Strategien für die Zukunft
Energie aus Biomasse
Biomasse deckt über 10 Prozent der weltweiten
Energienachfrage: 2,5 Milliarden armer Menschen hängen
ausschließlich von Bioenergie in Form von Brennholz, Holzkohle oder
Dung ab. Unter “moderner” Energie aus Biomasse versteht man die
Nutzung land- und forstwirtschaftlicher Reststoffe und die Nutzung
speziell angebauter Energiepflanzen zur Erzeugung von Strom, Wärme
und Treibstoffen. Das technische und wirtschaftliche Potenzial
moderner Bioenergie als Energiequelle ist hoch; damit die Nutzung
aber auch ökologisch und sozial nachhaltig ist, braucht die
Biomassenutzung zur Energiegewinnung weltweit gültige Regeln.
Jühnde in
Südniedersachsen ist das erste deutsche Bioenergiedorf:
In einer genossenschaftlichen Biogasanlage (links im Bild) wird
Biogas erzeugt, mit dem in einer Kraft-Wärme-Koppelungsanlage Strom
und Heizwärme erzeugt werden. Die Anlage erzeugt etwa zweimal soviel
Strom wie der Ort verbraucht; die entstehende Wärme wird über ein
Nahwärmenetz an die Haushalte verteilt. Im Winter wird bei Bedarf
mit einem Holzschnitzel-Heizwerk zugeheizt. Der Strom- und
Wärmebedarf des Ortes werden vollständig mit regenerativen Energien
gedeckt (>> mehr -
Webseite Bioenergiedorf Jühnde). Foto: Dschwen, aus wikipedia
Commons, abgerufen 12.12.2009. Lizenz: Creative
Commons Attribution ShareAlike 2.5
Die Nutzung von
Biomasse zur Energieerzeugung bietet viele Vorteile:
Sie schont knapper werdende fossile Brennstoffe; es wird nicht mehr
Kohlendioxid freigesetzt, als zuvor von den Pflanzen aufgenommen
wurde - Biomasse trägt damit zum Klimaschutz bei. Sie ist vielseitig
und kann als fester, flüssiger oder gasförmiger Energieträger zur
Verfügung gestellt werden, sie kann zur Erzeugung von Wärme und
Strom eingesetzt werden und Kraftstoffe ersetzen. Damit ist sie die
vielseitigste aller alternativen Energieformen - und ihr
Energieangebot ist nicht von schwankenden Winden und
Sonneneinstrahlung abhängig. Außerdem kann die Nutzung von Biomasse
die Entwicklung ländlicher Räume fördern; und aus
wirtschaftspolitischer Sicht kann die Entwicklung neuer Technologien
im Zusammenhang mit Energie aus Biomasse Deutschlands Position als
Technologieanbieter stärken.
Aber Biomasse hat auch Nachteile: Der Anbau von
Energiepflanzen auf begrenzten Anbauflächen konkurriert mit der
Nahrungsmittelproduktion und der Notwendigkeit des Schutzes
natürlicher Ökosysteme; wenn für den Anbau von Energiepflanzen
Regenwälder abgeholzt werden, kann die Energiegewinnung aus Biomasse
in der Summe auch klimaschädlich sein. Dies gilt aufgrund der
energieintensiven Anbaupraktiken auch für die Erzeugung von
Agrartreibstoffen aus Mais und Weizen in den USA und aus Raps in
Deutschland, für deren Anbau in den USA bereits ein Fünftel und in
Deutschland 12 Prozent des Ackerlandes genutzt werden - das Anbau-
und Herstellungssystem führt insgesamt zu höheren Emissionen an
Treibhausgasen als die Nutzung fossiler Kraftstoffe! In vielen
Ländern sind außerdem auch aufgrund der Nutzung von Mais und Weizen
für die Herstellung von Treibstoffen bereits die Preise gestiegen.
Darunter leiden vor allem die Ärmsten der Armen: Zu hohe Preise sind
der Hauptgrund für den Hunger auf der Welt (siehe >>
hier).
Die Nutzung von Biomasse ist also nicht automatisch sinnvoll,
sondern braucht Regeln, um die Chancen zu nutzen, die
Nachteile aber zu minimieren. Nur bei deren Beachtung ist
die Energieerzeugung aus Biomasse ein Beitrag zu einer nachhaltigen
Zukunft. Wie diese Regeln aussehen könnten, haben im Jahr 2007 der
Sachverständigenrat für Umweltfragen in einem >>
Sondergutachten und im Jahr 2008 der Wissenschaftliche Beirat
der Bundesregierung “Globale Umweltveränderungen” in seinem
>>
Jahresgutachten 2008 skizziert. Die folgende Darstellung
beruht im Wesentlichen auf diesen beiden Gutachten.
Biomasse für die zukünftige Energieversorgung
Das technische Potenzial der Bioenergie, zu einer weltweit
nachhaltigen Energieversorgung beizutragen, schätzte der Beirat bei
Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bis zum Jahr 2050 auf
knapp ein Zehntel des bis dahin zu erwartenden
Primärenergieeinsatzes (siehe >> hier);
glaubt aber, dass aus wirtschaftlichen Erwägungen davon aber nur
etwa die Hälfte genutzt werden wird. Für Deutschland schätzt der
Sachverständigenrat für Umweltfragen das Potenzial bis zum Jahr 2030
(ohne Importe) auf zehn Prozent der Energienachfrage. Nach 2050
sieht der Beirat den Anteil der Bioenergie an der Energieversorgung
wieder sinken, da aufgrund steigenden Nahrungsmittelbedarfs der
Anbau von Energiepflanzen zurückgehen wird. Außerdem wird dann die
direkte Stromerzeugung aus Sonnenenergie so preiswert sein, dass sie
in großem Stil eingesetzt werden kann; Biomasse wird stattdessen
zunehmend für die Herstellung petrochemischer Produkte genutzt
werden. Insbesondere der Anbau von Energiepflanzen ist daher nur
eine Brückentechnologie zum Übergang auf eine direkte Stromerzeugung
aus Wasser-, Wind- und Sonnenenergie; die Nutzung von Rest- und
Abfallstoffen könnte aber dauerhaft eine wichtige Rolle als
Regelenergie (Ausgleich der Schwankungen von direkt erzeugtem Wind-
und Sonnenstrom) spielen.
Traditionelle
Biomassenutzung
Über ein Zehntel der weltweiten Primärenergie stammt aus
traditioneller Biomassenutzung. Das Verbrennen von Holz, Holzkohle
oder Dung auf Drei-Steine-Öfen ist für über 2,5 Milliarden Menschen
die wichtigste Energiequelle zum Kochen und zum Erhitzen von Wasser.
Sie ist auch eine der gefährlichsten Formen der Energienutzung: Die
Schadstoffbelastung durch offene Biomasse-Feuer in Innenräumen tötet
jedes Jahr nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation über 1,3
Millionen Menschen (bei Berücksichtigung von Kohlefeuern gar drei
Millionen Menschen - die Luftverschmutzung in Innenräumen gehört zu
den größten Umweltproblemen der Welt: >>
mehr).
Durch einfache Herde kann der Brennstoffverbrauch auf
die Hälfte oder - je nach Bauart des Ofens - ein Viertel reduziert
werden. Dies ist eine einfache, kostengünstige Art, das Klima und
die Umwelt doppelt zu schützen: Sie reduziert den Ausstoß von
Treibhausgasen und die Entwaldung. Ein Programm zur Einführung
verbesserter Holzherde gibt es etwa in Uganda. Noch wirksamer ist
es, Drei-Steine-Öfen durch Kochen mit Biogas zu ersetzen: Der
Ausstoß an Treibhausgasen wird um 95 Prozent reduziert, die
Innenraumluft noch wirksamer verbessert. Klein-Biogasanlagen werden
etwa in Nepal, Vietnam und Indien bereits millionenfach eingesetzt.
Beide Techniken sollten viel intensiver genutzt werden, um die
Umweltbelastung durch offene Holzfeuer zu verringern. Zugang zu
modernen Energietechniken bieten auch die Verbrennung von
Reststoffen aus der Lebensmittel-, Papier- und Textilindustrie in
kleinen Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen oder die Nutzung von
Pflanzenöl für Dieselgeneratoren zur Stromerzeugung.
Die Bedeutung traditioneller Biomassenutzung wird auch am
unterschiedlichen Beitrag der Biomasse zur Deckung der
Energienachfrage deutlich: Sie beträgt weltweit über 10 Prozent (wie
hoch sie genau ist, ist je nach Quelle unterschiedlich, da diese
Biomasse in der Regel nicht gehandelt und statistisch erfasst wird);
aber in den
OECD-Ländern 4 Prozent, in China 13 Prozent, in Indien 29
Prozent und in den Entwicklungsländern Afrikas 47 Prozent. Moderne
Bioenergienutzung, vor allem die Mitverbrennung in Kraftwerken, die
Nutzung von Biogas oder Biokraftstoffen haben einen Anteil von knapp
12 Prozent an der weltweiten Bioenergienutzung. Biokraftstoffe
alleine haben nur einen Anteil von 2,2 Prozent. Insgesamt liefert
die Biomasse zur Zeit jährlich 50
EJ, im Jahr 2050 liegt das nachhaltig nutzbare Potenzial bei
80 bis 170 EJ, damit könnte die Nutzung von Bioenergie die
Treibhausgasemissionen um 2 bis 5 Milliarden Tonnen
Kohlendioxid-Äquivalent pro Jahr mindern. Bis zum Jahr 2030
könnte - guter Wille vorausgesetzt - zudem die gesundheitsschädliche
traditionelle Biomassenutzung (siehe >> oben)
vollständig durch moderne Formen abgelöst sein.
Nachhaltige Quellen für Biomasse
Der Ausbau der Bioenergie kann aber auch die globalen Probleme noch
verschärfen, vor allem dann, wenn die unbedachte Förderung des
Anbaus von Energiepflanzen die steigende Energiefrage mit der
Nutzung von Landflächen verkoppelt - Landflächen, die auch als
Ackerland und für unverzichtbare Dienstleistungen von Ökosystemen
gebraucht werden. Nachhaltig ist Bioenergie nur, wenn ihre Nutzung
nicht die Ernährung der Menschheit und den Natur- und Klimaschutz
gefährdet. Bei Nutzung von Abfall- und Reststoffen besteht das
Problem der Flächennutzung nicht, daher ist diese grundsätzlich dem
Anbau von Energiepflanzen vorzuziehen. Regel Nr. 1 für nachhaltige
Bioenergie wäre also:
Bevorzugte Nutzung von Abfall- und Reststoffen
Damit die Nutzung von Abfall- und Reststoffen aus Land- und
Forstwirtschaft nachhaltig ist, dürfen dem Boden nicht zu viel
organische Substanz und mineralische Nährstoffe entzogen werden. Die
Menge der nutzbaren Biomasse hängt von den lokalen Verhältnissen ab,
weltweit beträgt das nachhaltig nutzbare Biomassepotential aus
Abfall- und Reststoffen etwa 50 EJ. Ihre Nutzung ist eine Chance für
Landwirte, bisher ungenutzte Pflanzenteile als Energierohstoff zu
verwenden oder zu verkaufen und damit eine neue Einkommensquelle zu
erschließen. Damit stellt die Biomasse eine Chance auf eine
Wiederbelebung ländlicher Räume dar, die wir dringend brauchen
(siehe >>
hier).
Nutzung von Deponiegas
Eine weitere wichtige Quelle für Methangas sind die
zahlreichen Mülldeponien auf der Welt: Wenn Haushaltsmüll unter
Luftabschluss zersetzt wird, entsteht aus den organischen
Bestandteilen “Deponiegas”. In modernen Mülldeponien wird dieses
bereits aufgefangen und genutzt. Allerdings lässt sich die Ausbeute
mit modernen Verfahren noch verbessern, und sind zahlreiche alte
Mülldeponien nicht mit solchen Anlagen ausgerüstet. In vielen
Ländern wird Müll auch noch in offenen Deponien abgelagert, in denen
hauptsächlich das Treibhausgas Kohlendioxid entsteht. Solche
Deponien sollten ohnehin saniert werden, da versickerndes
Regenwasser Boden und Grundwasser verschmutzen kann, dann kann die
Methannutzung gleich mit installiert werden. In Zukunft wird
allerdings die Bedeutung von Deponiegas hoffentlich abnehmen:
Organische Abfälle sollten getrennt eingesammelt und zum Beispiel in
Biogasanlagen verarbeitet werden.
Für den Anbau von Energiepflanzen müssen die Regeln 2 bis 5 gelten,
wenn er einen positiven Beitrag zur Zukunftsfähigkeit leisten soll:
Vorrang für den Anbau von Nahrungsmitteln
Über eine Milliarde Menschen sind unzureichend ernährt, weil sie
kein Geld für Nahrungsmittel haben. Als die USA mit der Nutzung von
Mais für die Ethanolproduktion begannen, stieg der Weltmarkpreis für
Mais, alleine im Jahr 2006 um 80 Prozent. In Mexiko verdoppelte sich
der Preis für Maismehl, der Grundzutat des Nationalgerichts
Tortilla. Massendemonstrationen waren die Folge. Zwar ist die
Ethanolproduktion nicht der einzige Grund für die Preissteigerung
(auch steigende Ölpreise führen in der energieintensiven
Landwirtschaft zu Preissteigerungen), aber der Anbau von
Energiepflanzen erfolgt etwa in den USA auf den selben Flächen wie
der Anbau von Nahrungsmitteln. Die FAO erwartet, dass die
Agrarflächen zur Sicherung der Ernährung bis 2030 ohnehin um 13
Prozent ausgeweitet werden müssen. Kommt noch der Anbau von
Energiepflanzen hinzu, wird die Konkurrenz um die Landnutzung
verschärft und werden in der Folge die Nahrungsmittelpreise weiter
steigen. Nationale und internationale Bioenergiestrategien müssen
daher gemeinsam mit Strategien zur Ernährungssicherung entwickelt
und verknüpft werden, wobei die Sicherung der Ernährung Vorrang vor
der Energieversorgung haben muss. Wo Menschen hungern, können
Energiepflanzen nachhaltig nur auf Flächen angebaut werden, die für
den Anbau von Nahrungsmitteln nicht geeignet sind.
Schutz der biologischen Vielfalt
Die Erschließung von Ackerflächen ist heute schon die wichtigste
Ursache für den Verlust an Biodiversität (>>
mehr); die Erschließung neuer Anbauflächen, etwa für Ölpalmen
in tropischen Regenwäldern, verstärkt diesen Trend. Das gleiche gilt
für indirekte Nutzungsänderung (Ackerflächen werden auf den Anbau
von Energiepflanzen umgestellt, daher müssen Ackerflächen anderswo
neu angelegt werden). Die Umwandlung von Waldflächen, Feuchtgebieten
oder Schutzgebieten ist grundsätzlich nicht nachhaltig; andere
Flächen sollten nach Meinung des Beirats nur umgewandelt werden,
wenn die dabei entstehenden Treibhausgase innerhalb von 10 Jahren
durch den Anbau von Energiepflanzen wieder aufgenommen werden.
Positive Auswirkungen auf den Klimaschutz sicherstellen
Nicht jede Bioenergie ist klimafreundlich: Wenn Regenwälder gefällt
werden, um Energiepflanzen anzubauen, werden derartig viele
Treibhausgase freigesetzt, dass Bioenergie zum Klimakiller wird
(siehe auch >>
hier). Emissionen aus Landnutzungsänderungen sollten daher
vollständig erfasst werden und bei der Nachfolgeregelung für den
Kyoto-Vertrag (>>
mehr) systematisch berücksichtigt werden; kurzfristig sollte
eine nachhaltige Landnutzung Voraussetzung für Importabkommen mit
Bioenergie-Produktionsländern sein. Um die Treibhausgase, die beim
Anbau und der Verarbeitung entstehen, angemessen zu berücksichtigen,
schlägt der Beirat einen Mindeststandard für Bioenergie vor, wonach
ein TJ eingesetzte Biomasse bei Berücksichtigung von Anbau und
Verarbeitung mindestens 30 Tonnen Kohlendioxid-Äquivalent an
Treibhausgasen einsparen muss - für eine öffentliche Förderung sogar
mindestens 60 Tonnen.
Nachhaltige Anbausysteme für Energiepflanzen
Mehrjährige tropische Pflanzen wie das Wolfsmilchgewächs Jatropha,
Zuckerrohr und Ölpalmen sind, wenn sie auf sonst nicht nutzbarem
Land angebaut werden, einjährigen Kulturen wie Raps, Getreide und
Mais überlegen, da sie zu einer Kohlenstoffspeicherung in Böden
führen und damit sogar zu einer Wiederherstellung guter Böden
beitragen können, auf denen langfristig sogar wieder Nahrungsmittel
angebaut werden können. Beim großflächigen Anbau von Energiepflanzen
muss zudem die regionale Wasserverfügbarkeit beachtet werden, um
keinen Wassermangel zu verursachen. In den USA etwa wird wegen
steigender Nachfrage schon Mais für die Ethanolproduktion auf
Flächen angebaut, die bewässert werden müssen, und wegen
schwindender Wasserreserven wurden bereits etliche
Ethanolraffinerien geschlossen. Da nachhaltige Anbausysteme von den
lokalen agro-ökologischen Systemen abhängen, sollten lokale
Modellprojekte und die Verbreitung von guten Beispielen
international gefördert werden.
Zertifizierung für nachhaltige Bioenergieträger
Damit die Einhaltung der oben dargestellten Standards nachgewiesen
werden kann, schlägt der Beirat ein international gültiges
Gütesiegel für nachhaltige Bioenergie vor. Einen Vorschlag für ein
solches Zertifizierungssystem gibt es bereits: Das International
Sustainability & Carbon Certification - System (>> mehr,
externe Webseite); auch in den USA (>> Council
on Sustainable Biomass Production) wird an solchen Systemen
gearbeitet.
Grüne Kohle?
In der Forschung wird zur Zeit intensiv daran
gearbeitet, bisher nicht nutzbare Biomasse nutzbar zu machen. Ein
Verfahren macht dabei viel von sich reden: die hydrothermale
Karbonisierung (HTC). Das Verfahren wurde bereits 1913
vom deutschen Chemiker Friedrich Bergius beschrieben, es ahmt die in
der Natur ablaufende Braunkohle-Entstehung technisch nach, ist
vielseitiger als die Vergärung und produziert weniger Kohlendioxid
und Methan. Bisher ist das Verfahren aber erst im Labormaßstab
erprobt, so dass eine schnelle Nutzung nicht zu erwarten ist.
Siehe auch >>
wikipedia: Hydrothermale Karbonisierung
Die beste Nutzung von Energie aus Biomasse
Auch die Nutzung der Bioenergie hat einen großen Einfluss auf ihre
Klimaschutzwirkung: Sie ist am größten, wenn Bioenergie fossile
Energieträger mit hohen Kohlendioxid-Emissionen ersetzt, also vor
allem Kohle. Die Mitverbrennung von Biomasse in Kohle- oder
Heizkraftwerken, die Nutzung von Biogas und Biomethan in
Blockheizkraftwerken oder Gas- und Dampfkraftwerken erzielen daher
die höchste Klimaschutzwirkung. Die Nutzung als Agrokraftstoff
ersetzt dagegen das (etwas) “sauberere” Öl und nutzt zudem die in
der Biomasse enthaltene Energie schlechter (auch in Agrokraftstoffen
der zweiten Generation - siehe >>
hier - stecken höchstens etwas über 50 Prozent der
ursprünglichen Energie). Im Klartext: Agrokraftstoffe (siehe
>>
unten), die wegen der verringerten Abhängigkeit von Ölimporten
und zur Verringerung der CO2-Emissionen im Straßenverkehr
zur Zeit intensiv gefördert werden, sind nicht die beste Verwendung
von Bioenergie.
Wegen des hohen Wirkungsgrades ist die >>
Kraft-Wärme-Koppelung,, bei der Strom und Wärme gleichzeitig
erzeugt werden, die sinnvollste Nutzung von Bioenergie. Bei reiner
Stromerzeugung ist die Klimaschutzwirkung etwa doppelt so groß als
bei reiner Wärmeerzeugung; sinnvoll ist der Einsatz von Biomasse
aber dennoch bei der Erzeugung von Hochtemperaturprozesswärme in der
Industrie, denn diese kann keine durch keine andere alternative
Energieform erzeugt werden. Wird Biomasse für andere Wärmeerzeugung
genutzt, ist aus Umweltsicht die Verwendung in größeren Heizwerke
besser als etwa Pelletheizungen, da sich hier aufwändige
Feinstaubfilter eher bezahlen lassen - Feinstaubemissionen sind ein
zunehmendes Problem durch Kamine und Pelletheizungen.
Pelletheizungen sind daher allenfalls eine Übergangstechnologie.
Agrokraftstoffe
Agrokraftstoff ist eine Sammelbezeichnung, hierunter fallen
“Biodiesel” (Rapsölmethylester, RME), Pflanzenöl, “Bioethanol” und
synthetische Kraftstoffe (das “Bio-” in Biodiesel und Bioethanol
besagt, dass diese aus Biomasse hergestellt werden, haben aber
nichts mit biologischem Anbau zu tun; sie sollte daher besser
Agrodiesel und Agroethanol genannt werden). Die gelb blühenden
Rapsfelder Deutschlands dienen der Herstellung von
Biodiesel, der in Deutschland rund zwei Drittel
Marktanteil bei den Biokraftstoffen hat - und (als Reinkraftstoff "B
100" und Beimischung im mit "B 7" gekennzeichneten Diesel) vier
Prozent beim Treibstoff insgesamt. Biodiesel entsteht auf Basis von
Pflanzenölen; in Deutschland vor allem Rapsöl, weltweit meist auf
der Basis von Palmöl. Auch Europa importiert
zunehmend Palmöl, der von der EU geforderte Marktanteil ist anders
kaum zu erreichen. Außerdem ist Palmöl billiger. Die Kehrseite:
Palmölplantagen sind in Malaysia bereits für 87 Prozent der
Regenwaldzerstörung verantwortlich. Die Abholzungen machen selbst
vor dem Tanjung Puting Nationalpark in Kalimantan nicht halt. Wenn
man aber die Kohlenstoffbilanz dieser Regenwaldvernichtung
berücksichtigt, ist derart gewonnener Biodiesel der
klimaschädlichste Treibstoff überhaupt, seine
Umweltbilanz ist schlechter als die von Rohöl aus Nigeria. Das
Umweltbundesamt sieht selbst bei Biodiesel aus heimischem Raps keine
Umweltvorteile, wenn Schädlingsbekämpfungs- und Düngemittelverbrauch
und Klimawirkungen des Rapsanbaus berücksichtigt werden. Eine
bestehende Alternative zum Biodiesel ist für Dieselmotoren die
Benutzung von reinem Pflanzenöl, dies erfordert in
jedem Fall eine Umrüstung des Motors.
Für Ottomotoren ist dagegen Ethanol der
vorherrschende Agrokraftstoff, in Deutschland beträgt sein Anteil am
gesamten Treibstoffverbrauch knapp zwei Prozent. Bekannt ist vor
allem das Alkoholprogramm in Brasilien, aber auch die USA sind mit
einem dort als freedom fuel bekannten Programm groß in die
Ethanolproduktion eingestiegen. Die Umweltbilanz von Ethanol ist
besser als die von Biodiesel - aber nur in tropischen Ländern. In
Brasilien ergibt ein Hektar Land etwa 6000 Liter Treibstoff, in den
USA höchstens ein Viertel. Dazu kommt, dass die Destillationsanlagen
für die Ethanolherstellung selber viel Energie brauchen, die in den
USA meist aus fossilen Kraftwerken stammt. Dazu kommt der
Energieverbrauch im Anbau und bei der Düngemittelherstellung: In
einer Einheit Bioethanol aus Mais stecken daher 0,77 Einheiten
fossiler Energie; in Brasilien wird die Energie für die Destillerien
aus den Resten des Zuckerrohrs gewonnen, dort stecken nur 0,12
Einheiten fossiler Energie in einer Einheit Ethanol. Bei der Nutzung
von Getreide wird oft genauso viel fossile Energie verbraucht, wie
anschließend im Treibstoff steckt.
Die Hoffnung ruht daher auf den noch
nicht auf dem Markt verfügbaren Agrokraftstoffen der
zweiten Generation. Dahinter verbergen sich synthetische
Agrokraftstoffe, auch als Biomass to Liquid (BtL) oder Synfuel bzw.
Sunfuel bezeichnet, die aus landwirtschaftlichen Reststoffen wie
Stroh oder aus eigens angebauten Energiepflanzen hergestellt werden
können. Da hierbei die gesamte Pflanze verwendet wird, liegt der
Ertrag pro Hektar bis zu dreimal so hoch wie bei Rapsöl - aus einem
Hektar Anbaufläche kann so eine Energiemenge entsprechend 3.700
Liter Diesel gewonnen werden. Noch besser verspricht die Ausbeute
bei der Zellulosetechnik zu werden, einem alternativen Verfahren,
das einen Pilz nutzt, um Ethanol aus Holz und Stroh herzustellen.
Mit Biogas kann aus einem Hektar sogar die Energie
von fast 5.000 Litern Benzin gewonnen werden. Die Herstellung von
Biogas ist technisch erprobt, zudem können die Nährstoffe nach dem
Gärprozess auf den Acker zurückgebracht werden, der Einsatz von
Kunstdüngern verringert sich. Weitere Steigerungen der Ausbeute sind
in der Pipeline: Neue Verfahren könnten sie verdoppeln. Biogas kann
aber als Kraftstoff nur in Fahrzeugen genutzt werden, die für den
Gasbetrieb umgerüstet sind.
So viele Kilometer kann ein Mittelklasseauto mit der Energieertrag
eines Hektars Land fahren. Grau: aktuelle Technologie,
grün: Zukunftstechnologien. Gelb zum Vergleich: Ein Hektar Land mit
Solarzellen bestückt. Zahlenangaben aus ZEIT Wissen Nr. 6/2009.
Der Beirat sieht in Agrokraftstoffen auch der zweiten
Generation dennoch keine sinnvolle Nutzung von Energie aus Biomasse:
Der Nutzen für das Klima ist bei Mitverbrennung von Biomasse in
Kraftwerken immer noch deutlich größer; und die Zukunft des Verkehrs
sieht der Beirat ohnehin in elektrischen Fahrzeugen in Kombination
mit Strom aus erneuerbaren Quellen (>>
hier; zu den Effizienzvorteilen siehe auch die Abbildung
oben): Die Verstromung von Biomasse trägt zu dieser Entwicklung bei,
während die Investitionen in Kraftstoffe für Verbrennungsmotoren
zwar die Abhängigkeit von Öllieferungen aus dem Ausland verringern
(was der eigentliche Grund für das amerikanische Ethanol-Programm
war, das erst im Nachhinein zur “Klimaschutzmaßnahme” erklärt
wurde), aber von der Automobilindustrie vor allem deshalb geliebt
werden, weil sie ohne reduzierten Spritverbrauch die
Kohlendioxid-Emissionen senken - als Übergangslösung bis zur
Marktfähigkeit von Elektroautos wäre aber (Bio-)Gasantrieb die
bessere Lösung.
Die Herstellung von Biomethan bietet noch eine
zusätzliche Chance für das Klima: Wenn das dabei ohnehin abgetrennte
Kohlendioxid deponiert wird, kann damit sogar der
Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre gesenkt werden - allerdings
sehr langsam, mehr als 0,2
ppm pro Jahr sind nicht zu erwarten.
Biomasse als
Kohlenstoffsenke
Einen großen Vorteil hat Biomasse gegenüber allen
anderen erneuerbaren Energiequellen: Während jene “nur” dafür
sorgen, dass unser Energieverbrauch keine weiteren Treibhausgase in
die Atmosphäre entlassen, bietet Biomasse - wie oben beim Biomethan
bereits erwähnt - die Chance, Kohlendioxid wieder aus der Atmosphäre
zu entfernen. Darauf setzen jene, die glauben, dass wir heute schon
einen unverantwortlichen Klimawandel in Gang gesetzt haben (>>
mehr). Kohlendioxid kann durch veränderte Formen der
Landwirtschaft - insbesondere durch Einbringung von Holzkohle in
Böden (>>
mehr) - und dauerhafte Nutzung von Holz (>>
mehr) dauerhaft aus der Atmosphäre entfernt werden. Hier
sprechen wir allerdings nicht von der energetischen, sondern von der
stofflichen Nutzung von Biomasse.
Globale Vereinbarungen für Energie aus Biomasse
Bioenergie ist bereits heute ein globales Geschäft, und die
Konkurrenz mit dem Anbau von Nahrungsmitteln und die Abholzung von
Regenwäldern zeigen: Die Nutzung von Biomasse braucht politische
Rahmenbedingungen. Wenn die Entscheidung dem Markt
überlassen wird, werden die Reichen immer mehr Geld für Kraftstoff
haben als die Armen für Nahrung. Die notwendigen Vereinbarungen
könnten einerseits in Zusammenhang mit der UN-Klimarahmenkonvention
getroffen werden, etwa was Abkommen zur Einbeziehung der Emissionen
aus der Entwaldung oder zum Schutz der Kohlenstoffvorräte der
Landökosysteme angeht, zum anderen im Recht der
Welthandelsorganisation: Die Schutzwürdigkeit von Klima und
Biodiversität muss völkerrechtlich verbindlich werden, so dass
Umweltstandards etwa beim Handel mit Biomasse in das Vertragswerk
einfließen könnten. Um weltweit einheitliche Bioenergiestandards
bemüht sich etwa die Global Bioenergy Partnership
(>> website,
englischsprachig).
Literatur:
Sachverständigenrat für Umweltfragen
(2007): Sondergutachten Klimaschutz durch Biomasse,
erhältlich zum Download im Internet >>
hier.
Wissenschaftlicher Beirat der
Bundesregierung “Globale Umweltveränderungen” (2008): Welt
im Wandel: Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung,
erhältlich zum Download im Internet >> hier.
Umfassende Untersuchung zum nachhaltig nutzbaren Potenzial von
Bioenergie; auf der Seite sich auch externe Expertengutachten zum
Download bereitgestellt.
Bundesamt für Naturschutz (2010): Bioenergie und
Naturschutz. Synergien fördern, Risiken vermeiden,
erhältlich zum Download im Internet >> hier.
Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe (2010): Leitfaden
Bioenergie und Naturschutz, erhältlich zum Download im
Internet >>
hier.
Webseiten zum Thema:
>> Global
Bioenergy Partnership, englischsprachig
>> International
Sustainability & Carbon Certification
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