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Hintergrundinformation

Eine kleine Geschichte der Menschheit

Nachkriegsordnung, Kalter Krieg und Umweltbewegung

(1945 – 1991)


Foto des ersten Gipfeltreffens zwischen Ronald Reagan und Michael Gorbatschow, Genf 1985

1985 kam es in Genf zu einem ersten Treffen zwischen US-Präsident Ronald Reagan und Michael Gorbatschow, Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Reagan, der zwei Jahr vorher die Sowjetunion noch als über ein "Reich des Bösen" herrschend bezeichnet hatte, vereinbarte mit Gorbatschow in den folgenden Jahren eine Reihe weitreichender Vereinbarung zur Reduzierung der atomaren und konventionellen Rüstung. Foto aus der "White House Photographic Collection", gemeinfrei (Quelle: wikipedia, abgerufen 3.11.2020) 

Die Folgen des Zweiten Weltkriegs

Die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs bedeuteten das Ende des "alten Europa" und einen dauerhaften Machtverlust der europäischen Staaten: In Europa sicherten sich die beiden wichtigsten Siegermächte, die USA und die Sowjetunion, eine dauerhafte Rolle; außerhalb Europas beschleunigte sich der Verlust der Kolonien. Die USA hatten während des Zweiten Weltkriegs vom Aus­fall der europäischen Industrieproduktion profitiert und war zum wichtig­sten Materiallieferanten der Alliierten geworden: von 1938 bis 1945 war die Industrie­produktion um mehr als das Dreifache gestiegen; bei Kriegsende betrug sie mehr als die Hälfte der Weltproduktion. Die Sowjetunion hatte ihre Gebietsgewinne von 1939/40 sogar noch erweitern können und die Herr­schaft über weite Gebiete des östlichen Mitteleuropas und Südosteuropas erlangt. Sie litt aber selber schwer unter den Kriegsfolgen. Großbritannien und Frankreich (das ohnehin nur wegen der Résistance und den Truppen des "Freien Frankreich" zu den Siegermächten gezählt wurde) waren ökonomisch so ausge­zehrt, dass sie von den Amerikanern abhängig waren. Deutschland hatte mit der Kapitulation seine Souveränität verloren.

Die Interessen der USA und der Sowjetunion unterschieden sich von Anfang an: Die USA fürchteten nach der kriegsbedingten Ausweitung ihrer Industrie­produktion eine Überproduktion mit steigender Arbeitslosigkeit und wollten Europa als Absatzmarkt und Handelspartner schnell wieder aufbauen; Stalin wollte an der Spitze der nach leninistischer Sichtweise anstehenden revo­lution­ären Überwindung bürgerlich-kapitalistischer Verhältnisse und des "Sieg des Sozialismus" stehen (und jedenfalls einen zu starken amerika­nischen Einfluss in Europa verhindern). Er wusste aber auch, dass die USA weitaus stärker aus dem Krieg hervorgegangen waren als die Sowjetunion, die sich einen neuen Krieg auf keinen Fall leisten konnte und viele Jahre harten Wiederaufbaus vor sich hatte, um auch nur den Vorkriegsstand wieder zu erreichen. So war er zur "taktischen" Zusammenarbeit mit den westlichen Siegermächten bereit. Und auch in den USA drängte die Bevölkerung auf De­mobi­lisierung: zunächst sah es trotz der Interessenunterschiede nach einer weiteren Zusammen­arbeit der beiden großen Siegermächte aus, zumal der östliche Teil Europas, das vorrangige Interessengebiet der Sowjetunion, für die USA wirtschaftlich nicht sonder­lich wichtig war.

Im Februar 1945 legten Churchill, Roosevelt und Stalin auf einer Konferenz in Jalta die Grundzüge einer künftigen Völkergemeinschaft fest – und be­schlos­sen, Deutschland nach dem Sieg in vier Besatzungszonen aufzuteilen. Die in Jalta entworfene Charta der Vereinten Nationen, die im Geiste des Glaubens an eine dauerhafte Kooperation der Siegermächte ein Vetorecht für die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates – neben den USA, der Sowjet­union und Großbritannien auch China und Frankreich – vorsah, wurde am 26. Juni in San Francisco unterschrieben und trat im Oktober in Kraft. Die Ver­einten Nationen sollen “künftige Generationen vor der Geißel des Krieges bewahren” (aus der Charta). 1948 verabschiedete die Voll­versammlung der Vereinten Nationen als weitere Reaktion auf die Schrecken des Zweiten Welt­kriegs die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.

In der Potsdamer Konferenz vom Sommer 1945, als es um die Zukunft Deutsch­lands ging, wurde aber deutlich, dass die Alliierten längst gespalten waren: Die Sowjetunion hatte in Jalta große Teile Osteuropas als Einflussgebiet zu­ge­­sprochen bekommen, und Briten und Amerikaner wollte insbesondere den Polen betreffenden Teil revidieren. Aber Stalin setzte sich durch, die Oder-Neiße-Linie wurde zur deutsch-polnischen Grenze und die Vertreibung der im Osten zurückgebliebenen Deutschen beschlossen. Als sich in den osteuropäischen Länder dann aber keine Massenbasis für eine sowjetfreundliche Politik fand, griff Stalin auf leninistische Methoden der Wahlmanipulation und offener polizeilicher oder militärischer Unterdrückung zurück. Dieses wurde von den Amerikanern als Bruch des Abkommens von Jalta gesehen (in dem Stalin "dem Volkswillen entsprechende Regierungen" zugesichert hatte) und ließ in den westeuropäischen Staaten die anfänglich durchaus vorhandene Sympathie für die eigenen kommunistischen Parteien schwinden. Die Einrichtung einer ge­meinsamen Verwaltung für die vier Besatzungszonen in Deutschland wurde aller­dings nicht von der Sowjetunion, sondern von Frank­reich verhindert – de Gaulle wollte damit die Separierung des Rheinlands und die Internationa­li­sierung des Ruhrgebiets erreichen. Winston Churchill sprach 1946 erstmals von einem “Eisernen Vorhang”, der Europa teile; die Briten glaubten seither nur an eine staatliche Organisation der drei west­lichen Besatzungszonen – ohne die sowjetische Besatzungszone.

Vertieft wurde die Spaltung durch den "Marshall-Plan": Im Frühjahr 1947 erkannten die USA, dass die Wirtschaftshilfe nicht reichte, um die Europäer von der Errichtung von Handelshemmnissen abzuhalten. Neue Kredite waren aber im Kongress umstritten; um sie durchzusetzen, stellte Präsident Truman die sowjetische Bedrohung übergroß dar und stilisierte sie zum Kampf zwischen "Terror und Unterdrückung" und "Freiheit". Um die Europäer zu überzeugen, wurden aber auch die Sowjetunion und die osteuropä­ischen Länder eingeladen, an diesem Wiederaufbauprogramm teilzunehmen. Außenminister Molotow lehnte – wohl aus Angst um den Einfluss der Sowjetunion in Osteuropa – den Plan als "Plan zur Unterjochung Europas" ab und zwang auch die weiterhin interessier­ten osteuropäischen Regierungen, ihre Beteiligungszusagen zurückzu­nehmen. Mit insgesamt 13 Milliarden Dollar Unter­stützung gelang es den Westeuro­päern, mit Hilfe des Marshall-Plans ihre Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen. Die amerikanischen Hilfsgelder fehlten aber in Osteuropa, und als der stockende Wiederaufbau dort zu Unruhen führte, wurden die Freiräume für die Opposition immer enger. In der Tschechoslowakei wurde der demokratische Koalitionspartner aus der Regierung gestürzt; überall wurden sozialdemo­kra­tische Parteien (nach ausgiebigen "Säuberungen") mit den Kommunisten ver­schmolzen. Zentrale Planung, der Aufbau einer Schwerindustrie und die Kollektivierung der Landwirtschaft wurden nach sowjetischem Vorbild voran­getrieben, Verbindungen mit westlichen Märkten reduziert. Aus dem sowjet­ischen Einflussgebiet wurde ein geschlossener Sowjetblock.

In Westeuropa verstärkte das Vorgehen der Sowjetunion einen antikommunis­tischen Konsens und half den alten bürgerlichen Eliten, deren Ruf durch ihr Versagen gegenüber den Nazis geschädigt war, wieder Machtpositionen zu besetzen. Dazu kam das Interesse der Amerikaner, zugunsten eines schnellen Wiederaufbaus keine Experimente einzugehen. Da die Europäer sich nicht auf ein – wie von den Amerikanern eigentlich gefordert – eigenes Wiederaufbau­programm einigen konn­te (insbesondere, weil die Briten zögerten, sich an den Kontinent zu bin­den), organisierten die USA schließlich den Wiederaufbau nach ihrem eigenen – in diesem Fall liberalen – Modell. Bald konnte Deutsch­land mit einer wiederaufgebauten Schwerindustrie wieder seine traditionelle Führungsrolle einnehmen, die von den Franzosen geforderte Internationali­sie­rung der Ruhrindustrie fand nie statt. Eine logische Folge der Einbeziehung nur der drei westlichen Besatzungszonen in das Wiederaufbau­programm war zudem die Bildung eines westdeutschen Staates: dieser wurde im Juni 1948 in London beschlossen. Stalin wollte sie verhindern, und reagierte auf die Durchführung einer Währungsreform mit der Blockade Berlins ab dem 24. Juni 1948 – die fast ein Jahr andauernde Versorgung der Stadt durch ameri­ka­nische, britische und französische Flugzeuge wandelte das Bild der ehemali­gen westlichen Besatzungsmächte in ein Bild von Schutzmächten vor der Sowj­et­union, die nun endgültig als Bedrohung wahrgenommen wurde. Die Blockade war zugleich der Beginn des Kalten Krieges; sie führte (zusammen mit dem Februarumsturz in der Tschechoslowakei, mit dem die demokratischen Parteien dort entmachtet wurden) zudem im April 1949 zur Gründung des Nordatlanti­schen Verteidigungspakts (NATO) als westliches Militärbündnis. Dem Sowjet­block stand nun ein westlicher Block gegenüber.

Deutschland und Italien nach dem Krieg

Deutschland war nach Kriegsende auch moralisch zerstört: Der Bombenkrieg hatte Millionen Wohnungen zerstört, und Millionen Flüchtlinge und Vertrie­bene aus den Ostgebieten suchten ebenfalls eine Bleibe. Im Winter fehlte Kohle zum Heizen; viele Menschen hungerten. Amerikaner und Briten trieben die Deutschen in den von ihnen besetzen Zonen energisch an, sich selbst zu helfen – aus ganz pragmatischen Gründen: Sie wollten zuerst die teuren Hilfslieferungen einstellen; und später verhindern, dass Deutschland kom­munistisch wird. Dabei halfen der "Marshall-Plan " und im Juni 1948 die Wirtschaftsreform. Am 1. Juli 1948 erhielten die westlichen Zonen den Auftrag, eine Verfassung für eine neue Bundes­republik (der amerikanische Generalgouverneur General Lucius Clay war ein überzeugter Föderalist) zu erarbeiten. Zur Umsetzung dieses Auftrages mussten die Länder nahezu gezwungen werden, da die Sowjetzone nicht betei­ligt war: Die Länder fürchteten um die deutsche Einheit. Das deutsche Grundgesetz wurde am 8. Mai 1949 verabschiedet und trat am 24. Mai in Kraft (am 12. Mai hatte Stalin die Berliner Blockade beendet); Konrad Adenauer, zuvor Vorsitzender des verfassungsgebenden Parlamentarischen Rats, wurde erster Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Wirtschaftsminister Ludwig Erhard konnte – gegen manche Skepsis – die freie Marktwirtschaft durch­setzen und gilt als Vater des “Wirtschaftswunders”; bis 1973 wuchs die Wirtschaft jedes Jahr im Schnitt um sechs Prozent. Nach den ersten Bundes­tagswahlen am 14. August 1949 setzte Stalin am 7. Oktober die von einem "Volkskongress" erarbeitete Verfassung der Deutschen Demokratische Republik (DDR) für die sowjetische Besatzungszone in Kraft. Die ersten Wahlen hier wurden am 15. Oktober 1950 nach einer "Einheitsliste" ohne Wahlmöglich­keiten durchgeführt.

In Italien hatte der Wiederaufbau schon 1943 mit dem geglückten Putsch gegen Mussolini begonnen; die befreiten Teile Italien wurden als Alliierte gesehen. Gegen die deutschen Besatzer im Norden formierte sich die Resis­tenza, der Widerstand, die nach der Befreiung Roms 1944 die Regierung in den besetzten Gebieten übernahm. Im Juni 1946 stimmte Italien in einer Volksabstimmung für die Einführung der Republik; die Wahlen zur verfas­sungsgebenden Versammlung wurden von den Christdemokraten gewonnen.

In Asien bestand eine ähnliche Konstellation wie in Europa nur in Korea: der Norden war von russischen Truppen, der Süden von amerikanischen Truppen be­freit worden; die Besatzungszonen wurden entlang des 38. Breitengrads abge­grenzt. Auch hier entstanden 1948 zwei Staaten: Die "Republik Korea" im Süden, die "Demokratische Volksrepublik Korea" im Norden. (1950 versuchte Nordkoreas Führer Kim Il Sung mit einem Überfall auf den Süden, diese Spal­tung rückgängig zu machen: siehe >> Der Koreakrieg).

Die Befreiung des übrigen Asien war im wesentlichen den Amerikanern allein überlassen gewesen. Japan blieb nach dem Krieg von den Amerikanern unter General MacArthur besetzt. Das Land sollte demokratisiert und entmilitari­siert werden; aber als sich in China der Sieg der Kommunisten abzeichnete, wurde Japan auch als Verbündeter gebraucht: Der amerikanische Kongress be­willigte 100 Millionen Dollar für den Wiederaufbau Japans; die Aufarbeitung der Kriegsschuld blieb sehr beschränkt und formalistisch, der Kaiser wurde etwa nie angeklagt (stattdessen gab es aber eine antikommunistische Säube­rungs­welle). 1947 trat eine mit amerikanischer Hilfe erarbeitete neue Ver­fas­sung in Kraft, 1951 wurde Frieden mit den USA geschlossen und im April 1952 wurde Japan wieder unabhängig. In der Folgezeit hat sich Japan, ähnlich wie Deutschland, vor allem auf den wirtschaftlichen Aufbau konzentriert; beide Länder wurden vor allem Kraft ihrer Wirtschaft wieder zu angesehenen Mittelmächten.

Anfänge einer neuen Weltwirtschaftsordnung

Da die Weltwirtschaftskrise neben dem Nationalismus als eine wichtige Kriegsursache galt, standen der Wiederaufbau und die Entwicklung einer haltbaren Weltwirtschaftsordnung nach dem Zweiten Weltkrieg ganz oben auf der Tagesordnung. Hierbei nutzen die USA ihre Vormachtstellung: Die Welt­wirtschaft sollte ausreichend Investitionsmittel zur Verfügung haben und auf dem freien Austausch von Gütern beruhen. 1944 wurde in Bretton Woods der Grundstein zur Gründung für die Bildung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank gelegt. Der IWF machte den Dollar zum neuen "Gold­standard", der Wechselkurse festlegte; internationale Geschäfte wurden in Dollar abgewickelt. Der freie Warenverkehr sollte mit einem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) gefördert werden. Zölle und andere Handels­hemmnisse konnten mit dem GATT jedoch nur begrenzt abgebaut werden, da viele Staaten heimische Produkte schützen wollten. Die USA akzeptierten dies, da sie im beginnenden Kalten Krieg ihre Handelspartner stärken wollte; Macht und Einfluss der Sowjetunion sollten auch ökonomisch eingedämmt werden.

Die (west-)europäisch Einigung

Ideen für eine Einigung Europas waren schon während des Zweiten Weltkriegs im demokratischen Widerstand und im Exil entstanden: so hatten etwa 1942 die Exilregierungen von Griechenland und Jugoslawien sowie von Polen und der Tschechoslowakei Verträge über die Bildung einer Konföderation nach dem Krieg abgeschlossen. Nachdem Stalin aber den osteuropäischen Staaten die Teilnahme am Marshall-Plan untersagt hatten, wurde solche Pläne nur im Westen weiter­verfolgt. Ihr wichtigstes Motiv war die Sicherung des Friedens in Europa: mit wirtschaftlicher Zusammenarbeit sollte der Wohlstand, der als Voraussetzung für Demokratie und Frieden galt, gesichert und zugleich Deutschland eingebunden werden. Mit der Blockbildung kam zudem die Sicherung der Unabhängigkeit von den beiden Siegermächten hinzu – in Form von Konkur­renz­fähigkeit gegenüber der wirtschaftlichen Supermacht USA und Schutz vor der militärischen Bedrohung durch die Sowjetunion.

Mit dem Test der ersten sowjetischen Atombombe im Jahr 1949 stand das ameri­kanische Atomwaffenmonopol vor dem Ende. Dieses hatte aber bis dato den USA den Verzicht auf eine massive konventionelle Aufrüstung erlaubt, die nun begann: der US-Verteidigungshaushalt stieg von 13 Milliarden Dollar im Jahr 1950 auf über 50 Milliarden Dollar im Jahr 1953. Das Geld floss nicht nur in konventionelle Waffen, sondern auch in die Entwicklung einer Wasserstoff­bombe. Stalin reagierte mit einem eigenen Rüstungsprogramm, baute die Rote Armee auf 5,9 Millionen Mann aus und verpflichtete die osteuropäischen Staaten, ihre Truppenstärke auf 3 Millionen Mann zu bringen. Damit stellte sich die Frage nach einer Verteidigung Deutsch­lands als exponiertestem Vorposten des Westens. Eine deutsche Wiederbewaff­nung war sowohl innerhalb als auch außerhalb Deutschlands – vor allem in Frankreich – umstritten. Mit dem Koreakrieg schien auf einmal ein Angriff der Kommunisten aus Ostdeutsch­land aber nicht mehr als gänzlich unplausibel, die USA verlangten sie nun als Gegen­leistung für ihr militärisches Engage­ment in Europa. Um eine deut­sche Streitmacht wenigstens europäisch einzu­binden, schlug Frankreich eine Europäische Ver­teidigungsgemeinschaft (EVG) vor, die die Verfügungsgewalt über deutsche Truppen haben sollte, was wiederum Adenauer ablehnte. Die Sowjetunion, die ihrerseits das deutsche Rüstungspotenzial nicht dem Westen zukommen lassen wollte, schlug einen mit einer Neutralisierung verbundenen Friedensvertrag mit Deutschland vor. Die Niederschlagung des Arbeiterauf­stands in Ostberlin im 17. Juni 1953 verringerte die Attraktivität dieses Vorschlags im Westen, führte aber dazu, dass in Hoffnung auf einen möglichen Verzicht auf die deutsche Wiederbewaffnung das französische Parlament die Zustimmung zur EVG nicht einmal diskutierte. Damit drohte aber das Scheitern des westlichen Sicherheitssystems, mit den 1955 in Kraft getretenen "Pariser Verträgen" erhielt Westdeutschland eine Teilsouveränität, wurde Mitglied der NATO und gründete noch im gleichen Jahr die Bundeswehr.

Auch die Idee einer poli­tischen Europäischen Gemeinschaft kam voran. 1951 hatten Belgien, die Bundesrepublik Deutsch­land, Frankreich, Italien, Luxem­burg und die Niederlande die  Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, auch “Montanunion”) gegründet. Eine gemeinsame Aufsicht über die damaligen Schlüssel­industrien sollte dafür sorgen, dass es beim Wieder­aufbau der Schwerindustrie nicht wieder zu einer deutschen Hege­monie kam. Nach dem Scheitern der EVG schlug der Vorsitzende der EGKS-Verwaltung, der franzö­sische Unternehmer Jean Monnet, die Schaffung einer europäischen Atombehörde vor, damit Europa bei der vermuteten "dritten industriellen Revolution" mithalten könne (zudem gab es hier noch keine nationalen Industrien und Lobbys, die die Idee bekämpfen konnte). Als Reaktion schlugen die Nieder­lande, die eine Beschränkung der Integration auf einzelne Industriesektoren für unzureichend hielten, die Schaffung eines gemeinsamen Marktes vor. Beschlossen wurde schließlich beides: 1957 wurden sowohl die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) als auch die Europäische Wirt­schaftsgemeinschaft (EWG) gegründet. Nachdem 1958 in Frankreich Charles de Gaulle sein Amt antrat, verschoben sich die Gewichte zugunsten der EWG (de Gaulle war auf absolute Unabhängigkeit der französischen Atomindustrie bedacht, womit bei Euratom der einstige Motor ausfiel) 1967 wurden EGKS, Euroatom und EWG zu den Europä­ischen Gemeinschaften (EG) zusammengelegt. 1970 wurden regelmäßige Gespräche der EG-Außenminister vereinbart, damit die EG in den großen inter­nationalen Fragen mit einer Stimme sprechen kann; 1974 wurde der Europäische Rat gegründet, ein regelmäßiges Treffen der Staats- und Regierungschefs der EG, die Hindernisse auf dem Weg zu einer Europäischen Union zur Seite räumen sollten. Bereits 1973 waren Großbritannien, Irland und Dänemark der EG beigetreten, 1981 folgte mit dem Betritt von Griechenland und 1986 mit dem von Spanien und Portugal die "Süderweiterung".

Unabhängigkeit für die Kolonien

Mahatma Gandhi auf dem Salzmarsch 1930

Mit einer Kampagne des gewaltlosen “zivilen Ungehorsams” trug Mahatma Gandhi dazu bei, dass Indien 1947 unabhängig wurde. (Foto: Der Salzmarsch (hier) von 1930; Fotograf unbekannt,  aus wikipedia. Public Domain) 

Blutige Freiheit – Indien und Pakistan

Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, hatten die Briten Deutschland auch im Namen Indiens den Krieg erklärt. Die Minister des indischen Nationalkongres­ses traten daraufhin aus Protest aus den Provinzialregierungen zurück; Gandhi forderte die Kolonialmacht auf, Indien zu verlassen (versprach jedoch, dass ein unabhängiges Indien auf Seiten der Alliierten in den Krieg ziehen würde). Gandhi und die anderen Führer des Kongresses wurden hierfür verhaftet. Jinnahs Muslime stützten die Briten aber, und schließlich kämpf­ten zwei Millionen indische Soldaten für die britische Armee. Zudem wurde die indische Industrie in die Kriegsproduktion eingespannt, die Waren auf Kredit lieferte. Obgleich Roosevelt und Churchill 1941 in ihrer Atlantik-Charta den Völkern der Welt "Selbstbestimmung" versprochen hatten, und die Eroberung Singapurs durch Japan 1942 das Ende des British Empire in Asien möglich erscheinen ließ, kam Indien der Unabhängigkeit zunächst nicht näher. Im Gegenteil: 1942 erklärte das Kriegskabinett in London, die Selbst­bestim­mung beziehe sich nur auf die von den Achsenmächten besetzten Länder. Manche Inder setzten jetzt auf Subhas Chandra Bose, den ehemaligen Oberbürger­meister von Kalkutta, der sich mit Gandhi überworfen hatte. Dieser hoffte auf Unterstützung durch Hitler: vom "befreien" Singapur aus baute er eine Armee auf und erklärte den Alliierten den Krieg. Auf dem Weg von Burma nach Indien wurde seine Armee jedoch vernichtet.

Indiens Unabhängigkeit war dennoch unvermeidbar geworden: Wie wollte Groß­britannien die zwei Millionen Soldaten kontrollieren, die in der britisch-indischen Armee gekämpft hatten? Die Briten waren zudem nicht nur bei den USA, sondern auch bei ihrer Kolonie Indien hoch verschuldet; und der neuen Labour-Regierung waren die asiatischen Kolonien ohnehin nur mehr eine Last. Der als Vizekönig eingesetzte Lord Mountbatten sollte das Land bis August 1948 in die Unabhängigkeit entlassen. Jetzt zeigt sich aber, wie erfolgreich die Briten ethnische und religiöse Gruppen gegeneinander ausgespielt hatten: Zwischen Hindus, Muslimen und Sikhs brachen Kämpfe aus, die in einem kollek­tiven Blutrausch mündeten: Mehrere Hunderttausend Menschen kamen ums Leben, über 26 Millionen Menschen wurden vertrieben (die größte Vertreibung in der Geschichte der Menschheit). Die Muslime flohen nach Osten, ins heutige Pakistan. Auch wenn Gandhi versuchte, eine Teilung des Landes zu verhindern, war diese nicht mehr zu vermeiden: um die Unruhen zu beenden, zog Mount­batten die Unabhängigkeit vor, teilte aber das Land: bereits im August 1947 wurden Indien und Pakistan (sowie Burma) unabhängig. 40 Millionen Muslime blieben jedoch in Indien. Gandhis Versöhnungsversuche – er trat für die faire Aufteilung der kolonialen Staatskasse ein – trugen ihm Hass aus den eigenen Reihen ein, er wurde 1948 von einem hinduistischen Fanatiker er­schos­sen.

Erster Premierminister des unabhängigen Indien war Jawaharlal Nehru. Nehru war ein überzeugter Demokrat und schaffte es, in Indien ein funktionierendes parlamentarisches System aufzubauen; wirtschaftlich orientierte er sich an der Sowjetunion. Präsident Pakistans wurde Mohammed Ali Jinnah, der ein Präsidialsystem bevorzugte; der Präsident entschied und regierte mit Hilfe der Bürokratie und des Militärs. Nach Jinnahs Tod behielt das Militär dauer­haft die Macht im Land (mal direkt, mal eher im Hintergrund). Das ehemalige Fürstentum Kaschmir, dessen Bevölkerung mehrheitlich muslimisch, dessen Maha­radscha aber Hindu war, war 1947 unabhängig geblieben, wurde aber 1949 von pakistanischen Freischärlern besetzt, worauf es Indien um Hilfe und Anschluss an Indien bat. Indien schickte Truppen – und traf auf pakista­nische Soldaten. Die Vereinten Nationen vermittelten 1949 einen Waffenstill­stand, die Waffenstillstandslinie ist noch heute faktisch die indisch-pakistanische Grenze. 1954 schloss sich Pakistan dem nach dem Koreakrieg entstehenden amerikanischen Bündnissystem an; Indien blieb “blockfrei”, orientierte sich aber als Reaktion noch enger an der Sowjetunion. 1965 marschierte Pakistan in Indien ein und versuchte, Kaschmir von Indien abzuschneiden, wurde aber von Indien schnell zurückgedrängt. Diese Aktion führte auch zu Autonomieforderungen Ostpakistans, die 1971 zur Entstehung des unabhängigen Bangladesh führte (womit die Zweinationen-Theorie der Muslimliga, die angesichts von 40 Millionen Muslime in Indien ohnehin fragwürdig war, endgültig ad absurdum geführt wurde).

1974 zündete Indien seine erste Atombombe und wurde damit Atommacht (was in Pakistan ebenfalls ein Atomprogramm auslöste; das Land zündete schließlich 1998 eine Atombombe). Indien blieb aber von Unruhen und Unabhängigkeits­bewegungen, unter anderem der Sikh, die einen eigenen Staat im Punjab for­derten, geprägt. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde die Wirtschaft reformiert, und der indische Wirtschaftsaufschwung begann. Dieser wird allerdings durch vorgeblich religiöse Unruhen und Bombenanschläge (etwa 1992 und 2008 in Bombay, 2002 in Gujarat) immer wieder überschattet, zumal die Armen im Land kaum von der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren. Auch der Krisenherd Kaschmir ist längst nicht beruhigt, 1999 versuchte Pakistan erneut einen Einmarsch; und in den letzten 20 Jahren kosteten von Pakistan unterstützte terroristische Aktivitäten dort knapp 30.000 Menschen das Leben.

Das Ende des British Empire und Unabhängigkeit in Afrika

Mit der indischen Unabhängigkeit war vom British Empire wenig mehr als die afrikanischen Kolonien verblieben. Hier sollte nun unter neuen Vorzeichen gezeigt werden, dass die Kolonialpolitik noch nicht am Ende war. Die neue Labour-Regierung wollte die ökonomische Ausbeutung beenden; es war viel von "Wohlstand" und "Entwicklung" die Rede. Bei den britischen Kolonialbeamten vor Ort hielt sich die Begeisterung für die neue Linie jedoch in Grenzen; und die Planungen aus London gingen oft an der Realität vorbei: So wurden Maschinen für 1,3 Millionen Hektar große Erdnussplantagen in Ostafrika angeschafft, die auf den Böden dort gar nicht einsetzbar waren. So gewann der Nationalismus in Afrika an Boden, 1951 gab es in der Kolonie Goldküste und 1954 in Nigeria eine erste Selbstverwaltung auf regionaler Ebene. In Kenia, einer Siedlerkolonie, versuchten die Briten hingegen, die einhei­mische Bevölkerung mit Gewalt einzuschüchtern: Als Reaktion auf die Mau-Mau-Unabhängigkeitsbewegung wurden ab 1952 eine Million Kenianer in Internie­rungslagern festgehalten.

Das Ende des afrikanischen Kolonialreichs begann 1957 mit der Unabhängigkeit Ghanas (den ehemaligen Kolonien Goldküste und Britisch-Togoland). Die ehe­malige Goldküste war schon im 19. Jahrhundert zur "Musterkolonie" geworden, die ein wichtiger Kakaolieferant war. Nachdem 1959 die Tories die britischen Wahlen gewannen, gewann eine nüchterne Kosten-Nutzen-Analyse an Bedeutung: die afrikanischen Kolonien kosteten mehr, als sie einbrachten. Zudem kündete de Gaulle, der mit Algerien genug Probleme hatte, die "Selbstbestimmung" der französischen Kolonien in Afrika an, 14 ehemalige Kolonialgebiete wurden zu formal unabhängigen Staaten (die wirtschaftlich jedoch von Frankreich ab­hängig blieben und in denen französische Unternehmen weiterhin die Rohstoffe ausbeuteten) und Belgien erklärte – nach heftigen Unruhen in der Haupt­stadt Léopoldville – 1960 die Unabhängigkeit des Kongo. Beginnend mit Nigeria (1960) wurden rasch weitere britische Kolonien unabhängig, darunter auch Kenia (1963). Als sich jedoch 1965 die Siedlerkolonie Südrhodesien für un­abhängig erklärte, um einer Übergabe der Macht an die schwarze Bevölkerungs­mehrheit zuvorzukommen, erkannte Großbritannien die weiße Siedlerregierung nicht an. Diese konnte aber bis Ende der 1970er Jahre die einheimische Opposition mit ihrer hochgerüsteten Armee unter Kontrolle halten; erst 1980 wurde das Land als Simbabwe unabhängig.

1962 hatte Belgien auch Ruanda und Burundi in die Unabhängigkeit entlassen. Portugal unterdrückte die Befreiungsbewegungen in seinen Kolonien Angola, Mosambik und Guinea-Bissau gewaltsam; diese wurden erst 1974 und 1975 nach dem Sturz der Diktatur unabhängig. Belgien und Portugal kümmerten sich zudem am wenigsten um die wirtschaftliche Zukunft ihrer ehemaligen Kolonien, aber nicht nur in diesen kam es zu einer unseligen Zusammenarbeit einheimischer Führer und europäischer Unternehmen, die weiterhin die Rohstoffe ausbeuteten – an der Bevölkerung ging der dabei erwirtschaftete Reichtum oftmals völlig vorbei, so dass viele schwarzafrikanische Länder lange zur "Vierten Welt" (die kaum Aussicht auf Entwicklung hat) gezählt wurden [230]. Noch heute wird leidenschaftlich diskutiert, inwieweit die Probleme Afrikas auf die Kolonialzeit mit ihrer Zerstörung gewachsener Strukturen zurückgeführt werden können oder inwieweit dieses Argument (zumindest auch) von den einheimischen Eliten genutzt wird, um von eigenem Versagen abzulenken.

1997 musste Großbritannien schließlich die Kronkolonie Hongkong an China zurückgegeben – vom British Empire bleibt formell nur noch das Commonwealth.

Vom Apartheitsstaat zur Regenbogennation – Südafrika

Im schon seit 1910 unabhängigen Commonwealth-Mitglied Südafrika verschärfte sich die Diskriminierung der schwarzen Einwohner mit dem Wahlsieg der National Party im Jahr 1948: Die Rassentrennung (Apartheid) wurde offizielle Politik. Die Schwarzen durften das ihnen zugeteilte Land nur mit Erlaubnis und einem “Pass” verlassen. Der Widerstand gegen diese Politik wurde unter anderem vom African National Congress (ANC) organisiert. 1960 zogen 8.000 Demonstranten zu einer Polizeistation bei Johannesburg, um sich verhaften zu lassen, die Polizei schoss auf die unbewaffnete Menge und tötete 69 Menschen; die UNO verurteilte Südafrika, die Regierung verbot den ANC und dieser kündigte das Ende der Gewaltlosigkeit an. 1962 wurde der ANC-Führer Nelson Mandela verhaftet, und die Regierungen Europas und Amerikas übten sich in Nachsicht mit (dem rohstoffreichen) Südafrika. Parallel zur schwarzen Bürgerrechtsbewegung entstand aber auch in Südafrika eine Black-Consciousness-Bewegung, und 1976 protestierten in Soweto 15.000 Schulkinder dagegen, dass künftig die Hälfte des Unterrichts in Afrikaans (der Sprache der Buren) erfolgen sollte – wieder schoss die Polizei in die Menge und tötete und verletzte Hunderte von Kindern. 1977 wurde (zum wiederholten Male) der Anführer der Black-Consciousness-Bewegung, Steve Biko, verhaftet – und starb an den Folgen der Polizeifolter. Über Jahre stand Südafrika danach kurz vor dem Bürgerkrieg, die Regierung versuchte, die Lage mit Todes­schwadronen unter Kontrolle zu bekommen, die Apartheitsgegner töteten. Diese Politik isolierte Südafrika aber dann doch international, und die weiße Regierung unter Pieter Willem Botha begriff, dass sie Südafrika so in den Ruin führen würde. Nach jahrelangen Geheimverhandlungen mit dem ANC und dem immer noch gefangenen Nelson Mandela wurde 1990 von Bothas Nachfolger de Klerk das Verbot des ANC aufgehoben und Mandela freigelassen. Nach Jahren der Gespräche über eine neue Verfassung (und blutigen Kämpfen zwischen dem ANC und der von Zulus dominierten Inkatha Freedom Party) wurde 1994 der 75-jährige Nelson Mandela mit über 62 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt. Mandela machte sich mit zahlreichen großherzigen Gesten um die Versöhnung zwischen Schwarzen und Weißen verdient. Aber auch wenn einige Schwarze inzwischen reich wurden: Die Kluft zwischen Arm und Reich konnte in dem Land noch nicht verringert werden.

Israel und die arabische Welt

Unter dem Eindruck des Völkermords an den Juden drängten die jüdischen Sied­ler in Palästina sofort nach dem Kriegsende auf einen eigenen jüdischen Staat – und die Briten hatten nicht mehr die Mittel, sich um ihr Mandats­gebiet zu kümmern. Sie wollte das Gebiet eigentlich in einen Zweinationen­staat über­führen; 1947 entschied sich die Vollversammlung der Vereinten Nationen aber für die Schaffung von zwei Staaten. Noch am selben Tag brachen Kämpfe zwischen militärischen Einheiten der Juden und palästinensischen Arabern aus; jede Seite wollte die Entstehung des anderen Staates verhindern oder sich zumindest möglichst viel Land sichern. Als die Briten 1948 das Gebiet verließen, er­klärte Israel seine Unabhängigkeit, die sowohl von den USA als auch der Sowjetunion (die darin eine Schwächung des britischen Einflusses sah) schnell anerkannt wurde. Der Krieg ging weiter, etwa eine Million Araber wurden vertreiben und Israel konnte sich mit Galiläa und der Negev zusätzliche Gebiete sichern, als es 1949 zum Waffenstillstand kam.

Die Niederlage der untereinander zerstritten Araber förderte aber die nationalistische Unzufriedenheit mit der alten – oftmals mit den Europäern zusammenarbeitenden – Oberschicht: 1949 kam es in Syrien zu einem Militär­putsch, 1951 wurden der libanesische Premierminister und der jordanische König bei Attentaten getötet und 1952 übernahm in Ägypten ein aus Militärs gebildeter Revolutionsrat die Macht und rief die Republik aus. 1954 wurde Gamal Abdel Nasser ägyptischer Präsident. Als Nasser 1955 aus Sorge vor einem israelischen Angriff Waffenlieferungen aus der Sowjetunion erbat, regierten Großbritannien und die USA mit einer Einstellung der Zahlungen für den Assuan-Staudamm, Nassers wichtigstem Entwicklungsprojekt. Daraufhin verstaatlichte Nasser 1956 den Suez-Kanal, die Einnahmen sollten die Fertig­stellung des Assuan-Staudamms ermöglichen. Obgleich die alten Anteilseigner der Kanalgesellschaft ausgezahlt wurden, wollten Frankreich und Groß­britannien den Verlust des Suez-Kanals nicht hinnehmen: sie baten Israel um einen Angriff auf die Palästinenser und ihre ägyptischen Unterstützer – und wollten unter dem Vorwand, die streitenden Parteien zu trennen, die Kanal­zone wieder in Besitz nehmen. Ägypten konnte den Angriff aber abwehren, wozu der amerikanische Präsident Eisenhower, der von dem Plan nicht informiert war, entsetzt reagierte und Frankreich und Großbritannien mit Ausschluss aus der NATO drohte, erheblich beitrug. Frankreich und England verloren mit dieser Niederlage ihre Stellung im Nahen Osten; die USA wurden zur neuen Schutzmacht Israels. Nasser wurde nach diesem "Sieg" quer durch Arabien von den Massen verehrt und zum Vorbild nationa­listischer Führer. 1958 schlossen sich Ägypten und Syrien gar zur Ver­einigten Arabischen Republik zusammen.

Die USA unterstützten nicht nur Israel, sondern auch die Nasser-Gegner im Libanon und Jordanien – und suchten darüber hinaus die Zusammenarbeit mit den konservativen Führungen in den Ölförderstaaten. Im Iran, wo 1941 Briten und Sowjets den Schah Reza Pahlavi wegen seiner freund­schaftlichen Kontakte zu Hitler abgesetzt und seinen 21-jährigen Sohn Mohammed Reza Pahlavi zum neuen Schah ernannt hatten, hatte der nationalis­tische Premierminister Mohammed Mossadegh 1951 die Ölfelder und die Ölförderanlagen in seinem Land, von deren Gewinnen vor allem die Briten profitierten, verstaatlicht (mehr). Die Briten verhängten als Reaktion darauf ein Wirtschaftsembargo, dass die iranische Ölproduktion weitgehend zu Erliegen brachten, aber Auftritte vor dem Sicher­heits­rat der UNO und dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag machten Mossadegh zu einem Vorbild für nationalistische Bewegungen in anderen Länder. Daraufhin unter­stützten die Geheimdienste der USA und Englands einen Militär­putsch, der dem populären Mossadegh das Leben kostete. Danach regierte der Schah mit eiser­ner Hand, mit Unterstützung der USA und seines 1957 gegrün­deten Geheim­dienstes Savak (und gewährte den USA be­vor­zugten Zugang zu den Ölquellen des Landes). Auch das öl­reiche Saudi-Arabien verbündete sich mit den Amerika­nern, um revolutionäre Bewegungen abzuwehren. Frankreich gewährte 1956 seinen ehemaligen Kolonien Marokko und Tunesien die Unab­hängigkeit, in Algerien wehrten sich aber die französischen Siedler im Land: Hier weitete sich ein 1954 begonnener Auf­stand zu einem Befreiungs­krieg aus, in dem beide Seiten versuchten, den Gegner mit Terror­akten zu demoralisie­ren. Berichte über französische Fol­terun­gen von Frauen und Kindern ließen die Stimmung in Frank­reich kippen, und 1962 wurde Al­gerien unabhängig. Über 900.000 der rund eine Million französischer Siedler verließen daraufhin aus Angst vor Racheakten das Land.

Mao Zedong und die chinesische Revolution II

Der Sieg der Amerikaner über Japan im Zweiten Weltkrieg hatte auch den Krieg in China beendet; und der Konflikt zwischen Kuomintang und Kommunistischer Partei (KPCh) verschärfte sich wieder. Amerikanische Vermittlungsversuche scheiterten und Mitte 1946 brach der Bürgerkrieg wieder aus. Trotzt deut­licher zahlenmäßiger Unterlegenheit konnte die “Volksbefreiungsarmee”, wie der Armee der KPCh jetzt hieß, den Krieg gewinnen. Dazu trug auch bei, dass sie auf dem Land mehr Unterstützung fand, und auch Arbeiter, Unternehmer und Intellektuelle in den Städten zunehmend von der immer korrupteren Kuomintang ent­täuscht waren; zum Schluss liefen auch noch Truppenteile zur Volksbefrei­ungs­armee über. Im Januar 1949 fiel Peking, im April und Mai auch der Süden und Westen des Landes. Am 1. Oktober 1949 rief Mao Zedong auf dem Pekinger Tian'anmen-Platz die Volksrepublik China aus; er wurde “Vorsitzender des Zentralrats der Volksregierung”. Chiang Kai-shek floh mit einer halben Million Soldaten (sowie Chinas Gold­reserven und den Schätzen des National­museums) nach Taiwan. Die Kommunisten setzen ihre Vorstellungen rücksichts­los um: etwa 40 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche wurde enteignet; wer sich dem entgegenstellte, hatte sein Leben verwirkt: über eine Million Menschen wurden zum Tode verurteilt und hinge­richtet. 1953 hatte die KPCh unangefochten die Macht im Lande.

Seine erste Auslandsreise führe Mao im Dezember 1949 nach Moskau. Obwohl das Eis zwischen Stalin (der den "Bauernrevolutionär" nicht wirklich ernst nahm) und Mao (dem sein Erfolg Selbstbewusstsein verliehen hatte) dabei nicht wirklich gebrochen wurde, kooperierte China (dessen Tagesgeschäft ohnehin in den Händen von Premierminister Zhou Enlai lag) intensiv mit der Sowjetunion. Diese stand insbesondere beim sozialistischen Wirtschaftsaufbau, der auf Schwerindustrie basierte, Modell. Der Wirtschaftsaufbau erfolgte in China aber nicht im gleichen Maße wie in der Sowjetunion auf Kosten der Landwirt­schaft, deren Kollektivierung auch weniger Widerstand hervorrief. Nach Chruschtschows Abrechnung mit Stalin begann China aber, sich vom sowje­tischen Modell abzulösen (Mao bezeichnete Chruschtschow und seinen Nach­folger Breschnew zeitlebens als "Verräter an Stalin"). 1957 setzte Mao durch, dass die Intellektuellen aufgefordert wurden, ihre Kritik an der Partei offen zu äußern (Hundert-Blumen-Kampagne). Die vehement los­brechende Kritik erschreckte die Partei, die schon knapp sechs Wochen später die Kampagne wieder abbrach – und die Kritiker zu Hunderttausenden verbannte oder hinrichtete. Hiermit begannen die “zwanzig verlorenen Jahre” bis zu Maos Tod, denn das Land verlor die Mitarbeit seiner fähigsten Köpfe. Im Mai 1958 wandte das Land sich endgültig von der sowjetischen Politik ab, mit dem “Großen Sprung nach vorne” begann die eigentliche maoistische Reform: Die Produktionsgenossenschaften wurden zu Volkskommunen, bis hin zu den Wohn­häusern wurde alles Eigentum in die Kommune überführt. Kleine Fabriken in den Dörfern sollten für den örtlichen Bedarf produzieren – zum Symbol hier­für wurde die Stahlerzeugung “im Hinterhof”. Die Bauern wurden massen­haft für staatliche Infrastrukturprojekte eingesetzt, die Felder von ihren (uner­fahrenen) Frauen bestellt. 1958 rettete noch außergewöhnlich gutes Wetter die Ernte, danach folgte die Katastrophe – die größte Hungersnot der bis­herigen Menschheitsgeschichte mit 30 bis 45 Millionen Hungertoten (und zu allem Überfluss erwies sich auch der “Volksstahl” aus den örtlichen Stahl­öfen als unbrauchbar).

Anfang der 1960er Jahre brachen Pragmatiker in der Parteiführung um Staats­chef Liu Shaoqi und General­sekretär Deng Xiaoping das Experiment ab. Aber Mao, der sich zuletzt in der praktischen Politik zurückgehal­ten hatte, rief 1966, mit 72 Jahren, die Jugend in China zum Aufstand gegen diejenigen in der Partei, die sich “auf den Weg des Kapitalismus” begeben hatten, auf. So begann die Kultur­revolution, ab 1967 regierte in China die Gewalt: Die aus Schülern und Studenten gebildeten “Roten Garden” demütigten und quälten Lehrer, Profes­soren, Schriftsteller, Künstler und andere Intel­lek­tuelle; und bald auch Parteikader und Regierungsbeamte. Liu Shaoqi wurde verhaftet und gefoltert und dann ohne ärztliche Behandlung in eine Zelle geworfen, in der ein halbes Jahr später verstarb. Deng Xiaoping hatte noch Glück: er wurde "nur" verbannt und musste in der Provinz Traktoren reparieren. Ehemalige Minister, Professoren und Lehrer wurden zu Tode gefoltert. Vier Jahre land tobte in China die Anarchie, am Ende kam es zu bürger­kriegs­artigen Kämpfen rivalisierender Roter Garden untereinander. Erst dann schickte Mao auf Druck der Parteiführung die Volksbefrei­ungs­armee – die letzte noch funktionierende staatliche Institution – los, die die Kämpfe beendete. Vier Millionen Ober­schüler und Studenten wurden zur Umerziehung aufs Land geschickt. Die Zahl der Toten in der Kulturrevolution ist umstrit­ten, sie geht in die Millionen. Die letzten Jahre Maos waren eine “bleierne Zeit” (Konrad Seitz), nach mili­tärischen Auseinandersetzungen am Grenz­fluss Ussuri wurde die (jetzt als "sozialimperalistisch" bezeichnete) Sowjetunion zum Hauptfeind erklärt. Aus diesem Konflikt wollten die USA Nutzen ziehen: 1971 reiste Präsident Nixons außen- und sicherheitspolitischer Berater Henry Kissinger zweimal nach China, um mit Ministerpräsident Zhou Enlai ein Treffen Nixons mit Mao vorzubereiten. Auch eine vorsichtige Annähe­rung an Japan und Westeuropa begann; 1971 trat China zudem der UNO bei. Im Februar 1972 besuchte US-Präsident Nixon China. Dabei schlos­sen China und die USA einen Vertrag über eine künftig engere Zusammen­arbeit [250]. Auch gegenüber dem einstigen Kriegsgegner Japan öffnete sich China; das Land wurde zum wichtigsten Handelspartner [252]. In Deutschland hatte vor allem die Wirtschaft und die Opposition aus CDU/CSU schon seit längerem für Handels­beziehungen zu China gekämpft [254], an denen China auch wegen der deutschen Erfahrungen beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg interessiert war: nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1972 wurde Deutschland zum drittgrößten Handelspartner Chinas.

Nach Maos Tod 1976 setzten sich die Pragmatiker in der Partei durch: unter dem neuen Parteivorsitzenden Hua Guofeng wurde die "Viererbande", vier bekannte Vertreter der Parteilinken, verhaftet. Deng Xiaoping, der 1973 aus der Verbannung geholt, aber 1976 auf Betreiben von Maos Witwe zunächst wieder alle Ämter niederlegen musste, wurde 1977 zum stellvertretenden Ministerpräsidenten ernannt. Den Pragmatikern kam es vor allem auf politi­sche Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung an. Im September 1978 über­nahm Deng Xiaoping die Führung der Partei, im Dezember hielt er auf dem "Dritten Plenum" der KPCh eine Rede, die später als historische Wende galt: er kündigte an, dass die Chinesen für mehr Leistung auch mehr Lohn erhalten sollten; soziale Ungleichheit wurde akzeptiert, da der "gehobene Lebens­standard eines Teils der Menschen ... zu einem eindrucksvollen Beispiel für ihre Nachbarn werden" könne. Praktisch hieß dies: in einem unverändert plan­wirtschaftlichen Rahmen erhielten die Marktmechanismen mehr Bedeutung, fach­liche Kompetenz wurde in der Wirtschaft wichtiger als politische Linien­treue. Erster Schritt war die “Dekollektivierung” der Landwirtschaft, die Bauern erhielten ehemaliges Kollektivland zur Bewirtschaftung und konnten die Ernte frei verkaufen; die Ernährung verbesserte sich innerhalb weniger Jahre (vor allem in den Städten – auf dem Land zeigte sich, dass es neben der Chance auf Reichtum auch die Möglichkeit zur Verarmung gab; viele Bauern wanderten in die Städte ab und speisen dort das Heer der Wanderarbeiter). Auch in den Städten wurde Privatinitiative erst geduldet, dann gefördert; der chinesische Markt wurde für westliche Unternehmen geöffnet, die in “Sonder­wirtschaftszonen” wie Shenzhen bei Hongkong Steuer- und Zollvergün­sti­gungen erhielten. Der Austausch mit dem Westen – nicht nur in der Wirt­schaft, sondern auch der wissenschaftliche und kulturelle Austausch – wurde gefördert. 1979 besuchte Deng Xiaoping die USA, wo er die Öffentlichkeit und die auf große Aufträge hoffende Wirtschaft begeisterte (die New York Times titelte am 4. Februar "Mr. Deng's Triumph"). Hua Guofeng besuchte mit einer Delega­tion Westeuropa und blieb dabei eine Woche in Deutschland; besichtigt wurden vor allem Industrieanlagen [256].

Die wirtschaftliche Öffnung machte China zu einem zentralen Akteur der Globalisierung Ende des 20. Jahrhunderts; sie verlief aber weder geradlinig noch problemlos. So verstanden die Chinesen die Lieferung von Technik und Know-How als Entschädigung für frühere Ausbeutung und erwarteten daher, sie kostenlos zu erhalten; eine Anerkennung "geistigen Eigentums" im westlichen Sinne musste erst durchgesetzt werden. Auch die Infrastruktur wie die Strom­versorgung war marode, die Bürokratie undurchsichtig. Zum Vorbild wurde das 1984 von VW mitgegründete Gemeinschaftsunternehmen "Shanghai Volkswagen", in das Modell VW Santana als Taxi und Auto für Funktionäre gebaut wurde. VW etablierte sich damit als erste ausländische Automarke in China, der Santana wurde ähnlich wie einst der Käfer zum Symbol des chine­sischen "Wirtschafts­wunders". Zahlreiche andere Gemeinschaftsunternehmen folgen diesem Beispiel und unterstützten Deng Xiaopings Reformkurs. Eine von manchem erhoffte Demo­kratisierung Chinas war damit jedoch nicht verbunden, so wurde 1979 der "Pekinger Frühling" beendet, nachdem an der "Mauer der Demokratie", an der Aktivisten einer Demokratiebewegung Wandzeitungen aushängten, Forderungen nach mehr individuellen Freiheiten auftauchten; der Autor Wei Jingsheng wurde zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Auch der Umgang mit Menschenrechten verbesserte sich nicht [258]. Als sich nach dem Tod des (1987 nach einem "zu nachsichtigen" Umgang mit Studentenprotesten abgesetzten) beliebten Ex-Partei­chefs Hu Yaobang im April 1989 Trauerversammlungen zu erneuten Studenten­demonstra­tionen, diesmal auf dem zentralen Platz des Himmlischen Friedens (Tian’anmen-Platz), entwickelten (die spätestens seit einem Besuch Michael Gorbatschows in Peking Mitte Mai auch der Weltpresse auffielen), wurde das Kriegsrecht verhängt und Anfang Juni die Demonstration mit Panzern blutig niedergeschlagen – die Zahl der Toten ist bis heute unbekannt, Schätzungen reichen bis 3.000. Bis Anfang 1990 blieb das Kriegsrecht erhal­ten; Deng Xiaopings Ruf als großer Reformer erhielt erhebliche Schrammen [260] – und der Handel mit dem Westen brach als Reaktion auf das Massaker (vorübergehend) erheblich ein.

Südostasien

Nach Japans Kapitulation hatte im ehemaligen Indochina der Anführer der Vietnamesischen Unabhängigkeits-Liga (Vietminh), der Kommunist Ho Chi Minh,  die Unabhängigkeit Vietnams erklärt – was die vormalige Kolonialmacht Frankreich aber zunächst nicht akzeptierte. Es folgte ein siebeneinhalb­jähriger Krieg, der 1954 mit der Spaltung des Landes in einen (von Ho Chi Minh geführten) Nord- und Südteil endete, in dem der Nationalist und Anti-Kommunist Ngo Dinh Diem regierte. Dieser erzwang nach wenigen Monat den Abzug der Franzosen und beendete damit endgültig die französische Kolonial­zeit in Asien (weiter: >> Vietnamkrieg). Auch in Indonesien versuchte die ehemalige Kolonialmacht Holland vergeblich, die Unabhängigkeit zu verhin­dern: in einem Guerillakrieg verspielten die Niederlande derartig viel Sympathie, dass sie auf Druck der USA 1949 die Unabhängigkeit Indonesiens weitgehend (nur West-Papua blieb zunächst unter niederländischer Verwaltung) anerkennen mussten. Die USA selbst hatte ihre Kolonie auf den Philippinen 1946 in die Unabhängigkeit entlassen, konnten sich aber – nachdem sie der Regierung bei einem von den Kommunisten unterstützten Bauernaufstand beistand – bis in die 1980er Jahre Einfluss und Militärstandorte sichern. Auf Malaysia blieb die Unabhängig­keits­bewegung lange auf den chinesischen Bevölkerungsteil beschränkt; erst als Malaien, Inder und national orien­tierte Chinesen ein Bündnis bildeten, zogen die Briten sich ohne Widerstand zurück – 1957 entstand die Föderation Malaysia.

Lateinamerika

In Lateinamerika gab es keine Kolonien mehr, dort waren aber die USA zum wichtigsten ausländischen Investor geworden. Als in Lateinamerika kommunis­tische Parteien an Einfluss gewannen, reagierten die USA hart: Als in Guate­mala 1952 die Bananenplantagen der United Fruit Company enteignet wurden, beauftrage Präsident Eisenhower den CIA mit einem Umsturz, der eine Militär­junta an die Regierung brachte. Als 1959 nach zweijährigem Guerillakampf Fidel Castro auf Kuba die Macht übernahm und 1960 ein Handelsabkommen mit der Sowjetunion unterzeichnete, sollte auch hier der CIA eine Invasion vor­bereiten. Die Invasion in der Schweinebucht schei­ter­te aber, und indirekt stärkte sie Castro und förderte Guerillabewegungen nach kubanischem Vorbild in vielen lateinameri­ka­nischen Ländern. Letztendlich wurden sie alle von Polizei- und Militär­einheiten besiegt, die von den USA ausgebildet wurden; die USA gelten in Lateinamerika vielen seither als die neue imperialistische Weltmacht.

Der Kalte Krieg

Der Kalte Krieg gewann seine Brisanz aus der Atombombe: Nach der Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki war diese zu einem Alptraum der Menschheit gewor­den. Albert Einstein soll gesagt haben: “Ich weiß zwar nicht, wie der Dritte Weltkrieg geführt, wohl aber, wie der Vierte ausgetragen wird: mit Stöcken und Steinen.” Die Amerikaner hatten nach dem Zweiten Weltkrieg weitere Atom­bomben gebaut – vor allem aus Kostengründen: Dem amerikanischen Präsi­den­ten Truman war eine konventionelle Aufrüstung zu teuer. Aber weit früher als von den Amerikanern erwartet, nämlich bereits 1949, verfügte auch die Sowjet­union über Atombomben. Damit begann ein atomares Wettrüsten, das beide Super­mächte in die Lage versetzen sollte, die Welt mehrfach zu zerstören und sie mehrfach an den Rand eines Atomkriegs führte.

Der Koreakrieg und seine Folgen

Die erste dieser Krisen war der Überfall des kommunistischen Nordkorea auf Südkorea am 25. Juni 1950. Beide koreanische Staaten hatten sich mit der Teilung nicht abgefunden und versuchten, ihre jeweilige Schutzmacht für einen "Befreiungskrieg" zu gewinnen. Die Amerikaner stellten sich taub, der Nordkoreaner Kim Il Sung fand aber schließlich bei Stalin Gehör. Nordkorea wurde von (wie sich erst später herausstellte) 70.000 mit chinesischen Uniformen getarnten Soldaten der sowjetischen Luftwaffe unterstützt; Süd­korea von einer (vor allem amerikanischen) UNO-Truppe, die von dem US-Ober­kommandierenden in Japan, General MacArthur, geleitet wurde. Den USA gelang es schnell, über den 38. Breitengrad in den Norden vorzudringen, woraufhin China in den Krieg eingriff und die Amerikaner in den Süden zurückdrängte. MacArthur schickte Heilig Abend 1950 eine Liste mit 24 chinesischen Zielen in die USA, die er mit der Atombombe angreifen wollte, was Verteidigungs­minister Dean Acheson aber ablehnte. So blieb der Koreakrieg ein konven­tioneller, bei dem über 3,5 Millionen Menschen starben. Es war auch ein Krieg, bei dem über 3.000 Tonnen Napalm eingesetzt wurden – eine Brandwaffe, die schwer heilbare Verbrennungen auslöst und kaum mit Wasser gelöscht werden kann. Zu einem Waffenstillstand kam es erst 1953 nach Stalins Tod. Nord­korea entwickelte sich zu einem zunehmend stalinistischen Staat. In Südkorea wurde der konservative, zunehmend autoritäre Syngman Rhee 1960 nach Demons­tra­tionen abgelöst, nach einer kurzen Phase der Demokratie begann eine Militär­regierung unter General Park Chung Hee mit dem Umbau des Landes zu einem modernen Industriestaat.

Der Sieg der Kommunisten in China, die russische Atombombe und der Korea­krieg hatten die amerikanische Strategie gegenüber der Sowjet­union geändert: dem Kommunismus wurde ein "Drang zur Weltherr­schaft" unterstellt, die NATO zur Militärallianz ausgebaut und durch ein weltweites Bündnissystem ergänzt. Begleitet wurde die Aufrüstung von einer nach Senator McCarthy be­nannten, bis Ende 1954 anhaltenden antikommunis­ti­schen Gesinnungs­schnüf­fe­lei. Die Sowjetunion gründete als Antwort den Warschauer Pakt und baute ihr eigenes Bündnissystem auf, das allerdings beginnend mit Aufständen 1953 in Ostberlin und 1956 in Ungarn auch zur Machtsicherung im eigenen System eingesetzt werden musste. Angesichts der steigenden Zahl von Atomwaffen – 1955 verfüg­ten die USA über mehr als 3.000 atomare Sprengköpfe und über mehr als 1.300 Langstreckenbomber, die die Sowjetunion erreichen konnten – war beiden Seiten aber klar, dass ein Atomkrieg nicht zu gewinnen war. Auch wenn die USA eine massive atomare Vergeltung für den Falle eines (auch nur konventio­nellen) sowjetischen Angriffs in Europa androhten, waren sie überzeugt, dass die Sowjetunion diesen nicht riskieren würden. Beiden Seiten ging es vor allem darum, den Status quo zu sichern. Die USA und ihre Verbündeten ris­kier­ten daher auch keinen militäri­schen Kon­flikt, um etwa den osteuropä­ischen Völkern zu hel­fen, in denen Panzer der Roten Armee wie in der DDR oder Ungarn Aufstände niederwalzten.

1956 wollten die Amerikaner als Ausgleich für eine Reduzierung der amerika­nischen Truppenstärke die Europäer mit Trägerwaffensysteme für kleine gefechtstaugliche (sog. "taktische") Atomwaffen ausstatten, was die Sowjet­union, wo Nikita Chruschtschow aus dem Machtkampf um die Nachfolge des 1952 verstorbenen Stalin als Sieger hervorgegangen war, als Bedrohung empfand. Sie hatte nach Stalins Tod die teure Rote Armee auf 3,6 Millionen Mann reduziert, kam aber mit der atomaren Aufrüstung nicht so schnell voran wie die USA. Um die neuen Waffen zu verhindern, schlug Polens Außenminister Adam Rapacki vor, eine atom­waffen­freie Zone aus Polen und den beiden Deutsch­lands zu bilden. Der Vorschlag scheiterte aber, als Chruschtschow die Verhandlungen zum Rapacki-Plan mit einem Friedensvertrag mit beiden deut­schen Staaten verbinden wollte (was für Westdeutschland ein Tabu war, da es die DDR nicht anerkannte). Die ohnehin aufgrund der immer noch vorhandenen konventionellen Überlegenheit der Sowjetunion skep­tischen NATO-Staaten stellten diesen Vorschlag als Beleg für mangelnden Abrüstungswillen dar. Stattdessen beschlossen die Verteidi­gungs­minister Westdeutschlands, Italiens und Frankreichs sogar eine gemein­same Produktion von Atomwaffen. Endgültig gescheitert war der Rapacki-Plan, als Chruscht­schow auf Drängen Walter Ulbrichts (dem starken Mann der DDR, dem immer mehr Bürger nach West-Berlin entflohen) den Westmächten ein Ultimatum stellte, West-Berlin inner­halb von sechs Monaten in eine "freie Stadt" umzuwandeln. Damit hoffte er, die DDR attraktiver zu machen, die beiden deutschen Staaten aus ihren Militär­blöcken zu lösen und doch noch eine atomwaffenfreie Zone in der Mitte Europas zu erreichen. Aber sowohl US-Präsident Dwight D. Eisenhower als auch sein Nachfolger John F. Kennedy machten klar, das sie den Status Berlins nicht ändern würden. Daraufhin erteilte Chruschtschow Ulbricht die von diesem lange geforderte Erlaubnis, die Sektorengrenze in Berlin abzuriegeln: dies erfolgte in der  Nacht zum 13.8.1961; der eigentliche "Mauerbau" erfolgte zum größten Teil erst danach. Dabei standen sich am 27. & 28. Oktober am Checkpoint Charly sowjetische und amerikanische Panzer 16 Stunden lang gegenüber: Walter Ulbricht wollte (ohne Absprache mit der Sowjet­union, wie heute bekannt ist) alliierte Offiziere kontrol­lie­ren lassen (eine Verletzung der Siegerrechte), Chruschtschow glaubte, der Westen wolle die Mauer durchbrechen; die Welt stand, so der sowjetische Diplomat Walentin Falin später, “Sekunden und Meter ... [vor] einem Unglück."

Die Kubakrise und ihre Folgen

Kennedy hatte zudem im April 1961 eine Invasion von durch die CIA ausge­bil­deten Exil-Kubanern in der Schweinebucht auf Kuba unterstützt, die schnell gescheitert war. Unterdessen verfügte die Sowjetunion seit Ende der 1950er Jahre ebenfalls über Langstreckenbomber, die die USA erreichen konnten, das glich deren Überlegenheit aber nicht aus: 1961 verfügten die USA über 17 Mal so viele Langstreckenbomber und Interkontinentalraketen, die das gegnerische Territorium erreichen konnten. So kam Chruschtschow auf die Idee, Mittel­strecken­raketen auf Kuba zu stationieren: von dort konnten sie die USA erreichen und die sowjetische Unterlegenheit verringern. Im Mai 1962 fasste das sowjetische Zentralkomitee einen entsprechenden Beschluss, im Sommer wurde die ersten Raketen nach Kuba gebracht. Als die USA im Herbst erste Hinweise auf die – ihnen von der Sowjetunion nicht mitgeteilte – Stationie­rung sowjetischer Atomwaffen auf Kuba entdeckten, musste Kenneda, dem nach dem Desaster in der Schweinebucht ohnehin vorgeworfen wurde, zu wenig für die Befreiung Kubas zu tun, reagieren. Er dachte ernsthaft an einen Luft­angriff (weil der fälschlicherweise glaubte, die Raketen wären noch nicht einsatzbereit); Verteidigungsminister McNamara bremste ihn. Schließ­lich entdeckte der CIA, dass die Raketen bereits einsatzbereit waren, und damit war ein Luftangriff zu gefährlich. Kennedy enthüllte nun die Stationierung in einer Fernsehanspra­che und begann eine Seeblockade Kubas. Als Chruscht­schow nach fünf Tagen die Atomraketen abziehen wollte, drängte Kubas Fidel Castro auf “Verteidigung, wie schrecklich sie auch ausfallen möge”, und gleichzeitig schossen sow­jetische Militärs ein amerikanisches Spionage­flugzeug über Kuba ab. Die US-Militärs drängten auf Angriff, aber jetzt bremste Kennedy – er ging auf ein Angebot Chruschtschows zum Abzug der Raketen gegen einen amerikanischen Invasionsverzicht auf Kuba ein, und Chruschtschow ordnete sofort den Abbau der Waffen an.

Mit der Erkenntnis, in der Kubakrise tatsächlich am Rande eines Atomkriegs gestanden zu haben, änderten sowohl die USA als auch die Sowjetunion ihre Politik. Kennedy hatte erkannt, dass ein Krieg mit der Sowjetunion aufgrund seiner Folgen unmöglich geworden war, und Chruschtschow sah, dass die Sowjet­union ohne Anerkennung des Status quo nicht friedlich neben den USA bestehen konnte (und hatte mit Grenzkonflikten mit China, die 1964 ebenfalls ihre erste Atombombe zündeten, und innenpolitischen Problemen genug andere Baustellen). Es kam zu einer Reihe von Annäherungen; zwischen beiden Ländern wurde ein "rotes Telefon" installiert, um einen versehentlichen Atomkrieg zu verhindern. Die neue Entspannungspolitik wurde in Deutschland insbesondere vom Berliner Bürgermeister Willy Brandt und seinem Vertrauten Egon Bahr aufgrif­fen, insgesamt startete sie aber ruckelig. Dazu trugen die Ermordung Kennedys im November 1963 und die Absetzung Chruschtschows im Oktober 1964 (aufgrund immer wieder versprochener, aber ausbleibender Rekordernten in der Landwirtschaft und weil er viele Funktionäre mit einer Parteireform verprel­lt hatte) bei, vor allem aber der Vietnamkrieg: Nachdem 1960 der Norden begonnen hatte, seine militärischen Aktivitäten zu Wiedervereinigung Viet­nams zu verstärken, hatte bereits Kennedy, um einen Sieg der Kommunisten zu ver­hindern, tausende "Militärberater", die auch eigenständig agierten, in das Land geschickt. Unter seinem Nachfolger Lyndon B. Johnson griffen die USA dann direkt in den (offiziell nie erklärten) Krieg ein. 1966 standen bereits über eine halbe Millionen Amerikaner in Vietnam. Die Sowjetunion reagierte mit verstärkten Waffenlieferungen an den Norden. Obwohl die Ameri­ka­ner in Vietnam mehr Bomben abwarfen als im gesamten Zweiten Welt­krieg, konnten sie den Vietcong, wie die gegen die Regierung des Südens und die Amerikaner kämpfende Organisation genannt wurde, militärisch nicht gewinnen. Das rück­sichtslose Vorgehen der Amerikaner, die etwa die Rück­zugs­gebiete des Viet­cong im Dschungel mit dem dioxinhaltigen Gift "Agent Orange" entlaubten (was zahllose Vietnamesen an Leberkrebs und Epilepsie erkranken ließ) förderten eher die Sympathien für den Vietcong (nicht nur in Vietnam: in Amerika und Europa entstand eine Antikriegsbewegung, und der Protest beflügelte die “68er”-Protestbewegung). 1968 begannen der Vietcong sogar seine "Tet-Offen­sive" gegen Städte im Süden; sowohl die amerikanische Öffentlichkeit als auch das Militär verloren den Glauben daran, den Krieg noch gewinnen zu können; 1968 vereinbarten sie einen Waffenstillstand mit der Regierung in Hanoi.

Während die amerikanisch-sowjetischen Gespräche unter dem Vietnamkrieg litten, setzten die Europäer eigene Akzente: Frankreich hatte 1964 einen Handelsvertrag mit der Sowjetunion geschlossen und 1966 bei einem Staats­besuch de Gaulles in Moskau eine Zusammenarbeit in der Raumfahrt verein­bart, Deutschland hatte Handelsverträge mit Polen, Ungarn, Rumänien und Bulgarien geschlossen und Berlins Bürgermeister Willy Brandt Vereinbarungen geschlos­sen, die West-Berlinern an Feiertagen Besuche im Osten ermöglichten. Als er 1966 Außenminister einer großen Koali­tion wurde, kündigte die deutsche Re­gierung die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit den Staaten Osteuropas an, die 1967 mit Rumänien und Jugoslawien auch erfolgte. Dann fürchtete die Sowjetunion jedoch eine Isolierung der DDR und einen Zerfall des Warschauer Paktes und verhinderte mit den "Karlsbadener Beschlüssen" weitere Abkommen. Die Grenzen der Entspannungspolitik wurden noch deut­licher, als sich die KP der Tschechoslowakei einem "Sozia­lis­mus mit mensch­lichem Antlitz" ver­schrieb, die Geheimpolizei auflöste und die Trennung von Partei und Staat in die Wege leitete: Leonid Breschnew, der sich als Nach­folger Chruschtschows durchgesetzt hatte, ließ den “Prager Früh­ling” im August 1968 mit Panzern niederschlagen. Der Westen war ver­stimmt, aber letztendlich war die Invasion für die Entspannungspolitik nicht viel mehr als ein Verkehrs­unfall, da im eigenen Machtbereich der Sowjetunion geschehen – und eine Alternative nicht gesehen wurde. Das galt nach anfäng­lichem Zögern auch für Johnsons Nach­folger Richard Nixon, der im Wahlkampf noch auf antikommunistische Rhetorik gesetzt hatte. Auch Breschnew, für den das "Selbst­bestimmungsrecht der sozialistischen Staaten den Interessen des sozialis­tischen Weltsystems unter­geordnet" war, war außenpolitisch sehr an Verstän­digung mit dem Westen interessiert.

Entspannungspolitik

Unterdessen war die Zahl der US-Interkontinentalraketen auf 1054 im Jahr 1967 gewachsen; dazu kamen 656 U-Boot-gestützte Raketen. Die Sowjetunion kam weiter langsamer voran: sie besaß 1967 500 Interkontinentalraketen und etwa 100 U-Boot-gestützte Raketen – aber plante seit 1964 ein Raketenabwehr­system, dass Moskau und das Baltikum vor anfliegenden Atomraketen schützen sollte. US-Verteidigungsminister McNamara drängte auf Verhandlungen, um ein solches System zu verhindern, da es aus seiner Sicht das Wettrüsten be­schleu­nigen würde; die Sowjetunion wollte die Verhandlungen jedoch mit einer Begrenzung der strategischen Rüstung verbinden, was die USA als Bedrohung ihrer strategischen Überlegenheit verstanden und ablehnten. Gipfeltreffen mit der sowjetischen Führung wurden sowohl von Johnson als zunächst auch von Nixon immer wieder hinausgezögert.

In dieser Situation bemühte sich Breschnew verstärkt um die Europäer. 1969 wurde mit dem "Budapester Appell" die Haltung aus den "Karlsbadener Be­schlüs­sen" korrigiert. Der nach der Bundestagswahl 1969 zum Kanzler einer sozialliberalen Koalition gewählte Willy Brandt ergriff die Chance sofort und beseitigte ein letztes Hindernis: in seiner Regierungserklärung erkannte er die staatliche Existenz der DDR an. Es begann eine Phase der "neuen Ostpolitik", die die Grenze durchlässiger machen sollte. In einer Reihe von "Ostverträgen" wurde die neue Politik 1970 bis 1973 in Vertragsform gegos­sen, mit dem "Viermächteabkommen" wurde der Rechtsstatus Westberlins gere­gelt. Von diese Erfolg inspiriert, gab auch Richard Nixon seine Zurück­haltung auf. Seit 1970 führten die USA und die Sowjetunion Gespräche über Begrenzung der strategischen Aufrüstung (Strategic Arms Limitation Talks, SALT), die auch die Raketenabwehrsysteme (Anti-Ballistic Missiles, ABM) einschlossen. 1972 organisierte der neue amerikanische Sicherheitsberater Henry Kissinger Besuche Nixons in China (wo es um die Unterstützung für einen "ehrenvollen" Abzug der USA aus Vietnam ging) und in der Sowjetunion. Beinahe wäre Vietnam einem Erfolg wieder in die Quere gekommen: Nixon hatte auf eine neue Offensive Nordvietnams mit Bombenangriffen auf Hanoi und eine Verminung der Küstengewässer geantwortet, aber schließlich konnte Breschnew die Unterzeichnung eines "SALT-I" genannten Vertragspakets durchsetzen (u.a. mit dem Hinweis, dass bei einem Scheitern auch die Ratifizierung der Ostver­träge im deutschen Bundestag gefährdet sei). Vereinbart wurde u.a. eine Begrenzung der ABM-Systeme auf zwei für jede Seite, ein "Einfrieren" der Abschusseinrichtungen für Interkontinentalraketen sowie Höchstgrenzen für  Abschussvorrichtungen auf U-Booten. Die Verhandlungen sollten im Hinblick auf technische Neuerungen (insb. Mehrfachsprengköpfe) fortgesetzt werden. Im Oktober 1972 wurde zudem ein amerikanisch-sowjetischer Handelsvertrag geschlossen; 1973 besuchte Breschnew die USA, beide Seiten vereinbarten künftig jährliche Gipfelbegegnungen und schlossen ein Abkommen zur Verhin­derung eines Atomkriegs, der die bestehenden Kommunikationsregeln formali­sierte. Auch der Rückzug aus Vietnam begann, nachdem die Chinesen ihre Hilfs­lieferungen eingestellt hatten und das massive Bombardement im Frühjahr 1972 den Norden dazu bewegt hatte, einem Verbleibs der Regierung im Süden bis zu Neuwahlen zuzustimmen. Ein entsprechendes Abkommen wurde im Januar 1973 in Paris unterschrieben. (1976 wurde das Land unter der Führung Nord­vietmans als "Sozialistische Republik Vietnam" wiedervereinigt, Saigon in Ho-Chi-Min-Stadt umbenannt. Die anschließende "Umerziehung", Hunger und Armut trieben rund 1,6 Millionen Menschen auf Booten über das Südchinesische Meer in die Flucht – rund 40.000 dieser "boat people" genannten Flüchtlinge wurden von Deutschland aufgenommen.)

In Europa hatte zudem 1973 Gespräche im Rahmen einer "Konferenz für Sicher­heit und Zusammenarbeit in Europa", KSZE) begonnen, an der außer Albanien alle europäischen Staaten, die USA und Kanada teilnahmen. Dabei ging es um vier, inoffiziell "Körbe" genannte Themen: Sicherheit in Europa, wirtschaft­liche Zusammenarbeit, humanitäre Zusammenarbeit und Konferenzfolgen. 1975 wurde in Helsinki die Schlussakte von allen Teilnehmern unterzeichnet. Gleich­zeitig laufende Gespräche über eine Truppenreduzierung in Europa (Mutual and Balanced Force Reductions, MBFR) blieben dagegen erfolglos, u.a., da es den Europäern nicht gelang, eine gemeinsame Position zu finden.

Die Kraft der Menschenrechte

Im sogenannten “Korb 3” der KSZE-Schlussakte hatten alle Unterzeichner­staaten zugesichert, die Menschenrechte und Grundfreiheiten zu beachten, einschließlich der wirksamen Ausübung politischer Rechte und Freiheiten. Das waren westliche Prinzipien, den die Sowjetunion und die Warschauer-Pakt-Staaten nur zugestimmt hatten, da anders keine Verbesserung im "Korb 2", der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu erreichen waren. Viele beach­teten diesen Teil der Schlussakte zunächst auch kaum, aber er entwickelte eine beachtliche Kraft: Bürgerrechtsbewegungen wie das “Komitee zur Ver­teidigung der Arbeiter” in Polen, die “Charta 77” in der Tschechoslowakei oder die unabhängige Friedensbewegung in der DDR (“Schwerter zu Pflug­scharen”) beriefen sich auf diesen Korb 3, in der Sowjetunion wurden gar “Helsinki-Gruppen” gegründet. 1980 entstand in Polen mit der Solidarność die erste freie Gewerkschaft. In Ostdeutschland gab es noch eine andere Bewegung: diejenigen, die unter Berufung auf Korb 3 ihre Ausreise betrie­ben. Die Menschen- und Bürgerrechtsgruppen wie die Ausreisewilligen sollten die Sowjetunion im Laufe der Zeit von innen aushöhlen.

1974 kam der Entspannungsprozess wieder ins Stottern: im Mai trat Willy Brandt nach der Enttarnung des DDR-Spions Günther Guillaume zurück, im August Richard Nixon, nach im Folge der "Watergate-Affäre" ein Amtsent­hebungs­verfahren gegen ihn eingeleitet wurde. Breschnew verlor damit seine beiden wichtigsten Partner – und erlitt zudem im November einen Schlag­anfall, von dem er sich nur langsam erholte. Ohne die guten persönlichen Kontakte litt der Entspannungsprozess an der Stellvertreterpolitik der Supermächte, die unterdessen wie gewohnt weiterging: Die Amerikaner stürzten 1973 Salvador Allende in Chile; sie fürchteten nach der "Nelkenrevolution" von 1974 in Portugal eine kommunistische Machtübernahme mitten in Europa und mussten zudem nach einer erneuten Großoffensive Nordvietnams, bei der dieses Saigon eroberte und das Regime im Süden zusammenbrechen ließ, wenig "ehren­voll" Vietnam verlassen (der Krieg hatte in der Summe zwei bis drei Millio­­nen Tote gefordert, eine halbe Millionen Krüppel und 900.000 Waisen hinter­lassen.). Zugleich konnten Kommunisten sich in Kambodscha und Laos an die Macht bringen. Die Sowjetunion selber griff 1975/76 in Angola und 1977 in Äthiopien militärisch ein. In den USA griff zudem der Kongress den Handels­vertrag mit der Sowjetunion an: die Meistbegünstigungsklausel und zins­günstige Kredite sollte auf einmal an die freie Auswanderung jüdischer Sowjetbürger gekoppelt werden.

Der 1977 neu gewählte Präsident Jimmy Carter trat mit großen Ambitionen an:  statt einer Begrenzung wollte er eine radikale Reduzierung der Atomwaffen erreichen. Damit stellte der den Zwischenstand der SALT-Gespräche, die unter­dessen weitergelaufen waren, in Frage. Carter setzte auf die chine­si­sche Karte: im Dezember 1978 nahm er diplomatische Beziehungen mit China auf, das 1974 ideologisch mit der Sowjetunion gebrochen hatte – damit wollte er die Sowjetunion unter Druck setzen. Als China aber im Februar 1979 im Norden des (1976 wiedervereinigten) Vietnam (das die Hauptstadt des von China unterstützten Kambodscha erobert hatte) einmarschierte, ruderte Carter zurück und kontaktierte Breschnew, um das SALT-II-Paket zu retten. Der im Juni 1979 – gegen heftigen Widerstand amerikanischer Entspannungsgegner – unterzeichnete Vertrag brachte kaum eine Reduzierung der atoma­ren Rüs­tung (nur die Sowjetunion musste bis 1.1.1981 350 strategische Raketen oder Bomber abbauen), aber begrenzte mit Obergrenzen für strategische Waffen­systeme, Mehr­fach-Sprengköpfe und Marschflugkörper pro schwerem Bomber das Wettrüsten. Unterdessen waren aber jenseits der amerikanischen oder sowjet­ischen Einflusssphäre neue Mitspieler in der Weltpolitik aktiv geworden: die block­freien Staaten, die "asiatischen Tiger" und die Ölstaaten im Nahen Osten.

Die Blockfreien und die "asiatischen Tiger"

Im Konflikt zwischen den Großmächten drohten die Interessen anderer Staaten unterzugehen. Um dem entgegenzusteuern, hatte Indien schon 1947 die Führer asiatischer und arabischer Staaten und Unabhängigkeitsbewegungen eingeladen; es folgten Konferenzen 1952 in Ägypten, 1955 in Indonesien und 1961 in Jugosla­wien, an denen auch einige frisch unabhängig gewordene afrikanische Staaten teilnahmen. 1962 geriet die Bewegung in eine Krise, nachdem China im westlich von Tibet gelegenen, zu Indien gehörigen Ost-Ladakh (chin. Aksai Chin) einmarschiert war. Aber weitere Konferenzen 1964 in Kairo und 1966 in Havanna retteten die blockfreie Bewegung, 1967 fand in Algier die erste Konferenz einer "Gruppe der 77" (Staaten) statt, die sich vor allem gegen die anhaltende wirtschaftliche Abhängigkeit der ehemaligen Kolonien von den früheren Kolonialstaaten wandten. Sie nutzte vor allem die Konferenzen der Vereinten Nationen über Handel und Entwicklung (UNCTAD), um ihre Interessen zu vertreten. Faktisch erreichten die Blockfreien nicht viel (die UNCTAD-Ergebnisse waren selten verbindlich), sie wirkten aber der Blockbildung entgegen.

In Asien nutzte Japan dagegen die amerikanische Unterstützung nach dem Zweiten Weltkrieg für eine beschleunigte Industrialisierung: bereits 1968 übertraf das japanische Bruttosozialprodukt das Deutschlands, Japan wurde zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt. Das stärkte auch die japanische Position gegenüber den USA: 1972 nahm es diplomatische Beziehungen zu China auf, 1978 schloss es einen Friedens- und Freundschaftsvertrag mit dem Land. Als der Druck auf bessere Lebensbedingungen in Japan und damit auf höhere Löhne stieg (und auch, um Handelsbeschränkungen zu umgehen), begann Japan zunehmen, in anderen Ländern zu investieren. Davon profitierten u.a. Süd­korea und Taiwan, die aus politischen Gründen ebenfalls US-amerikanische Unterstützung erhielten, sowie die alten Handelszentren Hongkong und (das 1965 von Malaysia abgetrennte) Singapur, die als Stadtstaaten mangels Fläche auf den Aufbau einer Schwerindustrie verzichteten und gleich auf hochwertige elektronische Produkte setzten. Politisch waren diese 4 Staaten durchgehend autoritär: In Südkorea blieb General Park Chung Hee bis 1979 an der Macht, in Taiwan regierte Chiang Kai-shek bis 1975 unter Kriegsrecht (das erst 1987 aufgehoben wurde); in Singapur regierte Lee Kuan Yew von 1959-1990 als eine Art absoluter Herrscher und in Hongkong, bis 1997 britische Kronkolonie, hatte die Bevölkerung wenig Mitspracherecht. Inwieweit die wirtschaftliche Entwicklung von dieser autoritären Politik profitiert hat, ist bis heute umstritten.

Der Nahe Osten

Nach dem Zweiten Weltkrieg war mit wachsendem Wohlstand in den Industrielän­dern, der sich auch in Ölheizungen, die Kohleöfen ersetzten, und dem privaten Besitz von Autos zeigte, und dem gleichzeitigen Rückgang der amerikanischen Ölförderung der Anteil des Erdöls aus dem Nahen Osten an der Energieversorgung der Indus­trie­staaten stetig gestiegen. Im Jahr 1973 betrug er schon 38 Prozent, was die Ölförder­länder zunehmend selbstbewusst werden ließ - und auch mit dem Gedanken spielen ließ, die Abhängigkeit des Westen von ihrem Öl als Waffe zu nutzen. Der Nahostkonflikt bestand nämlich weiter: 1967 hatte es, nachdem Ägypten den Abzug der seit der Suez-Krise von 1956 dort stationierten UN-Truppen vom Sinai erzwungen hatte, mit dem Sechs-Tage-Krieg einen dritten ägyptisch-israelischen Krieg gegeben, in dem Israel West-Jordanien und den Sinai besetzen konnte. Um diese Schmach wieder gut zu  machen, griff Nassers Nachfolger Anwar As-Sadat 1973 gemeinsam mit (dem seit 1961 wieder eigenstän­di­gen) Syrien Israel an, um Verhandlungen zu er­zwingen. Die Angriffe waren zu­nächst erfolgreich, so dass die USA sich ent­schlossen, Israel mit Waffenliefe­rungen zu unterstützen. Als Reaktion darauf beschlossen die arabischen Öl­minis­ter ein Embargo gegen die USA und andere Unterstützer Israels. Obwohl nur etwa 10 Prozent des Ölangebots vom Markt genommen wurden, und auch wenn dank gemeinsamer amerikanisch-sowjetischer Anstrengungen im Oktober ein Waffen­still­stand vereinbart wurde, vervierfachten sich bis Ende 1973 die Ölpreise: die Ölkrise von 1973 stürzte die Industriestaaten in eine Rezession, während die Einnahmen der in der OPEC vereinten Ölförder­länder von 33 auf 108 Milliarden Dollar stiegen. Insbesondere die Länder im Nahen Osten bauten ihre alten Hauptstädte und Häfen zu ultramodernen Städten aus, die auch viele ausländische Arbeitskräfte anzogen. Die Versuche der Industriestaaten, eine gemeinsame Strategie gegen die Folgen der Ölkrise zu finden, führte zur Bildung der "Group of Seven" (G7), bei deren regelmäßige Treffen die sieben wichtigsten Industriestaaten seither ihre Politik koordinieren. Zu einem Bruch mit den Ölstaaten führte die Ölkrise jedoch nicht, investierten diese doch ihr neues Geld auch im Westen.

Iran: Vom Schah zur islamischen Republik

Im Iran (und nicht nur dort, 270) hatte es schon seit den 1960er Jahren zu­nehmend Proteste gegen den Schah gegeben, vor allem, weil nur seine schmale Oberschicht und vor allem die Schah-Familie von den Öleinnahmen profitierte. Auch die nach 1973 stark wachsenden Öleinnahmen halfen dem Land nicht, weil der Schah viel Geld unproduktiv für das Militär ausgab und eine fehlerhafte Boden­reform (das verteilte Land war zu klein und nicht fruchtbar genug) die Landbevölke­rung in die Städte strömen ließ, vor allem in die Slums von Teheran. Eine korrupte Oberschicht und eine galoppierende Inflation machten auch der Mittel­schicht das Leben schwer, vor allem, als das Land mit wieder sinkenden Ölpreisen ab 1976 in eine Rezession rutschte. So bildete sich eine breite Opposition, in der der bereits 1964 in den Irak verbannte und von dort im August 1978 nach Paris ausgewiesene Rechts­gelehrte (Ajatollah) Ruhollah Chomeini eine führende Rolle übernahm. Am 10. Dezember demonstrier­ten in Teheran rund eine Million Menschen gegen den Schah, der daraufhin im Januar 1979 mit seiner Familie das Land verließ. Am 1. Februar kehrte Chomeini unter dem Jubel von Millionen Menschen auf den Straßen Teherans aus dem Exil zurück. Er trieb in den folgenden Monaten die Liberalen und Linken, die die Opposition mitgetragen hatten, in den Untergrund und gründete die “Isla­mische Republik Iran” unter der “Herrschaft des führenden Rechtsgelehr­ten” – also von Chomeini selber. Die Wut der Revolution richtete sich auch gegen die USA, die den Schah unterstützt hatten: Im November 1979 besetzten militante Studenten die Bot­schaft der USA in Teheran; Verhandlungen und ein militä­rischer Befreiungs­versuch scheiterten, die 52 Botschaftsangehörigen sollten 444 Tage in Geiselhaft bleiben (bevor sie dann durch erneute Ver­hand­lungen freikamen). Während des Umsturzes und er anschließenden Unruhen kam die Ölproduktion des Iran zum Erliegen, damit war der zweitgrößte Lieferant der Welt ausgefallen: im Laufe der zweiten Öl­krise erreichten die Ölpreise bis März 1980 das zehnfache des Preises vor der ersten Ölkrise, wieder kam es zu einer Rezession in den Industrie­staaten. Diesmal begüns­tig­te sie dort, beginnend im besonders von der Wirtschaftskrise betroffenen Großbritannien [274] mit der Wahl Margaret Thatchers zur Premierministerin, eine Hinwendung zu einer "neoliberalen" Wirtschafts­politik: die Finanzen sollten durch Einsparungen bei den Tätigkeiten des Staats in Ordnung gebracht werden, der "freie" Markt sich selbst überlassen bleiben. Auch der 1980 in den USA zum Präsidenten gewählte Ronald Reagan war ein Anhänger dieser Politik.

Dass die USA vom Iran nach der "Iranischen Revolution" nicht mehr als Schutz­macht, sondern als Feind gesehen wurden, verleitete den Nachbarn Irak unter Saddam Hussein zum An­griff auf den alten Erzfeind. Der Irak setzte auch Chemiewaffen ein (hier sehen manche Landeskenner die Geburtsstunde des iranischen Strebens nach der Atombombe); der Iran antwortete mit “Menschen­wellen”, für die auch Kinder in den Krieg geschickt wurden. Der irakisch-iranische Krieg sollte erst nach acht Jahren und einer Millionen Toten mit einem Patt enden.

Nachrüstung und Friedensbewegung

Die Besetzung der Botschaft in Teheran waren ein traumatisches Erlebnis für die USA, und verstärkten die Kritik an SALT II. Zwar waren die islamischen Fundamentalisten sicher nicht von der Sowjetunion gesteuert (die die irani­sche Revolution zwar anfänglich als antiimperialistischen Kampf unter­stütz­te, aber später ein Übergreifen auf die islamisch geprägten Republiken im Süden der Sowjetunion fürchtete), ließen sich aber bestens nutzen, Stimmung gegen die Abrüstung zu machen. Zu den Kritikern gehörte aber auch Willy Brandts Nach­folger Helmut Schmidt: er fürchtete, dass eine strategi­sche Pari­tät die amerikanische Drohung, Europa im Falle eines sowjetischen An­griffs atomar zu verteidigen, unglaubwürdig mache, zumal die Sowjetunion seit 1977 ältere Mittelstreckenraketen durch moderne des Typs SS 20 ersetz­te. Schmidt sah hierin eine "Erstschlagskapazität" – die Sowjetunion könne mit den SS-20-Raketen Bodentruppen, Luftwaffe und die in Europa stationier­ten Atomwaffen allesamt ausschalten. Angesichts amerikanischer Atom-U-Boote und atombestückter englischer und französischer Kampfflugzeuge, die in den Abrüstungsverhandlungen nicht betrachtet wurden, aber eine europäische Ant­wort­möglichkeit auf einen sowjetischen Angriff sicherstellten, konnte Bresch­new offenbar Schmidts Sorgen nicht verstehen, woraufhin sich Amerika­ner und Europäer Anfang 1979 auf eine "Nachrüstung" genannte Stationierung von 464 vom Radar nicht zu erfassen­der "Cruise-Missile"-Marschflugkörper und 108 "Pershing II"-Raketen in Europa einigten. Damit hätte Europa ebenfalls eine Erstschlags­kapazität erhalten – aus Sicht der Sowjetunion sorgten die Pläne für eine Verschiebung des Gleichgewichts: es machte für sie keinen Unterschied, ob Raketen, die die Sowjetunion trafen, von amerikanischem oder europäischen Boden abge­feuert würden. Das konnten auch in Westeuropa viele nachvollzie­hen, weshalb der Beschluss nur umgesetzt werden sollte, falls Verhandlungen über die Begrenzung der "eurostrategischen Rüstung" scheiterten.

Der Krieg in Afghanistan und seine Folgen

Unterdessen hatte die Sowjetunion ihre eigenen Probleme mit islamischen Auf­ständen. Im bitterarmen und geopolitisch eigentlich unbedeutenden Nachbar­land Afghanistan war 1978 nach einem Militärputsch eine Gruppe mos­kau­treuer Kommunisten an der Macht gelangt. Deren Moderni­sierungsprogramm wurde aber von den traditionellen islamischen Kräften im Land abgelehnt. Es kam zu Aufständen, und im Dezember 1979 entschied sich die Sowjetunion – gegen starke Bedenken, da ein Guerillakrieg im bergigen Afghanistan kaum zu gewin­nen war, aber auch wegen der Gefährdung der Entspannungspolitik – für ein Eingreifen: die Sowjetunion hat wohl auch gefürchtet, dass die islami­schen Aufstände auf angrenzende Sowjetrepubliken überspringen könnten und/oder der Westen sich nach dem Verlust des Iran verstärkt in Afghanistan engagieren könne. Weihnachten 1979 besetzten sowjetische Truppen Kabul, und kurz darauf waren 85.000 sowjetische Soldaten im Land verteilt. Der Westen fürchtete, der Einmarsch in Afghanistan könnte nur der erste Schritt der Sowjetunion auf dem Weg zu den Ölquellen am indischen Ozean sein; US-Präsident Jimmy Carter reagierte massiv. Er setzte die Ratifizierung von SALT II im US-Senat aus; erhöhte die Verteidigungsausgaben stark und unter­stützte heimlich die islamischen “heiligen Krieger” (Mudschaheddin) in Afghanistan. Auch stoppte er Getreidelieferungen und den Export von "High-Tech"-Produkten in die Sow­jet­union. Die Amerikaner und der Westen standen nicht allein, auch die isla­mi­schen Staaten und viele Entwicklungsländer verurteilten den Einmarsch; zahlreiche Länder von Kanada bis China, vom Iran bis Argentinien boykottier­ten die Olympischen Spiele in Moskau 1980. Trotzt seines Engagements verlor Carter 1980 die Präsidentschafts­wahlen gegen Ronald Reagan, die die Wieder­herstellung amerikanischer Über­legenheit versprach.

Reagan verstärkte die schon unter Carter über die CIA begonnene Unterstüt­zung der als "Freedom Fighters" gesehenen islamischen Kämpfer. Diese wurden von einigen tausend radikalen Moslems vor allem aus arabischen Staaten unterstützt, die von wohlhabenden Fundamentalisten wie dem Saudi Osama bin Laden finanziert und in den Flüchtlingslagern in Pakistan ausgebildet wurden. Waffen für die islamischen Kämpfer lieferte verdeckt auch der Westen, den Transport nach Afghanistan organisierte der pakistanische Geheimdienst. Ab 1985 lieferten die Amerikaner den Mudschaheddin sogar hochmoderne mobile "Stinger"-Flugabwehrraketen. Der Krieg in Afghanistan wurde ein barbarischer Krieg, in dem die Sowjets gezielt ganze Dörfer ausrotteten, dennoch wurde er – wie die Kritiker von Anfang an befürchtet und die Amerikaner gehofft hatten – für die Sowjetunion zum Desaster: sie musste 1988 sieglos abziehen. Bei 15 Millionen Einwohnern starben in dem Krieg 1 bis 1,5 Millionen Menschen – 7 bis 10 Prozent der Bevölkerung –; fünf Millio­nen Menschen flohen (vor allem nach Pakistan). Ähnlich wie der Vietnamkrieg den Amerikanern ihre Grenzen in einem Guerillakrieg aufgezeigt hatte, verlor mit dem Scheitern in Afghanistan auch die Rote Armee viel von ihrem Ansehen. Der Krieg war mit dem Abzug der Sowjetunion aber nicht zu Ende, sondern ging als Bürgerkrieg weiter: die von der Sowjet­union eingesetzte Regierung wurde von den Mudschaheddin weiterhin bekämpft.

Friedensbewegung

Unter Ronald Reagan stiegen die amerikanischen Verteidigungsausgaben von 1981 bis 1985 um mehr als die Hälfte. Die USA strebten an, "Enthauptungs­schläge" gegen die Sowjetunion führen zu können und kündigten eine "hori­zon­tale Eskalation" – eine Ausweitung auf andere Regionen – im Konfliktfall an. Verhandlungen über eine Rüstungsbegrenzung – auch nicht bei der "eurostrate­gischen Rüstung" – gab es nicht mehr. Die neuen amerikanischen Töne und der Krieg in Afghanistan [280] ließen sowohl in den USA als auch in Europa eine Friedens­bewegung entstehen; alleine in Westdeutschland demonstrierten am 10. Oktober 1981 rund 300.000 Menschen gegen die "Nachrüstung" [282]. Die Proteste zwangen die Amerika­ner zurück an den Verhandlungstisch, aber die Ergebnisse wurden weder in den USA noch in der Sowjetunion akzeptiert. Die Sowjetunion achtete jetzt sorg­sam darauf, die öffentliche Meinung im Westen nicht gegen sich aufzubringen, so konnte nach Massenstreiks 1980 in Polen mit der Solidar­ność eine unabhängige Gewerkschaft ent­stehen [290], der sich bis Ende des Jahres acht Millionen Mitglieder anschlossen; und selbst ein Hilferuf von Ministerpräsident Jaruzelski führten nicht zu einem militär­ischen Eingreifen (Solidarność wurde dann im Dezember 1981 nach Verhängung des Kriegsrechts von Jaruzelski ohne Hilfe aus der Sowjetunion verboten und tausende ihrer führenden Mitglieder verhaftet).

1982 starb Leonid Breschnew. Sein Nachfolger Juri Andropow bot an, die Zahl der SS-20-Raketen auf 162 – der Zahl der britischen und französischen Rake­ten – zu begrenzen. In den Verhandlungen reduzierte er die Zahl noch weiter, eine Erstschlagfähigkeit (die Begründung der "Nachrüstung") war damit nicht mehr gegeben. Das hätte aber auch ein Ende der gerade begonnenen Ausstattung der britischen und französischen Raketen mit Mehrfach­spreng­köpfen bedeutet, auch Frankreichs Präsident François Mitterand bestand nun auf der Nachrüs­tung, und auch die seit 1982 in Deutschland regierende christliberale Koali­tion unter Helmut Kohl stimmte im November 1982 für die "Nachrüstung". Die Sowjetunion brach daraufhin die Verhandlungen ab, und Reagan legte noch einen Zahn zu: im Frühjahr 1983 erklärte er, dass die Sowjetunion über ein "Reich des Bösen" herrsche und kündigte ein weltraum­gestütztes Raketen­abwehrsystem (Strategic Defense Initiative – SDI) an, mit dem die USA sowjetische Raketen bereits in der Startphase zerstören woll­ten. Das wäre das Ende des alten Abschreckungssystems gewesen: mit ihm könnte man an einen Erstschlag denken, ohne einen Vergeltungsschlag befürchten zu müssen.

Das Ende des kalten Kriegs – und der Sowjetunion

Aber auch in den USA hielten viele SDI für Science Fiction, die astrono­mi­schen Kosten riefen Widerstand hervor; in Deutschland erhielt die Frie­dens­bewegung mit dem Einzug der GRÜNEN in den Bundestag eine parlamenta­rische Stimme. Reagan, der wiedergewählt werden wollte, machte daher der Sowjet­union Anfang 1984 ein neues Gesprächsangebot. Im Februar starb Juri Andro­pow, sein Nachfolger Tschernenko zögerte zunächst, um dem ungeliebten Reagan nicht im Wahlkampf zu helfen, stimmte aber zu, nachdem Reagans Wieder­wahl absehbar geworden war. Die Verhandlungen sollte Anfang 1985, in Reagans zweiter Amtszeit, beginnen. Zwei Tage vor Beginn der Verhandlungen starb der schon bei Amtsantritt kranke Tschernenko. Sein Nachfolger wurde Michael Gorbatschow. Gorbatschow sah deutlich die schwierige Lage der Sowjetunion und propagierte "Glasnost" (Offenheit) anstelle ideologischen Selbstbetrugs und "Perestroika" (Umgestaltung), um einen besseren Sozialismus aufzubauen. Er wollte den auch in der Sowjetunion unpopulären Krieg in Afghanistan be­enden, den er ebenso wie das Wettrüsten als Hindernis auf diesem Weg be­trach­tete. Als Ronald Reagan ihn für November 1985 zu einer persönlichen Begegnung in Genf einlud, bot er daher als Gegenleistung für einen Verzicht auf weltraumgestützte Waffen die Halbierung der strategischen Atomwaffen an. Auch über die eurostrategischen Raketen wollte er verhandeln und baute die SS-20-Raketen wieder ab, die die Sowjetunion nach der westlichen "Nach­rüs­tung" zusätzlich aufgestellt hatte. Reagan war nicht bereit, auf seine SDI zu verzichten, verpflichtete sich bei dem Treffen in Genf aber, "keine militärische Überlegenheit anzustreben" – eine Abkehr von seinen früheren Zielen. Gorbatschow legte weiter nach, bis die USA fast zustimmen mussten: bei einem neuen Treffen in Reykjavik im Oktober 1986 wurde ein Abkommen verhandelt, das eine Halbierung der strategischen Atomwaffen in fünf Jahren vorsah und die Abschaffung aller amerikanischen und sowjetischen Mittel­strecken­raketen in Europa. In zehn Jahren sollten alle Atomwaffen abgeschaf­ft werden. Aber als Gorbatschow die SDI ansprach, brach Reagan die Gespräche ab. Um das Abkommen zu retten, kündigte Gorbatschow im Februar 1987 den einseitigen Abzug der sowjetischen Mittelstreckenraketen an; und tatsächlich kamen die Verhandlungen wieder in Gang.

Als einige NATO-Strategen dort versuchten, ein Recht zur Aufstellung von Raketen kurzer Reichweite zu erhalten, bot Gorbatschow kurzerhand an, die verbleibenden sowjetischen Raketen kurzer Reichweite zu vernichten: im Dezember 1987 unterzeichneten Reagan und Gorbatschow einen Vertrag, in dem die Vernichtung der Mittelstreckenwaffen und die Halbierung der strate­gischen Offensivwaffen vereinbart wurde. Gorbatschow kündigte zudem im Februar 1988 den Beginn des Anzugs der sowjetischen Truppen aus Afghanistan an, der bis Februar 1989 auch umgesetzt wurde. Er setzte auch durch, dass bei den Wahlen für den Kongress der Volksdeputierten 1.500 Abgeordnete direkt und personenbezogen gewählt wurden, nur noch 750 Abgeordnete wurden durch "gesellschaftliche Organisationen" delegiert. Und er erklärte, dass jedes sozialistische Land die Freiheit habe, seinen “eigenen Weg” zu gehen. China zeigte auf seine Weise, was es davon hielt, und schoss in der Nacht des 3. Juni 1989 eine Demonstration auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking zusammen. Im Ostblock wurden die neuen Freiheiten aber genutzt: in Polen kam im September 1989 eine von der (nach Jahren im Untergrund erst im April wieder zugelassenen) Solidarność angeführte Allparteien­regierung an die Macht (und im Dezember 1990 wurde der ehemalige Solidarność-Vorsitzende Lech Wałęsa zum Staatspräsidenten gewählt); Ungarn gestattete DDR-Bürgern den Grenzübergang nach Österreich, was über 25.000 DDR-Bürger zur Ausreise nutzten – und als die DDR Reisen nach Ungarn verbat, begannen im Oktober Demonstrationen nicht nur für Reisefreiheit, sondern auch für Reformen in der DDR. Militär und Staats­sicherheit schritten nicht ein, und am 9. Novem­ber wurde ein neues Reise­gesetz beschlossen, das DDR-Bürgern freies Reisen erlauben sollte. Als (das bei der Sitzung nicht anwesende) Politbüro-Mit­glied Günther Schabowski auf einer Pressekonferenz am selben Abend fälsch­lich verkündete, die neue Regelung gelte seines Wissen nach "sofort, unver­züglich", stürmten sofort zehntausende DDR-Bürger die Grenzübergänge. Nach dem "Mauerfall" brach das kommunistische Monopol im ganzen Ostblock zusam­men: in Bulgarien wurde der Staats- und Parteichef von Gorbatschow-Anhängern gestürzt und freie Wahlen angekündigt, in der Tschechoslowakei wurde der Dissident Václav Havel zum Staatspräsidenten gewählt, in Rumänien Allein­herrscher Ceaușescu aus seinem Palast gejagt (und auf der Flucht gefangen genommen und von einem Hinrich­tungs­kommando erschossen). In Georgien, der Ukraine und in Litauen wurde für die Unabhängigkeit demons­triert.

Unterdessen waren in bis Jahresende schon 120.000 Menschen aus der DDR in die Bundesrepublik gegangen, bei einem Besuch Helmut Kohls in Dresden forderte eine riesige Menschenmenge die staatliche Einheit Deutschlands. Gorbatschow wollte anfänglich wenigstens verhindern, dass als Ergebnis die NATO sich bis an die Oder ausdehnte, sagte aber im Mai zu, dass Deutschland selber entscheiden solle, welchem Bündnis es angehörte. US-Präsident Bush und Helmut Kohl setzen im Juli 1990 bei einem NATO-Gipfeltreffen Beschlüsse durch, die den sowjetischen Vorstellungen von einem gemeinsamen Sicherheits­system entgegenkamen, und im Anschluss handelten Gorbatschow und Kohl die Einzelheiten der deutschen Einheit aus. Am 3. Oktober 1990 trat die DDR der Bundesrepublik Deutschland bei. Michael Gorbatschow erhielt für seinen Bei­trag zum Ende des Kalten Kriegs 1990 den Friedensnobelpreis. Auf einem KSZE-Gipfeltreffen am 20. November 1990 wurde ein "Vertrag über konventio­nel­le Streitkräfte in Europa" unterzeichnet, was zur Verschrottung von über 50.000 Waffensystemen führte. Im Juli 1991 unterzeichneten Bush und Gorbat­schow dann den START-Vertrag über die Halbierung der strategischen Rüstung. Unter­dessen hatte der Zerfall der Sowjetunion begonnen. Bereits 1990 hatten Litauen, Lettland und Estland ihren Austritt aus der Union erklärt, die Russische Föderation und die Ukraine sich für "souverän" erklärt (ohne aus der Union auszutreten). Die Wirtschaftsreformen hatten zu Versorgungs­eng­pässen geführt, aufgrund der Rechtsunsicherheit kam es kaum zu strategischen Investitionen. Die Probleme kosteten Gorbatschow viel Rückhalt im Land. Um die Union zu retten, wollte Gorbatschow mit den verbleibenden Republiken einen neuen Vertrag schließen, der ihnen deutlich mehr Macht gab. Aber am Tag vor der geplanten Unterzeichnung am 20. August 1991 gab es einen Putsch­versuch durch konservative Kräfte im Politbüro, im Geheimdienst und im Militär, Gorbatschow wurde in seinem Urlaubsdomizil auf der Krim festge­setzt. Der Präsident der Russischen Föderation, Boris Jelzin, rief zum Widerstand gegen den Putsch auf, und Hunderttausende Bürger versammelten sich vor dem Parlament, um Jelzin und die Abgeordneten zu schützen. Der Putsch scheiterte, das Ende der Sowjetunion war aber nicht aufzuhalten: im Dezember kündigten Jelzin und die Präsidenten von Weißrussland (Belarus) und der Ukraine die Auflösung der Sowjetunion an. Gorbatschow verabschiedete sich am 25.12.1991 in einer Fernsehrede als Staatspräsident.

Eine globale Umweltbewegung

Unterdessen hatte sich das tägliche Leben der Menschen vor allem in den westlichen Industrie­staaten in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich verändert, der materielle Wohlstand war unübersehbar geworden: Haushaltsgeräte wie Kühlschränke und Waschmaschinen waren in den meisten Wohnungen anzutreffen, moderne Ölheizungen hatten die Kohleöfen abgelöst und private Autos füllten die Straßen. Die schnell wachsende Industrieproduktion hatte aber ihren Preis, vor allen in den Industriegebieten wie dem "Black Belt" in Mittel­england, im Ruhrgebiet oder an den Großen Seen in den USA war die Luft­verschmutzung unübersehbar. Lange wurde sie ebenso wie verdreckte Gewässer und in der Landschaft verstreute Abfälle als Preis für den wirtschaft­lichen Wohlstand hingenommen, aber in den 1960er Jahren kamen überall auf der Welt erste Zweifel auf. Bereits nach dem "Great Smog" von 1952, der in London 4.000 Menschen das Leben gekostet hatten, waren dort Kohlefeuerungen streng reguliert worden, 1961 hatte Kanzlerkandidat Willy Brandt gefordert, der "Himmel über der Ruhr (müsse) wieder blau werden." 1966 erinnerte ein Smogalarm zu Thanksgiving die New Yorker an den Londoner Smog, und als es 1969 vor der kalifornischen Küste zu einer Ölpest kam, und zum wiederholten Mal der durch Öl und brennbare Chemieabfälle verschmutze Cuyahoga-River in Brand geriet, demonstrierten am 20. April 1970, der zum Earth Day ausgerufen wurde, rund 20 Millionen Amerikaner für mehr Umwelt­schutz. Auch in Deutsch­land entstanden Bürgerinitiativen für mehr Umwelt­schutz. Rückenwind erhielt die junge Umweltbewegung 1972 durch das Buch "Grenzen des Wachstums" des Club of Rome, eine von dem italienischen Industriellen Aurelio Peccei gegründete Vereinigung, die sich mit den Zukunftsfragen der Menschheit beschäftigte. Der Bericht beruhte auf frühen, am Massachusetts Institute of Technology (MIT) durchgeführten Computer­simulationen, in denen Szenarien der künftigen Entwicklung der Menschheit durchgespielt wurden. Zentrales Ergebnis: die Menschheit werde in den nächsten 100 Jahren an absolute Wachstumsgrenzen durch Erschöpfung von Rohstoffen oder eine lebensbedrohende Umweltver­schmut­zung stoßen.

Durch die Ölkrisen 1973 und 1979 erhielt der Bericht große Aufmerksamkeit; es war unübersehbar, wie abhängig die Industriegesellschaften von der Ver­sorgung mit Rohstoffen geworden waren. Zugleich richteten sich die auch aus der Friedensbewegung gespeisten Bürgerinitiativen für Umweltschutz zunehmend gegen die von den Regierungen als Alternative gesehene Atomkraft: wer auf­grund der Gefahren radioaktiver Strahlung gegen Atomtests in der Atmo­sphäre war, hatte auch bei der friedlichen Nutzung Bedenken, und als sich in den USA herausstellte, dass die Notkühlsysteme der Atomkraftwerke nicht für jeden Störfall ausreichten, geriet die Atomkraft in den Blick der Umwelt­schützer. In Europa gab es 1971 im elsässischen Fessenheim die ersten Demon­strationen gegen ein Atomkraftwerk; in Deutschland begann die Bewegung mit der Besetzung des Bauplatzes für ein Atomkraftwerk im badischen Whyl. (1976 fanden im benachbarten Sasbach die ersten badisch-elsässischen „Sonnentage“ statt, die die Möglichkeiten „alternativer Energien“ vorstellten.) Im März 1979 kam es im US-amerkanischen Atomkraftwerk Three Mile Island bei Harris­burg zu einem schweren Unfall, bei dem der Reaktorkern teilweise schmolz: er zeigte der Welt, dass der von Kritikern gefürchtete Super-GAU doch nicht so unwahrscheinlich war, wie die Industrie-Experten sagten. In den USA gilt der Unfall als "turning point", der den Ausbau der Atomkraft stark ein­schränk­te, in Bonn demonstrierten im Oktober 1979 100.000 Menschen gegen die Atomkraft; 1980 gründeten sich DIE GRÜNEN (die 1983 in den Bundestag einzo­gen und sogleich "die sofortige Stilllegung von Atomkraftanlagen in der Bundes­republik Deutschland" forderten). Nach dem Chemieunfall im italieni­schen Seveso 1976 gerieten auch Dioxine und andere Gifte aus der (insbeson­dere Chlor-)Chemie ins Fadenkreuz der Umweltschützer; ab 1981 bestimmte in Deutschland vor allem die Furcht vor einem Waldsterben infolge des "Sauren Regens" (der durch die Reaktion von Schwefeldioxid in Abgasen mit Wasser­tröpfchen in der Luft zu Schwefel­säure entstand) die Aktivitäten der Umwelt­bewegung. Die Politik reagierte mit einer Verordnung, deren Grenzwerte nur mit Entschwefelungs­anlagen für die Abgase von Kohlekraftwerken einzuhalten waren. Die daraus folgende drastische Verringerung der Schwefel-Emissionen ist einer der großen Erfolge der Umweltbewegung.

Da mittlerweile auch die anderen Gesetze zur Luftreinhaltung, zum Schutz der Gewässer und zur sicheren Deponierung von Abfällen Wirkung zeigten, schien die Umweltbewegung vielen mittlerweile überflüssig – bis zur Reaktor­katastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986: Hier kam es tatsächlich zu einer Explosion des Reaktors, eine über Skandinavien und Mittel­europa ziehende radioaktive Wolke schürte die Krebsangst; die Ausein­andersetzung um die Atomkraft nahm wieder an Schärfe zu. Im bayerischen Wackersdorf, wo eine "Wiederaufbereitungsanlage" für den deutschen Atommüll gebaut werden sollte, kam es mehrfach zu Zuständen, die an einen Bürgerkrieg erinnerten. Selbst in Japan lehnte erstmals eine Mehrheit der Bevölkerung in Umfragen die Atom­kraft ab. Gravierend waren die Folgen in und für die Sowjetunion: hatte die Atomenergie dort als Inbegriff der „wissenschaftlich-technischen Revolution“ gegolten, mit der die staatliche Planwirtschaft begründet wurde, hatte sich nun gezeigt, dass ohne Gorbatschows „Glasnost“ (Transparenz) selbst die Parteiführung das Ausmaß der Katastrophe nicht kannte und daher auch kein effektives Krisenmanagement betreiben konnte. Nicht nur die Widerstände gegen „Glasnost“ schwanden, auch andere Megaprojekte wurden jetzt kritisch diskutiert. Gorbatschow beerdigte etwa den Dawydow-Plan, nach dem die Flüsse Onega, Ob und Irtysch nach Zentralasien umgeleitet werden sollten. Umwelt­themen wurden auch in der DDR zum Kristallisationskern der Opposition, die kirchliche Aktion „Mobil ohne Auto“ fand viele Anhänger. 1988 erschien in Wittenberg Michael Beleites Dokumentation über die Auswirkungen des Uran­abbaus in Sachsen und Thüringen. Im gleichen Jahr wurde in Estland eine Grüne Bewegung gegründet, 1989 entstand eine grüne Partei in der zerfallen­den Sowjetunion. (Nach dem Ende der DDR sollten die horrenden Zustände etwa in der Industrieregion um Bitterfeld zeigen, dass die Umweltsituation nicht nur in kapitalistischen Ländern, sondern im Osten sogar noch viel länger vernachlässigt wurde.)

Im Jahr 1988, dem bis dahin wärmsten Jahr seit Beginn der Klimaaufzeich­nungen, warnte in den USA der NASA-Wissenschaftler James Hansen vor einem Senatsausschuss vor einem Treibhauseffekt, "der unser Klima bereits heute beeinflusst". Damit brachte er ein Thema an die Öffentlichkeit, dass die Fachwelt bereits seit einigen Jahren beschäftigte: den Klimawandel. Die Vereinten Nationen und die WMO riefen gemeinsam den UN-Weltklimarat (Inter­governmental Panel on Climate Change, abgekürzt IPCC) ins Leben. Dieser sollte regelmäßig den Stand der Forschung zu einem möglichen Klimawandel zusammenfassen, 1990 erschien sein erster Bericht. Darin wurde festgestellt, dass der Mensch durch die Freisetzung von Treibhausgasen die Zusammensetzung der Atmosphäre verändert und damit in den natürlichen Treibhauseffekt der Erde eingreift, wodurch sich die Durchschnittstemperatur der Erde erhöht. Durch den weiter anhaltenden Ausstoß von Treibhausgasen werde diese Erwär­mung weitergehen. Damit hatte die Umweltbewegung, die nach dem Zusammenbruch des Kommunismus als Einzige eine Vision von einer Welt jenseits eines unge­zügel­ten Kapitalismus hatte, ein neues Thema; überall auf der Welt entstan­den Umweltverbände, die als „NGO“ (engl. Non-Govern­mental Organization, Nicht­regierungsorganisation) eine zunehmende Rolle spielen sollten. (Zu den Verlierern dieser Ereignisse gehörten vorübergehend die westdeutschen GRÜNEN, die mit ihrem von den Sorgen um den Klimawandel inspirierten Slogan „Alle reden von Deutschland. Wir reden vom Wetter“ 1990 aus dem Bundestag flogen. Die ostdeutsche Grüne Partei konnte aber acht Mandate erringen; am Tag nach der Wahl fusionierten ost- und westdeutsche GRÜNE.)


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