Das Zeitalter der Landwirtschaft
Der Siegeszug der Landwirtschaft
Von den Zentren ihrer Entstehung breiteten sich
Ackerbau und Viehzucht über die Welt aus; zumeist, indem die
zahlenmäßig überlegenen Ackerbauern Jäger und Sammler vertrieben,
aber auch, indem jene die Landwirtschaft übernahmen. So erreichte
die Landwirtschaft des fruchtbaren Halbmond den Mittelmeerraum,
Europa, das Nil- und das Industal; die chinesische Landwirtschaft
breitete sich in Zentralasien, der pazifischen Inselwelt und bis
nach Japan aus. In Amerika und Afrika stieß die Ausbreitung dagegen
auf geografische und klimatische Hindernisse.
Die Ausbreitung der Landwirtschaft
in Europa. Eigene Abbildung
Die Ausbreitung
der Landwirtschaft begann mit ihrer Erfindung: zum einen
ließen die Überschüsse die Bevölkerungszahl steigen; zum anderen
war die frühe Landwirtschaft ein auf Brandrodung beruhender Wanderfeldbau
und benötigte ständig neue Flächen. Als die Landwirtschaft begann,
sich über ihre Entstehungsgebiete hinaus auszubreiten, stellten sich
den Bauern neue Herausforderungen: Im Unterlauf von Euphrat und
Tigris etwa war es deutlich trockener als in den bergigen
Ursprungsgebieten des fruchtbaren Halbmondes; in Europa mussten
dichte Wälder gerodet werden. Für die Landwirtschaft umwandeln
konnte man mit den jungsteinzeitlichen Werkzeugen aus geschliffenem
Stein vor allem locker bewaldete Savannen und die Wälder des
gemäßigten sowie des Mittelmeerklimas; nicht aber die großen
Grasländer oder die tropischen Regenwälder. Die Wälder des Nordens
waren klimatisch nicht für die Landwirtschaft geeignet.
Die Ausbreitung war insgesamt ein langsamer Vorgang: selbst die
vergleichsweise schnelle Ausbreitung vom fruchtbaren Halbmond bis
zum Atlantik oder zum Baltikum dauerte mindestens 2.000 Jahre.
Während der Ausbreitung trafen die Bauern zum einen auf weitere
Pflanzen, die für den Ackerbau geeignet waren und domestizierten
diese (verloren aber auch manche Pflanze, die für das Klima der
neuen Gebiete nicht geeignet war); zum anderen konnten sie auch auf
bereits bestehende Landwirtschaft treffen, die aus einem anderen
Entstehungsgebiet stammte – dann kam es oftmals zu einem Austausch
von Techniken, Feldfrüchten und Haustieren.
Ausgangsgebiet fruchtbarer Halbmond
Die Ausbreitung ins Tiefland
Die Erfindung der Landwirtschaft ließ die Bevölkerung in den
Entstehungsgebieten anwachsen; und Feldfrüchte konnten zudem in den
bergigen Regionen den
Boden nur einen Teil des Jahres vor Wind und Regen schützen,
er war daher stärkerer Erosion
ausgesetzt als zuvor. Diese führte zum Verlust des Oberbodens und
damit der Bodenfruchtbarkeit; bereits vor 8.000 Jahren mussten in
Jordanien schon Dörfer aufgegeben werden – wahrscheinlich, weil
fruchtbarer Boden fehlte. Dies "trieb" die Ackerbauern ins Tiefland,
zum Unterlauf der Flüsse Euphrat und Tigris. Dort regnete es aber
weniger, und damit kamen die in Bergländern entstandenen
Kulturpflanzen nicht zurecht. Aber Euphrat und Tigris brachten ja
Wasser aus den Gebirgen Anatoliens in das regenarme Land – bald
entdeckten die Bauern, dass Bewässerung mit
Flusswasser ihre Ernteerträge deutlich ansteigen ließ. In der Folge
wurde das bewässerte Gebiet durch die Anlage von Kanälen immer
weiter ausgedehnt – und sollte derart viel Nahrung erzeugen, dass
hier die ersten
Städte und später die ersten
Hochkulturen der Menschheit entstehen konnten.
Die Ausbreitung nach Westen – Mittelmeer und
Europa
Die Bauern aus dem nahöstlichen Bergland breiteten sich aber nicht
nur im Tiefland zwischen Euphrat und Tigris aus, sondern auch in
andere angrenzende Gebiete mit ähnlichem Klima – in Richtung des
heutigen Turkmenistan am Kaspischen Meer und über Anatolien in
Richtung Europa. Im an den fruchtbaren Halbmond
angrenzenden Anatolien wurde bereits vor mindestens 8.500 Jahren
Landwirtschaft betrieben. Bereit vor dieser Zeit entstanden hier
Großsiedlungen wie Çatal Hüyük mit 6.000 bis 8.000 Einwohnern (siehe
Kasten).
Çatal Hüyük
Innenraum eines
rekonstruierten Hauses aus Çatal Hüyük mit Feuerstelle und Leiter.
Foto: Stipich Béla, aus wikipedia.
Die nach
Jericho ältesten Städte der Welt finden sich in Anatolien (Karte):
Vor 10.200 Jahren entstand nördlich von Aksaray die Stadt Aşıklı
Hüyük, vor etwa 9.400 Jahren das berühmtere Çatal Hüyük. Çatal Hüyük
wurde Ende der 1950er Jahre entdeckt, und die Ausgrabungen seither
zeigen, dass die Stadt – anders als die Städte etwa des
Natufien – aus einstöckigen, rechteckigen Häusern aus Holz und
Lehmziegeln bestand, die nicht durch Wege getrennt waren: Die Häuser
wurden über die Dächer der Nachbarn erreicht, seitliche Eingänge gab
es nicht. Der Einstieg befand sich auf dem Dach und diente
gleichzeitig als Rauchabzug.
Die auf Stadtplanung hindeutende Organisation der
Siedlung stellt die Forscher vor neue Herausforderungen: Offenbar
wurde hier erst die Stadt besiedelt und danach mit der
Landwirtschaft begonnen. Der heutige Grabungsleiter, Ian Hodder,
glaubt, dass Rituale und Zeremonien die Stadtgründung förderten. Vor
8.000 Jahren hatte Çatal Hüyük immerhin 6.000 bis 8.000 Einwohner
und war die größte aus dieser Zeit bekannte Siedlung. Aus bislang
unbekannten Gründen wurde sie vor 7.700 Jahren aber aufgegeben.
Das enge Zusammenleben auf kleinem Raum und mit vielen
Tieren brachte aber auch neue Gefahren mit sich: Krankheiten konnten
leicht von Tieren auf Menschen überspringen und sich unter diesen
ausbreiten; Grippe, Masern, Pocken und Tuberkulose wurden so zum
ständigen Begleiter der Menschheit.
Ob die Ausbreitung der Landwirtschaft
entlang der Küsten des Mittelmeeres über den
Seeweg oder an Land stattgefunden hat, ist unklar. Boote,
wahrscheinlich aus Schilfrohr, gab im Mittelmeer spätestens vor
14.000 Jahren – seither wurde Obsidian, ein zur Herstellung
scharfkantiger Werkzeuge geeignetes Vulkanglas, auf der
Kykladen-Insel Melos abgebaut. Auch auf Sizilien gibt es einige
archäologische Fundorte aus dieser Zeit. Wie weit aufs Meer hinaus
sich die Menschen damals gewagt haben, weiß man nicht. Aber auf Kreta
finden sich erste Spuren der Landwirtschaft vor 9.000 Jahren (314).
Vor 8.200 Jahren wurde dann der Golfstrom erneut durch abtauendes
Schmelzwasser unterbrochen (das "8k-Event"),
was zu einer 400 Jahre andauernden Kaltphase führte. Als diese zu
Ende ging, stieg der Meeresspiegel des Mittelmeeres an und flutete
einen Süßwassersee, der damit zum Schwarzen Meer wurde (manche
Forscher bringen diesen Einbruch mit der biblischen Sintflut in
Verbindung). Der ansteigende Wasserspiegel hat in dem dicht
besiedelten Gebiet viele Menschen vertrieben, die sich entlang der
Zuflüsse und der Mittelmeerküste eine neue Heimat suchten. Das
danach einsetzende
stabilere Klima führte aber auch dazu, dass die Erträge aus
dem Ackerbau zuverlässiger wurden. Vor rund 8.000 Jahren erreichte
die Landwirtschaft das heutige Griechenland und Südostitalien; vor
7.700 Jahren wurde Malta von Ackerbauern besiedelt, und auf Zypern
lebten vor 7.600 Jahren bereits einige tausend Menschen (314).
Vor 7.000 Jahren erreichte sie den westlichen Mittelmeerraum.
Entlang der Donau gelangte die Landwirtschaft bis nach Ungarn, und
von hier immer den Lößböden entlang der großen Flüsse folgend, die
für den Ackerbau besonders geeignet sind, bis nach Westeuropa. Hier
kam die Landwirtschaft vor gut 7.500 Jahren an.
Genetische und linguistische Untersuchungen legen nahe, dass die
Ausbreitung der Landwirtschaft nicht (nur) auf neuen Ideen und
Techniken beruhte, sondern durch Menschen geschah: Dies zeigt zum
einen das Verbreitungsbild der indoeuropäischen Sprachfamilie, zum
anderen die Tatsache, dass heutige Europäer zahlreiche Gene aus dem
Nahen Osten besitzen, die zudem nach Westen hin seltener werden.
Diese Verteilung belegt auch, dass die Einwanderer sich mit den
ansässigen Jägern und Sammlern mischten; wie friedlich oder
kriegerisch und wie schnell diese Vermischung geschah – darüber kann
man heute nur noch spekulieren. Was wir aber wissen, ist: die
Einwanderer brachten Rinder mit, denn die heutigen Hausrinder
stammen vom asiatischen Auerochsen ab, nicht von seinen europäischen
Verwandten.
Der Mittelmeerraum ist wie das Entstehungsgebiet
der Landwirtschaft eine Region, in der der Region überwiegend im
Winter fällt; und viele küstennahe Gebirge sorgen für
Steigungsregen und ausreichend Wasser. Aber die Regen können sehr
heftig sein, was in steilen Gebirgen zu Erosion führt. Ackerbau
blieb daher oftmals auf die Küstenebenen beschränkt; während im
bergigen Inland vor allem Vieh weidete. Zum Ackerbau mussten die
Steineichenwälder der Küstenebenen gerodet werden; die
Kulturpflanzen stammten aus dem fruchtbaren Halbmond. Allerdings
wurden im Mittelmeerraum "Nacktgetreide" (bei denen die Spelzen, die
das Korn umgaben, beim Dreschen von alleine abfielen), bevorzugt:
neben Emmer wurde sehr viel Hartweizen angebaut.
Olivenbaum, Weinrebe und Feige
finden sich seit 6.000 Jahren im gesamten Mittelmeerraum, Dattelpalmen
in Nordafrika. Die erste Pflanze, die vermutlich im Mittelmeerraum
selbst domestiziert wurde, ist der Schlafmohn:
damit stand dem Menschen ein schmerzstillendes Mittel etwa für
medizinische Behandlungen zur Verfügung. Die Beweidung des Inlandes
durch Rinder, vor allem aber durch Schafe und Ziegen verhinderte,
dass – etwa für den Hausbau – abgeholzte Wälder wieder aufwuchsen;
im Mittelmeergebiet entstanden daher im Laufe der Zeit auf weiten
Flächen heute typische Strauchlandlandschaften, die "Macchie" oder
"Garigue" genannt werden. Da Weidetiere auch Pflanzen mit
ätherischen Ölen oft verschmähen, wurden diese hier sehr häufig –
und erst so zu "typischen" Mittelmeerkräutern (Majoran, Oreganum,
Rosmarin, Thymian, ...).
Die Ausbreitung der Landwirtschaft in Westeuropa
kann nicht so einfach gewesen sein: Das Wetter mit ganzjährigen
Regenfällen und einer kürzeren Wachstumssaison erforderte umfassende
Anpassungen der Pflanzen und neue Anbautechniken. Zunächst aber
mussten dichte Wälder gerodet werden; deren Holz diente zudem als
Bau- und Heizmaterial, denn anders als im Nahen Osten oder am
Mittelmeer mussten die Bauern sich, je weiter sie nach Norden kamen,
länger und besser vor Kälte schützen. Dafür waren die
Lößböden, die in der Eiszeit aus abgelagertem Staub
entstanden waren, bestens für die Landwirtschaft geeignet: sie
enthielten reichlich Nährstoffe und keine Steine. Dass die Anpassung
der Pflanzen an das geänderte Klima schnell gelang, zeigt das Können
der frühen Bauern. In Südosteuropa konnten sie noch alle Pflanzen
aus dem fruchtbaren Halbmond anbauten, weiter im Norden fielen dann
allerdings kälteempfindliche Arten weg. In Mitteleuropa wurde
aufgrund der kalten Winter und der im Frühsommer reichlichen
Regenfälle viel Sommergetreide, vor allem (Saat-)Weizen
und Hartweizen angebaut, die im Sommer mit seinen
langen Tagen ausreichend Zeit hatten, zu reifen. Diese empfindlichen
Nacktgetreide wurden wohl nicht sofort gedroschen, sondern in ganzen
Ähren aufbewahrt, die in feuchtem Klima nicht so leicht schimmelten.
Andernorts baute man Emmer und Einkorn
an, deren mit festen Spelzen versehenen Körner besser vor Schimmel
geschützt waren. Gerste gelangte weit nach Norden,
da sie nach der Aussaat vergleichsweise schnell erntereif war, und
so mit kurzen Sommern auskam. Ob Dinkel aus dem
fruchtbaren Halbmond nach Europa gelangt oder hier unabhängig aus
Hartweizen und Emmer entstanden ist, ist umstritten; er wurde aber
im Alpenvorland zur wichtigen Getreideart. Die Hülsenfrüchte Erbsen
und Linsen begleiteten den Getreideanbau.
Wohl als Verunreinigung im Saatgut gelangte auch der Wildroggen
nach Europa: da er hier nur auf Feldern wuchs und es keinen
genetischen Austausch mit Wildbestände geben konnte, wurde der
fremdbestäubte Roggen hier anders als im
fruchtbaren Halbmond domestiziert. In winterkalten und feuchten
Regionen sowie auf sandigen Böden war er den Weizenarten überlegen,
er lässt sich zudem (obwohl ein "Nacktgetreide") gut lagern und sein
Mehl ist bestens zum Brotbacken geeignet: er wurde im Laufe der Zeit
ebenfalls zum wichtigen Getreide. Auch der (Saat-)Hafer
wurde wohl auf ähnliche Weise in Europa domestiziert; er war den
Weizenarten bei hoher Feuchtigkeit überlegen und wurde wohl zuerst
in Küstennähe, später auch in Mittelgebirgen angebaut. Er wurde oft
als Brei gegessen und sollte zudem eine wichtige Futterpflanze für
Pferde werden.
Für die ersten 500 Jahre ihrer landwirtschaftlichen Geschichte
waren Mittel- und Südeuropa durch eine gemeinsame Kultur verbunden,
die Linearbandkeramik, benannt nach typischen,
mit Linienbändern verzierten Keramikgefäßen. Später sollten sich die
Kulturen des Mittelmeers und nördlich der Alpen aber auseinander
entwickeln: Am Mittelmeer, wo die Landwirtschaft auf die
Küstenebenen konzentriert waren, entstanden Stadtstaaten und die ersten Hochkulturen Europas;
nördlich der Alpen blieben bildeten sich keine übergeordneten
staatliche Strukturen. Hier blieben die Lößgebiete der Schwerpunkt
der Landwirtschaft, aber sie dehnte sich auch auf die Sandgebiete
Nordwesteuropas – etwa die norddeutsche Tiefebene –, die
Moränengebiete des Alpenvorlands und vor 6.000 Jahre auf die
Küstengebiete der Britischen Inseln und der Ostsee aus. Vor knapp
6.000 Jahren begann auch die Almwirtschaft in den Alpen – die
Bauern zogen im Sommer mit ihrem Vieh auf hochgelegene Weiden. Je
nach den vorherrschenden ökologischen Gegebenheiten entwickelten
sich die zerstreuten landwirtschaftlichen Regionen recht
eigenständig. Es gab aber auch hier Gemeinsamkeiten: die ersten
mitteleuropäischen Bauern errichteten aus mit Lehm verkleidetem
Flechtwerk Langhäuser; diese waren bis 30 Meter (in einzelnen Fällen
auch 50 Meter) lang und 10 Meter breit. Auf diese Kultur folgten in
Mitteleuropa unter anderem die Megalithkulturen (siehe Stichwort)
und die Pfahlbausiedlungen (Stichwort).
Vor 6.000 Jahren
erreichte die Landwirtschaft auch den Süden Skandinaviens, dort
dauerte es aber noch rund 2.000 Jahre, bevor sie ihre endgültige
Ausdehnung (in Schweden etwa bis nach Mittelschweden) erreichte [320]. Damit war sie
in ganz Europa verbreitet.
Stichwort: Megalithkulturen
Zuerst vor 7.000 Jahren in der Normandie und der Bretagne, seit
etwa 5.000 Jahren fast überall in Europa entstanden Anlagen aus
großen, teils viele Tonnen schweren Steinen. Die bekannteste ist die
englische Anlage von Stonehenge. Oft dienten diese
als Gräber, bei anderen rätseln die Archäologen noch über ihren
Zweck. Waren sie Kultstätten? Oder einfach Landmarken? Einige
könnten auch eine astronomische Funktion gehabt haben, ähnlich wie
die Kreisgrabenanlage von Goseck (folgender Kasten) oder die Anlage
von Stonehenge. Von vielen Anlagen sind noch Überreste erhalten,
wobei die Grabanlagen ursprünglich mit Erde bedeckt werden. Die
Megalithkulturen endeten vor etwa 3.500 Jahren.
Grabanlage in der Altmark
(Sachsen-Anhalt). Foto: Jürgen Paeger
Steinzeitbauern in
Mitteldeutschland
In Deutschland fanden die Besiedler unter anderem zwischen Harz,
Elbe und Saale fruchtbare Lössböden, die für den Ackerbau geeignet
waren. Auch hier haben sie offenbar die Jäger verdrängt, indem sie
sich und ihren Tieren den Lebensraum nutzbar machten und die Wälder
abholzten. An der Saale finden sich einige der bemerkenswertesten
Zeugnisse aus dieser Zeit, etwa die 6.900 Jahre alte Kreisgrabenanlage
von Goseck, mit der sich Winter- und Sommersonnenwende
bestimmen ließen – wichtige Zeitpunkte im bäuerlichen Jahr.
(Wie es weiterging an der Saale, lesen Sie
hier)
Stichwort:
Pfahlbausiedlungen
Nachbau einer Pfahlbausiedlung aus dem Pfahlbaumuseum
Unteruhldingen.
Foto: Gerhard Schauber, aus
wikipedia.
Offene Stellen an Seen und Flüssen waren für die frühen Bauern
besonders geeignet. Das Problem dabei: steigender Wasserstand kann
die Häuser überfluten. Beginnend vor rund 6.300 Jahren entstanden
rund um den Alpenraum Siedlungen aus Pfahlbauten – zahlreiche
Beispiele gibt es an den Schweizer Seen und am Bodensee.
Die Häuser standen auf drei bis fünf Meter hohen
Holzpfählen (siehe Foto rechts) und waren daher auch bei
schwankendem Wasserstand geschützt. Webtipp: Pfahlbaumuseum
Unteruhldingen.
Die Ausbreitung ins Niltal
Ob die Landwirtschaft im Niltal eine
eigenständige Entwicklung war, oder aus dem fruchtbaren Halbmond
dorthin gelangte, ist umstritten. Das Niltal war aufgrund der
regelmäßigen Überschwemmungen des Nils schon für die Wildbeuter der
Eiszeiten ein attraktiver Lebensraum, mit dem wärmeren Klima
des Holozäns wurde es noch einmal attraktiver. Wann und wie
die Landwirtschaft hier entstanden ist, ist aufgrund der schlechten
Fundlage (die Nilfluten haben auch viele Spuren beseitigt) nicht
bekannt; da aber die kultivierten Pflanzen diejenigen aus dem
fruchtbaren Halbmond waren, spricht vieles für die Übernahme der
dortigen Praktiken. Andererseits lebten im Niltal schon vor der
Erfindung der Landwirtschaft viele Menschen von dichten Beständen
wilder Gräser, etwa des “Nussgrases” Cyperus rotundus.
Sicher belegt ist die Landwirtschaft erst vor 7.500 Jahren. Eng war
der Austausch des Niltal mit der östlichen
Sahara: Vermutlich kam es im Niltal vor 12.000 bis 11.500
Jahren zu Flutkatastrophen, als steigende Niederschläge im
Quellgebiet den Nil anschwellen ließen; zu dieser Zeit zogen die
Bewohner des Niltals dann vermutlich in die ergrünende Sahara.
Umgekehrt zogen die Menschen aus der östlichen Sahara ins Niltal,
wenn die Sahara trockener wurde. So gelangte wohl auch das Rind
und die Keramik in das Niltal. Die Menschen aus der Sahara
vermittelten wohl auch zu dem Entstehungsgebiet
südlich der Sahara: im Niltal wurde neben den Pflanzen aus dem
fruchtbaren Halbmond auch afrikanische Arten wie Sorghum angebaut.
Sicher ist, dass es vor 6.300 Jahren im Niltal Siedlungen gab und
vor 5.500 Jahren – möglicherweise aufgrund des Bevölkerungsdrucks
von Menschen, die aus der seit 6.000 Jahren wieder austrocknenden
Sahara ins Niltal zogen – die Landwirtschaft weit verbreitet war.
Wie an Euphrat und Tigris profitierte sie auch hier von der
Bewässerung. Am Südrand der Sahara entwickelte sich eine
spezialisierte Rinderhirtenkultur, die bis heute überdauerte.
Die Ausbreitung nach Osten
Noch weniger ist über den Weg nach Osten bekannt. Aber schon vor
fast 10.0500 Jahren gibt es Landwirtschaft im Industal
im heutigen Pakistan (Fundort Mehrgarh); die angebauten Pflanzen –
Einkorn und Emmer – sowie die Verbreitung afroasiatischer Sprachen
und eurasischer Gene sprechen dafür, dass sie aus dem Fruchtbaren
Halbmond übernommen wurde (der zwar durch die Berge und Wüsten des
heutigen Irans und Afghanistans vom Industal getrennt ist, aber auch
6.000 Jahre alte Handelswege zeigen, dass diese schon damals
nicht unüberwindbar waren [330]).
Ob der Reis im Gangestal domestiziert wurde, ist umstritten und eher
unwahrscheinlich, aber hier wurde bereits früh Landwirtschaft
betrieben und Reis angebaut. Im Industal (ebenfalls Fundort
Mehrgarh) wurde vor 8.000 Jahren die Baumwolle
domestiziert (eine andere Art als die amerikanischen Baumwoll-Arten,
siehe rechts), und bald auch eine aus Afrika stammende, wohl im
Nahen Osten domestizierte weitere Baumwollart angebaut (was wiederum
den Kontakt zwischen dem Nahen Osten und das Industal belegt).
Zwischen dem Indus- und dem Gangestal, etwa nördlich des Hochlands
von Dekkan, wurde seit über 7.000 Jahren auch Viehzucht (Schaf,
Ziege, Rind) betrieben. Auch im Industal machte Bewässerung wie in
Mesopotamien die Landwirtschaft sehr produktiv; von hier aus
breitete sie sich nach Nordosten und später am Südrand der Taiga
nach Osten aus, wo sie vor 2.000 Jahren auf Landwirtschaft aus dem
chinesischen Ursprungsgebiet traf. Auch auf diesem Weg wurden neue
Pflanzen domestiziert: Aus Zentralasien etwa stammt die Zwiebel.
Ausgangsgebiet China
Auch die chinesische Landwirtschaft breitete sich in alle
Himmelrichtungen aus. Vom nördlichen Entstehungsgebiet erreichte
sie die Mandschurei und Zentralasien; vom südlichen
Entstehungsgebiet aus breitete sich der Reisanbau bis an den
Himalaja, Burma und Nordthailand aus, erreichte vor 5.500 Jahren
das heutige Taiwan und vor 4.200 Jahren Osttimor und vor 4.100
Jahren die Philippinen. Nach Japan gelang er wohl erst vor 2.400
Jahren (Yayoi-Periode), als die Vorfahren der heutigen Japaner aus
Korea einwanderten. Über die zentralasiatischen Handelswege gelangen
bereits vor 4.500 Jahren Pflanzen aus dem fruchtbaren Halbmond
(Weizen und Gerste) nach China, wenig später auch Ziegen und Schafe.
Diese dominierten die Wirtschaftsweise in den zentralasiatischen
Steppen.
Amerika und Afrika
In Amerika und Afrika breitete sich die Landwirtschaft weniger
schnell bzw. gar nicht aus. Hierfür gibt es einen geografischen
Grund: In Europa, Asien und Nordafrika konnte die Ausbreitung in
Regionen mit ähnlichem Klima entlang der Breitengrade (also in
Ost-West-Richtung) vor sich gehen, in Amerika und in Afrika südlich
der Sahara hätte eine ähnliche Ausbreitung in Nord-Süd-Richtung über
verschiedene Klimazonen hinweg gehen müssen: Die Hochländer
Mittelamerikas und der Anden waren durch die tropische Landenge von
Panama getrennt; in Afrika trennte die Sahara die Landwirtschaft in
Nordafrika von der Sahelzone und die Regenwälder des tropischen
Zentralafrikas diese vom klimatisch ähnlichen Südafrika. Und: In
Europa, Asien und Nordafrika gab es Zug- und Reittiere; Waren und
Informationen konnten so selbst Hindernisse wie die
Zentralasiatische Wüste und das tibetanische Hochland überwinden –
etwa auf der später „Seidenstraße“ genannten Route. In Amerika aber
gab es keine Zug- und Reittiere, das Lama war nur als Lasttier
geeignet.
Ausgangsgebiet Afrika
In Afrika haben die zu den Bantuvölkern (360)
gehörenden Bauern aus dem tropischen Westafrika vor 5.000 Jahren
begonnen, sich aus ihrem Kerngebiet in den Regenwald hinein
auszubreiten. Vor 3.000 Jahren erreichten sie Ostafrika, wo sie auf
andere Bauern trafen. Diese bauten Pflanzen an, die aus dem
„fruchtbaren Halbmond“ und der Sahelzone stammten; die Westafrikaner
mit ihren feuchtigkeitsliebenden Feldfrüchten ergänzten diesen
Anbau. Sie übernahmen den Anbau von Sorghum und Hirse und die
Rinderzucht. Außerdem nutzten sie nun Eisenwerkzeuge – Eisen wurde
in Afrika spätestens ab 600 v. Chr. genutzt (siehe
hier).
Landwirtschaft und Eisenwerkzeuge waren die Grundlage für die
Wanderung der Bantuvölker nach Süden. Innerhalb weniger Jahrhunderte
erreichten sie Natal an der Ostküste Südafrikas (das heutige
Durban). In Natal endete der Vormarsch, denn die Kapregion
Südafrikas besitzt wieder ein Mittelmeerklima mit Winterregen, dass
für die Pflanzen der Bantuvölker nicht geeignet war. Dorthin zogen
sich die zuvor die ganze Südhälfte Afrikas bewohnenden
Khoisan-Völker (die San und die Khoi Khoi) zurück, die zum Teil die
Schafzucht von den Bantuvölkern übernahmen, zum Teil als Jäger und
Sammler in der Kalahari lebten (“Buschmänner”). Ebenso wie die
Pygmäen aus den Regenwäldern Zentralafrikas bewohnten die
Khoisan-Völker schon vor Ankunft der Weißen nur noch kleine Teile
ihres ursprünglichen Gebietes; der größte Teil Afrikas südlich der
Sahara war von Bantuvölkern besiedelt. Immerhin verdankten diese im
Unterschied zur Praxis in anderen Regionen der Welt zur Eisenzeit
ihren Vormarsch aber nicht Waffen und Rüstungen, sondern der Hacke.
Ausgangsgebiete in Amerika
Über die Ausbreitung der amerikanischen Landwirtschaft ist noch
wenig bekannt, da die Landwirtschaft dort weniger produktiv war und
geringere Bevölkerungsverschiebungen auslöste; außerdem ließ das
Klima weniger archäologische Reste überstehen. Bekannt ist aber,
dass vor 5.000 Jahren Wanderungen der Maya und der Azteken den Mais
in den Südwesten der heutigen USA brachten. Die starke Ausbreitung
von Sprachfamilien des Amazonasgebietes (Tupi, Arawak) ist eines der
wichtigsten Argumente für eine eigenständige Entstehung der
Landwirtschaft im Amazonasgebiet; und die Ausbreitung der
Landwirtschaft aus dem Osten der heutigen USA kann anhand der
Verbreitung der Algonkin- und Irokesensprachen nachvollzogen werden.
Weiter mit:
Die Entwicklung der
Landwirtschaft
Die
Folgen der Landwirtschaft
Umweltveränderungen im Zeitalter der Landwirtschaft