmals mit den Einleitern über eine Entschädigung einigen.

Die Schadstoffbelastungen waren, da im Unterschied zu Luft- und Wasserverschmutzung nicht sichtbar, lange kein Thema der Umweltpolitik. Außerdem waren der belastete Grund und Boden in der Regel in Privatbesitz, um mit dem durfte der Besitzer machen, was er wollte. Erst mit dem Umweltprogramm der Bundesregierung von 1971 wurde der Schutz des Bodens als Aufgabe der Umweltpolitik benannt: unter anderem sollten wilde Müllkippen stillgelegt, saniert und rekultiviert werden. 1978 prägte der Rat der Sachverständigen für Umweltfragen dann den Begriff der "Altlasten" für die Gefahren, die aus alten Halden, Deponien und wilden Ablagerungen ausgingen; er schätze, das es in Deutschland rund 50.000 solcher Flächen gab. In den 1980er Jahren begann man, die Dimension dieses Problems zu erahnen: in Bielefeld-Brake, Dortmund-Dorstfeld und anderswo mussten Stadtteile, die auf solchen Altlasten errichtet wurden, von den Bewohnern geräumt werden. In der Folge begann eine systematische Erfassung von Altablagerungen und Altlasten, bis zum Jahr 2000 wurden 360.000 altlastenverdächtige Flächen erfasst. Unterdessen hatte, 14 Jahre nach dem ersten Umweltprogramm, im Jahr 1985 die Bundesregierung eine Bodenschutzkonzeption vorgelegt; 1991 Baden-Württemberg als erstes Bundesland ein Landes-Bodenschutzgesetz erlassen, Sachsen und Berlin folgten. Erst 1998 folgte die Bundesregierung mit einem Bundes-Bodenschutzgesetz, das im Wesentlichen die Sanierung der Altlasten regelt (die Vermeidung neuer Bodenbelastungen blieb im Wesentlichen weiterhin Aufgabe der Gesetze zur Luftreinhaltung, zum Umgang mit Chemikalien und Abfällen sowie zum Gewässerschutz).

Die Gefährdung der Böden ist damit aber selbst in Deutschland nicht beendet. In Folge der >> Industrialisierung der Landwirtschaft werden zunehmend Dünge- und Pflanzenschutzmitteln gezielt in den Boden eingebracht, Abgase aus Industriebetrieben und Verkehr gelangen nach wie vor in großen Mengen über den "Luftpfad" in die Böden. Auch durch Unfälle gelangen weiterhin Gifte in den Boden. In den Boden gelangende Schadstoffe werden dort oft weitertransportiert und gefährden dann auch das Grundwasser. Zu den gefährlichsten Schadstoffen gehören Schwermetalle, Chemikalien und deren Abbauprodukte sowie militärische Altlasten. Stick- und Schwefeloxide aus Verbrennungsvorgängen werden in der Atmosphäre zu Säuren umgewandelt, die als >> saurer Regen die Böden versauern. In sauren Böden werden Aluminium-Ionen freigesetzt, die für die meisten Kulturpflanzen schädlich sind.

Schwer- und andere Metalle

Metalle spielen vor allem in der Umgebung von Bergwerken zum Abbau von Metallen und Anlagen zur Verhüttung eine Rolle. Die Freisetzung großer Mengen von Metallen stellt in gewisser Weise den Verlauf der Evolution auf den Kopf, während der die Lebewesen mit immer weniger Metallen auskommen mussten (>> hier). So braucht der Körper einerseits Metalle, nimmt diese in Folge der Anpassung an niedrige Metallgehalte aber so begierig auf, dass oftmals gesundheitsschädliche Konzentrationen erreicht werden. Viele Schwermetalle ähneln zudem anderen, benötigten Metallen. So wird Kadmium an zinkbindende Eiweißen gebunden und verdrängt Zink, dass für die Aufnahme von Eisen und Kalzium benötigt wird - als Folge führt es zu Blutarmut und Störungen im Knochenbau. Die Folgen von Schwermetallen in Böden wurden zuerst im dichtbesiedelten Japan deutlich, wo Berg- und Hüttenwerke oft direkt an Reisfelder angrenzen; und so wurde oftmals mit Schwermetallen belastetes Wasser zur Bewässerung der Felder verwendet. Das Schwermetall Kadmium wird von Reispflanzen aufgenommen. Dadurch trat in den 1950er Jahren die Itai-Itai-Krankeit auf: Schmerzhafte Skelettverformungen (Itai-Itai heißt lautmalerisch „Aua-aua“) und Knochenbrüchen bei geringer Belastung. 1980 waren etwa 10 Prozent der japanischen Reisfelder aufgrund der Cadmiumbelastung nicht mehr für den Anbau von Nahrungsmittel geeignet.

Ähnlich wie Kadmium wirkt Blei, das Enzymstörungen auslöst und insbesondere das heranwachsende Gehirn schädigt. Da Blei anstelle von Kalzium in die Knochen eingelagert wird, gelangt es noch dazu während einer Schwangerschaft, wenn der Körper auf Kalzium aus den Knochen zurückgreift, am leichtesten in das Blut.

Erhöhte Schwermetallwerte wurden ab den 1970er Jahren auf der ganzen Erde gemessen; gesundheitsschädliche Werte in manchen Industriegebieten und Städten erreicht, die sich durch besonders hohe Luftverschmutzung “auszeichneten”. Mit der Einführung von Gesetzen zur Luftreinhaltung und dem Verbot von Blei in Benzin ging der Anstieg zurück, allerdings bleiben Schwermetalle bis zu 3.000 Jahren im Erdreich. Problematisch sind aber nicht nur Schwermetalle, sondern auch Leichtmetalle wie Lithium: In geringen Dosen wird es in der Psychiatrie als Medikament eingesetzt, eine etwas höhere Dosis ist giftig. Die zunehmende Verwendung von Lithium für Akkus erfordert daher sorgfältiges Recycling gebrauchter Akkus, wenn hier nicht ein neues Umweltproblem geschaffen werden soll.

Chemikalien

Chemikalien wurden ab Mitte des 20. Jahrhunderts in so großen Mengen hergestellt, dass sie in der Umwelt eine bedeutende Rolle spielten. Eine wichtige Rolle spielte dabei der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft, eine andere übernahm die Ablagerung gefährlicher Chemikalien in ungesicherten Müllkippen.

Chemische Pflanzenschutzmittel

Mitten im Zweiten Weltkriegs begann die Menschheit, gefährliche Chemikalien gezielt in großen Mengen in die Umwelt auszubringen. 1939 hatte der Schweizer Chemiker Paul Hermann Müller entdeckt, dass DDT Insekten tötete; 1942 wurde es von der J.R. Geigy AG auf den Markt gebracht. DDT wurde zuerst gegen den Kartoffelkäfer (und als Entlausungsmittel) eingesetzt und wurde schnell zum am häufigsten verwendeten Insektenvernichtungsmittel.  DDT ist ein Chlorkohlenwasserstoff; eine Stoffgruppe, die in der Umwelt sehr langsam abgebaut wird und sich leicht in Fett löst; aus diesem Grund reichert sie sich im Fettgewebe an. Schon vorher war eine zweite Gruppe von Insektenvernichtungsmitteln entdeckt worden. Ähnlich wie bei der >> Atomkraft standen hierbei die Kriegsvorbereitungen Pate: Der deutsche Chemiker Gerhard Schrader, der im Forschungslabor der BAYER AG in Leverkusen die Nervengifte Tabun und Sarin entwickelte, fand heraus, dass diese Phosphorsäureester mit kleinen Änderungen als Insektizide eingesetzt werden konnten; Schraders Arbeitsgruppe entwickelte 1944 das als "E 605" verkaufte Parathion. Phosphorsäureester sind viel giftiger als Chlorkohlenwasserstoffe, werden aber in der Umwelt vergleichsweise schnell abgebaut. Nach dem Krieg eigneten sich die Amerikaner Schraders Wissen über Phosphorsäureester an und begannen einen "Krieg gegen die Natur" (so Tim Flannery): Insekten wurden von Flugzeugen aus mit diesen Insektenvernichtungsmitteln besprüht, wo immer sie auftraten. Selbst vor dem Einsatz in Städten schreckten sie nicht zurück: So wurde das Insektizid Aldrin 1959 über Detroit versprüht, um einen Rosenkäfer auszurotten. Auch die Weltgesundheitsorganisation setzte auf Insektizide - vor allem auf DDT -, um die Malaria auszurotten.

Die Folgen dieses massiven Gifteinsatzes zeigte 1962 die amerikanische Biologin Rachel Carson in ihrem Buch „Silent Spring“ (dt. „Der stumme Frühling“): Sie wies auf die  Gefahren insbesondere von DDT auf die Vogelwelt, vor allem aber auf die menschliche Gesundheit hin, da der Mensch am Ende der Nahrungskette der Lebewesen stehe. DDT reichert sich im Fettgewebe von Tieren an und führte schließlich dazu, dass bei Vögeln die Eierschalen dünner wurden, wodurch sie beim Brüten zerbrachen. In den USA wurde dadurch der Weißkopfseeadler (der Wappenvogel der USA) an den Rand des Aussterbens gebracht. Carson, die selber an Krebs litt, beschrieb aber auch die Krebsgefahren durch Pestizide. Da Krebsgefahren zu dieser Zeit ein viel diskutiertes Thema waren, wurde das Buch in den USA ein Riesenerfolg (in Deutschland löste das Buch trotzt eines Vorabdrucks in der ZEIT und des gerade bekannt gewordenen Contergan-Skandals damals kaum Diskussionen aus); vielen gilt es als Geburtsstunde der Umweltbewegung.

Nach Carsons Buch war es mit dem großflächigen und hochdosierten Einsatz von DDT bald vorbei; aber es sollte gegen heftigen Widerstand der Chemieindustrie noch bis 1972 dauern, bis der Einsatz von DDT in der Landwirtschaft in den USA (und in Deutschland) verboten wurde. Seit Inkrafttreten der Stockholmer Konvention im Mai 2004 ist DDT weltweit nur noch zur Malariabekämpfung zugelassen, Hauptproduzenten sind Indien und China. Aufgrund seiner Langlebigkeit ist DDT aber auch heute noch in allen Menschen nachzuweisen. Mit der Stockholmer Konvention wurden weitere acht Pflanzenschutzmittel wegen ähnlicher Folgen verboten oder ihre Nutzung beschränkt; heute werden kurzlebigere, aber dafür giftigere Substanzen bevorzugt, die sich nicht mehr in den Böden anreichern.

Giftmüll und Altlasten

1970 produzierten die USA 9 Millionen Tonnen gefährlicher Abfälle, im Jahr 2000 waren es bereits 400 Millionen Tonnen. Bis in die 1970er Jahre waren diese Abfälle auch dort kaum ein Thema, oft wurden sie einfach mit Hausmüll gemischt (um sie zu “verdünnen”) und auf den damals völlig ungesicherten Müllkippen abgelagert. Das böse Erwachen kam später: 1978 kam in Love Canal der erste Giftmüllskandal in die Schlagzeilen. Love Canal war ein Stadtviertel  der Stadt Niagara Falls (an den Niagarafällen), das auf einem Gelände errichtet worden war, auf dem eine Chemiefirma 20.000 Tonnen Abfälle entsorgt hatte. Als sich hier Beschwerden über Gestank, Krebsfälle und Missgeburten häuften, wurde der Abfall untersucht: Über 300 Giftstoffe wurden in dem Gemisch gefunden, Love Canal wurde zum Katastrophengebiet erklärt, die Haushalte umgesiedelt.

Damit war ein Fass aufgemacht: Zusammenhänge zwischen Gesundheitsproblemen und Giftmüll wurden in Hunderten von Gemeinden entdeckt. In den USA sind etwa 50.000 alte Giftmülldeponien (“Altlasten”) bekannt – und noch immer werden z.B. bei Bauarbeiten neue, bisher unbekannte Ablagerungen entdeckt. (In Deutschland gibt es, siehe oben, sogar 360.000 Verdachtsflächen, wobei sich davon nicht jede tatsächlich als Altlast herausstellen muss. Eine Beseitigung wurde zwar in Angriff genommen, aufgrund der gewaltigen Kosten wurde bisher aber nur ein Bruchteil dieser Altlasten saniert.

Weitere Seiten zum Industriezeitalter:
>> Hintergrund: Die industrielle Revolution
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>> Wasserverschmutzung
>> Luftverschmutzung
>> Klimawandel
>> Gefährdung der biologischen Vielfalt

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© Jürgen Paeger 2006 - 2016

 

Die Wanderung von Farmern nach Kalifornien beschreibt John Steinbeck in seinem Buch "Früchte des Zorns".

Für einen "Krieg gegen die Natur" braucht man nicht unbedingt Chemikalien: Im maoistischen China sollte die Bevölkerung so lange auf Töpfe und Pfannen schlagen, bis Vögel tot vom Himmel fielen, um die Getreideernte zu schützen. Zwar klappte dies, aber nicht nur Körnerfresser, auch die Insektenfresser fielen tot vom Himmel, so dass anschließend Insekten über die Felder herfielen.