Hintergrundinformation
Eine kleine Geschichte der Menschheit
Von der Zeitenwende bis zur Renaissance
Der Handel zwischen den Zivilisationen der
alten Welt lieferte auch den Kartographen nützliche Informationen.
Der römische Astronom
und Geograph Ptolemäus erstellte im 2. Jahrhundert n. Chr. eine Weltkarte,
die über 1.000 Jahre lang die Grundlage der westlichen
Geographie bildete. Das Original ist verschollen, die Abbildung ist
eine Gravur von Johannes Schnitzer aus dem Jahr 1482, die mit den 12
Winden illustriert ist. Ptolemäus hat die Ausdehnung Asiens
überschätzt – ein Fehler, der möglicherweise Christoph Kolumbus
ermutigte,
Asien auf dem Seeweg nach Westen zu suchen. Abb. aus
wikipedia commons (abgerufen 11.5.2013), gemeinfrei.
Römisches Kaiserreich und Christentum
Die römischen Truppen waren Augustus schon vor der Verleihung
dieses Ehrentitels ergeben; die alten Eliten waren nach den
Erfahrungen mit der Diktatur Julius Caesars und den Bürgerkriegen
skeptischer. 23 v.u.Z. verzichtete Augustus daher auf das Amt des
Konsuls, erhielt dafür aber die Befugnisse eines Tribuns – und
einige Jahre später auch die eines Konsuls. Formell war er den
anderen Senatoren gleichgestellt, faktisch hatte er dadurch als primus
inter pares ("Erster unter Gleichen") die Macht; das alte
Konsensprinzip war durch Führung des "ersten Bürgers" ersetzt
worden und die Bedeutung des Titels Imperator wandelte sich
vom militärischen Befehlshaber zur Bezeichnung für den römischen
Kaiser. Seine Macht nutzte Augustus, um nach den Bürgerkriegen die
römische Ordnung wiederherzustellen, u.a. durch die Wiederbelebung
der alten religiösen Kulte, hatte doch nach weit verbreitetem
Glaube die Gunst der Götter Rom einst erst groß gemacht. Er löste
das Problem der Landverteilung an die entlassenen Soldaten (die
aufgrund der Enteignungen der vorherigen Besitzer immer wieder zu
Unruhen geführt hatte), indem er eine Berufsarmee schuf, deren
Soldaten bei der Entlassung eine finanzielle Abfindung erhielten.
Zur Unterstützung dieser Armee aus römischen Bürgern gab es
Hilfstruppen aus den reichszugehörigen Völkern, deren Soldaten bei
der Entlassung das römische Bürgerrecht (aber ebenfalls kein Land
mehr) erhielten.
Diese Truppen nutzte Augustus, um das schwer zu verteidigende
römische Reich abzurunden. Dabei suchte er natürliche Grenzen und
schloss etwa die Lücke zwischen dem Westen und dem Osten des
römischen Gebietes durch die Eroberung des Balkans bis zur Donau.
(Der Versuch einer Grenzziehung an der Elbe scheiterte jedoch, als
es den einer Allianz germanischer Stämme gelang, im Jahr 9 n.Chr.
drei römische Legionen in der Varusschlacht zu
vernichten; einige Jahre später mussten die Römer ganz auf die
geplante Provinz Germania verzichten und zog ihre Truppen an den
Rhein zurück.) Im Osten gab es dem direkten römischen
Herrschaftsgebiet vorgelagerte Königreiche, die unter römischem
Einfluss standen, was es Rom ersparte, hier eigene
Verwaltungsstrukturen aufzubauen (zu diesen "Klientelstaaten"
gehörte das von König Herodes regierte Judäa). Rom erhielt
weiterhin bedeutende – und dank der regelmäßigen Nilfluten auch
zuverlässige – Getreidelieferungen aus Ägypten; über Alexandria
erhielt es zudem auch Luxusgüter aus dem "Indienhandel", der sich
vertieft hatte, seitdem Händler und Seefahrer gelernt hatten,
direkt über das Rote Meer nach
Indien zu segeln. Über Indien gelangte wohl auch schon Seide
aus China nach Rom. Die als pax romana
bezeichnete Wiederherstellung des inneren Friedens und der damit
verbundene Wohlstand und die erfolgreiche Ausdehnung des Reiches
sorgten dafür, dass Augustus' Machtfülle keinen Widerstand
hervorrief. Damit das auch bei seinem Nachfolger so blieb, stellte
Augustus seine Nachfolge früh klar: er verheiratete seine Tochter
Julia mit seinem Stief- und Adoptivsohn Tiberius, dem er
zudem an seinen Amtsgeschäften beteiligte. So überstand das
Kaisertum den Tod Augustus' im Jahr 14 n.Chr.
Die Nachfolgeregelung blieb auch danach problematisch – der neue
Kaiser musste sowohl von den Soldaten akzeptiert werden als auch die
nicht immer deckungsgleichen Interessen der zivilen Eliten
berücksichtigen; wenn das nicht gelang, konnte das – in den
folgenden 200 Jahren geschah dies zweimal – wieder zu Bürgerkriegen
führen. Aber im Großen und Ganzen waren die folgenden 200 Jahre
dennoch eine Zeit des inneren Friedens und des Wohlstands. Um den
äußeren Frieden zu sichern, sollten die Grenzen weiter optimiert
werden; dazu gehörte, die noch fehlenden Gebiete innerhalb von
Rhein, Donau und Euphrat zu erobern und die Klientelstaaten zu
römischen Provinzen zu machen. Um Gallien abzusichern, wurde ab 43
n.Chr. Britannien erobert (wo unter Kaiser Hadrian ein Grenzwall,
der "Hadrianswall" errichtet wurde); um die Grenze zwischen Rhein
und Donau zu verkürzen, begann unter Kaiser Domitian 83 n.Chr. die
Eroberung germanischen Gebiets. Um diese Grenze zu sichern, wurde
der "Obergermanisch-Rätische Limes" als Grenzwall erreichtet. Kaiser
Trajan eroberte das Reich der Daker im Karpatenbogen (106 n.Chr.)
und Armenien, Mesopotamien und Assyrien (114-116 n.Chr.). Mit der
Verteidigung dieser letzten Eroberungen wäre das Reich aber
überfordert gewesen, Kaiser Hadrian verzichtete daher sofort nach
Amtsantritt (117 n.Chr.) auf diese drei Provinzen. Unter Trajan
hatte das Römische Reich daher seine größte Ausdehnung erreicht. In
den folgenden Jahren ging es vor allem darum, Angriffe auf diese
Grenzen abzuwehren, so gelang es unter Kaiser Marc Aurel, Angriffe
der Parther im
Osten abzuwehren (161-166). Auch die Nordgrenze blieb unruhig, ab
166 fielen etwa die germanischen Markomannen mehrfach in das
Römische Reich ein (die Einfälle gelten manchem Historiker als
Vorboten der Völkerwanderung); sie
konnten nur unter großen Anstrengungen abgewehrt werden. Seit 165 suchte zudem eine vermutlich von
heimgekehrte Legionären im Krieg gegen die Parther ins Land
gebrachte Pandemie
das Römische Reich heim, die "Antoninische Pest" (vermutlich
eine Pockenepidemie). Sie
führte zu einem Massensterben, alleine in Rom starben 2.000 Menschen
am Tag. Möglicherweise verstarb auch Marc Aurel 180 bei einem
Feldzug gegen die Markomannen (die ebenfalls, aber mit weniger gut
dokumentierten Folgen, unter dieser Pest litten) an dieser
Krankheit. Insgesamt hat sie wohl 7 bis 10 Millionen Menschen das
Leben gekostet [604].
Umstritten ist, inwieweit die Antoninische Pest (die ab 189
abebbte) und die von ihr ausgelösten wirtschaftlichen und sozialen
Verwerfungen zu den Problemen des Römischen Reiches im 3.
Jahrhundert beigetragen hat. Marc Aurels Sohn und Nachfolger
Commodus jedenfalls, der die Besteuerung der Senatoren erhöhen
wollte, wurde nach mehreren gescheiterten Attentatsversuchen 192
ermordet, und es begann eine Kette von gewaltsamen Machtübernahmen
und Bürgerkriegen. Erschwert wurde die Lage durch erneute Angriffe
germanischer Stämme im Norden, vor allem aber der Sassaniden (die im
Jahr 224 das Partherreich erobert hatten und das
Sassanidenreich oder “dritte Perserreich” begründet
hatten) Osten; Kaiser Valerian starb in sassanidischer
Gefangenschaft, in die er 260 geraten war. Am Schwarzen Meer fingen
die dort siedelnden Goten (die ihrerseits von den Hunnen bedrängt
wurden, siehe Völkerwanderung) an,
den Balkan zu plündern. Dabei kämpften (und siegten) sie im Jahr 251
im heutigen Bulgarien gegen die Römer, wurden aber 269 im heutigen
Serbien vernichtend geschlagen. Dazu kam eine erneute Pandamie, die
"Cyprianische Pest": diese war 250 wohl in Äthiopien
ausgebrochen und wütete schlimmer als die Antoninische Pest: in Rom
sollen bis zu 5.000 Menschen am Tag gestorben sein. (Der Erreger ist
unbekannt, wahrscheinlich waren es ebenfalls die Pocken,
vielleicht sogar eine Rückkehr der Antoninischen Pest.) Eine Folge
der Kriege (und der Pest) war, dass sich die Schwerpunkte des
römischen Reichs an seine Ränder, wo es verteidigt wurde,
verschoben: die Militärverbände verteidigten ihre Heimat, ließen
sich aber nicht ohne Widerstand in andere Regionen verlagern. Das
begünstigte Aufstände lokaler "Gegenkaiser". Erst Kaiser Aurelian
konnte 273 nach der Aufstellung starker Reiterverbände, die in
Norditalien stationiert waren, die Einheit des Reiches
wiederherstellen. Um das Reich an den vielen Fronten besser steuern
zu können, schuf Kaiser Diokletian 284 das "Kollegium":
fortan sollten vier Teilkaiser für die Teile des Reichs zuständig
sein, von denen zwei als Augusti den beiden Caesares übergeordnet
waren.
Diokletian
hatte aber noch ein anderes Problem: die Christen. Im
östlichen Mittelmeerraum hatte schon vor der Zeitenwende ein
halbnomadischer Stämmebund mit dem Judentum eine einheitliche
Kultur und Religion entwickelt, zu der der Glaube an einen einzigen
Gott gehörte. Im Jahr 63 v.u.Z. hatte das Römische Reich sein
Siedlungsgebiet in Palästina erobert. Viele Juden glaubten, ihr
Gott werde sie vor diesem Besatzer schützen – darunter war ein
jüdischer Wanderprediger, der um 27 v.u.Z. begann, seine Lehre zu
verkünden: Jesus von Nazareth. Diese Lehre (“die Letzten werden die
Ersten sein”) verschreckte auch manche jüdische Synagoge; und er
wurde durch die römischen Besatzer gekreuzigt. Am dritten Tag nach
seinem Tod verschwand seine Leiche aus dem Grab, und seine Anhänger
wollten ihn hier und da gesehen haben. Sie hielten ihn für den
jüdischen Messias und Sohn Gottes, der nach seinem Tod zu seinem
Vater zurückgekehrt war: das ist die Grundlage des Christentums
(heute mit etwa zwei Milliarden Gläubigen die anhängerstärkste
Religion der Welt). In der Krise des 3. Jh. war es im Römischen
Reich erneut zu einem Aufleben der überlieferten religiösen Kulte
gekommen, das führte aber zum Konflikt mit dem Christentum: die
Christen, die nur einen einzigen Gott akzeptierten, weigerten sich,
die in den traditionellen Riten geforderten Opfer zu bringen, was
die Römer irritierte, zumal die fanatischeren unter den Christen
auch begannen, sie als "Heiden" zu bezeichnen. Gelegentlich wurden
die Christen daher zu Sündenböcken (so 64 unter Kaiser Nero,
der ihnen die Schuld an einem katastrophalen Brand in Rom zuschob).
Im 3. Jh. kam es dann unter den Kaisern Decian und Valerian zu
Christenverfolgungen; insgesamt konnten aber auch die Christen von
der alten römischen Tradition der Freiheit der Religionsausübung
profitieren und der Glauben sich daher ausbreiten [610].
Diokletian glaubte dagegen nicht an die Vereinbarkeit der römischen
Lebensweise mit dem Christentum: erst entfernte er die Christen aus
Armee und kaiserlichem Dienst, ab 303 begann er mit einer
Christenverfolgung, mit der ihre Kirche zerschlagen werden sollte
(die Verfolgung endete im Westen des Reiches nach zwei Jahren, hielt
im Osten aber auch unter Diokletians Nachfolger Galerius bis
311 an).
Diokletians
Aufteilung des Reichs sollte nach seinem Abtritt zum Zerfall des
Reiches in einen westlichen und einen östlichen Teil führen. Im
Westteil kam es zu zahlreichen Bürgerkriegen, in denen auch die
infolge der Völkerwanderung ins
Land gekommenen germanischen Stämme eine Rolle spielten. 410
überfiel etwa der Gotenkönig Alarich, ein römischer General, Rom und
konnte die Stadt vollständig erobern, bevor er weiterzog. Die
Bürgerkriege schwächten das Heer genauso wie die äußeren Feinde,
und nachdem 429-439 die Vandalen die reichste Provinz Nordafrika
eroberten, auf deren Steuereinnahmen und Getreidelieferungen Rom
angewiesen war, zerfiel das weströmische Reich. 476 setzte Odoaker,
ein Militär germanischer Herkunft, den letzten Kaiser Romulus ab.
Das oströmische Reich fand 306 mit Konstantin
dem Großen einen fähigen Führer. Zunächst war Konstantin
"nur" Teilkaiser, aber die unter Diokletian herrschende Einigkeit
unter den Teilkaisern war nach dessen Rücktritt 305 vorbei. Es kam
erneut zu Bürgerkriegen, in deren Verlauf Konstantin zum
Alleinherrscher werden sollte: erst besiegt er 312 bei Rom den
Herrscher über Italien und Africa, Maxentius; 324 dann den Augustus
des Ostens, Licinus. Im Vorfeld der Schlacht gegen Maxentius soll
Konstantin eine Vision gehabt und ein leuchtendes Kreuz gesehen
haben, worauf er das Christusmonogramm auf die Schilder seiner
Soldaten malen ließ; nach dem erfolgreichen Kampf stützte er seine
Herrschaft auf das Christentum (ließ sich aber erst auf dem
Sterbebett taufen). Das förderte die Verbreitung des Christentums im
gesamten Mittelmeerraum. Konstantin gründete 330 zudem an Stelle des
griechischen Byzantion am Bosporus das "neue Rom" – die neue
Hauptstadt Konstantinopel. Diese profitierte auch
von ihrer Lage an einem strategischen Handelsknotenpunkt zwischen
Mittelmeer und Schwarzem Meer – das aus griechischen und
ptolemäischen Zeiten stammende Handelsnetzwerk bestand im westlichen
Mittelmeerraum nach wie vor.
Byzanz, wie das oströmische Reich nun auch genannt
wurde, überdauerte noch weitere tausend Jahre. Kaiser Julian
(361 – 363) versuchte noch einmal, das Christentum zurückzudrängen,
aber ohne Erfolg, unter
Kaiser Theodosius (379 – 395) begann dann sogar eine
systematische Verfolgung der "Heiden": Opferriten wurden mit
brutalen Strafen verfolgt, "heidnische" Statuen und Tempel zerstört,
"heidnische" Bücher verbrannt [612].
Mit der Übernahme des Christentums als Staatsreligion gewannen aber
auch die innerchristlichen Streitigkeiten an Bedeutung, etwa über
die (menschliche oder göttliche) Natur des Christus (und damit auch
über den Rang Marias – war sie "Mutter Gottes" oder nicht?). Die
über diesen Fragen entstehenden Spannungen sollten dazu beitragen,
dass die Christen später den islamischen Arabern nicht einig
gegenüberstanden. Auch schwächte das Christentum die Rolle des
Kaisers, stand doch jetzt ein allmächtiger Gott über diesem – und
spielte daher der geistliche Leiter der Kirche, der Bischof von Rom
(für den sich die Bezeichnung "Papst" einbürgerte), als dessen
"Vertreter auf Erden" eine zunehmende Rolle. Auch das alltägliche
Leben änderte sich: An die Stelle des römischen Carpe diem
("Genieße den Tag"), das dazu aufforderte, das kurze Leben zu
genießen, trat die Furcht davor, nach dem Ableben in Folge der
Sünden auf der Erde in die Hölle zu gelangen. Das Verhältnis zur
Körperlichkeit änderte sich: waren die alten Römer ausgesprochen
sinnenfroh, wie etwa die Liebesgedichte eines Ovid zeigen, konnte
Sex, der nicht ausschließlich der Zeugung von Nachwuchs diente,
jetzt direkt in die Hölle führen. Der neue Gott und seine Bischöfe
interessierten sich aber nicht nur für das, was in privaten
Schlafzimmern geschah, auch Theatervorstellungen und Badehäuser
fielen unter den christlichen Bann.
Politisch aber war Byzanz lange Zeit noch stark: es kam zwar immer
wieder Auseinandersetzungen mit den Sassaniden, Byzanz konnte unter
Justitian I. (525 – 567) aber große Teile des alten
römischen Reiches im Westen wieder zurückerobern, darunter auch Italien. Gleichzeitig verlor das Reich
jedoch im Osten Gebiete an die Sassaniden. Zudem verheerte eine erneute Pandemie das
römische Reich, von der 541 zum ersten Mal aus Ägypten berichtet
wurde: die Justitianische Pest erreichte 542 Konstantinopel;
diesmal handelte es sich im Unterschied zur Antoninischen Pest
tatsächlich um die (Beulen-)Pest
(ausgelöst durch das Pestbakterium Yersinia pestis, wie
inzwischen DNA-Proben aus der justitianischen Zeit [614]
belegen). Die Pest fiel zusammen mit dem vollen Einsetzen der spätantiken
kleinen Eiszeit (und folgte auf die möglicherweise durch
Vulkanausbrüche ausgelösten besonders kalten Jahre 535/536 [wikipedia]);
sie breitete sich in kurzer Zeit im gesamten römischen Reich (mit
Ausnahme der Arabischen Halbinsel, wo eine überwiegend nomadische
Bevölkerung lebte) aus und erreichte auch Persien. Die Zahl der
Opfer ist unbekannt, Schätzungen reichen von 20 bis 50 Prozent der
Bevölkerung des römischen Reiches. Die Pest klang nach etwa drei
Jahren wieder ab, sollte allerdings in der Folgezeit (bis 770) etwa
alle 15 bis 20 Jahre wieder auftreten. Im Jahr 664 erreichte sie
dabei auch den Norden Europas bis nach Großbritannien.
Die Sassaniden erlebten im 6. Jahrhundert eine Blütezeit, während
Byzanz nach Justitians Tod einen Teil seiner Gebietsgewinne
(darunter Italien) – möglicherweise auch in Folge der Schwächung
durch die Pest – wieder verlor. Das Verhältnis zwischen Rom und den
Sassaniden blieb spannungsreich, umstritten blieben insbesondere
der Kaukasus und Mesopotamien. Schließlich aber überforderten die
Sassaniden-Könige ihr Heer und ihr Volk; auf die Eroberung Ägyptens
619 und das Vorrücken bis Konstantinopel 626 folgte die Niederlage
gegen Byzanz in der Schlacht bei Ninive 627. Beide Großmächte wurden
durch diese Auseinandersetzungen weiter geschwächt, und es sollten
mächtige Eroberer kommen, die von ihrem neuen Glauben, dem Islam,
angetriebenen Araber: Sie vernichteten das Sassanidenreich und
beschränkten Byzanz auf ein Kerngebiet in Kleinasien.
Der Islam und sein Reich
Der Islam war in der arabischen
Halbinsel entstanden, wo der Überlieferung zufolge im Jahr 610 dem
Propheten Mohammed erstmals der Erzengel Gabriel erschien, der ihm
nach und nach die Verse des Korans offenbarte. Mohammeds Lehre von
nur einem Gott stand im Widerspruch zur auch hier herrschenden
Tradition vieler Götter; und seine Heimatstadt Mekka lebte nicht nur
vom Handel der Karawanen, sondern war als Heiligtum einer örtlichen
Gottheit auch ein bedeutendes Pilgerziel. Mohammed hatte hier keine
Zukunft und floh 622 nach Medina, knapp 400 Kilometer nördlich
gelegen. Die Stadt wurde zum Zentrum islamischen Lebens; und
Mohammed wurde zu ihrem geistlichen und weltlichen Führer. Er begann
mit ersten “Razzien” (Überfälle) gegen Karawanen nach Mekka; und war
im Jahr 630 stark genug, seine ehemalige Heimatstadt zu erobern.
Eines der Glaubensprinzipien des Islam ist der Dschihad, der
offensive Kampf zur Ausbreitung des Islam, und noch zu Lebzeiten
Mohammeds begann ein Siegeszug.
Nach Mohammeds Tod im Jahr 632 eroberten seine Nachfolger (die 661
die Hauptstadt nach Damaskus verlegten) und ihre
Krieger zunächst große Teile des Sassanidenreichs sowie die
syrischen und ägyptischen Provinzen des Byzantinischen Reichs.
Anschließend – nach einem gescheiterten Versuch, Nubien zu erobern -
stießen sie entlang der südlichen Mittelmeerküste in die Provinz
Ifriqiya (das heutige Ostalgerien, Tunesien und Libyen) vor,
eroberten 698 Karthago, gründeten das benachbarte Tunis und die
Garnison Kairouan, zogen weiter nach Marokko setzten schließlich 711
auf die Iberische Halbinsel (al-Andalus) über – erst 732 wurden sie
von den Franken gestoppt. In Zentralasien
erreichten sie den Indus und Samarkand (mehr).
Nur 80 Jahren nach Mohammeds Tod reichte das Reich des
Islam von Lissabon am Atlantik bis nach Samarkand in
Zentralasien.
Ein solch großes Reich war, wie schon das Römische Reich erfahren
hatte, nicht leicht zusammenzuhalten, zumal auch die gemeinsame
Religion nicht nur einte: die Anhänger des Islam stritten um die
Frage, wer als legitimer Nachfolger (Kalif) von Mohammed gelten
kann. Auch das Zusammenleben der Araber mit ihren mitgebrachten
Stammesloyalitäten – die in der Ferne womöglich noch intensiviert
wurden – mit den alten Kulturen der Syrer und Perser verlief nicht
immer spannungsfrei. Mitte des 8. Jahrhundert vereinigte sich die
Opposition gegen die in Damaskus regierende Umayyaden-Dynastie, die
im Jahr 750 mit deren Ablösung durch die Abbasiden führte. Diese
machten Bagdad zur neuen Hauptstadt des
islamischen Reichs. Die ehemaligen sassanidischen Gebiete waren ihr
Hauptinteresse, der Westen kümmerte sie weniger: so konnte ein
Umayyaden-Prinz, dem es gelang, nach Andalusien zu fliehen, 756 zum
Emir von Córdoba werden, der neuen Hauptstadt des
moslemischen Spaniens, werden. Auch in Tunesien konnte 800 mit den
Aghlabiden ein lokale Dynastie die Herrschaft übernehmen. Die
Aghlabiden eroberten 827 Sizilien.
Ab 750 waren es aber nicht mehr überwiegend militärische
Eroberungen, sondern das Netzwerk arabischer Händler, das die
Ausbreitung des Islam wesentlich förderte. Nach dem Ende des
Römischen Reichs hatten diese Händler ihre alte Rolle im
Gewürzhandel zurückerobert, und ihre Rolle bei der Ausbreitung des
Islam zeigt sich heute noch daran, dass Indonesien der
bevölkerungsreichste muslimische Staat ist – aber niemals
militärisch vom Islam erobert wurde. Mohammed war selbst ein Händler
gewesen; und im 8. Jahrhundert begannen arabische Seefahrer sogar,
selbst bis nach China zu segeln, wo sie in Kanton handelten. Auf
diesen Reisen über den Indischen Ozean beruhen die Geschichten von
Sindbad dem Seefahrer; die Ausdehnung des islamischen Reichs sollte
auch die Reise des Ibn Battuta zeigen.
Der Handel sorgte dafür, dass Jade, Seide und Porzellan aus China in
das islamische Reich gelangten, aus Afrika
Gold, Elfenbein und Sklaven und aus Russland Pelze und Bernstein.
Lediglich im westlichen Mittelmeer dauerte es
eine Zeit, bis die durch die arabischen Eroberungen zerstörten alten
Handelsnetze sich neu ausbildeten. Da es Muslimen untersagt war, in
den Ländern Ungläubiger zu leben, lag der Handel dann oft in Händen
jüdischer oder christlicher Kaufleute – darunter ganz neue
Mitspieler wie die an einer Lagune gelegene Handelsstadt Venedig,
die mit einem Salzmonopol zu Reichtum gekommen war, eine zentrale
Rolle im Handel zwischen Westeuropa und Byzanz spielte und früh
Kontakt zu den neuen muslimischen Herrschern aufnahm. Aber arabische
Seeräuberei behinderte den Handel noch länger, erst im 9.
Jahrhundert nahm er Fahrt auf. Im 10. Jahrhundert gewann eine
weitere italienische Hafenstadt, Amalfi, eine
zentrale Rolle im Handel mit dem islamischen Reich.
Dieses war im 9. Jahrhundert zu einer Zivilisation geworden, die
nur in China ein Gegenstück hatte.
Córdoba wurde mit 500.000 Einwohnern die größte Stadt Europas; am
Hof in Bagdad blühten Musik und Literatur; wobei auch die Kultur der
eroberten Völker – etwa der Perser – eine wichtige Rolle spielten.
Ebenso wichtig war Wissen: Mohammed hatte schließlich auch gesagt,
dass die Tinte eines Gelehrten wertvoller war als das Blut eines
Märtyrers. 830 gründete der Kalif al-Ma’mum in Bagdad das “Haus der
Weisheit”, in dem klassische Texte aus Griechenland und Indien und
das bekannte Wissen über Medizin, Mathematik, Naturwissenschaften
und Astronomie wurden übersetzt und zusammengefasst wurden. Avicenna
fasste 1037 in seinem “Kanon der Medizin” das medizinische Wissen
seiner Zeit zusammen, das Buch sollte über hunderte von Jahren
Grundlage für die Ärzte bleiben. Neue Lebensmittel (Aprikosen, Reis,
Zucker) wurden nach Europa eingeführt, Baukunst und Lebensart
erreichten neue Höhen. 751 war den Arabern zudem bei Samarkand eine
Gruppe chinesischer Händler in die Hände gefallen, von denen sie ein
Geheimnis erfuhren, das die Geschichte Europas verändern sollte: die
Papierherstellung.
Während der islamische Glaube sich noch lange weiter ausbreiten
sollte, begann die weltliche Macht der Araber bereits im 10.
Jahrhundert zu zerfallen. 909 vertreiben die Fatimiden (deren erster
Kalif seine Abstammung auf Mohammeds Tochter Fatima zurückführte)
die Aghlabiden in Ifriqiya; 969 gelang ihnen die Eroberung Ägyptens
und 979 die von Mekka und Medina. Die Hauptstadt des Fatimiden-Kalifats
wurde Kairo. 1031 zerfiel das Kalifat von Córdoba
in eine Reihe zerstrittener Teilreiche. Gleichzeitig erstarkten die
christlichen Reiche im Norden
Spaniens, und ermutigt von den internen Streitigkeiten begann die "Reconquista",
die "Wiedereroberung" der Iberischen Halbinsel; beginnend mit der
Invasion Siziliens durch die Normannen 1061 und der Eroberung
Toledos 1085. Die Kämpfe sollten über 400 Jahre anhalten, aber
schließlich verloren mit der Kapitulation von Granada 1492 die
“Mauren” ihre letzte europäische Bastion (mehr).
Auch woanders witterten die Nachbarn den Zerfall des islamischen
Reiches: das ehemals sasanidische Gebiet wurde bereits 1055 von
türkischen Seldschuken erobert (hier);
1258 dann von den Mongolen – was die endgültige Zerschlagung des
Kalifats bedeutete. Den Rest des (im wesentlichen Ägypten und Syrien
umfassenden) islamischen Reichs bedrohten die Ende des 11.
Jahrhunderts einsetzenden Kreuzzüge: Das
Fatimiden-Kalifat in Kairo wurde 1171 von den türkischstämmigen
Zengiden gestürzt, die es um Hilfe beim Kampf gegen die Christen
gebeten hatten. Diese begründeten die Ayyubiden-Dynastie,
die selbst – nach dem Angriff des Sechsten Kreuzzuges – 1250 von den
Mamluken (Militärsklaven, die als Heerführer große Macht gewonnen
hatten) gestürzt wurden. Das Mamluken-Reich in
Ägypten und Syrien (das sich 1260 gegen die Mongolen verteidigen
konnte) war damit der wichtigste verbliebene Teil des arabischen
Reichs.
Die Entstehung des Osmanischen Reichs
Als die zentralasiatische Steppe während der mittelalterlichen
Warmzeit immer trockener wurde, zogen zentralasiatische Nomaden, die
Seldschuken, gen Westen. Sie eroberten 1055 Bagdad
und besiegten 1071 das byzantinische Heer. Unter den Angriffen der
Mongolen zerfiel jedoch ab Mitte des 13. Jahrhunderts das
seldschukische Reich. In Anatolien entstanden kleinere Fürstentümer;
das Ende des 13. Jahrhunderts von Osman I.
gegründete wurde zur Hauptmacht. Bald erweiterte er auf Kosten der
anderen Fürstentümer und dann von Byzanz seinen Einflussbereich.
Sein Enkel Murad baute die Janitscharen auf, die Elitetruppe der
osmanischen Armee. Sie gewannen die Vorherrschaft in Kleinasien, und
1354 eroberten die Osmanen mit Gallipoli die erste Stadt in Europa.
Der Vormarsch auf den Balkan endete 1389 mit einer Niederlage gegen
Serbien ("Schlacht auf dem Amselfeld"); und 1402 mussten die Osmanen
eine schwere Niederlage gegen den türkisch-mongolischen Heerführer
Timur (Tamerlan) hinnehmen, der zuvor das iranisch-irakische Reich
erobert hatte. Timur wandte sich anschließend gen China (verstarb
aber auf dem Weg). Die Osmanen konnten sich schnell wieder erholen:
1453 eroberten sie mit Konstantinopel die letzte Bastion von Byzanz
und die Kontrolle über den Weg ins Schwarze Meer. Unter Mehmed II.,
der davon träumte, das römische Reich (unter seiner Herrschaft)
wiederherzustellen, besiegten die in Europa Türken genannten Osmanen
Albanien und griffen 1480 Otranto in Süditalien an. Nach Mehmeds Tod
1481 endete die Expansion gen Westen jedoch. Seine Nachfolger
konzentrierten sich auf den Osten: 1516/17 wurde das Mamluken-Reich
in Ägypten erobert – die Araber wurden damit zum Teil des
Osmanischen Reichs.
Die Ausbreitung der Religionen...
... belegt eindrücklich, wie verbunden die Menschen in
Europa, Asien und Nordafrika schon in den 1.000 Jahren um die
Zeitenwende waren. Es mag einhundert Jahre gedauert haben, bis eine
Idee vom Mittelmeer bis nach China gelangte (oder umgekehrt), aber
der Austausch war da. Eine wichtige Rolle spielte der Handel. Das
Christentum profitierte von dem weit verbreiteten Handelsnetz der
Juden, von denen manche den neuen Glauben übernahmen; die Rolle der
Händler bei der Ausbreitung des Islam ist oben dargestellt. Die
Ausbreitung der Religionen erinnert aber auch, wer noch nicht an
diesem Austausch teilnahm: Sie gelangten nicht in den Süden Afrikas,
nach Australien und Neuguinea und nach Amerika.
China
Die (späte) Han-Dynastie
In China hatte Wang Mang sich im Jahr 9 zum
Kaiser erklärt. Nach einer gescheiterten Bodenreform und
katastrophalen Überschwemmungen des Jangtse im Jahr 11 brach jedoch
eine Rebellion aus, die die Han wieder an die Macht bringen wollte.
23 u.Z. eroberten die Rebellen Chang'an und töteten den Kaiser.
Neuer Kaiser wurde nach einem Streit in der Rebellenkoalition 25
u.Z. Guangwu. Er verlegte die Hauptstadt nach
Luoyang. Die von ihm begründete spätere Han-Dynastie hatte aber mit
der früheren neben dem Namen nicht viel gemeinsam; die Kaiser
mussten sich von Anfang an mit lokalen Machthabern – "große
Familien", die durch Landbesitz oder Handel zu Reichtum
gekommen waren – arrangieren. Die Kaiser wurden immer schwächer, ab
88 u.Z. kamen wieder Kinder auf den Thron; Marionetten des
Hofstaates (620).
Der Zerfall des Zentralstaates führte zur Entstehung messianischer
Bewegungen und neuer religiöser Weltentwürfe, 142 u.Z. gründete
Zhang Daoling eine daoistische Kirche. Der sehr wandelbare Daoismus
nahm zahlreiche regionale Volksreligionen und selbst buddhistische
Texte auf; er sollte die chinesische Kultur bis heute prägen (so
geht die traditionelle chinesische Medizin auf daoistische
Heilkünstler zurück). Die Han-Dynastie litt ab 168 unter
(wahrscheinlich von einer Klimaverschlechterung ausgelösten [622])
Angriffen von Nomaden im Norden, und als sich 184 auch noch
daoistisch inspirierte Gruppen gegen die Dynastie wendeten und die
Generäle, die gegen sie kämpften, schließlich selber die Hauptstadt
Luoyang brandschatzten, versank das Land in Bürgerkriegen. Der
Versuch des Generals Cao Cao, das ganze Reich in seine Hand zu
bekommen, scheiterte in der in China sehr berühmten (624)
Schlacht von Chibi.
Die Drei Reiche und die Teilung des Reiches
Im Jahr 220, nach Cao Caos Tod, rief sein Sohn Cao Pi sich zum
Kaiser einer neuen Dynastie aus, woraufhin sich die starken Männer
in Sichuan und im Südosten, Liu Bei und Sun Quan, ebenfalls zu
Kaisern erklärten: Es begann die Zeit der Drei Reiche. China war
jetzt politisch seinen großen Naturräumen folgend gegliedert: das Reich
Wei umfasste das Lößgebiet im Nordosten, das Reich
Shu-Han das von Bergen umgebene Sichuan-Becken und das Reich
Wu das Yangzi-Tal. Zugleich dehnte es seinen Einfluss
aus: Wu erschloss den Süden bis in die tropischen
Küstenregionen (Guangzhou) und begann sogar mit der Seefahrt, seine
Flotten gelangte bis in Reich Funan. Wei nahm den Norden der
koreanischen Halbinsel ein, knüpfte Verbindungen nach Japan und
vertiefte seine Kontakte mit den Nomadenvölkern in Zentralasien (von
denen es den gusseisernen Steigbügeln übernahm, der berittenen
Bogenschützen besseren Halt gab). 263 eroberte Wei das Reich Shu-Han
und 280 das Reich Wu, aber bald nach dem Tod des Reichseinigers Sima
Yan zerfiel das Reich, 30 Dynastien und Königreiche entstanden und
zerfielen in den folgenden Jahrhunderten.
Es begann eine neue Zeit der Kriege und des Hungers, die auf 60
Millionen Menschen gewachsene Bevölkerung litt auch unter Seuchen:
Im Norden und im Zentrum Chinas entvölkerte etwa im Jahr 312 die
Pest weite Landstriche, weitere Epidemien folgten 322 und 423. Im 5.
Jahrhundert lebten in China nur noch etwa 25 Millionen Menschen.
Andererseits kam es in dieser Zeit nachlassenden Einflusses der
Reiche zu einer Blüte bei Dichtung, Malerei und Kalligraphie, die
sich von religiösen und politischen Bindungen befreiten; außerdem
gewann der von Händlern auf dem Seeweg nach Guangzhou und mit
Kamelkarawanen nach Nordchina gelangte Buddhismus
an Bedeutung. Vermischt und angereichert mit daoistischen Elementen
wurde er im Süden mit der Liang-Dynastie und im Norden und den
Nördlichen Wei zur „Staatsreligion“. Indische Schriften wurden
systematisch ins chinesische übersetzt, und chinesische Mönche
reisten ab Ende des 4. Jh. nach Indien, um die Lehre besser zu
verstehen und weitere Texte nach China zu bringen. Die von den
Nördlichen Wei erbauten riesigen Grottentempel von Yungang und
Longmen erinnern noch heute an die diese Zeit. Die Nördlichen Wei
bauten ab 493 auch die zuletzt 311 zerstörte Hauptstadt Luoyang
wieder auf: als 15 km² großes ummauertes Rechteck, in dem breite
Nord-Süd- und Ost-West-Straßen 220 ummauerte Viertel abgrenzten, in
denen 500.000 Menschen lebten und 1.367 buddhistische Tempel
standen. Unterdessen war es den aus dem Altai-Gebirge stammenden
Kök-Türken gelungen, ganz Mittel- und Zentralasien zu
einem Reich zu vereinen; dieses wurde zu einer Bedrohung Chinas: die
Nachfolger der Nördlichen Wei mussten den Frieden an ihrer
Nordgrenze mit bis zu 100.000 Bahnen Seide jährlich erkaufen.
Sui- und Tang-Dynastie
War es, wie schon bei der Entstehung des ersten
Kaiserreichs, dieser Druck, der zur Wiedervereinigung führte?
Jedenfalls gelang es dem Herzog von Sui, sich 581 des Kaiserthrons
im Norden (der 552 schon Sichuan eingenommen hatte) zu bemächtigen
und bis 589 die Dynastien im Süden zu besiegen: China war wieder ein
Reich. Die Sui-Dynastie war kurzlebig, aber unter
Kaiser Wen wurden die alten Eliten entmachtet und Beamte nach einer
Prüfung ihrer strategischen Fähigkeiten (und der Kenntnis der
kanonischen Schriften) ausgewählt, nach dem Vorbild Luoyangs eine
neue, gelplante Hauptstadt (Daxing) beim alten Chang'an erbaut und
mit dem Bau des Kaiserkanals zur Versorgung der Hauptstadt begonnen.
Sein Nachfolger Yang baute eine zweite Hauptstadt in Luoyang
vollendete den Bau des Kaiserkanals und ließ die Große Mauer
ausbauen. Insbesondere der Kaiserkanal und das mit diesem verbundene
Kanalsystem, mit dem Felder be- und entwässert und auf dem Güter
transportiert werden konnten, sollte zum Rückgrat des Reiches
werden. Allerdings kamen bei seinem Bau von den 5 Millionen
Zwangsarbeitern 2,5 Millionen um; und nach Überschwemmungen am
Huanghe 611 brachen erste Aufstände aus. Als 612–614 auch noch ein
Feldzug gegen das Koguryŏ-Reich in Korea
scheiterte (bei dem eine Million Soldaten umgekommen sein sollen),
übernahmen die alten Eliten die Führung der Aufstände: 617/8 nahm
der General Li Yuan Daxing und Luoyang ein und bestieg den Thron:
der Beginn der Tang-Dynastie. Daixing wurde wieder
in Chang'an umbenannt.
Nachdem Li Yuan bis 624 andere Rebellenregimes, die sich ebenfalls
als Sui-Nachfolger sahen, niedergeschlagen hatte, folgte ihm 627
sein Sohn Li Shimin als Taizong auf dem Thron. Er
besiegte die Kök-Türken und wurde auch deren "Himmlischer
Khan" und damit zum Herrscher über die zentralasiatische
Steppe. (Zwei Feldzüge nach Korea scheiterten allerdings, und in
Tibet wuchs unter dem ersten König Songtsen Gampo, dessen Einfluss
bis nach Sichuan reichte, ein neuer Gegner heran.) In die Zeit
Taizongs fiel die legendäre Pilgerfahrt des Mönches Xuanzang nach
Indien (626), eine
neue, verbindliche Fassung der konfuzianischen "Fünf kanonischen
Schriften" und ein daoistischer Kanon wurde erstellt (627).
Es begann eine Blütezeit mit zunehmendem Handel und kulturellem
Austausch; es entstanden Handelszentren wie Dunhuang, wo Nord- und
Südrouten der Seidenstraße zusammentrafen, in Guangzhou liefen
Schiffe aus Malaysia und Java, Indien und Ceylon, Arabien und
Persien ein. In Yangzhou, wo sich Yangzi und Kaiserkanal trafen,
wurden die Waren verteilt, auch arabische und persische Kaufleute
lebten in diesem "Venedig des Ostens". Chang'an wurde mit einer
Million Einwohnern zur größten Stadt der Welt, persische Musik und
blonde Tänzerinnen entzückten im Vergnügungsviertel der Oststadt (628). Taizongs
Nachfolger Gaozong unterwarf die Thai-Reiche
Champa und Zhenla sowie die drei Reiche der koreanischen Halbinsel,
im Norden und Westen rebellierten allerdings die Türken und griffen
die Tibeter wichtige Handelsrouten an. Dazu kamen Fluten und Dürren,
die zu Hungersnöten führten. Eine Nachfolgerin, Wu Zhao
(630), verlagerte
die Hauptstadt wieder in das leichter zu versorgende Luoyang und
verteidigte das Reich erfolgreich gegen Türken und Tibeter. 712
begann mit Kaiser Xuanzong eine zweite Blütezeit
der Tang: Straßen und Kanäle wurden instandgesetzt, Getreidespeicher
gegen die Hungersnöte gebaut. Die unter den Sui eingeführten
Beamtenprüfungen wurden weiter ausgebaut. Xuanzong soll daneben
30.000 Künstler unterhalten haben, vor allem die Dichtkunst
erreichte neue Höhen; er errichtete Tempel für Laozi und verfügte,
dass jeder Haushalt eine Kopie von Laozis Daode jing
besitzen müsse, das er zum wichtigsten kanonischen Werk erklärte.
Zugleich wurde der Chan-(japanisch: Zen-)Buddismus zur
einflussreichsten buddhistischen Schule.
Das Ende der Tang leiteten im 8. Jahrhundert bei kälter und
trockener werdendem Klima die Nachbarstaaten ein: Tibet im Westen,
die Türken und später die Uiguren (die 744 die Türken besiegt
hatten) im Norden. Zur Verteidigung brauchten die Tang (teure)
Berufssoldaten. Dazu kam 751 ein neuer Gegner,
die Araber. In der Schlacht am Talas-Flüsse besiegten die Abbasiden
die Truppen der Tang, die Tang verloren den Westen, und danach
begann das Reich zu bröckeln. Den Todesstoß verlieh ihm der Aufstand
des Generals An Lushan, der 755 den Kaiser in Exil trieb; in weiten
Teilen brach die Ordnung zusammen. Die zentralasiatischen Gebiete
fielen an die Tibeter und die Uiguren. Die Handelswega nach Westen
waren blockiert, 763 konnten die Tibeter sogar kurzzeitig Chang'an
besetzen. Zwar konnten die Tang sich noch 150 Jahre an der Macht
halten, aber das Reich siechte eher dahin: es war vom Krieg
gekennzeichnet, in weiten Teilen herrschten Generäle, anderswo
gewannen Großgrundbesitzer an Einfluss. Die alte Weltoffenheit ging
verloren, 842–845 kam es zu Buddhistenverfolgungen, 40.000 Tempel
wurden zerstört (ganze 49 verblieben); 879 wurden in Guangzhou
120.000 Moslems, Christen und Juden von Rebellen umgebracht. 880/81
wurden Luoyang und Chang'an von Rebellen zerstört, deren Generäle
teilten das Land unter sich auf.
Song-Dynastie
Nach dem „offiziellen“ Ende der Tang-Dynastie im Jahr 907 (ein
General hatte den Kaiser unter seine „Obhut“ genommen und eine
eigene Dynastie gegründet) zerfiel das Land in 5 Dynastien im Norden
und 10 Königreiche im Süden. Und verlor Land: Vietnam konnte 939 die
chinesische Herrschaft abwerfen, große Teile Yunnans wurden seit 750
vom Königreich Nanzao (seit 937 Dali) gehalten. Im Norden wurden die
Khitan (ursprünglich Xianbei-Stämme aus der Mandschurei) zu einer
Großmacht: sie nahmen die gesamte Mongolei ein, eroberten 938 16
nordchinesische Präfekturen und 947 Kaifeng. Sie nahmen den
Dynastienamen Liao an und errichteten eine neue Südliche Hauptstadt
im heutigen Beijing. Wieder war es ein General, der gegen diese
Bedrohung kämpfte, der das Reich einigte. 960 bestieg Zhao
Kuangyin als Kaiser Taizu den Thron und begründete die Song-Dynastie.
Bis 979 eroberte er fast ganz China. Sein Nachfolger Taizong erlitt
jedoch 986 bei dem Versuch, die nordchinesischen Präfekturen von den
Khitan zurückzuerobern, eine böse Niederlage. Das Reich der Song
blieb kleiner als das der Tang, der Frieden im Norden wurde mit
Verträgen gesichert, die die Song zu Vasallen der Khitan machte:
jährlich mussten bis zu 200.000 Ballen Seide und 100.000 Unzen
Silber gezahlt werden.
Aber dieser Frieden kostete das Land nur einige Prozent seines
Haushalts, und obgleich die Song weiter ein großes stehendes Heer
unterhielten (allerdings war das Militär jetzt der Zivilverwaltung
unterstellt: Zhao Kuangyin sollte der letzte General sein, der sich
auf den Thron putschte), reichten die Mittel für eine erneute Blüte
des Landes. Das von den Sui und Tang eingeführte Prüfungssystem
wurde ausgebaut; eine bestandene Prüfung war die Garantie wenn nicht
für ein Amt, so doch für Wohlstand und Einfluss: der „Adel des
Pinsels“ wurde zu einer Stütze der Song-Verwaltung vor Ort. Das
Zentrum der Landwirtschaft verschob sich nach Süden, der
Nassfeldbau, schnell reifende Reissorten und die Erfindung der
Wasserpumpe, die die Anlage von Reisterrassen an Berghängen
erlaubte, vervielfachten die Reiserträge. Auf den Terrassen wurden
auch Baumwolle und Tee angebaut; der Tee, für dessen Zubereitung
Wasser gekocht werden musste, verringerte die Infektionen durch
Trinkwasser und trug so ebenfalls zur zunehmenden Bevölkerung bei.
Die Teestraße nach Tibet
Tee, der vermutlich zuerst in den subtropischen Bergen
Sichuans und Yunnans angebaut wurde, war ein wertvolles Handelsgut.
Besonders beliebt war er in Tibet in den buddhistischen Klöstern.
Und Tibet hatte, was China zur Verteidigung gegen die Reitervölker
brauchte: Pferde. Seit dem 7. Jahrhundert entstanden daher
Handelsrouten aus den Teeanbaugebieten in China nach Tibet; im 13.
Jahrhundert zu 25.000 Pferde wurden im Jahr gegen Tee getauscht.
Erst im 18. Jahrhundert verloren die Pferde an Wert, aber nun
begannen die Chinesen traditionelle Medizin zu importieren – ein
Geschäft, das bis heute anhält.
Mit den Erträgen blühte das Handwerk auf: Porzellanbrennereien
produzierten Millionen Gefäße, Hochöfen bis zu 125.000 Tonnen
Roheisen im Jahr. Mit der Erfindung der Schleuse konnte das
Kanalnetz weiter ausgebaut werden, es umfasste schließlich über
50.000 Kilometer. Da die Handelsstraßen im Nordwesten versperrt
waren und die arabischen Daus nach dem Massaker von Guangzhou 879
ausblieben, begannen die Song selber mit der Seefahrt: bald
überquerten Dschunken mit über 1.000 t den Indischen Ozean, den sie
400 Jahre lang beherrschen sollten; chinesisches Porzellan (634)
gelangte bis nach Ostafrika. Im 11. Jahrhundert lebten in Kaifeng,
der (nicht mehr geplanten) Hauptstadt, eine Million Menschen.
Aber 1113 gelang es den Jurchen, Stämmen aus der Mandschurei, eine
Föderation zu bilden; 1115/16 eroberten sie das Stammland der Liao
und nahmen den Dynastienamen Jin an. Die Song verbündeten sich mit
den Jin gegen die Liao; gemeinsam konnten sie deren Südliche
Hauptstadt erobern. Aber dann wendeten sich die Jin gegen die Song,
1126 eroberten sie Kaifeng und dann ganz Nordchina. Ein Song-Prinz
ließ sich in Huangzhou zum Kaiser krönen und machte die Stadt
„vorübergehend“ zur Hauptstadt. Als er 1141 einen Friedensvertrag
mit den Jin schloss, wurde das Provisorium zur Dauerlösung: China
blieb in Jin im Norden (wo 4 Millionen Jurchen und
50 Millionen Chinesen lebten) und den Südlichen Song
geteilt.
Das Reich der Mongolen
Wieder waren es "Reitervölker" (636),
die diesen Zustand beendeten: Die 1206 von Häuptling Temüdschin, der
seither Dschingis Khan genannt wurde, vereinigten
Nomaden der zentralasiatischen Steppen, virtuose Reiter und
Bogenschützen, begannen einen Sturm auf ihre Nachbarländer. 1215
griffen sie das Jin-Reich an und eroberten und zerstörten Beijing,
wandten sich dann aber zunächst nach Mittelasien: 1218 eroberten sie
das Khitan-Reich, 1219 bis 1225 große Teile Persiens. 1226 zogen die
Mongolen erneut gegen China, bei diesem Feldzug starb Dschingis
Khan. Sein Reich wurde unter seinen vier Söhnen aufgeteilt: Ögödai
erhielt das mongolische Stammland mit Nordchina, die anderen Söhne
die Gebiete der "Goldenen Horde" an Ob und Irtysch, in Zentralasien
und in Persien. Sie dehnten das mongolische Reich weiter aus: Das Ilkhanat
in Persien dehnte sich bis an den Persischen Golf und das Schwarze
Meer aus, das Khanat der Goldenen Horde griff 1240
Kiew an und zerstörte 1241 Krakau; Ögodai unterwarf 1233 die
nach Kaifeng geflohenen Jin, sein Nachfolger Möngke eroberte das
Königreich Dali (Nanzao) und Möngkes Nachfolger Kublai Khan
begründete 1271 in Beijing das Yuan-Khanat. Nach
hartem Kampf ergab sich 1276 der Song-Hof in Hangzhou, die letzten
Song-Kämpfer wurden 1279 von Guangzhou in einer Seeschlacht
geschlagen. China war nur mehr ein Teil des mongolischen Reichs, das
ein Viertel der Welt umfasste. Unter den Mongolen befand sich die
Seidenstraße erstmals unter einem Herrscher, für sie sollte es eine
Blütezeit sein: Reisen auf der Seidenstraße galt als sicher, alle
Art von Handelsgütern gelangten in den Westen. Und nicht nur
Handelsgüter, sondern auch chinesische Technologie, vom Buchdruck
über das Schießpulver bis hin zum Hochofen. Europäische Missionare
und Händler kamen nach China (es war Kublai Khan, an dessen Hof
Marco Polo 17 Jahre verbracht hat – wenn er denn wirklich in China
war, was unter den Historikern umstritten ist).
Die Mongolen hatten zuerst daran gedacht, China zu einem Weideland
zu machen, sahen aber, dass hier große Reichtümer zu holen waren,
erbauten eine neue (nach dem Vorbild von Chang'an geplante)
Hauptstadt (Dadu, beim heutigen Beijing) und übernahmen große Teile
das bestehenden Verwaltungssystems. Der Kaiserkanal wurde über die
Berge von Shandong in die neue Hauptstadt Dadu verlängert, eine
technische Meisterleistung, Bau und Unterhalt waren aber
astronomisch teuer. Solche Bauprojekte und teure Feldzüge führen zu
hoher Steuerbelastung, und – die mittelalterliche Warmzeit ging zu
Ende – als kalte Jahre mit Missernten und Hungersnöte dazukamen,
1331 erneut die Pest ausbrach (die Zahl der Toten in den nächsten 20
Jahren wird auf mindestens 20 Millionen geschätzt) und am Gelben
Fluss katastrophale Überschwemmungen auftraten, zeigte dies den
Chinesen, dass die Mongolen endgültig die Gnade der Götter verloren
hatten. Nur mit ihrer Militärmacht konnten auch die Mongolen das
Land nicht halten, zumal die Nachfolger von Kublai Khan eher schwach
waren: die Rebellen der "Roten Turbane" unter Zhu Yuanzhang
eroberten in jahrzehntelangen Auseinandersetzungen ihr Land zurück.
Als sie 1368 in die Hauptstadt Dadu einzogen, war der mongolische
Khan mit seiner Gefolgschaft geflohen. Auch das persische Ilkhanat
zerbrach nach einem goldenen Zeitalter, als 1335 der Khan ohne
Thronfolger starb, und wurde ab 1370 von dem türkisch-mongolischen
Heerführer Tamerlan unterworfen; das zentralasiatische
Tschagatai-Khanat zerbrach ab 1334 in Bürgerkriegen. Nur das Khanat
der Goldenen Horde überstand bis in 15. Jahrhundert, als es mit dem
Erstarken Russlands, Polen und Litauens zerfiel, das Krim-Khanat als
letzter Rest konnte sich bis 1783 halten.
Die Ming-Dynastie
Zhu Yuanzhang begründete als Kaiser Hongwu
("Große Militärmacht", zugleich seine Regierungsdevise) die Ming-Dynastie
und nannte Dadu in Beiping ("der Norden ist befriedet") um; zu
seiner Hauptstadt machte er Nanjing. Sein Heer verfolgte die
Mongolen bis in die Mongolei, 1388 zerstörte es die Hauptstadt
Karakorum. Seine Macht im Inneren sicherte er brutal: Der Kanzler –
das Amt stand seit den Qin an der Spitze der Verwaltung – und 45.000
seiner Anhänger wurden umgebracht, das Amt abgeschafft. Weiteren
"Säuberungen" fielen 100.000 Menschen zum Opfer. Wer mehr als eine
halbe Tagesreise unternehmen wollte, brauchte eine Genehmigung; die
Menschen wurden einer erblichen Klasse zugeordnet, Berufswechsel
bestraft. Gefördert wurde die Landwirtschaft; riesige
Bewässerungsprojekte vervielfachten die chinesische Getreideernte,
eine Milliarde Nutzbäume wurden gepflanzt. Dadurch erholte sich
China von den Zerstörungen der Kriege mit den Mongolen. Nach Hongwus
Tod brach ein Nachfolgekrieg aus, den 1402 Zhu Di für sich
entschied. Dieser (Regierungsdevise Yongle –
"Ewige Freude") machte 1420 Beijing wieder zur Hauptstadt - die
weitgehend verfallene einstige Hauptstadt der Mongolen musste von
100.000 Handwerkern und einer Million Arbeitern völlig neu erbaut
werden; unter anderem entstanden jetzt die Verbotene Stadt und der
Himmelstempel. Die Pracht und den Glanz Chinas demonstrierte auch
die riesige kaiserliche Flotte, die zwischen 1405 und 1433 unter
Admiral Zheng He sieben Fahrten unternahm. Über
300 Schiffen, darunter mit Seide und Porzellan beladene
"Schatzschiffe", erreichten nicht nur die arabische Halbinsel,
sondern befuhren auch die Ostküste Afrikas. Die Herrscher der
besuchten Länder wurden reich beschenkt, mussten im Gegenzug aber
Tribut zahlen – das "Reich der Mitte" sah sich als Zentrum der Welt,
andere hatten sich unterzuordnen, um die Gunst des Herrschers
genießen zu dürfen.
Aber ein Jahrzehnt nach dem Tod des Yongle-Kaisers 1424 wurde die
Seefahrt plötzlich eingestellt, die Flotte abgewrackt. Die Kosten
waren wohl doch zu hoch, und außerdem rührten sich die Mongolen
wieder: 1449 schlugen die westmongolischen Oiraten die Ming-Truppen
und entführten den Kaiser (worauf seine Witwe ihn in den "Ruhestand"
entließ und einen Nachfolger bestimmte); zum Schutz vor den Mongolen
entstand ab etwa 1470 die "Große Mauer", wie wir sie heute kennen,
ein Schutzwall an der Grenze zur Mongolei. Das Reich wandte sich
nach innen, der Außenhandel war sogar verboten worden. Aber die
Einwohnerzahl des Ming-Reichs war bis 1500 auf 155 Millionen
angewachsen.
(zur späten Ming-Dynastie)
Das Reich der Khmer
Im südlichen Südostasien war es einem Vasallenstaat gelungen, die
Herrschaft des Reichs
von Funan abzuschütteln: Um das Jahr 800 entstand das Reich
der Khmer mit der Hauptstadt Maga Nagara (die wir heute als Angkor
kennen, bekannt vor allem durch die Tempelanlagen Angkor
Wat). Das Reich erstreckte sich zu seiner Blütezeit im
12. Jahrhundert vom heutigen Vietnam bis zur Malaiischen Halbinsel;
seine Macht verdankte es der hochentwickelten Wasserwirtschaft der
Khmer: Bis zu 40 Meter breite Kanäle und riesige Speicherseen
sammelten die Wassermassen, die während der Monsunregen aus den
nördlich gelegenen Kulen Hills herabstürzten; schützten vor
Überschwemmungen und versorgten mittels Bewässerungskanälen die
Reisbauern in der Trockenzeit. So konnte konnte drei- bis viermal
jährlich Reis geerntet werden. Davon lebten im 12. und 13.
Jahrhundert die rund 750.000 Einwohner der Stadt Angkor, die mit
über 1.000 Quadratkilometern die größte vorindustrielle Stadt
überhaupt war (größer etwa als das heutige Berlin) – und nicht die
einzige im Reich der Khmer. Über das Leben der Bewohner ist wenig
bekannt, ihre aus Holz erbauten Wohnhäuser und – nach chinesischen
Quellen – hirschledernen Schriften sind längst verrottet, da dass
nur die Tempelbilder und -inschriften Auskunft über das damalige
Leben geben. Die Innenstadt Angkor Thom wurde genau nach den
Vorgaben indischer Texte über Königsstädte aufgebaut, ist also (wie
auch die anderen Khmer-Städte) eine Planstadt.
Allerdings trug die Bewässerung wohl auch zum Untergang von Angkor
bei: Als immer mehr Wälder für Reisfelder abgeholzt wurden, nahm die
Erosion zu und die Kanäle verschlammten (640).
Dazu kam, dass die Lage der Stadt mit zunehmendem Seehandel
ungünstig war; vielleicht hat auch die Konversion des Königs
Jayavarman VII. das Ende bombastischer Bauprojekte befördert. Zwei
Trockenperioden mit ausbleibenden oder schwachen Monsunregen von
1362 bis 1392 und von 1415 bis 1440 scheinen Angkor dann den Rest
gegeben zu haben, möglicherweise wurde die Stadt auch 1431 und 1432
von Thai-Völkern geplündert. Eine neue Hauptstadt entstand nahe des
heutigen Phnom Penh, Angkor wurde weitgehend vergessen, bis die
Tempel mit einem Reisebericht des französischen Forschers Henri
Mouhot im 19. Jahrhundert wieder ins Bewusstsein der
Weltöffentlichkeit geholt wurden.
Korea und Japan
Am Mittellauf des Yalu entstand um die Zeitenwende ein Reich, das
im 4. Jahrhundert zum Königreich erstarkte: Koguryŏ.
Dieses gehörte wie die im Süden der koreanischen Halbinsel
entstehenden Reiche Paekche, Silla und die Kaya-Konföderation zu den
Vorläufern Koreas. Nachdem der Tang-Kaiser Gaozong
nach drei vergeblichen Versuchen Chinas die drei Reiche erobern
konnte, sich aber 676 wegen Schwierigkeiten an der tibetischen Front
wider zurückziehen musste, gewann Silla die Vorherrschaft: Mit dem Vereinten
Silla (668–935) entstand der erste koreanische
Einheitsstaat. Auf dieses folgte Goryeo (von dem
sich das "Korea" der westlichen Sprachen ableitet). 1231–1238 wurde
die koreanische Halbinsel von den Mongolen erobert wurde, Goryeo
wurde zum Vasallen. 1369 unterwarf es sich der chinesischen Ming-Dynastie.
In Japan hatte der Nassreisanbau zu einem starken
Bevölkerungswachstum geführt. Vermutlich Anfang des vierten
Jahrhunderts wurde das Land unter dem legendären Jimmu-Tenno zum Reich
Yamato vereinigt; der Jimmu-Tenno war der Legende nach
ein Urenkel der Sonnengöttin Amaterasu und wurde zum Ahnherr der bis
heute herrschenden Dynastie. Über Korea gelangten immer mehr
chinesische Erfindungen und Einflüsse nach Japan, im 5./6.
Jahrhundert übernahm das Land die chinesische Schrift und den
Buddhismus. Ab Mitte des 7. Jahrhundert wurde das Reich zu einem
Beamtenstaat nach chinesischem Vorbild mit dem Tennō (Kaiser) an der
Spitze; 794 wurde Heian-kyō (das heutige Kyōto) nach dem Vorbild
Chang'ans als neue Hauptstadt gebaut; und auf Grundlage der
chinesischen Schrift wurde bis zum 9./10. Jahrhundert ein eigenes
Schriftsystem entwickelt. Das Tang-Erbe blieb nach dem Untergang der
Dynastie in vieler Hinsicht in Japan lebendiger als in China: noch
heute schlafen die Japaner oft auf den in China längst
verschwundenen Tatami-Matten, der Tang-Kimono wurde zum japanischen
Kleidungsstück schlechthin und der Zen-Buddhismus wurde in Japan
weitergepflegt. Im Laufe der Zeit wurde jedoch der Provinzadel immer
mächtiger, während die Macht des Tennō schwand; ab 1185 übernahmen
faktisch Militärherrscher (Shōgune) die Macht. In dieser Zeit wurden
die Samurai (“Krieger”) zum herrschenden Stand Japans. 1274 und 1281
scheiterten zwei Versuche der Mongolen, Japan zu erobern, an
heftigen Stürmen - die Geburtsstunde des Begriffes "Götterwind"
(Kamikaze).
Indien
Im Norden Indiens wurde die Fremdherrschaft zentralasiatischer
Völker ab etwa 330 n. Chr. vom Gupta-Reich
beendet, das vielen Historikern als “Goldenes Zeitalter” gilt. Um
390 n. Chr. heiratete zudem die Tochter des Gupta-Herrschers
Chandragupta II. den König der Vakataka (die in Zentralindien die
Satavahana abgelöst hatten), so dass oft auch von der Gupta-Vakataka-Zeit
gesprochen wird. In dieser Zeit wurden Hinduismus und Buddhismus
gleichermaßen gefördert; in Nalanda wurde die größte Universität der
Antike errichtet und Sanskrit wurde zur Staatssprache. Der indische
Mathematiker Aryabhata (476 bis ca. 550) berechnete die Position und
Bahn der Planeten für damalige Verhältnisse extrem genau; sein
Wissen sollte später über muslimische Mathematiker nach Europa
gelangen.
Im frühen 6. Jahrhundert kehrten die zentralasiatischen
Reitervölker zurück: Die “Weißen Hunnen” eroberten große Teile des
westlichen und nördlichen Indien, das Gupta-Reich zerfiel. Im Jahr
711 gelangten muslimische Araber im Zuge der Ausbreitung
des Islam in den Sindh (im heutigen Südpakistan). Aber erst ab
Anfang des 11. Jahrhunderts begann eine dauerhafte Begegnung des
Islam mit Nordindien: Zuerst in Form von Beutezügen der Ghaznawiden
(einer muslimischen Dynastie aus dem heutigen Iran); nachdem diese
von den Ghuriden besiegt wurden, in Form dauerhafter Herrschaft –
aus den eroberten Gebieten sollte nach dem Zerfall des
Ghuriden-Reichs im Jahr 1206 das selbstständige Sultanat
von Delhi hervorgehen. Dieses wurde schnell zur
wichtigsten Macht Nordindiens, obwohl es immer wieder unter inneren
Unruhen und Angriffen durch die Mongolen litt. Eine Blütezeit
erlebte das Sultanat von 1296 bis 1316 unter Ala ud-din Khalji; und
zwischen 1305 und 1312 eroberte es weite Gebiete in Zentral- und
Südindien, konnte sich dort aber nicht dauerhaft halten. Nach 1320
nahm Mohammed bin Tughluq einen erfolgreichen neuen Anlauf, aber
1335 fiel sein Heer bei einem Feldzug fast vollständig der Cholera
zum Opfer; Seuchen und Hunger trafen das Land auch in den
Folgejahren und untergruben das Ansehen der Herrscher. Ein langsamer
Zerfall begann, und es entstanden zahlreiche muslimische Staaten in
Teilgebieten, die einst zum Sultanat gehört hatten. Zudem konnten
die Mongolen wieder in das geschwächte Gebiet einfallen: 1398
plünderte der Mongolenherrscher Timur Delhi. 1451 fiel die Stadt
kampflos an Afghanen vom Stamme der Lodi, die wenigstens den
weiteren Zerfall des Sultanats aufhalten konnten.
Die Reisen des Ibn Battuta
Wie intensiv der Austausch zwischen den verschiedenen
Regionen Nordafrikas, Europas und Asiens war, zeigen auch die Reisen
des berberischen Forschungsreisenden Ibn Battuta: Zwischen 1325 und
1348 besuchte er die ganze islamische Welt. Aus Tanger im Marokko
stammend, bereiste er die arabische Halbinsel, die afrikanische
Ostküste bis zum heutigen Tansania, das Gebiet der Goldenen Horde,
das Sultanat von Delhi (wo wer als Richter in den Dienst des Sultans
trat und über ein eigenes Harem verfügte) und China (wohin er als
Botschafter des Sultanats von Delhi entsandt wurde; auf dem Weg
dorthin blieb er jedoch erst einmal zwei Jahre auf den Malediven,
und schließlich strandete sein Schiff auf dem Weg nach China, das er
erst im zweiten Anlauf erreichte). Insgesamt legt er 130.000
Kilometer zurück, und verfasste nach seiner Rückkehr nach Marokka
das Buch “Rihla” (Reisetext), eine der genauesten Beschreibungen der
damaligen Welt.
Amerika
In Nordamerika sind die Kulturen der Anasazi im Südwesten der
heutigen USA und die Mississippi-Kultur im Tal des Mississippi
diejenigen, die die bemerkenswertesten Monumente hinterließen. Die
Blütezeit der Anasazi-Kultur begann ab 600
n.Chr., ab 700 n.Chr. begannen sie, Häuser aus Stein zu bauen. Diese
wurden oft in Steilwände eingepasst, und sind mit fünf oder sechs
Etagen und bis zu 600 Zimmern die größten Bauten des
präkolumbianischen Nordamerika. Die Mississippi-Kultur
entstand ab 900 n. Chr.; sie errichtete als einzige
nordamerikanische Kultur befestigte Städte. Die Schätzungen der
Einwohnerzahl der Hauptsiedlung Cahokia reichen von 8.000 bis 40.000
Einwohnern. Umstritten ist das Ausmaß der Landwirtschaft in
Nordamerika: Der Geograph William Doolittle von der University of
Texas vermutet, dass Indianer bereits auf zwei Dritteln der Fläche
der heutigen USA Landwirtschaft betrieben; auf der restlichen Fläche
legten sie häufig Feuer, um den Wuchs frischer Gräser zu
ermöglichen, die Hirsche und Bisons ernährten.
Roms Gegenstück in Mittelamerika war die
Stadt Teotihuacán im Hochlandbecken von Mexiko.
Mit 125.000 bis 200.000 Einwohnern im Jahr 500 - soviel wie London
1.000 Jahre später haben sollte; mit Stadtvierteln, in denen
Menschen aus anderen Teilen Mittelamerikas leben, war sie “ein
embryonales New York City” (Tim Flannery). Im Jahr 750 wurde die
Stadt zerstört, vermutlich von ihren Bewohners selbst – Anzeichen
für einen Angriff von außen gibt es nicht. Erst zweihundert Jahre
später sollten die Tolteken, ein kriegerisches
Nomadenvolk, das um diese Zeit sesshaft wurde und Mexiko vom 10. bis
12. Jahrhundert beherrschte, die Macht in der Stadt übernehmen. Die
toltekischen Itzá machten auch Nord-Yucatán mit Chichén Itza zum
neuen Zentrum der
Maya-Kultur; Mitte des 13. Jahrhundert wurde die Stadt vom
benachbarten Mayapán besiegt, das damit zur beherrschenden Macht
aufstieg. 200 Jahre später wurde auch diese Stadt zerstört, und als
die Spanier 1517 an der Nordostküste Yucatáns landeten, fanden sie
hier mehrere untereinander zerstrittene Maya-Herrschaften vor.
Wohl ab dem 12. Jahrhundert war unterdessen das
kleine Volk der Mexica, heute besser als Azteken
bekannt, von Norden nach Zentralmexiko eingewandert. Sie hatten ihre
Hauptstadt Tenochtitlán auf einer Insel im
Texcoco-See aufgebaut, auf dem sie mit Schlamm befüllte künstliche
Inseln aus Rohrschilf-Flechtwerk für die Landwirtschaft anlegten.
1492 umfasste das Reich der Azteken etwa 15 Millionen Menschen, es
war damit das größte vorkolumbianische Reich Amerikas. Tenochtitlán
hatte damals rund 200.000 Einwohner (vielleicht auch 300.000); wie
bald die spanischen Eroberer bescheinigen sollten, konnten selbst
Rom und Konstantinopel nicht mit der Pracht dieser Stadt mithalten.
Berühmt-berüchtigt wurden die Azteken in der Geschichte aber dank
der Menschenopfer, mit denen sie ihre Götter davon abhalten wollten,
ihr Reich wie das der Tolteken zu vernichten (deren letzter
Herrscher Topiltzin sich der Legende nach geweigert hatte, den
Hunger der Götter zu stillen).
In Südamerika blühte bereits vor der Zeitenwende rund um den
Titicaca-See die noch weitgehend unbekannte Tiahuanaco-Kultur;
sie verfügte über eine hoch produktive Landwirtschaft mit
Kartoffelanbau auf erhöhten Feldern. In der Hauptstadt Tiahuanaco
lebten im Jahr 500 etwa 50.000 Menschen. Ab 100 n. Chr. entwickelte
sich im Tal des Moche südlich des heutigen Trujillo die Moche-Kultur
als Kulturnachfolger der Chavín. Die Moche bauten komplexe
Bewässerungsanlagen mit Aquädukten; mit dem Wasser aus den Bergen
konnten sie Landwirtschaft in der Küstenwüste betreiben. Unter ihnen
blühten Handwerk und Handel, in den Moche-Siedlingen lebten bis zu
15.000 Menschen. Die Moche-Sonnenpyramide "Huaca del Sol" ist
vermutliche der größte massive Bau, der in Südamerika je errichtet
wurde. Vermutlich auf Grund extremer Trockenheiten in Folge mehrerer
El-Niño-Jahre und Starkregen in den
Folgejahren verließen die Moche um 600 ihr Stammgebiet und erbauten
150 km nördlich eine neue Hauptstadt am Fluss Lambayeque, aber es
gelang ihnen nicht, die Kultur zu stabilisieren. 100 Jahre später
enden die Spuren.
Ab dem 13. Jahrhundert, also etwa zeitgleich mit
den Azteken, entstand in Peru das noch viel größere Inka-Reich
mit der Hauptstadt Cuzco. Dieses dehnte sich vom heutigen Kolumbien
und Ecuador im Norden über das Zentrum Peru bis ins heutige Chile im
Süden aus. Die ausgedehnten Terrassen und Bewässerungskanäle zeigten
die ganze Kunst der einheimischen Landwirtschaft; die Inka stellten
Werkzeuge und Waffen aus Kupfer und Bronze her und erbauten ein
40.000 Kilometer umfassendes Straßennetz. Zwei parallele
Hauptstraßen erschlossen das Reich vom Norden bis in den Süden, eine
entlang der Küste und eine in den Bergen. Die Hängebrücken aus
Seilen, mit denen die Inka steile Schluchten überbrückten, wurden
zum Teil noch 300 Jahre später genutzt.
Afrika
Das Handelsnetz im Indischen Ozean machte das Königreich
von Aksum
immer mächtiger, es exportierte eigene Waren, aber auch solche, die
es aus dem afrikanischen Hinterland im Tausch gegen Rinder, Salz und
Eisen erhielt. Im Jahr 500 lebten in Aksum etwa 20.000 Menschen; zu
den bekanntesten Bauwerken gehören die Stelen, die an den Gräbern
der Herrscher errichtet wurden. Die größte Stele wog 700 Tonnen, und
es war eine erstaunliche Leistung, sie von dem 4 Kilometer
entfernten Steinbruch in die Stadt zu bringen. Im 4. Jahrhundert
wurde Aksum als erster afrikanischer Staat christlich, zur gleichen
Zeit endete die Errichtung von Stelen. Ab dem 5. Jahrhundert begann
der Holzverbrauch für Eisenhütten, Ziegel- und Tonwarenherstellung
und für die Feuerstellen Tribut zu fordern; die Entwaldung führte zu
zunehmender Erosion. Zudem litt der Handelspartner Westrom unter
Schwierigkeiten, und ab dem Jahr 750 verkürzte sich die Regensaison:
Spätestens im 9. Jahrhundert wurde Aksum aufgegeben. (Die
Nachfolgereiche im heutigen Äthiopien blieben aber christlich und
wurden zum mythischen “Reich des Priesters Johannes”.)
Schon vor der Zeitenwende war das Reich von
Kanem-Bornu am Tschadsee entstanden, und seit dem
5. Jahrhundert war in Westafrika das mythische Reich von
Ghâna (nicht mit dem heutigen Ghana zu verwechseln)
aufgestiegen; eine Entwicklung, die durch den immer bedeutender
werdenden Handel mit Gold eingeleitet wurde. Gold aus Afrika hatte
einen erheblichen Anteil am Goldverbrauch im europäischen
Mittelalter, und wurde seit dem 4. Jahrhundert – ermöglicht durch
das über Persien und Ägypten nach Nordafrika gelangte Kamel, das
viel länger als andere Reittiere ohne Wasser überleben kann – durch
die Sahara transportiert. Nach der Ausbreitung des Islam in
Nordafrika standen die afrikanischen Reiche auch mit diesem in
Verbindung und wurden in den Handel mit der gesamten islamischen
Welt einbezogen: schon im 8. Jahrhundert berichteten chinesische
Quellen aus Afrika (650).
In Nordafrika begannen manche Berber, sich auf die Kameltreiberei zu
konzentrieren, die bis dahin von Schwarzen bewohnten Oasen der
Sahara zu erobern und einen (Sklaven-)Handel mit den Sûdân, den
Schwarzen, zu beginnen. Im 9. Jahrhundert wurde das "Land der
Schwarzen" erstmals in arabischen Quellen beschrieben; die
Chronisten gaben zwar ebenso sehr die Vorurteile ihrer Zeit wie
Fakten wieder, aber berichten doch von Handel mit Salz und Gold über
die Sahara hinweg. Im 12. Jahrhundert konvertierte der König von
Ghâna zum Islam und die Hauptstadt wurde an einen Fluss verlegt (an
den Senegal? den Niger? – sie wurde bis heute nicht gefunden). Woher
das Gold kam, verrieten die schwarzen Händler aber nicht; sie
bezogen es selbst von anderen Händlern, den Wangâra, aus dem Süden.
Im 13. Jahrhundert ging das Reich von Ghâna in das Reich
Mâli auf, ein islamisches Großreich. In der um das Jahr
1100
Historische Handelsrouten durch die
Sahara. Gold, Sklaven und
Elfenbein sowie Steinsalz aus der Oase Teghâza waren die wichtigsten
Handelsgüter. Eigene Abbildung nach SPIEGEL 31/2008, S. 123
gegründeten Stadt Timbuktu trafen die Karawanen aus dem Norden auf
das Gold Westafrikas, das über den Niger transportiert wurden. Der
Ort wurde “zur größten Stadt, die Gott je geschaffen hat” (so ein
muslimischer Gelehrter) und zum Zentrum islamischer Gelehrsamkeit.
Im 16. Jahrhundert sollen bis zu 50.000 Menschen in der Stadt gelebt
haben, doppelt so viele wie heute; über 100.000 arabische
Manuskripte warten zum größten Teil noch auf ihre Erforschung. 1324
hatte der König von Mâli eine Pilgerreise zu den heiligen Stätten
des Islam unternommen, und in Kairo mit seinem (großzügig
verteilten) Reichtum beeindruckt. Auch die Lage der Hauptstadt Mâlis
ist unbekannt, wir kennen sie nur aus Beschreibungen, z.B. von Ibn
Battuta. Aber bereits Ende des 14. Jahrhunderts begann das
Reich zu zerfallen, die wichtige Handelsstation Gao wurde von
Kûkiyâ, der Wiege des 1465 gegründeten Songhaireiches
erobert. Die Herrscher des Songhaireiches mit seinem Kerngebiet im
heutigen Mali traten ebenfalls zum Islam über. Kulturen gab es in
Afrika aber auch jenseits der "Großreiche", der Strukturen zumeist
auf Wohlstands- und damit Machtgefälle infolge des Fernhandels
beruhte, so etwa in den Yoruba-Stadtstaaten im Südwesten Nigerias
mit der heiligen Stadt Ile-Ife.
Auch in Ost- und Südafrika führte der Handel zur Entstehung
bedeutender Kulturen. Das Klima war hier für die Rinderhaltung
besser geeignet als weiter nördlich, so dass diese neben dem
Ackerbau große Bedeutung erlangte. Aden, wo sich die Handelshäuser
und Warenlager befanden, war zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert
zur Drehscheibe des Handels mit Indien geworden; die arabischen
Händler luden ihre Waren in der Hafenstadt Aidhab von Kamelen auf
Schiffe um und nutzten dann die günstigen Monsunwinde an der
Ostküste Afrikas, wo im Laufe der Zeit bedeutende Handelsplätze
entstanden. Auch im Osten gab es Gold, das Händler aus dem
südlicheren "Land der Sofala" brachten. Die waren aber nur
Zwischenhändler, das Gold stammte aus dem Landesinneren. Aus dem 11.
bis 13. Jahrhundert stammen die Königsgräber von Mapungubwe
im heutigen Südafrika, Funde von Porzellan aus China zeigen die
Reichweite des damaligen Handels, der neben Gold auch
Elefantenelfenbein umfasste. Mit trockener werdendem Klima begann
der Aufstieg von Great Zimbabwe,
Hauptstadt eines Reiches, das sich von der Kalahari im heutigen
Botswana bis zum Indischen Ozean erstreckte. In der Stadt lebten
10.000 bis 30.000 Menschen; die Mauern der Stadt sind nach den
Pyramiden der größte Steinbau des vorkolonialen Afrikas (dzimba
dzemabwe bedeutet “Steinhäuser”, und gab dem Land den Namen).
Zwischen dem 11. und 16. Jahrhundert fand in diesem Reich etwa ein
Drittel der weltweiten Metallproduktion statt. Ein Großteil des
Handels lief über das muslimische Kilwa im
heutigen Tansania, das
Ibn Battuta im 14. Jahrhundert als außergewöhnlich schöne
Stadt beschrieb. Ende des 15. Jahrhunderts begann der Niedergang von
Great Zimbabwe – vermutlich hatte die Stadt ihre Brennholzvorräte
abgeholzt, das Land übernutzt und überweidet und bekam
Schwierigkeiten mit der Wasserversorgung; seine Rolle übernahmen Mutapa
im Norden und Torwa im Westen. Das wichtigste
Handelsgut war auch hier Gold, und als 1497 Vasco da Gama bei seiner
Umrundung Afrikas im Sambesidelta mit Gold beladene arabische Boote
sah, war das Interesse europäischer
Eroberer geweckt.
Nord- und Westeuropa
Die in Skandinavien
ansässigen Bauern, die spätestens seit der Bronzezeit mit dem
Rest Europas intensiveren Handel trieben, da es Kupfer und Zinn in
Norden kaum gab, hatten mit Bernstein aus dem Nord- und Ostseeraum
ein begehrtes Handelsgut. Charakteristisch für diese Zeit sind die
"Schiffssetzungen": größere Steine wurden in Form
von Schiffsumrissen aufgestellt. Womöglich sind sie Teil eines
Grabkultes und symbolisieren die Schiffe, mit denen die Toten ins
Jenseits gelangen. Auf jeden Fall zeigen sie die Bedeutung der
Schifffahrt bereits in der nordischen Bronzezeit. Mit dem Handel
wuchs auch der kulturelle Austausch - ab dem 2. Jahrhundert wurden
vermutlich aus dem etruskischen
Alphabet Runen genannte Schriftzeichen
abgeleitet. Die eckigen Zeichen war gut geeignet, in Holz, Stein
oder Metall geritzt zu werden, zu einer Alltagsschrift wurden sie
aber nicht. Im 2. Jahrhundert v.u.Z. zogen aus dem südlichen
Skandinavien (nach antiken Quellen: ausgelöst durch eine Sturmflut)
Kimbern und Teutonen wohl auf der Suche nach
fruchtbarem Ackerland nach Süden und drangen ins Römische Reich
ein. 102 v.u.Z. wurden jedoch die Teutonen bei Aquae Sextiae (heute
Aix-en-Provence) und 101 v.u.Z. die Kimbern bei Vercellae in der
Po-Ebene von Römern geschlagen. Als im Zuge der Völkerwanderung
der westliche Teil des Römischen Reichs zerfiel und der Kampf
um die Macht auf den Britischen Inseln begann, heuerten dortige
Fürsten die im Norden des heutigen Deutschland lebenden Angeln
und Sachsen als Söldner an. Die kämpften aber bald auf
eigene Rechnung, drängten die einheimischen Briten nach Westen und
gründeten im Osten der britischen Hauptinsel bis Ende des 6.
Jahrhunderts eigene Kleinkönigreiche. Sie verschmolzen zum Volk der
Angelsachsen, die als "Engle" bezeichnet wurden.
Ihnen verdankt England seinen Namen. In Irland lebten weiter die
(keltischen) Iren. Im Norden der britischen
Hauptinsel wurden die Pikten ab dem 3.
Jahrhundert von den aus Irland stammenden, mit den Iren eng
verwandten Skoten bedrängt, die sich schließlich
vermutlich im 6. Jahrhundert im Nordwesten ansiedelten. Von Irland
aus, das zu Zeiten des Römischen Reichs (erfolgreich) christlich
missioniert worden war, kamen nun Wandermönche nach England (und
den Rest West- und Mitteleuropas) und missionierten die
Angelsachsen. Als erster trat der König von Northumbria zum
Christentum über; die anderen Königreiche folgten. Sie nutzten die
christlichen Klöster in ihrem Land zugleich als Bildungs- und
Verwaltungszentren.
Im Jahr 793 setzte mit einem Überfall auf das reiche Kloster
Lindisfarne auf der gleichnamigen Insel vor der Nordostküste
Englands eine fast 300 Jahre andauernde Phase von Wikingerüberfällen
– vikingár bedeutet Seeräuber – und schließlich sogar
festen Ansiedelungen dieser – wie man im Laufe der Zeit lernte – aus
Skandinavien stammenden Seefahrer in anderen Ländern ein. Ihre
Fahrten waren durch die Entwicklung des „Wikingerschiffs“, das auch
bei voller Beladung nur einen geringen Tiefgang aufwies. Es war
sowohl hochseetauglich als auch für das Befahren von Flüssen
geeignet; angetrieben wurde es von einem Rahsegel und von Ruderern.
Die Wikinger waren aber keineswegs nur Seeräuber, sondern in erster
Linie Händler (die sich die Chance nicht entgehen ließen, wenn die
Ware auch kostenlos zu haben war – ihr Ruf wurde vor allem dadurch
ruiniert, dass die Mönche von Lindisfarne schreiben konnten und den
Überfall für die Nachwelt festhielten). Sie
profitierten davon, dass im Zuge der Ausbreitung des Islams und der
Araber das Mittelmeer als Handelsweg für Europäer weitgehend
ausgefallen war; in Osteuropa, wo sie Waräger genannt
wurden, nutzen sie die großen Flüsse des osteuropäischen Tieflands,
um bis ans Schwarze und ans Kaspische Meer zu gelangen. Von da aus
stand ihnen der Weg nach Konstantinopel und zum Kalifat von Bagdad
offen. 838 gelang des der ersten Gesandtschaft der Waräger, einen
Handelsvertrag mit dem Oströmischen Reich zu schließen. Aus diesen
Reisen ging ab 9. Jahrhundert die Kiewer Rus'
hervor.
Andere Wikingergruppen fuhren an der Ostküste Englands und an der
Nordwestküste Europas entlang und über die Straße von Gibraltar ins
Mittelmeer, wo sie Italien überfielen, sowie an die Nord- und
Westküste Großbritanniens. Ab Mitte des 9. Jahrhunderts begannen sie
auch hier, sich anzusiedeln. So eroberte ein "großes heidnisches
Heer" das Königreich Northumbria im Nordwesten des angelsächsischen
Siedlungsgebietes in Großbritannien und gründete dort das Königreich
Jórvík. Anfang des 10. Jahrhundert bot der französische
König dem Wikingeranführer Rollo seine Tochter und Land an der
Atlantikküste an, wenn er dieses vor weiteren Wikingerangriffen
schütze: so entstand die französische Normandie.
Begünstigt durch das warme Wetter während der
mittelalterlichen Warmzeit, entdeckten die Wikinger zudem die
Färöerinseln, besiedelten um 870 Island und um 980 Grönland; um das
Jahr 1.000 erreichten sie Neufundland und möglicherweise auch die
Küste Nordamerikas. Dort vertrieben jedoch die Ureinwohner sie
nach einem Jahrzehnt wieder. Auch in Europa wussten die Bewohner
sich immer besser zu verteidigen, so dass die skandinavischen
Reiche sich wieder auf den Handel beschränkten: Norwegen wurde
für seinen getrockneten Kabeljau bekannt. (Später entdeckten die
Basken die Kabeljaugründe der Wikinger vor Neufundland: als der
Franzose Jacques Cartier das Gebiet für Frankreich in Besitz nahm,
stieß er dort auf baskische Fischer – Entdecker posaunen ihre
Ergebnisse in die Welt hinaus, Fischer hüten ihre Geheimnisse [Mark
Kurlansky, 654].)
Im 9. Jahrhundert vereinigten
sich unter dem Druck der zunehmenden Wikingerangriffe (nächstes
Kapitel) sowohl die Königreiche der Angelsachsen als auch die
Königreiche der Pikten und der Skoten, diese zum Königreich
Alba. Anfang des 10. Jahrhunderts bildete sich auch das
Königreich England heraus, dem es bis Mitte des 10. Jahrhunderts
gelang, die Wikingerherrschaft in Teilen Großbritannien zu beenden.
Auch in der Heimat der Wikinger waren in dieser Zeit erste
Königreiche entstanden. Als erster König von Dänemark
gilt König Gorm, dessen Sohn Harald Blauzahn bereits großen Einfluss
in Norwegen hatte, den er sich allerdings mit mächtigen
Stammesfürsten teilen musste.
Von der
Völkerwanderung zu den germanischen Reichen
Der westliche Teil des römischen
Reichs hatte seit Konstantins Tod einen eigenen Kaiser, seine
Lage besserte sich nicht: Bürgerkriege und Umstürze lockten weiter
germanische Stämme an, die leichte Beute witterten. Dazu kam, dass
diese ihrerseits von – vermutlich in Folge einer einsetzenden Abkühlung
des Klimas – aus Asien einfallenden Völkern (“Völkerwanderung”)bedrängt
wurden: im 4. Jahrhundert erreichten die Hunnen das
Siedlungsgebiet der Goten am Schwarzen Meer, die daraufhin
über die Donau zogen. 378 schlugen diese "Westgoten" bei Adrianopel
ein römisches Heer, 382 wurden sie in der Donauregion angesiedelt
und von den Römern als Hilfstruppen rekrutiert. Als 395 das römische
Reich endgültig geteilt wurde, wählten sie einen König (Alarich) und
begannen eine erneute Wanderung. Dabei belagerten Alarichs Truppen
408 Rom, zogen gegen ein reiches Lösegeld wieder ab, plünderten 409
die Getreidevorräte im römischen Hafen Ostia und wendeten sich 410
wieder Rom zu; diesmal nahmen sie die Stadt ein.
Unterdessen fielen die Sachsen in das von den Römern aufgegebene
Britannien ein; und waren 406 die Vandalen über
den Rhein und quer durch Gallien zur Iberischen Halbinsel gezogen.
Den Römern gelang es aber, die Goten in ihre Dienste zu nehmen: 416
nahmen sie den Kampf gegen die Vandalen auf der Iberischen Halbinsel
auf (und wurden die 418 bei Toulouse angesiedelt, wo sie das
Tolosanische Reich gründeten). Die schwer unter Druck geratenen
Vandalen setzten 429 von Gibraltar aus nach Afrika über und zogen
entlang der Küste in Richtung (des 29 v.u.Z. als römische Kolonie
wieder aufgebauten und inzwischen wieder zur drittgrößten Stadt des
Mittelmeerraus gewordenen) Karthago. 439 eroberten sie die Stadt;
und 442 erkannte auch Rom das vandalische Königreich an. 455
überfielen die Vandalen Rom dennoch, und plünderten die Stadt.
Unterdessen verstärkten ab 434 unter Attila die mittlerweile im
heutigen Ungarn siedelnden Hunnen ihre Angriffe auf Byzanz und ab
451 auf Westrom. Dabei wurden sie aber zweimal unter gotischer
Beteiligung in Gallien geschlagen, und nach Attilas Tod 453 zerfiel
das Hunnenreich. Die im Einflussbereich der Hunnen verbliebenen
"Ostgoten" gewannen dadurch ihre Unabhängigkeit zurück, mussten aber
ihre Heimat verlassen. Zugleich versuchte Byzanz, Ostrom zu retten,
und ging auch gegen die Vandalen vor – diese konnten den Angriff 468
aber zurückschlagen. 476 übernahm der germanische Söldnerführer
Odoaker mit der Absetzung des Kaisers die Macht in Rom. Er überwarf
sich mit Byzanz, als er das (im heutigen Niederösterreich gelegene)
Rugierreich zerstörte. Der Kaiser bot daraufhin den Ostgoten Italien
an: Von 489 bis 493 eroberten diese unter Theoderich das Land.
Theoderich versuchte, mit Bündnissen das alte Reich auf eine neue
Grundlage zu stellen: Seine Töchter verheiratete er mit den Königen
der Westgoten und der Vandalen, er selbst heiratete die Schwester
des Frankenkönigs.
Im Westen hatten vor allem Westgoten und weiter nördlich
die Franken die Schwäche Ostroms genutzt, um ihre
Gebiete zu vergrößern. Die Westgoten hatten ihr Reich bis an die
Ligurischen Alpen ausgedehnt und (bis auf suebische Gebiete im
Nordwesten) die ganze Iberische Halbinsel erobert; seitens der
Franken hatte Chlodwig I. aus dem Haus der Merowinger eine ganze
Reihe fränkischer Kleinkönige getötet und ihre Nachfolge angetreten
und schließlich das Reich des Syagrius (des letzten verbliebenen
römischen Herrschers in Gallien, rund um das heutige Paris)
überrannt. Damit trafen Westgoten und Franken aber aufeinander,
angesichts des fränkischen Expansionsdrangs scheiterte
Theoderichs Bündnispolitik: 507 kam es bei Poitiers zur Schlacht
zur Schlacht zwischen Franken und Westgoten. Auch das Eingreifen
Theoderichs konnte nicht verhindern, dass die Westgoten große Teile
Galliens an die Franken verloren. Sie verlegten ihre Hauptstadt nach
Toledo ("Toledanisches Reich"). Theoderich sicherte sich die
Provence und hielt die Franken damit vom Mittelmeer fern. Diese
wiederum konnten 508 – 511 auch das rheinfränkische Königreich
übernehmen und ihre Macht bis zum Rhein ausdehnen.
Unterdessen strebte Byzanz unter
Kaiser Justitian, nachdem er 534 das Vandalenreich vernichtet hatte,
die Wiederherstellung der römischen Vorherrschaft über das gesamte
Mittelmeergebiet an und wandte sich gegen die Ostgoten. Nach langen
Kämpfen unterlagen diese 552. Die Kräfte Byzanz' reichten aber
nicht, die Einheit dauerhaft wiederherzustellen: Italien wurde ab
568 bis auf wenige Enklaven von den Langobarden (die ihrerseits von
den Awaren aus Pannonien vertrieben worden waren) besetzt. Damit
ging die Völkerwanderung zu Ende; die Langobarden regierten bis 774
und der byzantische Einfluss nahm wieder ab. Aber die
Auseinandersetzungen mit Byzanz hatten die Ostgoten beschäftigt, so
dass die Westgoten ihre Expansionspolitik wieder vorangetrieben
hatten: unter Chlodwigs Söhnen drangen sie nach Thüringen, Bayern,
in den Siedlungsraum der Alamannen und der rätischen Alpenromanen
vor und eroberten die Provence und Burgund. Im 7. Jh. verloren die
Merowinger allerdings an Einfluss, die fränkische Politik wurde
zunehmend von den "Hausmeiern" (ursprünglich Hausverwalter, die
aber im Laufe der Zeit immer mehr Einfluss gewannen) bestimmt. Dem
Hausmeier Karl Martell gelang es 732 bei Tours mit einem Reiterheer,
die Araber, die fast die gesamte iberische
Halbinsel erobert hatten, aufzuhalten. Dem Sieg verdankte er
auch den typisch europäischen „Schlachtrössern“, die mittlerweile
den den wild weidenden Pferden der Mongolen und Araber an Kraft und
im Schlachtgetümmel überlegen waren. 751 wurde ein Sohn Karl
Martells, Pippin der Jüngere, fränkischer König - die "Karolinger"
lösten die Merowinger ab. Unter Pippins Sohn Karl dem Großen erreichte
das Reich seine größte Macht und Ausdehnung, 774 eroberte dieser
auch das Langobardenreich. Nach Karls Tod zerfiel das Reich jedoch
in zahlreiche Fürstentümer: Der westliche Teil sollte Frankreich
werden, im östlichen Teil begann 936 mit der Krönung des Sachsen
Otto I. die deutsche Geschichte.
Der spätere Name “Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation” zeigt,
in wessen Nachfolge dieses Reich sich sah. Bereits Karl der Große
hatte zur Sicherung und Verwaltung seines Reichs die Lehen
eingeführt: Seine Getreuen, die Vasallen, erhielten riesige
Ländereien mitsamt der ansässigen Bauern, die teils als kleinere
Lehen an Untervasallen weiterverteilt wurden. Die Lehnsherren lebten
von den Abgaben der Bauern, die zudem als Frondienste öffentliche
Arbeiten verrichten mussten, während die Lehnsherren als Ritter die
militärische Macht des Kaisers sicherstellten. Diese Feudalordnung
beherrschte bald weite Teile Europas.
Trost im mühseligen Leben der unteren Stände bot vor allem die
Hoffnung auf ein späteres Leben im Paradies; die Religion stand im
Mittelalter wie nie zuvor im Mittelpunkt des Lebens – und ohnehin
war die römisch-katholische Kirche das eigentlich verbindende
Elemente des Reichs. Chlodwig I. hatte sich 498 katholisch taufen
lassen, und Karl der Große erneuerte das römische System mit einem
Bischof als geistlichem Oberhaupt einer Stadt und ihres Umlandes -
mit dem Bischof der Metropole, in der der Provinzstatthalter
ansässig war, als "Metropolit", der Vorrang gegenüber seinen
Amtsbrüdern besaß (später Erzbischof genannt). Übergreifende Fragen
wurden auf Versammlungen der Bischöfe, den Synoden und Konzilen,
besprochen. Besondere Autorität besaß weiterhin der Bischof von Rom,
der Papst. Allerdings gab es nun auch den Bischof von Konstaninopel,
ebenfalls Kaiserstadt, was immer wieder zu Spannungen um den Vorrang
führte – und 1054 zu einer dauerhaften Spaltung der
Kirche.
Ab etwa Mitte des 10. Jahrhunderts erhöhten sich die Temperaturen
in Europa (mittelalterliche
Warmzeit). Davon profitierten insbesondere der Westen und der
Norden, wo die Gefahr von Ernteausfällen sank und bis Anfang des 14.
Jahrhunderts in großem Umfang Wälder gerodet und Sümpfe
trockengelegt wurden. Die Fläche, die für die Landwirtschaft zur
Verfügung stand, wuchs. Im Laufe der Zeiten setzten sich zudem
weitere Verbesserungen der landwirtschaftlichen Technik durch,
insbesondere die in China bereits vor der Zeitenwende erfundenen
Streichbretter (mit denen beim Pflügen die Erde gewendet und
Unkräuter begraben werden), das Kumt an Stelle des Jochs (so dass
Pferde und Ochsen viel wirkungsvoller Wagen und Pflüge ziehen
konnten) sowie eiserne Werkzeuge, mit denen die Hartholzwälder des
Nordens leichter gerodet und schwere Böden besser bearbeitet werden
konnten. So begann die Bevölkerung zu wachsen, in Europa von 35
Millionen Menschen im Jahr 1100 auf über 70 Millionen im Jahr 1300.
Die steigende Zahl der Menschen sollte das Leben im Westen Europas
dauerhaft verändern. Mit steigendem Wohlstand wuchs die Bedeutung
des Handels; in Italien, wo die Zentralgewalt nur dem Namen nach
existierte, entstanden weitgehend autonome Handelsstädte wie Genua
und Pisa, die (wie auch das schon länger aktive
Venedig) sowohl mit dem Norden
Europas als auch mit Byzanz sowie dem islamischen Reich handelten
und damit zu großem Reichtum gelangten. Viele Christen konnten es
sich damit auch leisten, ins Heilige Land pilgern.
Osteuropa
Die im Verlauf der Völkerwanderungen von den Germanen verlassenen
Gebiete im östlichen Mitteleuropa und der Balkan waren seit dem 6.
Jahrhundert von den Slawen, einem Bauernvolk, das
vermutlich im Raum zwischen Bug und oberem Dnjepr seinen Ursprung
hat, besiedelt worden. Die Steppen konnten sie gegen die dort
herrschenden Reitervölker nicht dauerhaft erobern, sondern mussten
im Gegenteil den seit 660 die Pontische Steppe beherrschenden
Chasaren Tribut zahlen. Bei ihrer Ausbreitung trafen sie auch im
Norden auf andere – nämlich finnische und baltische – Völker. Im
Laufe der Zeit kam es durch die Einflüsse dieser Nachbarn zu einer
sprachlichen und kulturellen Gliederung in Ost-, West- und
Südslawen. Als die Waräger Mitte des 9.
Jahrhunderts unter ihrem Fürsten Rjurik [655]
nahe dem heutigen Nowgorod eine Siedlung gründeten, schwangen sie
sich zu Herren über die dort lebenden ostslawischen Stämme auf.
Nach Rjuriks Tod übernahm Oleg "der Weise" die
Regierungsgeschäfte. Um den Handelsweg nach Byzanz abzusichern,
eroberte er 882 die (von anderen Warägern gegründete) Stadt Kiew am
mittleren Dnjepr, und gründete dort die Kiewer Rus'
(Reich, [656]).
Nach einem Feldzug gegen Byzanz konnte Oleg sich erneut
Handelsprivilegien mit dem oströmischen Reich sichern. In kurzer
Zeit kam die Kiewer Rus', die von der Ostsee bis zum Schwarzes Meer
reichte, vor allem durch den Fernhandel mit Byzanz zu großem
Wohlstand und gehörte zu wichtigsten Herrschaftsverbänden des
mittelalterlichen Europa. Umgekehrt führte der Kontakt mit Byzanz
dazu, dass die Kiewer Rus' das Christentum annahm – unter Wolodimer
"dem Heiligen" [957]
trat das Reich 988 zum orthodoxen Christentum über. Wolodimer bekam
im Gegenzug Anna, die Schwester des byzantinischen Kaisers
Basileios II., zur Frau – eine Ehre, die dem Reich großes Ansehen
verschaffte. (Später sollten u.a. der römisch-deutsche Kaiser
Heinrich IV. und der französische König Heinrich der I.
Prinzessinnen aus der Rus' heiraten: so festigte die Rus' ihre
Beziehungen auch nach Westeuropa.)
Die
Welt um das Jahr 1000
Im Jahr 1000 lebten wohl um die 300 Millionen Menschen auf der
Erde; in Europa herrschte mit der beginnenden mittelalterlichen
Warmzeit ein mildes Klima – die Wikinger hatten so Island
und Grönland entdeckt und besiedelt und erreichten im Jahr 1001
Neufundland, wo sie eine Siedlung gründeten. Diese erste Entdeckung
Amerikas blieb aber folgenlos, und die Siedlung wurde
bald wieder aufgegeben. In Europa festigten sich die beiden christlichen
Kulturen unter ihren beiden Schutzherren, dem
römisch-deutschen Kaiser Otto III. und dem byzantinischen Kaiser
Basileios II. Konstantinopel mit wahrscheinlich etwa 400.000
Einwohnern war die größte Stadt der christlichen Welt; nördlich
hiervon begann die Blütezeit der Kiewer Rus'. Vom lukrativen
Gewürzhandel waren die Europäer aber abgeschnitten, dieser lief
wieder über arabische Zwischenhändler. Aber auch die islamische
Welt war tief gespalten: In das Abbasiden-Kalifat in
Bagdad, das Fatimiden-Kalifat in Nordafrika mit Sitz in Kairo und
das in Córdoba (al-Andalus) ansässige Umayyaden-Kalifat; Córdoba war
mit etwa 500.000 Einwohnern größer als Konstantinopel. Und trotzt
der Spaltung griffen islamische Truppen immer wieder den Norden
Spaniens an, und sie sollten 1026 den Norden Indiens erobern. In
Kontakt mit dem islamischen Nordafrika standen auch die Reiche im
Westen und Osten Afrikas, etwa Ghana im Westen und
Aksum im Osten; Groß-Simbabwe in Südafrika unterhielt sogar eigene
Handelsbeziehungen nach China. Im Süden Indiens bekämpfen sich die
Fürsten des Chalukya- und des Chola-Reichs; in Südostasien blühte
das Reich der Khmer. In China begann die Blüte der
Song-Dynastie und nördlich davon, in der heutigen
Mandschurei, dominierten die Khitan-Reitersoldaten
- in gewisser Weise Vorläufer der Mongolen – das Liao-Reich.
Die Reiche Amerikas hatten im Jahr 1000 nach allem,
was wir wissen, weder untereinander noch – einer Wikingersiedlung
zum Trotz – gar mit den Reichen Eurasiens Kontakt. Nordamerika wurde
von der Mississippi-Kultur mit der Hauptstadt
Cahokia beherrscht; in Mittelamerika war die klassische Zeit der Maya
im zentralen Tiefland bereits vorbei, aber auf der Halbinsel Yucatán
besiedelten die Itzá-Maya die möglicherweise bereits zuvor bewohnte
Stadt Chichén Itzá (erneut) und gründeten ein neues Maya-Reich im
Norden. In Südamerika blühte die Huari-Kultur, ein
Vorläufer der Kultur der Inka.
Die Westkirche und die Kreuzzüge
Nach der Jahrtausendwende nahm insbesondere der Einfluss der
römisch-katholischen Kirche weiter zu: neue Mönchsorden entstanden
und gründeten zahlreiche Klöster; in den Gemeinden wurden Priester
als ständige Vertreter der Kirche eingesetzt und Kirchen gebaut. 1054 schickte Papst Leo IX. eine
Delegation nach Konstantinopel, die den Patriarchen dazu bringen
sollte, die Vormachtstellung des Papstes anzuerkennen. Der weigerte
sich und exkommunizierte die Delegation, und diese im Gegenzug den
Patriarchen: seither gingen die römisch-katholische und die
griechisch-orthodoxe Kirche getrennte Wege. Während der Patriarch
mit dem Ende der byzantinischen Herrschaft in Italien in den 1060er
Jahren und dem Verlust Anatoliens in den 1070er Jahren an Einfluss
verlor, konnte Papst Nikolaus 1059 durchsetzen, dass die Kardinäle
den Papst selbst (ohne Einfluss des Kaisers des Heiligen Römischen
Reichs) wählen konnten. Die neue Macht der Kirche zeigte sich auch
an den immer größeren Kathedralen, die überall im Westen im neuen
romanischen Stil entstanden.
Vom Bau der Kathedralen und dem, was man dabei über die Baukunst
lernte, profitierte auch die weltliche Baukunst: Es begann der Bau
von Burgen, mit denen der Grundherr die Menschen auf seinem Land
besser schützten konnte. Mit Burgen und berittenen Soldaten (den
"Rittern") konnten man auch Plünderern wie den Wikingern oder den
Magyaren (die aus der Pannonischen Tiefebene kommend 955 durch
Westeuropa gezogen waren) besser widerstehen. Und man konnte sie
auch nutzen, um gegen den Islam zu kämpfen: 997 hatte Almansor noch
die nordspanische Pilgerstadt Santiago de Compostela geplündert;
nach seinem Tod 1002 und den darauf folgenden internen Machtkämpfen
begann der Zerfall des Kalifats von Córdoba. Die christlichen
Königreiche begannen mit Angriffen auf dessen Nordgrenze und
errichteten Kirchen und Burgen, um das Land für den christlichen
Glauben zu sichern. Aber noch wichtiger: Die muslimischen Araber
hatten bis dahin Pilgerreisen von Christen ins Heilige Land
zugelassen – aber seit das Heilige Land 1071 von türkischen Seldschuken
erobert worden war, wurden die Pilger oftmals beraubt oder getötet.
Die Seldschuken bedrohten auch den byzantinischen Kaiser, der 1095
den Papst bat, seinen christlichen Brüdern im Osten zu Hilfe zu
kommen. Papst Urban II., der hoffte, so doch noch die päpstliche
Vorrangstellung über die gesamte Christenheit zu sichern, rief noch
im selben Jahr die Christen auf, die heilige Stätten aus den Händen
der "Ungläubigen" (Moslems) zu befreien. Damit begann eine
200jährige Phase der Kreuzzüge. Der Aufruf stieß
auf gewaltige Resonanz: Dabei spielte nicht nur die Hoffnung auf das
verheißene Paradies für diejenigen, die im heiligen Streit fallen,
eine Rolle, sondern auch das Weglaufen vor schwierigen
Lebensverhältnissen und die Hoffnung auf reiche Beute. 1099
eroberten die Kreuzfahrer nach einem Zug über den Balkan und
Anatolien Jerusalem. Unterstützt wurden die
Kreuzfahrer von Schiffen aus Genua, Pisa und (ein wenig später)
Venedig – was den italienischen Handelsstädten dauerhafte
Handelsprivilegien mit den neu gegründeten Kreuzfahrerstaaten und
die Seeherrschaft im Mittelmeer verschaffte. Diese nutzten sie
auch, um die Piraterie ernsthaft zu bekämpfen, was wiederum den
Handel mit der nordafrikanischen Küste (wo etwa das Gold von den Karawanenrouten in der Sahara gehandelt
wurde) aufblühen ließ. Den Asienhandel monopolisierten allerdings
die Araber – christlichen Schiffen wurde während der Kreuzzüge das
Befahren des Roten Meeres verboten.
Die Erfindung des
Kapitalismus
Die ersten Ansätze des Kapitalismus (660)
finden sich vermutlich im Fernhandel, der etwa das China der Han-Dynastie
mit dem römischen Reich
verband: den Kaufleuten jener Zeit war Gewinnstreben nicht fremd,
wenn auch der Gewinn eher einem guten Leben als der
„Kapitalakkumulation“ – also dem erneuten Investieren des Gewinns in
weitere Unternehmungen – galt. Im arabischen
Großreich blühte ab dem 8. Jahrhundert der nach dem Untergang
des römischen Reichs zurückgegangene Fernhandel erneut auf; hier
wurde das Kapital für neue Unternehmungen auch bereits – zumindest
teilweise – durch den erneuten Einsatz von Gewinnen bereitgestellt
und das Kapital selbst „fruchtbar gemacht“, indem Geld mit Gewinn
verliehen wurde (zahlreiche Ratgeber verrieten dazu, wie das
Zinsgebot des Koran umgangen werden konnte). Auch in China brachten
gewinnorientierte Kaufleute insbesondere unter der
handelsfreundlichen Song-Dynastie wieder
erheblichen Wohlstand hervor. Sie betrieben bereits eigene
Werkstätten, die Lohnarbeiter beschäftigten.
In Europa nahm der Fernhandel erst mit den Kreuzzügen einen neuen
Aufschwung, und vom 12.-15. Jahrhundert entstanden insbesondere
in Norditalien (in den weitgehend unabhängigen
Stadtrepubliken Venedig, Pisa und Genua, etwas später auch in
Florenz) und Süddeutschland (etwa in Nürnberg und Augsburg)
zahlreiche Neuerungen, die den späteren Kapitalismus prägen sollten
(siehe auch Eine kleine Geschichte des
Geldes). So entstand etwa das Unternehmen: eine eigenständige
„Rechtsperson“, deren Partner (und später auch Teilhaber) den Gewinn
teilten (und anfangs noch mit ihrem gesamten Privatvermögen für
Verluste hafteten, im 15. Jahrhundert wurde in Florenz die Haftung
erstmals „beschränkt“, also begrenzt). Die doppelte Buchführung
wurde entwickelt und der bargeldlose Geldtransfer. Zudem dehnte sich
der Gedanke der Kapitalakkumulation über den Handel hinaus aus, Geld
wurde auch mit Geldwechsel, Kreditvergabe und anderen
Bankgeschäften, also mit Geld selbst als Ware, verdient (als
Sicherheit für Kredite an Herrscher erhielten die Kaufleute mitunter
das Recht, die Steuern einzusammeln oder Handelsmonopole; selbst der
Papst nahm Kredite und verlieh Kaufleuten dafür das Recht, für ihn
Abgaben einzusammeln); und schließlich begannen die Kaufleute auch
in die Warenproduktion zu investieren, beispielsweise in der
Wollproduktion in Florenz und den Niederlanden. Dieser
„Kaufmannskapitalismus“ blieb jedoch insgesamt eine
Randerscheinung, die mittelalterlichen Gesellschaften waren
überwiegend von Selbstversorgung und dem Tauschhandel geprägt.
Weiter: Der
Aufstieg des Kapitalismus
Und auch, wenn die Christen schon aus zahlenmäßiger Unterlegenheit
die weitere Glaubensausübung der Muslime tolerierten (oder
tolerieren mussten), gaben die Muslime das heilige Land nicht so
einfach auf. Nachdem sie 1144 den Kreuzfahrerstaat Edessa (in
Nordsyrien) zurückerobert hatten, rief der Papst zu einem –
letztlich erfolglosen – Zweiten Kreuzzug auf. Als
die Christen 1169 Ägypten angriffen, wurden die dort regierenden
Fatimiden nach einem Volksaufstand abgesetzt, und unter der neuen
Ayyubidendynastie waren Ägypten und Syrien vereint, so dass sie
nicht mehr so leicht gegeneinander auszuspielen waren. 1187 konnte
Saladin das Frankenheer schlagen (dabei zeigte sich, dass die
Überlegenheit der starken europäischen Pferde nicht absolut war:
Saladin ließ das Heer der europäischen Kreuzritter auf sich
zustürmen, wich im letzten Augenblick aus, und fiel ihnen dann in
den Rücken. Er hatte damit die richtige Strategie für seine
schnellen Araberpferde gefunden). Er nahm Jerusalem ein und
beendete endgültig die Macht des christlichen Adels im Heiligen
Land. Auch mit dem Dritten Kreuzzug gelang es
nicht, Jerusalem zurückzuerobern. Als 1204 der Vierte
Kreuzzug gar mit der Plünderung Konstantinopels durch die
Kreuzfahrer endete (die mit der Beute die Flotte Venedigs für die
Verschiffung bezahlten), war auch der Papst geschockt. (Der Fünfte
Kreuzzug war schon anders als seine Vorgänger: Friedrich II. wollte
die Muslime nicht mehr töten, er handelte die Rückgabe Jerusalems an
die Christen aus.)
Der Zerfall von Byzanz und Kiewer Rus'
Byzanz, das schon zuvor von den Normannen aus
Sizilien und immer wieder von den Seldschuken angegriffen wurde und
von dem sich Trapezunt abgespalten hatte, wurde anschließend in
Teilstaaten geteilt. Der größte, das Kaiserreich Nikaia, konnte
1261 Konstantinopel zurückerobern, aber das Reich war nur noch ein
Schatten seiner einstigen Größe. Der große Gewinner war Venedig,
das jetzt die einst byzantinischen Handelswege kontrollierte und die
Insel Kreta in Besitz nahm. Im westlichen Mittelmeerraum war nach
der christlichen Rückeroberung großer Teile der iberischen Halbinsel
unterdessen mit Katalonien und seinem Zentrum Barcelona
sowie dem 1229 unter Jakob I. ("dem Eroberer") zurückeroberten Mallorca
und dem französischen Montpellier eine weitere
Handelsmacht in der Entstehung begriffen. 1281 erreichten drei
Schiffe aus Genua und Mallorca London, und danach begannen die
Schifffahrt aus dem Mittelmeer und im Atlantik zusammenzuwachsen.
Allerdings nahm, da nun keine zentrale Macht mehr das Mittelmeer
befriedete, auch die Piraterie wieder zu.
Unter dem Rückgang des Handels mit Byzanz litt auch die Kiewer
Rus', die im 11. Jahrhundert unter Jaroslaw "dem
Weisen" eine Blütezeit erlebt hatte. Kiew war zu einer
Großstadt mit möglicherweise 100.000 Einwohnern geworden, die
Sophienkatedralen in Kiew und Nowgorod entstanden. Je besser das
Land aber durch die eigenen Bauern und Handwerker versorgt werden
konnte, desto mehr nahm die Bedeutung des Fernhandels ab, und je
geringer die Bedeutung des Handels mit Byzanz war, desto weniger
waren die Fürsten bereit, Opfer für den Erhalt des Reichs zu
bringen. Außerdem drängten die Siedler an den Rand des Reiches, etwa
in die westlichen Regionen Galizien und Wolhynien (die enge
Handelsbeziehungen mit Mittel- und Westeuropa unterhielten) und
nach Nowgorod im Norden, wo nahezu selbstständige Fürstentümer
entstanden. 1169 griff der Fürst von Wladimir (das rund 200 km
östlich von Moskau liegt) sogar Kiew an, brannte die Stadt nieder
und machte Wladimir zur neuen Hauptstadt des Reichs. Was das Reich
noch einigermaßen zusammenhielt, waren äußere Bedrohungen, etwa
durch die Polen im Westen, vor allem aber regelmäßige Angriffe
durch nomadische Reitervölker aus den südlich des Reiches gelegenen
Steppen. (Die Angriffe der Reitervölker am Südrand der Kiewer Rus'
prägten deren Benennung als "Ukraina" – Grenzland –, aus dem
der heutige Name Ukraine für den südlichen Teil der Kiewer Rus'
hervorging.) Mit dem Auftauchen der Mongolen
gewannen die Angriffe eine neue Qualität, und bis Mitte des 13.
Jahrhunderts wurden große Teil des Rus' von der Goldenen Horde (dem
westlichen Teil des Mongolenreichs) erobert. Auf eine direkte
Herrschaft verzichteten die Mongolen aber und gaben sich mit
Tributzahlungen zufrieden. Dennoch war es für die (seit der
Kirchenspaltung griechisch-orthodoxe) Rus' eine Schmach, nun von
einem "Ungläubigen" beherrscht zu werden. Manche Fürsten arbeiteten
aber auch eng mit dem Khan der Mongolen zusammen (der wiederum
nichts dagegen hatte, die Fürsten gegeneinander auszuspielen);
besonders erfolgreich die Fürsten von Moskau, die
den Titel des Großfürsten der Rus' erhielt. Ihnen hatte geholfen,
dass um das Jahr 1300 der Metropolit (Oberbischof) den Sitz der
orthodoxen Kirche erst nach Wladimir und 1328 nach Moskau verlegt
hatte. Die nordrussischen Städte Nowgorod und Pskow setzten jedoch
im 13. Jahrhundert das Recht durch, ihren Fürsten selber wählen und
auch absetzen zu dürfen: sie wurden damit zu "Stadtrepubliken".
Als ab 1350 interne Auseinandersetzungen das Khanat der Goldenen
Horde schwächten, wagte der Großfürst von Moskau, Dmitri
Donskoi, 1380 an der Spitze verschiedener Fürstentümer aus der
nordöstlichen Rus' den Angriff auf die Mongolen: In der "Schlacht
auf dem Schnepfenfeld" konnte er ihr Heer besiegen. Auch wenn die
Mongolen im Gegenzug 1382 Moskau plünderten und das Fürstentum
wieder zu Tributzahlungen zwangen: der Glauben an ihre
Unbesiegbarkeit war erschüttert. Der Nordwesten um Nowgorod hatte
sich ohnehin gegen die Mongolen behauptet und auf den Handel mit
der Hanse konzentriert; im einstigen Kerngebiet im Süden der Kiewer
Rus' war der Einfluss der Mongolen jenseits der Steppe auch nicht
dauerhaft, die dortigen Handelsaktivitäten profitierten sogar von
der Pax Mongolica. So erlebten Galizien und Wolhynien –
wohin auch viele Menschen aus den steppennahen Regionen, die immer
wieder von mongolischen Reiternomaden angegriffen wurden, geflohen
waren – einen Aufschwung. Im 13. Jahrhundert wurde u.a. Lemberg
(L'viv) gegründet. Der Erfolg weckte aber Begehrlichkeiten der
Nachbarn: im 14. Jahrhundert fielen weite Gebiete – darunter das
symbolisch immer noch wichtige Kiew – an das (erst im 13.
Jahrhundert aus Fürstentümern des Kiewer Rus' entstandene)
Großfürstentum Litauen, andere (Galizien) an das (der
römisch-katholischen Westkirche angehörige) Königreich Polen. 1396
übernahm der litauische Großfürst Jagiełło in Personalunion
auch die polnische Königskrone; das Fürstentum Litauen
wurde nach dem Sieg über den Deutschen Orden bei Tannenberg 1410
zur Vormacht in Osteuropa.
Das umstrittene Erbe der Kiewer Rus'
Lange galt die Kiewer Rus' als erster russischer Staat. Erst mit
dem Aufkommen des ukrainischen Nationalismus im 19. Jahrhundert
wurde diese Sichtweise angezweifelt. In der Zeit der Sowjetunion
fand man dann eine Sichtweise, die die Brudervölker versöhnen
sollte: die Kiewer Rus' wurde als gemeinsame Wiege der drei
ostslawischen Völker verstanden, aus denen sich dann Russen,
Ukrainer und Belarussen (Weißrussen) gebildet hätten. Dieser
Sichtweise schlossen sich auch viele westliche Historiker an.
Allerdings wurden in der Sowjetunion die gemeinsamen ethnischen
Wurzeln mit der Vorstellung ihrer "Wiedervereinigung" (unter der
Decke der Sowjetunion) verbunden, und in der Praxis die Kiewer Rus'
weiterhin als russischer Staat behandelt. So wurde 1988 die
Tausend-Jahr-Feier zur Taufe der Rus' nicht in Kiew (wo die Taufe
stattgefunden hat), sondern in Moskau ausgerichtet.
Heute beharren denn auch russische Nationalisten
wieder auf einem Exklusivanspruch Russlands als Erbe der Kiewer
Rus'. Historisch lässt sich das nicht begründen: zur Zeit der Kiewer
Rus' waren die drei ostslawischen Völker noch keine ethnisch
eigenständigen Gemeinschaften, so dass eine Zuordnung als
„ukrainisch“ oder „russisch“ nicht möglich ist. (Die Historikerin
Kerstin Jobst vergleicht diese in ihrer „Geschichte der Ukraine“
(Reclam 2022) mit der Frage, ob der Herrscher des Frankenreiches als
„Karl der Große“ Deutscher oder als „Charlemagne“ Franzose gewesen
sei und daher das Frankenreich zum deutschen oder zum
französischen Erbe zu rechnen sei. Damit würde man neuzeitliche
Kategorien auf das Mittelalter anwenden; damals gab es schlicht noch
keine Deutschen und keine Franzosen. Der Herrscher gehört also zum
Erbe beider Länder.) Leider kommt es in der Geschichte nicht immer
darauf an, wer Recht hat, sondern wer das Sagen hat: 2021 schloss
sich Wladimir Putin in einem Aufsatz mit dem Titel "Zur
historischen Einheit von Russen und Ukrainern" der Auffassung der
russischen Nationalisten an - einer der Gründe, mit denen er seinen
Angriffskrieg von 2022
rechtfertigt.
Im Norden konnte der Moskauer
Großfürst Iwan III. ("der Große") die von seinen Vorgängern
begonnene Ausweitung des Fürstentums fortsetzen. Er hatte dabei auch
die Kirche auf seiner Seite, die sich immer mehr von Konstantinopel
löste. (Als auf dem Konzil von Florenz versucht wurde, unter dem
Druck der türkischen Angriffe die Spaltung von Ost- und Westkirche
zu überwinden und die Vorherrschaft Roms anerkannt wurde,
verweigerte die russische Kirche die Gefolgschaft und wählte einen
eigenen Metropoliten. Nach der Eroberung
Konstantinopels durch die Türken erklärte manche Geistliche
Moskau zum neuen, "dritten" Rom; die wachsende Macht des Staates
sahen sie als Beweis ihrer Rechtgläubigkeit.) 1471 eroberte Iwan
III. (kampflos) das reiche, aber militärisch schwache Nowgorod, das
über ein riesigen Hinterland verfügte. 1478 gliederte er Nowgorod
in sein Reich ein, das Großfürstentum Moskau wurde damit zum
flächenmäßig größten Staat Europas. (1510 endete auch die
Selbstverwaltung in Pskow.) Iwan III. verbündete sich zudem (mit dem
bereits 1430 vom Khanat der goldenen Horde unabhängig gewordenen)
Krim-Khanat und konnte 1480 die Mongolenherrschaft endgültig
abschütteln. Danach ging er daran, weitere ostslawische Gebiete
vom "Tatarenjoch" zu befreien; Iwan der Große gilt daher als
Begründer Russlands. Unter ihm begann der Bau des Kreml in
Moskau. Sein von der Kirche – die damit den römisch-katholischen
Einfluss in den von Polen beherrschen Gebieten zurückdrängen wollte
– unterstützter Anspruch, "Herrscher der ganzen Rus'" zu sein, war
aber auch eine Kampfansage an das Fürstentum Litauen und an Polen,
die über die südlichen Gebiete herrschten.
Nordeuropa
In den Jahren 1013 bis 1015 war es den Wikingern erneut gelungen,
England zu erobern. Unter König Knut "dem Großen" entstand ein Nordseereich,
das Dänemark, England und später auch Norwegen (mit den oben
genannten Einschränkungen) umfasste. In Norwegen
hatte es Olav Haraldsson, der dort 1015 die Macht übernommen hatte,
geschafft, die Macht der Stammesfürsten endgültig zu brechen. Er
starb 1030 in einer Schlacht, woraufhin Knut "der Große" seinen Sohn
Sven als Statthalter in Norwegen einsetzte. Der machte sich aber
mit einer aus England übernommenen Steuergesetzgebung unbeliebt,
und wurde daher nach Knuts Tod im Jahr 1035 und dem darauf
einsetzenden Zerfall des Nordseereichs aus Norwegen vertrieben. Die
Norweger machten Olavs Sohn Magnus zum König, der Svens Gesetze
zurücknahm und daher als Magnus "der Gute" in die
Geschichte einging. 1041/1042 wurde er auch König von Dänemark.
1045 kam allerdings Olavs Bruder Harald nach längerem Aufenthalt in
Nowgorod und Konstantinopel goldbeladen zurück und forderte den
Königsthron. Magnus und Harald einigten sich: Magnus behielt den
Königsthron in Dänemark, Harald erhielt 1047 den von Norwegen. Da er
ziemlich kriegerisch gestimmt war, ging er als Harald "der
Harte" in die Geschichte ein. In England war
1042 Eduard, ein Sohn des früheren englischen Königs Æthelred, König
geworden, nach seinem Tod 1066 folgte ihm Harold II. Im selben Jahr
griffen Schweden und Normannen England an. Die Schweden verloren
die Schlacht (und Harald "der Harte" sein Leben); die Normannen
konnten unter Herzog Wilhelm (seither "der
Eroberer" genannt) die Engländer aber besiegen.
Weihnachten 1066 wurde Wilhelm zum englischen König gekrönt. Im
gelang es, fortan die Wikinger von der Insel fernzuhalten. 1066
wurde auch die Wikingersiedlung Haithabu im heutigen
Schleswig-Holstein von Slawen zerstört – die Zeit der Wikinger ging
im 11. Jahrhundert dem Ende entgegen.
Ab dem 11. Jahrhundert kam es zudem
infolge der landwirtschaftlichen
Ertragssteigerungen und dem damit einhergehenden
Bevölkerungswachstum zu einem vermehrten Zuzug von Menschen aus
Mitteleuropa an die Ostsee. Diese bauten dort neue Städte, ober
bauten Städte wie das 1138 zerstörte Lübeck wieder auf. Sie neuen
Siedler gewannen zunehmend Einfluss auf den Handel in der Region und
beherrschten ihn zunehmend, im 13. Jahrhundert sprachen die
Kaufleute von sich selbst als "Hansen". Die Hanse wurde zu
einem Zentrum des Handels: ihre Schiffe brachten Tuche aus Flandern
und England, Holz und Pelze aus Nowgorod, Getreide aus Osteuropa und
Fische aus Nordatlantik und Nord- und Ostsee zu den Märkten. Durch
ihren Reichtum gewannen die Kaufleute der Hanse auch politischen
Einfluss und stellten oft den Bürgermeister der Handelsstädte.
Politisch dominierte Dänemark den Nord- und Ostseeraum und
dehnte sein Gebiet immer weiter aus. Anfang des 13. Jahrhundert etwa
eroberten die Dänen Estland, wo sie Tallinn ("Dänische Stadt")
gründeten. 1361 eroberte Dänemark die Handelsstadt Visby auf der
Insel Gotland und verlangte Zölle von der Hanse. Aber die "Kölner
Konföderation", ein Bündnis von (nicht nur Hanse-)Städten konnte
gemeinsam mit Schweden die Dänen besiegen und sich 1370 im Frieden
von Stralsund die alten Handelsprivilegien zurückholen. Schweden
war noch im 10. Jahrhundert ein Verbund von Regionen
gewesen, in denen der König keine große Macht hatte. Olof
Skötkonung war 1008 der erste König, der sich taufen ließ, aber
die Christianisierung Schwedens zog sich bis ins 13. Jahrhundert
hin. Damals gelang unter Birger Jarl auch eine echte Vereinigung des
Landes.
1375 starb der dänische König Waldemar IV. Atterdag, seine Tochter
und – allerdings nie gekrönte – Nachfolgerin Margarethe I.,
die 1363 (als zehnjährige) mit dem norwegischen König verheiratet
wurde, übernahm nach dessen Tod 1380 auch die Herrschaft über
Norwegen (einschließlich der norwegischen Besitzungen Island,
Grönland und die Färöer). 1388 wurde sie auch noch zur
Interims-Herrscherin von Schweden gewählt. 1397 wurde ihr Großneffe
Erich von Pommern zum König von Dänemark, Schweden und Norwegen
gewählt; damit war die (von Dänemark dominierte) Kalmarer Union
der drei Königreiche vollzogen. Ganz reibungslos verlief dieser
Prozess nicht: die Stadt Stockholm etwa widersetzte sich bereits der
Machtübernahme durch Margarethe I. in Schweden; und die Seefahrer,
die die Stadt Stockholm versorgen sollten, machten sich schnell
selbstständig und begannen mit Seeräuberei in Nord- und Ostsee.
Damit gerieten sie in Konflikt mit der Hanse. Der später zum Mythos
gewordene Klaus Störtebeker wurde 1401 von
Hamburger Schiffen gestellt und mit 72 weiteren Seeräubern geköpft.
Heute hat er in der HafenCity ein Denkmal... 1434 bis 1436 gab es
einen erneuten, von Engelbrekt Engelbrektsson
angeführten Aufstand in Schweden. Der blieb erfolglos,
Engelbrektsson wird aber bis heute in Schweden als Freiheitsheld
verehrt. Und Schweden blieb ein Unruheherd in der Union, 1464 brach
der nächste Aufstand aus, 1470-71 kam es zu dann zu einem
Dänisch-Schwedischen Krieg, da der schwedische Reichsverweser
(nicht so schlimm, wie es sich anhört: so werden diejenigen
genannt, die den König vertraten, wenn er nicht im Lande war) sich
gegen Versuche des Unionskönig, in Schweden mehr Einfluss zu
gewinnen, wehrte. Noch hatte die Union aber Bestand (ein ähnlicher
Aufruhr unter Reichsverweser Gustav Wasa sollte
1523 dann aber zu ihrem Zusammenbruch führen).
Renaissance und Humanismus
Während der Kreuzzüge waren die Westeuropäer mit einer weit
überlegenen Zivilisation in Kontakt gekommen. Viele hatten zum
ersten Mal im Leben imposante Städte gesehen, Stoffe wie Samt und
Seide und orientalische Gewürze kennengelernt. Der Handel zwischen
Abend- und Morgenland nahm schon während der Kreuzzüge wieder zu und
machte, wie oben dargestellt, italienische Hafenstädte wie Venedig
und Genua reich und mächtig. Das starke Wachstum der europäischen
Bevölkerung führte insbesondere im 13. Jahrhundert zur Entstehung
zahlreichen Märkte und Städte (alleine in Westfalen stieg deren Zahl
von 6 im Jahr 1180 auf 138 im Jahr 1300). Damit änderte sich das
Leben der Menschen: Auf den Märkten konnte man auch Waren kaufen,
die man selber kaum herstellen konnte. Größere Märkte zogen Menschen
von weither an, und bezogen ihre Ware aus den großen Handelsstädten
wie Brügge und Gent in Flandern, die wiederum Waren aus London oder
den baltischen Staaten bezogen. Das nordeuropäische Handelsnetzwerk
stand über Messen in der französischen Champagne mit den
südeuropäischen Handelsstädten in Verbindung; in ganz Europa begann
der Aufstieg der Städte und entstand der
Kaufmannsstand. Europas Städte waren im
Unterschied zu den Städten der alten Hochkulturen und zu den Städten
der Moslems halbautonom – im Falle der italienischen Stadtrepubliken
sogar völlig Unabhängig. In China konnte der Kaiser über den Wohnort
der Menschen verfügen, in Europa mussten die Städte um die Bürger
werben. Damit der Handel funktionierte, brauchte er ein
nachvollziehbares Recht, die ersten schriftlichen Sammlungen von
Rechtsvorschriften entstanden (und führten sogar, wie im Falle der
1215 in England verfassten "Magna Carta" dazu, dass die Rechte des
Königs gegenüber dem Adel eingeschränkt werden konnten).
Rechtsvorschriften musste man aber lesen können, was wiederum
Schulen und Bildung notwendig machte. Erste Universitäten
entstanden in Städten wie Paris, Cambridge, Prag oder Heidelberg.
Latein war – wie in der römisch-katholischen Kirche – die
länderübergreifende Sprache dieser neuen Universitäten.
Lange Zeit blieb aber die Kirche der wichtigste Kulturträger;
Kultur basierte auf dem von der römischen Kirche vermittelten Erbe
des alten Israel. Seit dem 12. Jahrhundert wurde aber auch das Erbe
der Griechen und der Römer wiederentdeckt, das in den arabischen
Bibliotheken überlebt und nach der Wiedereroberung ehemals von den
Arabern beherrschter Städte wieder zugänglich wurde. In Südeuropa
wurden ganze Bibliotheken ins Lateinische übersetzt; bei ihrer
Verbreitung spielten die Klöster ein wichtige Rolle, die oft eigene
Bibliotheken besaßen, in denen die Übersetzungen eingingen. Die
Mönche verbreiteten das Wissen nicht nur (auch in den
Klostenschulen), sondern dachten es auch manchmal auch weiter: So
begann etwa der Leiter der Domschule von Notre-Dame in Paris, Pierre
Abaelard, die Widersprüche in den Schriften der
Kirchenväter mit Hilfe von Aristoteles' Logik zu untersuchen. Dass
er damit die Logik neben den Glauben stellte, grenzte damals an
Ketzerei. Der franziskanische Naturphilosoph Roger Bacon
lehrte im 13. Jahrhundert an den Universtitäten London und Oxford
und forderte naturwissenschaftlichen Unterricht an den
Universitäten. Bereits im 12. Jh. waren auch die arabischen Ziffern
in den Westen gelangt; das medizinische Wissen der Araber, das
Avicenna in seinem "Kanon der Medizin" zusammengestellt hatte, war
von Gerhard von Cremona übersetzt worden und
unterstützte die Anfänge einer wissenschaftlichen Medizin.
Hofübersetzer in Palermo hatten das das Werk des am Hofe Roger II.
lebenden arabischen Geografen Mohammed al-Idrisi mit einer
Karte der damals bekannten Welt übersetzt.
Geografisches Wissen war besonders gefragt, denn um arabische
Zwischenhändler beim lukrativen Gewürzhandel zu umgehen, brauchte
man das antike Wissen, aber auch die Erkenntnisse der Araber. Mit
den mongolischen Eroberungen hatte sich ein
neuer Handelsweg durch Asien eröffnet, und ab 1245 schickte der
Papst Delegationen zum mongolischen Großkhan, um mit diesem ein
Bündnis gegen die Muslime zu schmieden. Italienische Händler
versuchten, Kontakte nach Asien aufzubauen. Zu diesen gehörten
Niccolò und Maffeo Polo, die auf ihrer zweiten Reise Niccolòs Sohn
Marco mitnahmen, dessen Reisebericht später weit verbreitet wurde.
1269 kauften genuesische Kaufleute die Stadt Kaffa am Schwarzen
Meer; und 1291 versuchten Schiffe aus Genua erstmals, auf dem Seeweg
nach Indien zu gelangen.
Unterdessen nahmen am Ende des 13. Jahrhunderts die Fehlernten zu:
zum einen ging die mittelalterliche Warmzeit zu Ende, zum anderen
hatten die intensiven Ernten der letzten Jahrhunderte die Böden an
Nährstoffen verarmen lassen. 1309 führten dann starke Regenfälle
überall in Europa zu einer Hungersnot, 1315 verdarb starker Regen
die Frühjahrsaussaat und führte zu einer bis 1317 anhaltenden
Hungersnot, der 10 Prozent der Bevölkerung – mehrere Millionen
Menschen – zum Opfer fielen. Aber es sollte noch schlimmer kommen,
die seit 770 in Europa verschwundene Pest kam zurück.
Der "Schwarze Tod":
die Pest-Pandemie 1347 bis 1352
Erste Gerüchte, dass die Städte Chinas von einer verheerenden Pest
betroffen seien, hatten den Westen bereits Anfang 1346 erreicht.
Ende des Jahres wurde es zur Gewissheit; auch Indien war betroffen.
Im gleichen Jahr traf die Seuche auch ein mongolisches Heer, das
gerade die genuesische Handelsstadt Kaffa auf der Krim belagert:
Tausende der Angreifer starben binnen Tagen. Sie mussten den Angriff
abbrechen, ließen aber ihre Leichen zurück. Es wurde sogar
berichtet, dass sie diese vor ihrem Abzug mit ihren
Belagerungskatapulten in die Stadt geschossen haben sollen. Ob das
so war oder nicht, die Seuche griff auf Kaffa über. Die Überlebenden
flüchteten auf 13 Schiffen - sie brachten die Seuche nach
Konstantinopel, wo im September 1347 die Pest ausbrach. Ein
Sklavenschiff aus dem Schwarzen Meer brachte die Pest nach
Alexandria; und im Oktober 1347 legte ein Flüchtlingsschiff aus
Kaffa in sizilianischen Messina auf Sizilien an – wo wenige Tage
später die Pest ausbrach. Die Seeleute wurden wieder fortgeschickt,
und brachten die Pest nach Genua, Venedig und Pisa. Damit war der
Weg für die weitere Ausbreitung frei: 1348 erreichte sie Tunis,
Sevilla und Paris, 1349 Deutschland und London. 1352 erreichte sie
Moskau. Genaue Zahlen über die Folgen dieser – nach der Justitianischen
Pest – zweiten Pandemie – wegen der schwarzen Beulen in
Leisten und Achselhöhlen der Opfer auch Beulenpest oder einfacher
"Schwarzer Tod" genannt, sind schwierig zu ermitteln; die besten
Schätzungen liegen bei einem Drittel bis 60 Prozent der
Bevölkerung, die der Pest zum Opfer fielen, also etwa 25 bis
über 45 Millionen Menschen.
Wie sich zeigen sollte, war das nur die erste Welle dieser
Pandemie, die Pest kehrte bis ins 18. Jahrhundert alle paar Jahre
nach Europa und in die islamische Welt zurück. Ob die Pest
dazwischen lokal in Rattenpopulation überdauerte oder, wie neue
Forschungen vermuten lassen, bei Klimaänderungen immer wieder neu
aus dem Innern Asiens nach Europa und in die islamische Welt
gelangte, ist noch nicht klar [676].
Auch die folgenden Epidemien waren furchtbar, die zweite Welle
1361/62 tötete etwa in England noch einmal zehn Prozent der
Menschen; manchmal, wie 1563 in Venedig, 1649 in Sevilla, 1656 in
Neapel, 1665 in London oder 1720/21 in Marseille töteten
Pestausbrüche auch mehr als 20 Prozent der Bevölkerung. Aber sowohl
die Sterberaten als auch die Folgen waren nicht mit dem "Schwarzen
Tod" von 1347 bis 1352 zu vergleichen – dieser kam überraschend (die
Erinnerungen an die Justitianische Pest waren längst verloren
gegangen), an eine regelmäßig wiederkehrende Pest gewöhnte sich die
Menschheit und entwickelte auch Strategien, mit ihr umzugehen. Auch
wenn die Ursachen der Pest nicht bekannt waren, war vielerorts der
Zusammenhang zwischen den Handelsrouten und der Ausbreitung der Pest
erkannt worden, und so wurde etwa in der Handelsstadt Venedig, wo
eine Kommission aus "Weisen" die Stadtregierung beriet, die
"Quarantäne" für Seuchenverdächtige eingeführt (von "quaranta", 40,
da diese 40 Tage isoliert wurden); seit 1423 wurde Kranke in eigenen
Krankenhäusern isoliert (und 1485 eine der ersten
Gesundheitsbehörden eingerichtet). Auch die Abriegelung ganzer von
der Pest betroffener Regionen durch (oft vom Militär bewachte)
"Sanitärkordons" sollte gegen die Ausbreitung der Pest helfen (den
längsten, 1.900 Kilometer lang, errichteten die Habsburger. Solche
Maßnahmen halfen, aber eben nur teilweise, da einerseits die
Maßnahmen nicht lückenlos umgesetzt werden konnten, und die Ursache
der Krankheit unbekannt war (obgleich die Pest in Innerasien
"Rattenpest" hieß, aber dieser Hinweis war in Europa damals
vermutlich nicht bekannt.) Auch andere Maßnahmen, die ergriffen
wurden, wie das Reinigen der Abwasserkanäle und das Einsammeln von
Abfällen, halfen gegen die Pest (hinter ihnen stand die damals weit
verbreitete "Miasmentheorie", wonach Krankheiten durch faulige
Prozesse in Luft oder Wasser verursacht würden – aber sie waren eben
auch gegen Ratten wirksam). Um den Kranken zu helfen, stellten
Städte (nachdem anfänglich Quacksalber mit selbst hergestellten,
unwirksamen Heilmitteln den Leuten viel Geld aus der Tasche gezogen
hatten) Pestärzte ein; die später oft - um sich vor Ansteckung zu
schützen - mit Duftstoffen gefüllte Schnabelmasken vor dem Gesicht
trugen (diese "Schnabeldoktoren" prägten lange das Bild der Pest).
All die Maßnahmen mögen dazu beigetragen haben, dass die zweite
Pestpandemie im 17. und 18. Jahrhundert in Europa nach und nach
abebbte: die letzten Epidemien war die von 1720/21 in Marseille und
der Provence sowie von 1770 in Moskau.
Todesraten wie in der ersten, aber auch mancher der
folgenden Wellen ließen die Überlebenden traumatisiert zurück. Die
Reaktionen waren unterschiedlich: die einen glaubten, die Pest sei
eine Strafe Gottes für einen sündhaften Lebenswandel des Menschen
und gingen in Sack und Asche, andere gaben sich den "ungezügelsten
Leidenschaften" (so ein Chronist aus Tirol) hin. Es kam zu
Plünderungen von Häusern, deren Bewohner an der Pest gestorben
waren, und auf der Suche nach Sündenböcken wurden die Juden als
"Brunnenvergifter" [680]
in vielen Regionen systematisch abgeschlachtet (obgleich sie
natürlich ebenso von der Pest betroffen waren wie die Christen).
Diese Pogrome gehören zu den dunkelsten Seiten der Reaktion auf die
Pest. Dennoch brach auf Dauer die Gesellschaft nicht zusammen,
sondern wurde sogar gestärkt: am besten kamen Städte und Länder
durch die Pest, wo etwa wie in Venedig Gesundheitsbehörden den Kampf
gegen die Krankheiten organisierten. Allen wiederkehrenden Epidemien
zum Trotz überstand die Menschheit die Pest: etwa 200 Jahre nach dem
"Schwarzen Tod" erreichte die Bevölkerungszahl in Europa wieder 75
Millionen Menschen, so viele wie vorher. Diese lebten aber anders
als zuvor. Der Glaube an die Kirche, die die Vernichtung ganzer
Familien nicht verhindern konnte, wurde erschüttert; und ebenso der
Feudalismus: Da Arbeitskräfte knapp wurden, wurde Arbeitskraft
wertvoller. Viele Leibeigene, die ihre Familien verloren hatten,
hatten zudem nichts mehr zu verlieren und rebellierten oder gingen
in die Städte. Wenn die Landbesitzer ihre Bauern halten wollten,
mussten sie ihnen die Pacht deutlich senken und sie ordentlich
behandeln, sonst wurden sie von anderen abgeworben oder nutzten die
Gelegenheit, um ebenfalls in die Städte zu gehen. Für manche wurde
das Leben nach der Pest offenbar deutlich besser!
Neben Hunger und Pest prägten auch Krieg und Eroberung das 14.
Jahrhundert. Namentlich der Hundertjährige Krieg,
in dem es wesentlich um den Versuch der englischen Könige – die seit
der Eroberung Englands durch den normannischen Herzog Wilhelm I. im
Jahr 1066 französischer Herkunft waren – ihre Ansprüche auf den
französischen Thron durchzusetzen. Die Schlacht von Crécy 1346
gewannen die zahlenmäßig unterlegenen Engländer dank zahlreicher
Bogenschützen. Anders als die Ritter mit ihren
Lanzen mussten sich Bogenschützen ihren Gegnern nicht bis auf
Nahkampfentfernung nähern und konnten ihre Gegner mit geringerer
Gefahr für sich selbst töten, solche "Fernwaffen" sollten den Krieg
bis heute prägen. Der englische König Edward III. erkannte auch,
dass (die aus China nach Europa gekommenen) Kanonen ähnliches
leisten konnten, und befahl die Produktion von Schießpulver, das im
Tower von London gelagert wurde.
Auch das 15. Jahrhundert blieb von diesem und anderen Kriegen
geprägt. Der Hundertjährige Krieg wurde in England nach seinem Ende
(die Engländer verloren 1453; der Krieg trug dazu bei, sowohl in
Frankreich als auch in England ein Nationalbewusstsein entstehen
zu lassen, aus dem England und Frankreich als getrennte Staaten
hervorgehen sollten) als Rosenkrieg fortgesetzt, die italienischen
Handelsstädte griffen sich mit Hilfe von condottieri genannten
Söldnern gegenseitig an, die Hanse kämpfte gegen die Spanier und die
Niederländer, ... Ob diese Kriege den technischen Fortschritt im
15. Jahrhundert (der auch im Krieg nützte) gefördert oder geschadet
(da sie ihm Geld entzogen haben) haben, ist umstritten. Aber im 15.
Jahrhundert begann auch die Renaissance. Als
Inbegriff des Renaissance-Menschen gilt Leonardo da Vinci,
der nicht nur die „Mona Lisa“ malte, sondern – die Reihe
mittelalterlicher "Bastler" fortführend – auch Wissenschaftler,
Techniker und Erfinder war. Erfindungen wie das Pferdegeschirr
erhöhten die Leistung der Pferde als Zugtiere; Wasser- und Windräder
führten zur Mechanisierung vormals menschlicher oder tierischer
Arbeit etwa in den Mühlen. Kurbeln und Zahnräder ermöglichten die
Richtungsänderung der Kraft oder die Umwandlung von Dreh- in
Kolbenbewegungen, so konnten auch Tuch gestampft, Metall gehämmert
oder Blech gewalzt werden. Ende des 15. Jahrhunderts konnten die
christlichen Heere bereits Dutzende von Kanonen – gezogen von
Hunderten von Pferden – gegen die Moslems in Granada einsetzen.
Bereits im 13. Jahrhundert hatte zudem die Herstellung von Waren in
Manufakturen gegonnen. An den Universitäten wurden die Grundlagen
dieser Techniken systematisch erforscht. Die Universitäten hatten
auch Bedarf an Büchern, die
viel billiger hergestellt werden konnten, nachdem Papier
hergestellt werden konnte und Johannes Gutenberg
in Mainz den Druck mit der Erfindung beweglicher Metalllettern
revolutioniert hatte. Leistung spielte eine zunehmende Rolle: Manche
Handwerker waren besser als andere – und hatten mehr Kunden. Manche
Historiker sehen hierin eine der Wurzeln für die spätere industrielle
Revolution.
Die Wurzeln der industriellen
Revolution (I)
Bereits im Mittelalter, meinen manche Historiker, liegen die
Wurzeln der industriellen Revolution: Zu dieser Zeit holte Europa
den wissenschaftlichen und technischen Vorsprung anderer
Zivilisationen, vor allem China und dem Islam, auf – und überholte
diese sogar. Einer, der die Frage intensiv untersucht hat, ist der
Wirtschaftshistoriker David S. Landes mit seinem Buch
„Wohlstand und Armut der Nationen“, in dem er fragt, „warum
die einen reich und die anderen arm sind“ (so der Untertitel). Er
weist darauf hin, dass selbst zur Blütezeit des Islam in den Jahren
750 bis 1.100, als dieser der Lehrmeister Europas war, zwar die
Wissenschaft blühte, aber die Technik wesentlich langsamere
Fortschritte machte: Die Erkenntnisse wurden nicht angewandt, da im
Islam für Fragen des Geistes (im weitesten Sinne) die
Glaubensgelehrten zuständig waren. Er zitiert den Historiker Ibn
Chaldun, der folgende Anweisung zum Umgang mit einer in Persien
gefundenen Bibliothek mit einer „unbeschreiblich große[n] Zahl von
Büchern und wissenschaftlichen Manuskripten“ aufzeichnete: „Wirf sie
ins Wasser. Wenn, was sie enthalten, rechte Weisung ist, hat Gott
uns bessere Weisung gegeben. Ist es Irrweg, hat Gott uns dagegen
geschützt.“ Religionsführer mochten es selten, wenn man überlieferte
Weisheiten anzweifelte.
Auch im konfuzianischen China war Fortschritt kein Wert. Zwar war
China im Mittelalter die technisch führende Weltregion: Schon im 12.
Jahrhundert kannten die Chinesen eine mit Wasserkraft beschriebene
Maschine zum Spinnen von Hanf; sie sollen bereits Ende des 11.
Jahrhunderts mit Hochofentechnik 125.000 Tonnen Roheisen produziert
haben; die Schiffsexpeditionen der Ming-Dynastie wurden früher, mit
besseren navigatorischen Kenntnissen und mit größeren Schiffen
durchgeführt als die Seefahrten der Europäer. Sie dienten aber
anderen Zwecken: China wollte repräsentieren, nicht handeln –
schließlich gab es im Reich der Mitte alles, was nötig war. Im
Ming-China war der Konfuzianismus wieder erstarkt, China hielt sich
für das Zentrum der Welt. Die Chinesen waren gute Kartographen –
ahnten aber nicht, dass die Erde eine Kugel war. So gaben sie sogar
den Schiffbau auf – ab 1436 wurden keine Schiffe mehr gebaut. 1525
wurden gar alle seetüchtigen Schiffe zerstört und ihre Eigner
festgenommen.
Ganz anders verlief
die Entwicklung in Europa. Hier wurde das
mittelalterlich-christliche Weltbild durch das wissenschaftlicher
geprägte Weltbild der Renaissance abgelöst. In Europa fehlte eine
starke zentrale Macht wie im Islam oder in China, die diese
Entwicklung unterdrücken konnte – im Gegenteil, in den Universitäten
fanden kritische Geister ein Zuhause. Mit der Weiterentwicklung des
Buchdrucks durch Johannes Gutenberg Mitte des 15. Jahrhunderts
konnte das Wissen schneller und weniger fehleranfällig verbreitet
werden – auch der moderne Buchdruck wurde in China (wo er mangels
eines Alphabets schwieriger umzusetzen war) und im Islam (wo er den
Koran entweiht hätte) erst sehr verzögert eingesetzt; in Europa (und
bald auch in den europäischen Kolonien) förderten billige(re) Bücher
die Verbreitung von Wissen. Die ersten Reisen warfen neue
Fragen auf – auf der Südhalbkugel gab es neue, zuvor nie gesehene
Sterne. Kein Wunder, dass nach der Navigation die Astronomie blühte:
Zu den großen Geistern der Renaissance gehörten die Astronomen
Nicolaus Kopernikus und Galileo Galilei. Mit ihren auf genauen
Beobachtungen und Messungen und den daraus abgeleiteten
Schlussfolgerungen beruhenden Entdeckungen (hier)
gehören sie zu den Begründern der modernen Wissenschaft (mehr).
Siehe auch: Die
Wurzeln der Industriellen Revolution (II)
Von der Entwicklung und dem Wachstum der Städte profitierte auch
das Land, von dem aus die Städte – teilweise, denn viele Städter
hatten eigene Gärten und hielten Hühner und Schweine – versorgt
wurden. Im Umkreis der Städte entstand Obst- und Gemüsegartenbau;
auch wurden "Industriepflanzen" wie die Farblieferanten Waid und
Krapp angebaut. In England und im Mittelmeergebiet wurden Wollschafe
in großer Zahl gehalten. Mit zunehmendem Wohlstand in den Städten
wuchs auch die Nachfrage nach Fleisch; in dem Mittel- und
Hochgebirgen konnte der kaum lohnende Ackerbau zugunsten des
Alpbetriebs aufgegeben werden; in den Grünlandgebieten Nordeuropas
und den Grasländern Ungarns wurden Rinderherden in die Städte
getrieben. Aber für die Viehzucht wurde nicht
nur unproduktives Ackerland genutzt: Insbesondere in England wurden
auch Felder mit Hecken und Zäunen eingehegt (enclosure) und
als Viehweide genutzt.
Auch die Seefahrt wurde weiterentwickelt: Der glatt beplankte Rumpf
des Mittelmeerraums wurde mit dem Heckruder der Hansekogge
kombiniert; das viereckige Rahsegel, mit dem man günstige Winde
ausnutzen konnte, mit dem dreieckigen Lateinersegel, mit dem gegen
den Wind segeln konnte. So brauchte man keine Ruderer mehr, die
zuvor im Mittelmeerraum verbreitete Galeere wurde von der Karacke,
die mehr als tausend Tonnen Ladung aufnehmen konnte, und der
schnellen und wendigen Karavelle abgelöst. Die Karacke war auch
stark genug, Kanonen zu tragen, und sollte daher auch als
Kriegsschiff genutzt werden. Aber die Schiffe waren nicht alles,
genauso wichtig war die Entwicklung der Portolane
(Seefahrerhandbücher) mit genauen Karten und die Einführung des von
den Chinesen über Inder und Araber nach Europa gelangten Kompass und
des Astrolabiums: Voraussetzungen für die Entdeckung
der Welt durch die Europäer.
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Die
Unterwerfung der Welt durch Westeuropa