Hintergrundinformation

Eine kleine Geschichte der Menschheit

Die Welt wächst zusammen

(1800 – 1914)

Erstürmung der indischen Stadt Shrirangapattana durch britische Truppen im Jahr 1799. Die Stadt war Hauptstadt des unabhängigen indischen Staates Myosore, der sich gegen die britischen Kolonialbestrebungen wehrte. Im dargestellten vierten "Myosore-Krieg" verlor der Staat seine Unabhängigkeit, der Herrscher Tipu Sultan wurde getötet. Ausschnitt aus einem Gemälde von Henry Singleton, ca. 1800. Aus >> wikipedia commons, abgerufen 28.3.2013, public domain.

Europa unter Napoleon

Napoleon (Vorgeschichte hier) krönte sich 1804 selbst zum Kaiser und begann einen Eroberungsfeldzug durch Europa. Zwar scheiterte er 1805, nachdem Admiral Nelson die französisch-spanische Flotte vor dem spanischen Trafalgar schlug, mit seinen Plänen zur Invasion Englands, aber 1806 schlug er die preußische Armee, marschierte 1808 in Spanien ein, und 1812 zog er mit 600.000 Mann gegen Russland. Er kam fast ohne Gegenwehr bis Moskau, legte die Stadt in Schutt und Asche – und musste den Rückzug antreten, da er seine Armee im russischen Winter nicht versorgen konnte. Nun begannen die russ­ischen Angriffe, und nur 5.000 Mann kamen nach Frankreich zurück. Die Chance nutzten seine europäischen Feinde und zogen 1814 in Paris ein. Napoleon wurde verbannt, kehrte aber ein Jahr später zurück – und wurde 1815 bei Waterloo endgültig geschlagen. Sein Reich brach zusammen, in Frankreich kehrte die Monarchie zurück, aber der 1804 von Napoleon eingeführte code civil (das Bürgerliche Gesetzbuch) hatte Bestand und schrieb die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz und Errungenschaften wie das Recht auf Eigentum, freie Berufswahl und Zivilehe fest; er wurde zum Vorbild für viele Bürger­liche Gesetzbücher auf der Welt. Auch der Wiener Kongress von 1815, auf dem Europa nach den napoleonischen Kriegen neu geordnet wurde – er leitete das "Konzert der Großmächte" ein; ein System, in dem mehrere gleichstarke Groß­mächte ein Gleichgewicht der Kräfte sicherstellen – konnte die vorrevolutio­nären Zustände nicht wiederherstellen und die alteuropäische Adelswelt nicht retten. Die Beteiligung des Volkes an politischen Entscheidungen ließ dieses sich nicht mehr nehmen (siehe auch hier). Auch der europäische Machthunger nach außen änderte sich zunächst hierdurch nicht.

Der Kampf um Freiheit und Gleichheit

Gegen die Sklaverei

Die Französische Revolution und die Unabhängigkeit der USA hatten Hoffnungen auch dort geweckt, wo Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit nicht einmal ansatzweise verwirklicht waren: in den französischen Kolonien. Deren wichtigste war das seit 1697 zu Frankreich gehörende Saint-Domingue auf der Karibikinsel Hispaniola. Sie war durch den Anbau von Kaffee und Zucker reich geworden – im 18. Jahrhundert entstanden überall in den europäischen Städten Kaffeehäuser. Der größte Teil des Kaffees kam aus Saint-Domingue, der Handel machte die weißen Pflanzer und Kaufleute in Bordeaux, Bayonne, Nantes und Le Havre reich; die Arbeit auf den Plantagen machten 500.000 Sklaven. Als die Kolonialverwaltung ab 1785 die Pflanzer an der Finanzierung von neuen Straßen und Brücken beteiligen wollten, vertrieben diese den Chef der Zivil­verwaltung von der Insel – und verglichen diese Tat mit dem Sturm auf die Bastille. Aber danach brach die öffentliche Ordnung weitgehend zusammen, und 1791 nutzten die Sklaven die Gelegenheit zu einem Aufstand. Die Kämpfe dauerten Jahre; nachdem 1794 die französische Republik alle ihre Sklaven für frei erklärte, kämpften diese auf Saint-Domingue, mittlerweile vereint von Toussaint Louverture (bald als "schwarzer Napoleon" bekannt) gegen die weißen Kolonisten. 1797 machte Frankreich ihn zum Gouverneur der Kolonie. Aber 1802 machte Napoleon die Aufhebung der Sklaverei rückgängig und nach Louverture gefangen; aber die französischen Truppen wurden nach harten Kämpfen mit zehntausenden Toten 1803 vernichtend geschlagen – am 1.1.1804 erklärte sich die Kolonie für selbst­ständig: Haiti wurde nach den USA der zweite unabhängige Staat in Amerika. (Als Napoleon in Spanien einmarschierte und seinen Bruder zum König machte, revoltierten auch die spanischen Kolonien, und als Folge der Unabhängigkeits­kriege zerfiel zwischen 1810 und 1825 das spanische Kolonialreich; in Süd­amerika entstanden neue, unabhängige Länder, nur Kuba blieb spanische Kolonie – wie auch die anderen Ländern gehörenden Karibikkolonien auf ihre Freiheit noch warten mussten. Die portugiesische Kolonie Brasilien – in die sich 1807 der portugiesische Hof auf der Flucht vor Napoleon zurückgezogen hatte – wurde dagegen 1822 ebenfalls unabhängig.)

Die Unabhängigkeit der ehemaligen Sklaven in Haiti fiel in eine Zeit, in der sich in Europa und den Nordstaaten der USA im Gefolge der Aufklärung die Haltung zum Sklavenhandel wandelte: 1787 war in England unter der Führung des Menschenrechtlers Granville Sharp und des Theologe Thomas Clarkson die "Society for the Abolition of Slave Trade" (Gesellschaft zur Abschaffung des Sklavenhandels) gegründet worden, 1788 in Frankreich die "Société des Amis des Noirs" (Gesellschaft der Freunde der Schwarzen). 1803 verbot Dänemark den Sklavenhandel als erstes Land. 1807 folgten England, 1808 die USA, 1814 Holland und 1818 Frankreich. Portugal verzichtete 1830 auf den Sklavenhandel mit Brasilien. Das war aber noch nicht das Ende der Sklaverei; allerdings wurde die Behandlung der Sklaven etwas besser (um den Nachwuchs zu sichern, mussten diese sich jetzt ja vermehren).

Für Afrika bedeutete das Ende des Sklavenhandels zunächst, dass die bisheri­gen Nutznießer keine Ware mehr anzubieten hatten. Diese suchten neue Produk­te, die in Europa gefragt waren: Palmöl als Schmiermittel für die Maschinen und zur Herstellung von Seife, Tropenholz, Gummi arabicum für die Druck- und Textil­industrie und Kolanüsse (für den afrikanischen Markt); Zucker, Kakao und Tee, Gewürznelken und Zimt wurden für den Export angebaut. Die Produk­tion war arbeitsintensiv – die Sklaverei wurde zur Grundlage eines beacht­lichen Teils der afrikanischen Wirtschaft. Und die Sklavenhändler fanden neue Kunden im Norden Afrikas, wo der Islam im 19. Jahrhundert in einer Reihe von Kriegen seine Herrschaft gefestigt hatte. Millionen Sklaven wurden hier nachgefragt, in der Sahelzone waren Ende des 19. Jahrhunderts knapp die Hälfte der Einwohner Sklaven. 100.000 Sklaven arbeiteten im Gewürznelken­anbau in Sansibar. Die Abschaffung des kolonialen Sklavenhandels führte also zu einer Verlagerung der Sklavenarbeit nach Afrika; die Zahl der Sklaven nahm zunächst sogar zu.

In den USA wurde die Sklaverei schließlich als Folge des Bürgerkrieges im Jahr 1865 beendet; 1886 in Kuba und schließlich 1888 in Brasilien. In Nordafrika blieb sie weit länger bestehen, in Mauretanien wurde sie erst 1980 offiziell abgeschafft (und praktisch gibt es sie noch in zahlreichen Staaten der Erde).

Nationalismus und Kolonialismus

Die Französische Revolution und Napoleons Feldzüge sollte eine weitere dauerhafte Veränderung bewirken: Die “Nation” im modernen Sinne wurde erfunden. Dass die Bürger frei und gleich sein sollten, veränderte ihre sozialen Beziehungen; es entstand das Gefühl, zu einer Gemeinschaft zu gehören, deren Instrument zur kollektiven politischen Selbstbestimmung der Staat ist. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit wurden in Frankreich durchgesetzt – noch heute sind die Franzosen deshalb stolz auf “La Grande Nation”. In den besetzten, von Frankreich abhängigen Ländern dagegen entstanden nationale Bewegungen eher als Abgrenzung von den Franzosen; in den deutschen Ländern oder den italienischen Staaten entstand daher eher ein ethnischer Nationalismus, der sich über Sprache und Kultur definierte.

Der Weg zum deutschen Kaiserreich

In Europa gärten nach Napoleons Niederlage in Waterloo die nationalis­ti­schen Ideen weiter. Im Juli 1830 wurde nach dreitägigem Straßenkampf in Paris der französische König gestürzt und durch einen “Bürgerkönig” er­setzt; im 1815 entstandenen "Deutschen Bund" fand 1832 vor dem Hambacher Schloss eine erste Massenkundgebung für ein freies und einiges Deutschland statt (“Hambacher Fest”). Schließlich entlud sich die Unruhe in den Revolutionen von 1848/49: Zuerst wurde in Frankreich der “Bürgerkönig” gestürzt und die zweite Republik ausgerufen, dann folgte die Märzrevolution in den deutschen Staaten und Österreich-Ungarn. In Frankreich gewannen schnell konservative Kräfte wieder die Oberhand, im Dezember wurde ein Neffe Napoleons zum Präsidenten gewählt (und ließ sich 1851 nach einen Staatsstreich zum Kaiser krönen). In Deutschland erzwangen die Auf­ständischen eine verfassungsgebende National­versammlung in der Frankfurter Paulskirche, der Versuch zur Gründung eines Nationalstaats wurde aber bis Mitte 1849 von preußischen und österreich­ischen Truppen niedergeschlagen. Damit war das nach dem Sieg über Napoleon entstandene Staatensystem gerettet; in den Staaten kam es jedoch zu Reformen etwa bei der Verwaltung und den Finanzen. Die zeitweilige Radikalisierung der Reformer hatte aber bei den bürgerlichen Mittelschichten eine “Revolutions­furcht” hinterlassen, die zu einer lang andauernden Spaltung zwischen bürgerlichen Kreisen und radikalen Demokraten, die sich später oft der Arbeiterbewegung anschlossen, führte. Ein deutscher Nationalstaat sollte erst 1871 entstehen: Das deutsche Kaiserreich, ein Bund von 22 Königreichen (Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg), Großherzogtümern und Fürsten­tümern, entstand von oben durch eine Reihe militärischer Siege des preußischen Minister­präsidenten Otto von Bismarck, und erbte Preußens militaristische und konservative Ausrichtung. Liberale Gedanken galten als “undeutsch”.

In Frankreich entstand dagegen 1871 nach einem erneuten Volksaufstand (Pariser Kommune) die dritte Republik. In Europa war sie zunächst außenpolitisch isoliert – dafür sorgte das Deutsche Kaiserreich. Prestige und Macht suchte Frankreich daher im Rest der Welt. Mit dieser Orientierung war Frankreich nicht allein, die neuen technischen Möglichkeiten nach der industriellen Revolution – Dampfschifffahrt, Eisenbahnen, Unterseekabel, Kanäle -, die Suche nach Rohstoffen und Märkten für die Industrieprodukte, die Entdeckung des Chinins zur Malariavorbeugung, Rivalitäten durch einen aggressiver werdenden Nationalismus, aber mitunter auch der idealistische Wunsch, die “überlegene” Zivilisation zu verbreiten, führten zu einer enormen Beschleunigung der Ausbreitung der Großmächte über die Welt – die Zeit zwischen 1870 und 1914 wurde zum Imperialistischen Zeitalter.

Das imperialistische Zeitalter

Das britische Kolonialreich in Asien

Nach dem Verlust der nordamerikanischen Kolonien war Indien zu Großbritanniens wichtigster und reichster Kolonie geworden; wichtige Teile des Landes gehörten der East India Company (mehr). Auf der klassischen Indienroute rund um Afrika hatte das Land mit der Kapkolonie und Natal an der Südostküste Afrikas früh wichtige Stützpunkte erworben; mit Kolonien in Gambia, Sierra Leone, Goldküste (dem heutigen Ghana), Nigeria, der Kapkolonie, großer Teile Ostafrikas, Mauritius, den Seychellen und Ceylon (dem heutigen Sri Lanka) wurde die Route strategisch gesichert – ebenso wie der Weg durchs Mittelmeer mit Stützpunkten in Gibraltar, Malta und Aden.

Die East India Company hatte sich aber übernommen: 150.000 Soldaten kosteten mehr, als selbst die Monopolgewinne einbrachten. Selbst üble Geschäfte – 1770 kaufte sie etwa während einer Hungersnot in Bengalen Reis auf und lagerte diesen in der Hoffnung auf steigende Preise ein; Millionen Bengalen ver­hungerten – konnten sie nicht retten, sondern die Entrüstung in England führte fast zur Pleite. Aber auch, nachdem die Company 1784 unter die Kontrolle der Regierung gestellt wurde, änderten sich ihre Praktiken nicht: In Bengalen etwa wurden die Bauern gezwungen, Opium für den Export nach China anzubauen. Die Zustände in Indien – und die Annexion weiterer Fürstenstaaten durch General­gouverneur Dalhousie – führten 1857 zu einem Aufstand indischer Soldaten gegen die britischen Befehlshaber, dem sich schnell weite Teile der Bevölkerung anschlossen. Die Briten überstanden den "Sepoyaufstand" (sepoy von pers. sipahi = Soldat) nur dank der Unterstützung der Sikhs, die sich so für eigene Niederlagen an den Soldaten rächten. Aber der Krieg und der Sieg waren so teuer, dass England Indien von der East India Company übernehmen musste: Indien kam 1858 unter die Herrschaft der Krone.

In der Kronkolonie wird vor allem die Infrastruktur ausgebaut, die seiner Einbindung in den Weltmarkt dient, wie Eisenbahn- und Telegraphennetz. Diese wurde durch den 1869 eingeweihten Suezkanal und schnelle Dampfschiffe noch erleichtert. Die Kolonie war für England so wichtig, dass 1876 Königin Victoria zur “Kaiserin von Indien” gekrönt wurde. Die Ausbeutung des Landes, aus dem auch große Mengen Weizen und Reis exportiert werden, führt immer wieder zu Hungersnöten. Um dennoch ihre Herrschaft behaupten zu können, schürten die Briten nach dem Motto "teile und herrsche" alte Spannungen zwischen Hindus und Moslem – wofür Indien nach seiner Unabhängigkeit noch einmal einen hohen Preis bezahlen sollte.
(Wie es in Indien weiterging, steht hier.)

Aber auch angebliche Pläne Russlands zur Eroberung Indiens sorgten in London für Unruhe: 1878 versuchten die Briten zum zweiten Mal, das benachbarte Afghanistan zu erobern, scheiterten aber. Der Iran, der 1813 und 1828 den größten Teil seiner Kaukasus-Gebiete an Russland verloren hatte, blieb als Pufferstaat zu den Russen im Norden ein souveräner Staat. (Die Briten bauten dort jedoch ihre Handelsinteressen aus, insbesondere, nachdem 1908 Öl gefunden wurde: die 1914 gegründete Anglo-Persian Oil Company war ein einseitiges Joint-Venture; iranische Arbeiter lebten in Slums, während die Briten im Luxus schwelgten. Siehe auch: Eine kleine Geschichte des Erdöls.) 1886 wurde jedoch das endgültig eroberte Birma Britisch-Indien angegliedert, und 1903/04 wurde Tibet dem britischen Einfluss unterworfen. (China siehe hier.)

Das britische Kolonialreich in Australien

Auch die Besiedlung Australiens war eine indirekte Folge des Verlusts der nordamerikanischen Kolonien: Dorthin waren zuvor Sträflinge aus den über­füllten Gefängnissen Englands als Sklaven an die Plantagenbesitzer verkauft worden; die unabhängigen USA wollten dies nicht mehr. In Australien gab es Kiefern, die für Schiffsmasten geeignet waren, und Flachs zur Herstellung von Segeln, und so entstand die Idee einer Strafkolonie in Ozeanien. 1788 er­reichte die erste Schiffsladung Sträflinge den Kontinent. Sie wurden in der Botany Bay angesiedelt, die sich im Sommer aber als heiß und öde erweis, so dass sie nach Norden in die Sydney Cove weiterzogen. Aber auch hier hatten sie Mühe, zu überleben; Nachschub aus England sicherte aber ihr Überleben. Erst, als die Siedler die Inlandsebenen jenseits der Blue Mountains entdeckten, war Australiens Zukunft entschieden: Schon eine Generation später lieferten australische Schafe große Mengen Wolle. Heute leben etwa 160 Millionen Schafe in Australien.

Für die ursprünglich vor allem an der fruchtbareren Ostküste Australiens lebenden Ureinwohner, die Aborigines, war diese Besiedelung eine Katastrophe: Sie wurden von den Briten als rückständig (zum Teil sogar nicht als Mensch, sondern als offenkundiges Bindeglied zwischen Affe und Mensch) angesehen und verjagt, vergiftet und, zum Teil in regelrechten Treibjagden, erschossen. Andere fielen eingeschleppten Krankheiten zum Opfer; 1836 wurden den Aborigines alle Landrechte abgesprochen. Von den ursprünglich ca. 300.000 bis 900.000 Ureinwohnern überlebten nur etwa 60.000, und die wurden in die landwirtschaftlich nicht nutzbaren Wüsten abgedrängt. Die tasmanischen Ureinwohner wurden bis 1865 von Europäern völlig ausgerottet. Die englischen Siedler bauten mit eingeführten Pflanzen (Weizen, Gerste, Äpfel, Trauben), Tieren (neben Schafen auch Rinder) und moderner Technik eine erfolgreiche Agrarwirtschaft auf. (Im Jahr 1992 entschuldigte sich der australische Premierminister offiziell bei den Aborigines für das erlittene Unrecht, ihre Landrechte wurden im „Native Title Act“ teilweise wieder hergestellt.)

Das britische Kolonialreich in Nordamerika

Auch nach der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten waren den Briten vier Kolonien in Nordamerika geblieben: Neuschottland (von dem 1784 Neubraunschweig als selbständige Kolonie abgetrennt wurde), Neufundland, Rupertsland (das Monopolgebiet der Hudson's Bay Company) sowie das seit 1763 unter britischer Herrschaft stehende Québec. Die Kolonien waren weniger entwickelt als die benachbarten USA und lebten vom Holz- und Pelzhandel sowie von Schiffbau und Fischerei. 1818 einigten sich England und die USA auf den 49. Breitengrad als Grenze zwischen ihren westlichen Gebieten bis zu den Rocky Mountains, das restliche Gebiet zum Pazifischen Ozean ("Oregon-Territorium) wurde zunächst gemeinsam verwaltet (1849 wurde auch hier der 49. Breitengrad als Grenze festgelegt, die Briten erhielten zudem Vancouver Island. 1858 wurde das Gebiet zu Kronkolonie British Columbia). Zu dieser Zeit kam auch der amerikanische Mittelwesten unter den Pflug – einschließlich der Prärien im heutigen Ontario, die viele Einwanderer aus Europa anzogen. Ein immer selbstbewussteres Volk störte sich zunehmend an der Vetternwirtschaft in der Kolonialverwaltung, die Rufe nach Selbstverwaltung wurden lauter. Skandale beim Bau der Eisenbahn vom Pazifik an den Atlantik fachten die Unzufriedenheit an, das mittlerweile bevölkerungsreiche Ontario wollte mehr Einfluss.

Als der amerikanische Bürgerkrieg heraufzog und die Engländer angesichts von Millionen bewaffneter Amerikaner um den Bestand ihrer Kolonie fürchteten, wurde den vier Provinzen Ontario, Québec, Neubraunschweig und Neuschottland im Jahr 1867 als Dominion of Canada (Herrschaftsgebiet Kanada) die Selbst­verwaltung zugestanden. 1869 kaufte das Dominion riesige Gebiete von den Großen Seen bis zu den Rocky Mountains und dem Nordpolarmeer von der Hudson's Bay Company, sie wurden zu den kanadischen Northwest Territories. Als 1871 British Columbia dem Dominion beitrat, reichte Kanada "von Meer zu Meer", wie es in seinem Wappenspruch heißt. Den Status "Dominion" erhielten bald auch die von Weißen beherrschten Australien, Neuseeland, Südafrika und Neufundland. Im Ersten Weltkrieg wurden diese faktisch unabhängig. Verbunden blieben sie aber trotzdem: 1926 wurde für die freiwillige und gleichberechtigte Zusammenarbeit der Begriff Commonwealth of Nations geprägt, das 1931 offiziell gegründet wurde. Heute gehören ihm 54 Staaten an.

Französisch-Indochina und Afrika

Frankreich hatte Kolonien in der Karibik und Ozeanien; in Asien blieb es jedoch den Briten unterlegen. Anläufe zu Eroberungen gab es in den 1850er und 1860er Jahren, als Frankreich Saigon eroberte und Kambodscha unterwarf, aber erst die dritte Republik verstärkte die Aktivitäten wieder und errichtete 1884 ein Protektorat über Vietnam, das sie zwischen 1887 und 1897 zur “Union Indochinoise” ausbaute, die Teile Chinas, Kambodscha und Laos einschloss.

1830 hatte Frankreich Algier erobert und hatte seinen Einfluss bereits seit den 1850er Jahren vom Senegal und dem Golf von Guinea nach West- und Äquatorial­afrika ausgedehnt. Auch dieses Engagement wurde von der dritten Republik ausgeweitet; und dadurch fühlten sich die Briten bedroht und ver­stärkten ihrerseits ihr Engagement in Afrika. Nachdem es 1898 zur Faschoda-Krise gekommen war, redeten beide Mächte über ihre Differenzen, und erzielten 1904 ein Übereinkommen (die “Entente cordiale”), das auch in Europa zu einer weit reichenden Zusammenarbeit führte. Insbesondere einte beide Staaten die Besorgnis über die deutsche Flottenpolitik – Deutschland wollte im Zuge der “Weltpolitik” Kaiser Wilhelm II. mit der englischen Flotte gleichziehen. Das Verhältnis verschlechterte sich weiter, als Deutschland 1905 und 1911 vermeint­liche Ansprüche in Marokko durchsetzen wollte.

Amerikas Imperialismus

Amerika als einstige Kolonie verstand sich seit seiner Unabhängigkeit eigent­lich als anti-imperialistisch. Aber andererseits hatten die Amerikaner die Tendenz, ihre eigenen Werte als Menschheitsideale zu sehen – und für ihre Verbreitung zu sorgen; und dazu kamen wirtschaftliche Interessen. So erzwang 1853 eine amerikanische Flotte die Öffnung japanischer Häfen und den Verzicht des Landes auf Teile seiner Souveränität. Als der kubanische Freiheitskampf die amerikanischen Investitionen auf der Insel gefährdete und die Amerikaner die Märkte im Pazifikraum – vor allem in China – ins Visier nahmen, brachte der spanisch-amerikanische Krieg 1898 die Philippinen (gegen 20 Millionen Dollar Entschädigung) in amerikanischen Besitz, das unabhängig gewordene Kuba wurde 1901 amerikanisches Protektorat. Dieses Vorgehen wurde aber in den USA kritisiert, und Amerika beschränkte sich anschließend auf indirekte Einfluss­nahme – es sah sich beispielsweise als “Polizist Lateinamerikas”, wo es mehr­fach militärisch eingriff.

Russland Imperialismus

Die russischen Pelzjäger in Alaska waren dem seltener werdenden Seeotter nach Süden gefolgt – 1812 errichteten sie nördlich von San Francisco als Außenposten Fort Ross. Als die "Russisch-Amerikanische Kompanie" jedoch versuchte, ihr Han­delsmonopol durchzusetzen, wurde sie aber von Briten und Amerikanern nach Alaska zurück­gedrängt – 1841 verkaufte sie Kalifornien für 30.000 Dollar an den aus der Schweiz eingewanderten John Sutter; und 1867 verkaufte sie Alaska für 7,2 Millionen Dollar an die USA. Während so der Versuch einer Kolonialisierung Amerikas (durchaus lukrativ) scheiterte, ließen Gold- und Silberfunde die Einwohnerzahl Sibiriens schnell steigen. 1860 hatte China das linke Ufer das Amur an Russland abgetreten, das am Japanischen Meer die neue Hafenstadt Wladiwostok ("Beherrsche den Osten") gründete. Russlands Ausdehnung fand hier vor allem entlang der Transsibiri­schen Eisenbahn von Moskau nach Wladiwostok statt, die von 1891 bis 1916 erbaut wurde und das europä­ische Russland mit den Märkten Ostasiens und des Pazifiks verband. Entlang der Strecke war Sibirien bald von über 5 Millionen Menschen besiedelt.

Ge­stärkt durch den Sieg über Napoleon 1812, hatte Russland (jetzt regiert von Nikolaus I.) im Russisch-Persischen Krieg 1826-1828 zudem die Vorherr­schaft im Südkaukasus gewon­nen und über das Kaspische Meer einen östlichen Zugang nach Zentralasien erhalten. Das aber ließ die Briten um ihren Ein­fluss in Persien und wohl vor allem Indien fürchten. 1839 marschierte das Empire daher in Afghanistan ein, wurde aber von den Afghanen 1842 wieder vertrieben (wobei das britische Expeditions­korps vernichtet wurde). Als Russland 1853 die Donaufürstentümer Moldau und Walachei besetzte, die zum Osmanischen Reich gehörten, schloss sich England (und Frankreich) den Osma­nen an, im Krimkrieg 1854 bis 1856 verlor Russland 220.000 Menschen und seinen Zugang zum Schwarzen Meer. Die Niederlage zeigte den russischen Eliten, dass Russland mittlerweile dem Westen Europas, der die Errungen­schaf­ten der industriellen Revolution übernommen hatte, deutlich unterlegen und sein Status als europäische Großmacht gefährdet war. Unter Alexander II. begannen daher tief greifende Reformen; 1861 wurde die Leibeigenschaft der Bauern beendet. Um den Adel zu entschädigen, mussten die Bauern jedoch Los­kaufzahlungen leisten, der der Staat vorfinanzierte. Um diese, Pachten und Steuern zu bezahlen, mussten sie auch in schlechten Jahren ihr Getreide ver­kaufen, das exportiert wurde, um Fremdwährungen zu erhalten. Um den wirt­schaft­lichen Rückstand aufzuholen, wurde zudem der Bau von Eisenbahnen ge­för­dert, dies und die Rüstung sollte die Entstehung einer Schwerindustrie begünstigen. Die Fabriken wurden oft mit ausländischem Kapital errichtet und von ausländischen Ingenieuren geleitet.

Gleichzeitig drang Russland weiter in die kasachische Steppe vor, unterwarf Tschetschenien und Dagestan im Nordkaukasus und die Abchasen im Westkauka­sus. Anschließend waren die zentralasiatischen Khanate nördlich von Afgha­nistan dran: 1865 fiel Taschkent, 1875 das Khanat Kokand. 1877 griff Russ­land das Osmanische Reich im Kaukasus an und eroberte Bulgarien; der Vor­marsch auf Konstantinopel wurde erst durch die Drohung des Briten, in den Krieg einzu­treten, gestoppt. Als Russland 1878 einen Gesandten nach Kabul sendeten, den Wunsch der Briten nach einer Gesandtschaft aber ablehnten, marschierten diese erneut in Afghanistan ein. 1881 zogen sie wieder ab, kontrollierten aber weiter die afghanische Außenpolitik. Als die Russen 1883 die 350 Kilometer nördlich der wichtigen afghanischen Karawanenstadt Herat gelegene Oase Merw eroberten, drohte Krieg. Aber 1885 beschlossen beide, Afghanistan als “Puffer­staat” zwischen ihnen zu belassen. Russland konzen­trierte sich auf den Fernen Osten und drängte in Richtung Mand­schurei und Korea. Dort trafen sie jedoch auf das seit 1902 mit den Briten verbündete Japan und unterlag im Russisch-Japanischen Krieg von 1905 verlust­reich. Die Niederlage brachte Russland an den Rand des Bankrotts und führte zu Unruhen (1905 bis 1907), so dass das Land sich auf seine europäischen Interes­sen beschränken musste. Hier wollte es das Osmanische Reich beerben und so Zugang zu den Meeren erhalten. Zur Vorbereitung begann ein gewaltiges Rüstungs­programm, das auch die inneren Probleme überspielen sollte. Denn den – auch unter dem Einfluss der west- und mittel­europäischen Revolutionen stehenden – Vertretern des frühen russischen Sozialismus (etwa Michail Bakunin), die sich als Gegen-Elite verstanden, reichten die Reformen Alexander II. nicht. Es entstand eine russische Vorstellung vom Weg zum So­zial­ismus, der auf die Bauern setzte und auf den "Umweg" über den Kapitalis­mus verzichten wollte. Nach der Niederlage im Krieg gegen Japan und nachdem eine Arbeiterdemonstration in St. Petersburg blutig niedergeschlagen worden war, war es 1905 zu einer – da anfängliche Zugeständnisse bald wieder zurück­genommen wurden, letztendlich gescheiterten – Revolution gekommen.

Das deutsche Kolonialreich

Das deutsche Kaiserreich begann seine Kolonialpolitik erst 1884, als es den Reichsschutz über 580.000 Quadratkilometer Land erklärte, das der Bremer Kaufmann Lüderitz in Südwestafrika erworben hatte. Im selben Jahr gab es kaiserlichen Schutz auch für Togo und Kamerun, in denen hanseatische Handels­­häuser tätig waren. In Ostafrika eroberte dagegen Carl Peters für die “Gesell­schaft für deutsche Kolonialisation” gezielt Land. 1898 erwarb Deutschland zudem ein Gebiet auf der Shandong-Halbinsel an der chinesischen Ostküste, und schließlich eine Reihe von Inseln in der Südsee (unter anderem den Osten Neuguineas und Teile Samoas). Dennoch fühlte Deutschland sich bei der 'Verteilung der Welt' für zu kurz gekommen, und kompensierte dies mit einer “Weltpolitik”, die wiederum die anderen Großmächte beunruhigte.

Der kranke Mann am Bosporus:
Der Zerfall des Osmanischen Reiches

Für Vielvölkerstaaten wie das Osmanische Reich bedeutete der Nationalismus keine Stärkung, im Gegenteil: Die Völker des Reichs wollten in eigenen Staaten leben. So wurde Serbien bis 1830 zum weitgehend autonomen Fürstentum, Griechen­land ganz unabhängig. Auch in Ägypten wurden die osmanischen Vize­könige, die Khediven, immer mächtiger und faktisch unabhängig (wobei diese in die Abhängigkeit von den Europäern gerieten). Der russische Zar wollte das Osmanische Reich schon unter Österreich, England und Russland aufteilen, aber England und Österreich wollten das Reich er- und Russland fernhalten, der Plan scheiterte. Das Osmanische Reich zerfiel aber weiter: Serbien und Montenegro sowie Rumänien und Bulgarien wurden unabhängig. Ab 1908 versuchten die “Jungtürken”, eine Reformbewegung, das Land zu modernisieren, aber auch sie verloren weitere Landesteile: In den Balkankriegen 1912/13 fast ihr gesamtes europäisches Gebiet.

Österreich-Ungarn

Nachdem das Kaisertum Österreich im Kampf um die Vorherrschaft im Deutschen Bund gegen Preußen den kürzeren gezogen hatte, entstand 1867 die öster­reichisch-ungarische, k. und k. (kaiserliche und königliche) Doppelmonarchie, die auch das heutige Tschechien, Slowakei, Slowenien, Kroatien, Bosnien, Herzegowina und Teile Rumäniens, Montenegros, Polens, der Ukraine und Serbiens umfasste. Auch dieses Reich litt unter Nationalitätenkonflikten, und als die k. und k. Monarchie 1908 Bosnien und Herzegowina annektierte, die zwar von Österreich-Ungarn verwaltet wurden, aber formal zum Osmanischen Reich gehörten, erhielten Gruppen, die von einem großserbischen Reich träumten, Auftrieb. Vor allem Bosnien mit etwa 40 Prozent serbischer Bevölkerung galt ihnen als Teil Serbiens; die k. und k. Monarchie als Besatzer. Nachdem am 28.6.1914 der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau während eines Besuches im bosnischen Sarajevo von einem serbischen Attentäter erschossen wurden, nutzten diejenigen in Wien, die schon länger den serbischen Nationalismus mit einem Krieg ausschalten wollten, ihre Chance: Sie forderten den Einsatz österreichisch-ungarischer Ermittler in Serbien – eine Preisgabe serbischer Souveränität. Dieser Forderung kam Serbien nicht nach, am 28.7.1914 erklärte daraufhin Österreich-Ungarn den Krieg – dieser löste den Ersten Weltkrieg aus.

Die Eroberung Afrikas

Das Innere Afrikas war schwer zugänglich und galt über Jahrhunderte ohnehin aus klimatischen Gründen als für Europäer unbewohnbar; die großen Flüsse wie der Zaire, der Kongo oder Sambesi waren mit Wasserfällen für Schiffe un­passier­bar; auch gab es keine derart begehrten Güter wie die Gewürze Asiens, die abenteuerlustige Naturen dazu bringen konnten, diese Hindernisse zu überwinden. So drangen zunächst nur Handelskarawanen und afrikanische Sklavenjäger in das Innere des Kontinents vor; europäische Ansiedlungen blieben lange auf die Küsten sowie den Norden und Süden Afrikas mit seinem Mittelmeerklima beschränkt.

Die niederländische Kapkolonie im Süden Afrikas litt unter dem Niedergang der Niederlande und der Ostindischen Kompanie am Ende des 18. Jahrhunderts, und als 1795 ein britisches Geschwader bei Kapstadt landete, ergab sie sich fast kampflos. Der Verbot des Sklavenhandels war für die Buren, die sich als Herren­volk sahen mit naturgegebenen Rechten, über die Schwarzen zu herrschen, eine Demütigung. Die Briten waren aber militärisch überlegen; und so brachen ab 1835 die Buren mit mehreren Trecks ins Innere des Kontinents auf. Nach Kämpfen mit den dort ansässigen Zulus gründeten sie schließlich zwei Buren-Republiken (Transvaal und den Oranje-Freistaat), die 1852 von den Briten anerkannt wurde. Als nach 1867 dort Diamanten und Gold gefunden wurden, flammten die Konflikte zwischen Briten und Buren wieder auf und führten 1899 zum Krieg, den die Briten gewannen. Um die Loyalität der besiegten Buren zu gewinnen, opfern die Briten die Rechte der Schwarzen: Diese erhalten in der Verfassung von 1910 kein Wahlrecht. Die ersten Wahlen in der “Südafrikanischen Union” gewannen 1913 die burischen Parteien, und Premier Louis Botha weist den schwarzen Südafrikanern Reservate in ihrem eigenen Land zu; 1923 werden auch schwarze Arbeiter in bestimmte Wohngebiete in den Städten verbannt.

Im 19. Jahrhundert begannen dann aber doch protestantische britische Missionare, das Innere Afrikas zu erkunden. Am bekanntesten wurde David Livingstone, der unter anderem die Victoriafälle im Sambesi entdeckte und als erster Europäer Afrika von Küste zu Küste durchquerte. Andere Forscher entdeckten die großen Seen und kartierten den Kongo und den Niger. Ende des 19. Jahrhunderts wurde Afrika dann auch aus wirtschaftlichen Gründen interessant: Rohstoffe wie Kupfer sollte es hier in großen Mengen geben, auch Baumwolle, Palmöl und Gummi wurden immer gefragter. Deutschland wollte zudem nach Afrika, da Amerika und Asien bereits aufgeteilt war; in Frankreich erwachte neues Interesse an seinen Kolonien; Newcomer wie Italien und Belgien wurden ebenfalls aktiv. England fürchtete um seinen Einfluss. Um einen Krieg zwischen den Kolonialmächten zu vermeiden (der den Afrikanern womöglich gezeigt hätte, dass diese nicht unverwundbar sind) wurde auf der Berliner Konferenz 1884/85 Afrika in Interessengebiete eingeteilt: England strebte eine Nord-Süd-Achse an (der britische Unternehmer und Politiker Cecil Rhodes, einer der führenden britischen Akteure, plante eine Eisenbahn von Kairo zum Kap); Frankreich wollte Gebiete vom Westen nach Osten, von Dakar bis Dschibuti. Nach der Konferenz begannen die Staaten, “ihre” Territorien – soweit noch nicht geschehen – zu erobern. Deutschland kolonialisierte Deutsch-Südwestafrika (das heutige Namibien), Kamerun und Togo sowie Deutsch-Ostafrika (das heutige Tansania). 1898 waren England und Frankreich bei der Verfolgung ihrer Achsenideen beim sudanesischen Ort Faschoda aufeinandergestoßen. Ein Krieg konnte knapp vermieden werden, beide einigten sich im Sudanvertrag auf ihre jeweiligen Einflussgebiete – damit war Afrika endgültig verteilt. Im frühen 20. Jahrhundert war fast ganz Afrika europäischer Herrschaft unterworfen, unabhängig blieben nur Äthiopien und Liberia.

China und Japan

Der Niedergang des Qing-Reiches und der Aufstieg Japans

Das Qing-Reich litt nach 1800 zunehmend unter Bauernaufständen, die gegen steigende Geldforderungen (wegen teurer Kriegszüge und zunehmender Korrup­tion) gerichtet waren. Unermesslich reich waren aber die Händler in Kanton am Perlfluß (dem heutigen Guangzhou): Tee, Seide und Porzellan waren im Westen derart begehrt, dass den Briten das Silber auszugehen drohte. Die Briten begannen, Opium nach China zu schmuggeln, das die East India Company in Bengalen anbauen ließ. Millionen Menschen verfielen der Droge. Als der vom Kaiser nach Kanton entsandte Lin Zexu 1839 20.000 Kisten Opium beschlag­nahmte und in den Perlfluss kippte, schickte Großbritannien ein Strafkorps: Im “Opiumkrieg” 1840 bis 1842 unterwarf dieses die technisch hoffnungslos unterlegenen chinesischen Truppen; Großbritannien erhielt neben einer reich­lichen Entschädigung die Insel Hongkong und erzwang die Öffnung weiterer chinesischer Häfen für den Handel, darunter Shanghai. 1856 zogen Briten und Franzosen unter einem Vorwand und im Schatten des Taiping-Aufstandes (siehe unten) erneut in den Krieg mit China, sie gelangten 1860 bis Peking und zerstörten den kaiserlichen Sommerpalast. Sie erzwangen faktisch die Legalisierung der Einfuhr von Opium und erweiterten Zugang für westliche Mächte zum Handel mit China.

Ähnlich erging es Japan. Ab Anfang des 19. Jahrhunderts erreichten immer mehr ausländische Schiffe das weitgehend abgeschottete Land, und japanische Häfen wurden unter Gewaltandrohung geöffnet; dem Land von den USA und Russland ungünstige Handelsverträge (die es 1861 auch mit Frankreich und Preußen abschließen musste) aufgezwungen, die im Land bald "ungleiche Ver­träge" genannt wurden. Der Streit um die Haltung gegenüber den Ausländern führten zu einem Bürgerkrieg, der 1868 mit der Absetzung des Shogun endete. Die Sieger übernahmen im Namen des gerade einmal 15-jährigen Tenno (Kaisers) Mutsuhito die Macht und versuchten, unter der Devise "Meiji" (erleuchtete Herrschaft) das Erfolgsrezept der Fremden zu verstehen und das beste hiervon mit ihrem eigenen Erbe zu verbinden. Eine große, hochrangig besetzte Dele­gation reiste durch Europa und die USA und lernte; Japan wurde zur ersten nichtwestlichen Industrienation. Zugleich wurde die von 20.000 Ainu, Jägern und Sammlern, bewohnte Insel Ezo im Norden Japans als Hokkaido kolonisiert, Kohlefunde erleichterten den Aufbau einer Schwerindustrie.

In China ging die Geschichte anders aus. Zahlreiche Chinesen verließen im 19. Jahrhundert ihr Land und verdingten sich als Kuli in anderen asiatischen Ländern oder in Amerika. Im Jahr 1850 führten die Krise des Qing-Reiches und die erzwungene Öffnung zum Taiping-Aufstand, dem mit 20 bis 30 Millionen Toten größten Bürgerkrieg der Geschichte. Angeführt von dem charismatischen Hung Xiuquan, der sich seit seiner Begegnung mit einem Missionar für den jüngeren Bruder Jesu hielt, nahmen zehntausende Aufständische eine Reihe südchinesi­scher Städte ein und schließlich Nanking, die alte Hauptstadt des Ming-Reiches. Darauf begannen die chinesischen Herrscher ernsthaft mit der Bekämpfung des Aufstandes; sie sollten Mittel- und Südchina für Jahre in ein Schlachtfeld verwandeln. 1864 hatte die alte Ordnung schließlich gesiegt; und Li Hongzhang versuchte, mit den Westmächten zusammenzuarbeiten – und gleich­zeitig von ihnen zu lernen; China wollte sich nach westlichem Vorbild modernisieren. Der Versuch blieb jedoch regional begrenzt und verlief im Sande.

1894/95 verlor China einen Krieg gegen Japan, das inzwischen Sendungs­bewusst­sein entwickelt hatte und Korea aus chinesischer Hand befreien wollte. Damit verlor China endgültig sein Ansehen bei den westlichen Großmächten. Diese siedelten nun Industrien an, legten Eisenbahntrassen an und verkauften ihre Konsumgüter im ganzen Land. 1900 kam es zu Angriffen von “Boxer” genannten Aufständischer gegen Ausländer; dieser “Boxeraufstand” wurde von einer Armee der Großmächte niedergeschlagen. In den Folgejahren musste China etwa die Hälfte seines Haushalts für Entschädigungszahlungen ausgeben.

Ab 1905 versuchte die Kaiserwitwe Cixi, noch einmal, China umfassend zu reformieren – zu spät, denn 1911 wurde sie – bzw. der erst fünf Jahre alte Thronerbe Pu Yi, für den sie seit 1908 das Amt führte – bei einem erneuten Aufstand abgesetzt. 1912 wurde China Republik, ihr erster Präsident war Sun Yatsen. Er blieb – auf eigenen Wunsch – nur sechs Wochen im Amt, sein Nach­folger war der General Yuan Shikai. Dieser ließ bald Sun Yatsens Nationale Volkspartei (Kuomintang) verbieten und wurde zum Diktator. Aber er konnte China nicht zusammenhalten, Tibet und die Mongolei erklärten ihre Unab­hängig­­keit. Japan konnte dagegen 1904/05 einen Russisch-Japanischen Krieg um seine Interessen in China und Korea gewinnen: es versenkte bei Tsushima im Pazifik die russische Flotte und wurde damit zum ersten asiatischen Land, das eine europäische Großmacht schlug. Russland musste die Halbinsel Liao­dong und die Südhälfte der Halbinsel Sachalin abgeben. 1910 besetzte Japan Korea, und 1914, mit Ausbruch des ersten Weltkriegs, riss Japan die deutsche Kolonie in Shan­dong an sich. China dagegen zerfiel nach Yuan Shikais Tod im Jahr 1916 fak­tisch in Herrschaftsgebiete zahlreicher warlords, also selbst­ernannter Kriegs­herren.

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Die beiden großen Weltkriege (1914 bis 1945)

© Jürgen Paeger 2006 – 2022

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Verstärkt wurde die Unruhen durch die wachsenden sozialen Ungleichheiten der frühen Industrie- gesellschaften, mehr dazu hier.

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