Strategien für die Zukunft
Handeln für eine bessere Zukunft
Was wir jetzt tun müssen
Die vorigen Seiten haben es gezeigt: Es gab nie so viel Wissen, Reichtum und Technologie zur Lösung der dringendsten Menschheitsprobleme wie heute in den reichen Industrieländern. Wir wissen, was wir tun müssen, wir wissen auch, wie es geht. Aber die bisher in die Wege geleiteten Maßnahmen reichen nicht aus. Wir haben offenbar Angst vor den notwenigen Veränderungen. Aber wenn uns die Zukunft unserer Kinder nicht egal sind, müssen wir handeln. Es wird umso leichter, je eher wir anfangen.
Wir kennen die Bedrohungen für das Ökosystem Erde (hier), wir wissen, was wir dagegen tun können (hier) – und wir wissen auch, das rein finanziell gesehen Nichtstun teurer wäre, als mit dem Handeln jetzt zu beginnen (Beispiel des Klimawandels) – und trotzdem ist das, war wir bisher tun und planen, noch längst nicht genug. Dafür gibt es viele Gründe:
Erstens: Wir, die Reichen dieser Erde, gehören bisher zu den Profiteuren der Entwicklung. Unsere Entwicklungsmodell basiert seit 150 Jahren auf Kohle, Öl und Gas; das hatte und hat seinen Preis, aber im Großen und Ganzen sind wir gut damit gefahren. Wir haben etwas zu verlieren, und die nötige radikale Änderung dieses Modell – weg von fossilen Brennstoffen – weckt Ängste, dass wir in Zukunft weniger gut leben könnten.
Zweitens: Änderungen bringen immer Gewinner und Verlierer hervor. Während klar ist, wer zum Verlierer wird (bei einer Umstellung auf erneuerbare Energiequellen etwa die Kohle – und Ölindustrie), ist weniger klar, wer zu den Gewinnern gehören wird: Wer in einem Kohlekraftwerk arbeitet, weiß, dass er zu den Verlierern gehören wird; wer dagegen später einmal in der Solarindustrie arbeiten wird, weiß dies heute noch nicht. Die sicheren Verlierer werden gegen die Änderung sein. (Dieses Problem alt, es wurde schon Macchiavelli in seinem Buch “Der Fürst” beschrieben – siehe Kasten rechts).
Drittens: Wenn es Ängste gibt, haben wir Menschen die Fähigkeit zur Verdrängung – wir ignorieren das Problem, so lange es geht. Wir glauben etwa denen, die behaupten, es gäbe gar keinen Klimawandel, und falls doch, sei auf keinen Fall der Mensch daran schuld – eine Fähigkeit, die wiederum von den potenziellen Verlierern genutzt wird, so haben etwa große Öl- und Kohlekonzerne daran gearbeitet, “die globale Erwärmung als Theorie statt als Tatsache neu zu positionieren”. Oder jemand anders ist schuld. Besonders beliebt ist “die Industrie” oder auch “die Chinesen”. Dabei wird gerne vergessen, dass “die Industrie” Produkte herstellt, die wir kaufen (oder auch nicht) und von Gesetzen und Regeln bestimmt wird, die wir als Gesellschaft machen. Und warum “die Chinesen” weniger Rechte auf Emissionen haben sollten als etwa ein Europäer, konnte mir noch niemand überzeugend erklären (verstehen sie mich nicht falsch: Natürlich werden auch die Chinesen ihre Emissionen reduzieren müssen. Aber heute verursacht ein Chinese gut die Hälfte der Treibhausgas-Emissionen eines Europäers – wir können also schlecht mit dem Finger auf “die Chinesen” zeigen.)
Wie wir trotzdem zum weltweit gemeinsamen Handeln kommen, wissen wir (noch) nicht. Klar ist: Verdrängung und Ausreden werden auf Dauer nicht helfen. Die Probleme sind eine Tatsache. Im Falle des Klimawandels etwa gibt es zwar Wissenschaftler, die den Klimawandel oder den menschlichen Einfluss auf ihn bestreiten – diese veröffentlichen ihre Thesen aber nicht in Fachzeitschriften, wo sie einer kritischen Diskussion ausgesetzt wären, sondern erklären sie am liebsten im Fernsehen. Eine große Untersuchung in den USA fand unter 928 zufällig ausgewählten Aufsätzen zum Klimawandel einen einzigen, der einen “spürbaren menschlichen Einfluss auf das globale Klima” für nicht nachweisbar hielt – das war ein Kommentar in einem Fachblatt für Erdölgeologen. Es gibt gar keinen wissenschaftlichen Streit über die Tatsache eines Klimawandels mehr. Und wohl noch nie in der Menschheitsgeschichte gab es die Möglichkeit, den wissenschaftlichen Konsens über die Ursachen und ein ganzes Fachgebiet derart detailliert aufbereitet kostenfrei aus dem Internet herunterladen zu können wie die IPCC-Berichte; und allgemeinverständlich zusammengefasst gibt es sie auch (siehe UN-Klimareport). Jeder kann wissen, was wirklich Stand der Wissenschaft ist. Wir müssen handeln. Und zwar alle: Wir Bürger, die Industrie, die Politik.
Und die Gefahr, dass wir dann weniger gut leben? Diese Gefahr besteht ja auch und vor allem, wenn wir den Klimawandel eintreten lassen (hier). Dagegen spricht alles dafür, dass wir mit Maßnahmen gegen den Klimawandel besser leben: Wenn wir weniger fossile Brennstoffe verbrauchen, wird auch die Luftverschmutzung (und die von ihr verursachten Kosten) abnehmen; wird uns die Endlichkeit der Ölvorräte weniger treffen; werden wir nicht mehr unter Preissteigerungen fossiler Brennstoffe leiden, sondern von den Fortschritten der Halbleitertechnik profitieren, werden wir die Wälder schützen und damit die Artenvielfalt, werden wir den Kohlenstoffgehalt der Böden erhöhen und damit deren Fruchtbarkeit verbessern. Noch besser: Selbst wenn wir auf Wirtschaftswachstum verzichten müssten, würden wir nicht weniger glücklich sein als heute (hier). Das hört sich fast zu gut an, um war zu sein; und sicher wird auch das eine oder andere unvorhergesehene Problem noch auftauchen: Aber besser wird es sicher nicht, wenn wir nichts tun.
Aber die Verlierer? Was wird aus denen, die heute in der Kohle- oder anderen Verliererindustrien arbeiten? Bei einer solch tief greifenden Umgestaltung, wie sie vor uns steht, wird jeder kompetente Kopf und jede geschickte Hand gebraucht. Die Gestaltung des Übergangs ist eine Frage der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, aber für kompetente Mitarbeiter aus den alten Industrien werden sich neue Jobs finden. Und so können auch aus denen, die heute zu wissen glauben, dass sie Verlierer wären, noch Gewinner werden.
Aber sind wir nicht längst auf einem guten Wege? Man sieht doch jetzt überall Windräder und Solarzellen auf den Dächern, kann Biodiesel tanken, liest, dass die Autohersteller an Hybridfahrzeugen arbeiten und dass die Bundesregierung ein anspruchsvolles Klimaprogramm verabschiedet hat, findet Tipps zum umweltgerechten Verhalten in allen möglichen Zeitschriften und zahlreichen Büchern... Die Antwort heißt: Ja. Und Nein. Ja, es ist etwas in Gang gekommen; der Ausbau erneuerbarer Energien ist sicher ein Beispiel. Aber: Was wir tun und planen, ist noch längst nicht genug. Nur ein Beispiel: Wir müssen in Deutschland unseren Ausstoß an Treibhausgasen um 90 Prozent reduzieren (hier). Die bereits beschlossenen Maßnahmen werden aber “nur” zu einer Reduktion um 35 bis 40 Prozent führen. Das ist kein Problem, wenn uns klar ist, dass wir nicht 2020 fertig sind mit dem Umbau. Denken wir einmal global, um die Dimension zu verstehen: Schauen Sie sich die Entwicklung des Energieverbrauchs im Industriezeitalter und seinen aktuellen Stand an (hier). Dann denken Sie daran, dass dieser Energieverbrauch vermutlich weiter wachsen wird, weil noch weitere 2,5 Milliarden Menschen auf dieser Erde leben werden und immer mehr von denen auch unseren Lebensstandard anstreben (mehr). Und dann machen sie sich klar, dass die global notwendige Verminderung der Treibhausgase um 60 Prozent (hier) bedeutet, dass im Jahr 2050 höchstens 2.500 Mtoe aus Energiequellen kommen dürfen, die Treibhausgase ausstoßen, also aus Kohle (ohne Kohlendioxidabscheidung), Öl und Gas. Das geht (hier) aber Sie ahnen jetzt die ganze Dimension des notwendigen Umdenkens und Handelns: Es hat in der ganzen menschlichen Geschichte noch kein geplantes industrielles Großprojekt dieser Größenordnung gegeben!
Aber die klimaschädlichen Kraftwerke werden doch von der Industrie betrieben? Warum sollen wir dann unser Verhalten ändern? Weil erstens Haushalte und Autos einen beträchtlichen Anteil am Energieverbrauch und Emissionen haben (hier); und zweitens das Verhalten und Angebot der Industrie in einem komplexen Verhältnis zu den Erwartungen ihrer Kunden (und das sich auch wieder wir) steht. Als Berater ( hier) kenne ich viele Unternehmen von innen; und gewissenlose Kapitalisten, die für ihren Gewinn über Leichen gehen, sind die absolute Ausnahme – ich habe noch keinen persönlich getroffen. In den Unternehmen, die ich kenne, arbeiten keine anderen Menschen, als auch außerhalb der Unternehmen anzutreffen sind. Aber manchmal handeln sie anders, und das liegt an falschen Rahmenbedingungen. Unternehmen müssen Gewinn erwirtschaften (sonst können sie nicht überleben), und sie müssen Gesetze einhalten (wenn sie das nicht tun, können sie schnell zum Fall für Staatsanwalt und Gerichte werden): Wenn wir die Preise so gestalten, dass sie die Wahrheit sagen (etwa Kohlendioxid-Emissionen mit einem Preis versehen, um die Folgen des Klimawandels in die Investitionsentscheidungen einfließen zu lassen), wird schon das Gewinninteresse die Unternehmen dazu bringen, sauberere Energieträger zu verwenden. Das manche dies heute schon tun, liegt daran, dass entweder die Besitzer oder Manager Visionäre sind und etwas tun, was sie können, aber nicht müssen, oder aber weil ihre Kunden dies honorieren. Und damit wären wir wieder beim Einfluss der Kunden: Unternehmen leben von Kunden, und wenn Kunden bestimmte Produkte nicht mehr kaufen oder bestimmte Verfahren nicht akzeptieren, werden diese Verfahren geändert und die Produkte nicht mehr produziert. (Auch dies ist in Wirklichkeit nicht so schnell und einfach: Natürlich wird zuerst versucht, die Kunden mit Werbung und (Des-)Informationskampagnen umzustimmen, der oben genannte Versuch der Öl- und Kohlelobby, den Klimawandel als “Theorie” darzustellen, ist ein Beispiel dafür. Und dann färbt man sich erst einmal in der Werbung grün ein – mal sehen, ob das nicht ausreicht... Der Kunde wird schon ganz schön gefordert, wenn er aufgeklärt sein will. Darum brauchen wir auch unabhängige Informationen und Label.) Und umgekehrt: Wenn irgendwo ein Markt entsteht, wird die Industrie produzieren, was wir brauchen. Sie die Wind- und Solarindustrie. Also: Wir brauchen die Industrie, aber wir brauchen auch den Bürger, der seinen eigenen Beitrag leistet und als Kunde der Industrie beim Umdenken hilft; und wir brauchen auch die Politik, die die richtigen Rahmenbedingungen setzt (noch eine Aufgabe für den Bürger, diesmal als Wähler: Wählen wir diejenigen, die verstanden haben, worum es geht).
Aber was kann das kleine Deutschland schon bewirken? Wir verursachen doch nur ein paar Prozent der Treibhausgase. Und wir sind nur 1,1 Prozent der Weltbevölkerung, sind also schlimmer als die anderen. Aber viel wichtiger: Alle Länder haben das gleiche Problem. Auch die Chinesen – um auf das gern zitierte Beispiel zurückzukommen – leiden unter dem Klimawandel und haben kein Interesse an künftigen Rohstoffkriegen, auch sie zahlen bereits jetzt einen hohen Preis für ihre industrielle Entwicklung (hier); China arbeitet längst sehr intensiv an einer umweltfreundlicheren Entwicklung (mehr). Und China, Indien, Brasilien und all die anderen aufstrebenden Schwellenländer schauen sehr genau auf die USA, auf Europa, auf Japan: Wenn sie glauben, dass wir es ernst meinen mit einer nachhaltigen Entwicklung, werden auch dort die Stimmen verstummen, die jetzt noch sagen, die ganze Diskussion sei nur ein Trick des Westens, um ihnen ihr Recht auf wirtschaftliche Entwicklung abzusprechen.
Aber haben wir durch eine Vorreiterrolle nicht nur Nachteile, bis die soweit sind? Auch hier wird es Gewinner und Verlierer geben: Denken Sie nur an die amerikanische Autoindustrie, die lange Zeit glaubte, von niedrigen Spritpreisen in den USA zu profitieren, während die deutsche Autoindustrie über die Ökosteuer klagte. Als 2009 die Spritpreise auch in den USA zum Thema wurde, hatte die amerikanische Autoindustrie immer noch nur Spritschlucker im Angebot – und zwei von drei Herstellern mussten Insolvenz anmelden. (Und hätte der damalige Kanzler Schröder den weiteren Anstieg der Ökosteuer nicht gestoppt, wäre die deutsche Autoindustrie für die Zukunft wahrscheinlich besser gerüstet.) Wenn wir Vorreiter beim Klimaschutz sind, werden wir die nötigen Technologien haben, wenn die anderen sie brauchen. Für eine Exportnation keine schlechte Perspektive. In Wirklichkeit sind wir durch halbherzige Politik dabei, zurückzufallen: Der deutsche Vorsprung bei der Umwelttechnik war schon einmal größer, Amerikaner, Japaner und zunehmend auch Chinesen holen auf.
Aber kann das gehen: weltweit heute handeln, um zukünftig besser zu leben? Das kann niemand wissen, es gibt kein historisches Beispiel dafür. Wir fangen ja gerade erst an, zu begreifen, dass wir tatsächlich eine Welt sind. Sicher ist: Auf der ganzen Welt gibt es Menschen, die es gerne versuchen würden. Und es gibt zahlreiche historische Beispiele, wie sich Menschen aufgrund zukünftiger Ziele und großer Gemeinschaftsprojekte gemeinsam angestrengt haben. Denken Sie nur an den Bau der großen Kathedralen. Oder, näher an unserer Zeit, das Apollo- und das Manhattan-Projekt der Amerikaner. In beiden Fällen gab es hoch anspruchsvolle, aber klare Ziele (für das Apollo-Projekt: Wir bringen Menschen auf den Mond; für das Manhattan-Projekt: Wir bauen vor den Deutschen die Atombombe) – und die technische Umsetzung war in beiden Fällen nicht klar (daher gab es ja gerade diese Projekte). In beiden Fällen waren die Projekte erfolgreich. Auch eine neue industrielle Revolution ist möglich. Wie genau die Zukunft aussehen wird, kann niemand wissen (>> hier); wir wissen aber, was wir tun müssen, um die Entwicklung in Gang zu setzen. Wenn wir diese drei Dinge tun, haben wir schon sehr viel gewonnen:
Die Preise müssen die Wahrheit sagen
In einer Hinsicht hinkt der Vergleich zwischen Apollo- oder Manhattan-Projekt und der neuen Industriellen Revolution: Bei den beiden ersten Produkte ging es um nicht-kommerzielle Produkte für einen “Kunden”, der nahezu jeden Preis zahlen wollte. Nachhaltige Verhaltensweisen werden sich dagegen – wenigstens im Westen – auf einem freien Markt durchsetzen müssen. Dort haben im Augenblick umweltschädliche Produkte und Erzeugnisse aber den Vorteil, dass die Folgeschäden im Preis nicht enthalten sind. Das verschafft den falschen Eindruck, dass etwa Kohlestrom “billig” sei – berücksichtigt man die Folgeschäden, ist er aber sehr teuer. Der Klimawandel beispielsweise ist daher für viele Ökonomen ein “gigantisches Marktversagen” (hier), das dadurch möglich wird, dass die Preise nicht die ökologische Wahrheit sagen. Folgekosten werden der Allgemeinheit aufgebührdet. Preise sind nicht alles (hier); aber Preise, die nicht die Wahrheit sagen, sind immer ein Problem: Der Sozialismus ist zusammengebrochen, weil seine Preise nicht die ökonomische Wahrheit gesagt haben (und die Sowjetunion den Unterschied nicht mehr bezahlen konnte).
Wenn die Preise aber dazu gebracht werden, die ökologische Wahrheit zu sagen, ändern sich die Rahmenbedingungen: Umweltschädigende Produkte und Dienstleistungen werden teurer, umweltfreundliche Produkte nicht (oder werden sogar billiger, wenn sie von den Abgaben auf umweltschädliche Produkte und Dienstleistungen subventioniert werden). Und schon werden die Kräfte des Marktes für das Umsteuern sorgen: Eine Kohlendioxid-Abgabe von 30 US-$ pro Tonne Kohlendioxid würde den Preis für Kohlestrom in den USA um 40 Prozent erhöhen, und erneuerbare Energien wären viel konkurrenzfähiger. Dann wäre Strom zu teuer? Vergessen wir nicht, dass die Folgen des Klimawandels noch viel teurer wären! (Wie relativ die Einsparungen durch billige Energie sind, zeigt Thomas Friedman in seinem Buch “Was zu tun ist” am Beispiel amerikanischer Autos: In Amerika ist Benzin viel billiger als in Europa oder Japan, und genau deshalb verbrauchen amerikanische Autos viel mehr als europäische oder japanische Autos. Letztlich zahlen amerikanische Autofahrer daher genauso viel – aber nicht an ihren Finanzminister, sondern “an die Finanzministerien Saudi-Arabiens, des Iran, Venezuelas oder Russlands”.) Wenn die Preissignale stimmen, kommen die Investitionen und die Innovation für saubere Energien und umweltfreundliche Technologien von ganz alleine, weil die Industrie dann damit Geld verdienen kann. Und ein Wettbewerbsnachteil wird daraus auch nicht – im Gegenteil: Die anderen leiden ja unter den gleichen Problemen und brauchen die gleichen Energien und Techniken (genau wie japanische und europäische Hersteller ihren Marktanteil in den USA stetig erhöhen konnten).
Wie aber kann man den Preisen beibringen, die Wahrheit zu sagen? Dafür gibt es zwei Ansätze: Emissionshandel oder Steuern. Beim Emissionshandel werden erlaubte Höchstmengen für Emissionen festgelegt, und Unternehmen erhalten handelbare Emissionsrechte. Wer mit seinen Rechten nicht auskommt, muss in saubere Technologien investieren oder weitere Rechte kaufen. Dabei wird er, so die Ökonomen, die billigere Möglichkeit wählen, und so die Minderung der Emissionen an den Stellen durchgeführt, wo sie am wenigsten kosten. Der Vorteil dieses Systems ist seine “Umweltsicherheit” – da Höchstgrenzen für Emissionen festgelegt sind, müssen diese eingehalten werden. Man weiß nicht genau, was dieses kostet. Der Nachteil ist aber vor allem, der mit der Verteilung von Emissionsrechten, dem Handel und der Überwachung verbundene Aufwand. Der entfällt bei Steuern: Werden etwa fossile Brennstoffe bereits an der Quelle, etwa im Bergwerk oder in der Raffinerie, besteuert, ist dieses sehr viel einfacher. Und die Industrie weiß genau, wie viel sie in Zukunft für ihre Emissionen zahlen muss (“Kosten- und Planungssicherheit”). Der Nachteil: Man kennt die Wirkung auf die Umwelt nicht so genau – werden die Kunden wirklich soviel weniger kaufen wie gedacht, oder den höheren Preis einfach in Kauf nehmen? Beliebt werden beide Lösungen nicht sein: Jeder kann sofort ausrechnen, wie viel er mehr zahlen muss; die ersparten Folgekosten für Umweltschäden sind viel weniger sichtbar. Aber, um noch einmal Tom Friedman zu zitieren: “Groß kann auch in Zukunft nur sein, wer bei den großen Themen Großes leistet” (im Spiegel-Interview, Spiegel 4/2009).
Gesetze, Grenzwerte und Standards
Preise sind aber nicht alles: Energiesparlampen brauchen für das gleiche Licht viel weniger Strom als Glühbirnen, und sind über ihre Lebensdauer gerechnet viel billiger als Glühbirnen (hier); trotzdem haben sie die Glühbirne nur teilweise ersetzt. Eine Kostenrechnung über die gesamte Lebensdauer eines Produktes wird von den wenigsten Kunden gemacht. In anderen Fällen ist die Situation noch komplizierter: Bei der Wärmedämmung von Mietwohnungen müsste etwa der Vermieter investieren, der Mieter hätte aber den Vorteil der niedrigeren Heizkosten. Mit der Vernichtung tropischer Regenwälder kann man kurzfristig viel mehr Geld verdienen als mit ihrem Erhalt: Holz lässt sich teuer verkaufen, die anschließend angebauten Sojabohnen oder Ölpalmen finden lukrative Märkte (und wer um sein Überleben kämpft, schert sich nicht um langfristige Folgen). Der Markt kann in solchen Fällen nicht für die richtigen Entscheidungen sorgen; ohne gesetzliche Regelungen, Grenzwerte und Standards geht es nicht.
Für in Masse hergestellte Geräte müssen Grenzwerte des Schadstoffausstoßes oder Mindeststandards für Energieeffizienz festgesetzt werden. Die EU hat beispielsweise gerade beschlossen, dass der Verkauf von Glühbirnen schrittweise verboten wird; eine Ökodesign-Richtlinie schaffte die Grundlage, für Strom verbrauchende Produktgruppen Mindeststandards zu setzen. Solche Standards für Energieeffizienz, die zudem schrittweise angehoben werden, lenken ebenfalls – wie hohe Energiepreise – die Innovationskraft von Unternehmen in Richtung Energieeffizienz; Standards für Schadstoffausstoß in Richtung saubere Technologien. Natürlich wird die Industrie wie immer zuerst aufschreien (erinnern wir uns etwa, dass das große Motorsterben prophezeit wurde, als bleifreies Benzin verboten wurde, oder Ford in den USA behauptete, seine Werke schließen zu müssen, falls der Katalysator zum geplanten Termin eingeführt werde – mit 800.000 Arbeitslosen); und wie immer wird sie letztlich von dem Innovationsschub profitieren. In Japan ist Benzin sehr teuer, und welche Unternehmen haben die ersten Hybridautos in großen Stückzahlen auf den Markt gebracht? Gerade Länder mit hohem Technologiestand können von anspruchsvollen Standards nur profitieren, denn Nachahmer erreichen deren Stand immer erst später. Eine interessante Möglichkeit ist auch die “Einsparquote” für Energieversorger: Diese müssen nachweisen, dass sie innerhalb einer bestimmten Frist eine festgelegte Energiemenge einsparen, z.B. indem sie den Kauf energieeffizienter Haushaltsgeräte oder Wärmedämmung fördern oder gar durchführen.
Auch dem Verbraucher kann die Wahl erleichtert werden, etwa durch die Kennzeichnung des Energieverbrauchs oder der Klimaauswirkungen von Geräten oder Autos. Und zwar nicht irgendwo im Kleingedruckten, sondern sichtbar und leicht verständlich auf dem Gerät. (Und auch hier wieder Vorsicht im Kleingedruckten: Wie man eine an sich leicht verständliche Kennzeichnung unverständlich machen kann, haben Politik und Industrie gezeigt, als sie die Energieeffizienzklassen für Haushaltsgräte (hier), die von der besten (A-grün gefärbt) bis zur schlechtesten G-rot gefärbt) reichten, bei den Kühl- und Gefriergeräten abänderten und für die besten Geräte A++ und A+ einführten, so dass A dort nur “mittelmäßig” bedeutet.)
Förderung erwünschter Technologien
Neue Technologien gelangen über eine “Lernkurve” Marktreife: Je größere Mengen eines bestimmten Produkt hergestellt werden, desto preiswerter wird daher seine Herstellung – nach einer Faustregel führt die Verdoppelung der Stückzahl zu einer Kostensenkung um 20 Prozent. Diese Lernkurve kann dadurch beschleunigt werden, indem politisch erwünschte Produkte vom Staat gefördert werden und so schneller höhere Stückzahlen erreichen. Solch eine Förderung lockt weitere Unternehmen an, die ebenfalls daran teilhaben wollen; die ansteigende Zahl der Köpfe, die sich mit dadurch mit diesem Produkt beschäftigen und der Wettbewerbsdruck kürzen die Zeit bis zu einer selbstständigen Marktreife ab.
Ein Beispiel ist die hervorragende Stellung deutscher Solarzellen- und Windradproduzenten, die diese der Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz verdanken. Mit diesem Gesetz wurden die Stromerzeuger zur Abnahme von Strom aus erneuerbaren Quellen verpflichtet, den Erzeugern wurde ein gesetzlich bestimmter Preis garantiert. Aufgrund der Förderung wird das Gesetz inzwischen kritisiert, nach dem Motto: “Photovoltaik kostet viel, bringt aber wenig” (gemeint ist ihr Beitrag zur Stromversorgung) – tatsächlich ist das Ziel aber, die Wettbewerbsfähigkeit der Solarzellen zu beschleunigen; und die Preise fallen wie “vorgesehen”. (Berechtigter ist die Frage, ob die Tatsache, dass die garantierten Preise langsamer fallen als die Preise für Solarmodule, nicht zur Innovationsbremse wird – das scheint der Wettbewerb aber in der Praxis zu verhindern, wie die Preisentwicklung zeigt.)
Neben garantierten Preisen gibt es weitere Möglichkeiten der Förderung erwünschter Technologien, etwa die Förderung staatlicher oder privater Forschung oder mengenbasierte Förderung: So können Stromerzeuger etwa verpflichtet werden, einen bestimmten Prozentsatz von Strom aus erneuerbaren Quellen anzubieten.