Das Zeitalter der Landwirtschaft
Die Folgen der Landwirtschaft
Die Erträge aus der immer intensiver werdenden
Landwirtschaft ermöglichten, dass Menschen sich erstmals vollständig
anderen Aufgaben als der Sicherung ihrer Ernährung widmen konnten:
Städte entstanden; Händler, Handwerker und andere Spezialisten
machten neue Erfindungen, die wiederum die Erträge steigerten. Die
Zahl der Menschen stieg. Um in immer größeren Gruppen leben zu
können, erfanden die Menschen Kulturen und die Schrift.
Sumerische Tontafel aus dem 4. Jahrtausend
v. Chr. mit einem Wirtschaftstext:
Die Komplexität der Wirtschaft in den großen Städten, die durch die
Landwirtschaft
möglich wurden, erforderte effektive Kontrollmechanismen, die zur Entstehung
der Schrift führten. Tontafel aus dem Louvre, Foto:
Poulpy, gemeinfrei (aus
wikipedia commons, abgerufen 10.5.2012)
Die steigenden Erträge
in der Landwirtschaft ließen die Bevölkerung anwachsen; und immer
mehr Menschen lebten in festen Siedlungen. Höhere Produktivität in
der Landwirtschaft machte es möglich, dass sich erstmals in der
Geschichte der Menschheit ein Teil der Menschheit keine Feldarbeit
mehr leisten musste, sondern sich vollständig anderen Aufgaben
widmen konnte. Es gab Menschen, die Häuser bauten – Baumeister,
Steinmetz, Dachdecker etc., Handwerker – Töpfer, Schmiede, Weber;
und es gab bald auch Menschen, die nichts mehr produzierten, wie Priester,
Händler oder Soldaten. Die
Priester waren die Nachfolger der Schamanen; sie hatten
sicherzustellen, dass die himmlischen Mächte den Menschen gewogen
blieben. Handel war schon vor den Zeiten der Landwirtschaft
getrieben worden, Jäger hatten etwa mit dem begehrten Feuerstein
oder mit Obsidian, einem zum Schneiden geeigneten Vulkanglas,
gehandelt. Mit der Landwirtschaft nahm die Bedeutung des Handels
aber zu: Er half zum einen, Ernteausfälle zu überstehen, indem man
Überschüsse aus anderen Regionen erwarb. Zum anderen war die
zunehmend pflanzliche Nahrung salzarm; und mit der Ausbreitung der
Landwirtschaft wurde Salz wohl zum
ersten Gut, das in großen Mengen weit gehandelt wurde.
Soldaten wurden gebraucht, um die Ackerflächen, Herden und die Ernte
zu verteidigen. Baumeister und Handwerker widmeten eine Teil
ihrer Zeit auch der Aufgabe, neue Werkzeuge zu entwickeln (die nun
auch schwer sein durften, denn sie mussten ja nicht mehr mit auf die
Reise gehen) und neue Techniken, etwa für den Hausbau.
Die Konzentration von Spezialisten in den entstehenden Städten
[708] führten zu
gesteigertem Informationsaustausch: dem Mittel des
Menschen für
intensiveres Lernen. Die Städte wurden zu einem "Brutkasten
der Kreativität, der Innovationen und der Vielfalt" (James Suzman).
Es kam zu Erfindungen und Entdeckungen, die auch die Erträge in der
Landwirtschaft weiter
steigerten, so dass noch mehr Menschen (und noch mehr
Spezialisten) ernährt werden konnten. Andere Erfindungen
verbesserten das Leben der Menschen – hier begann eine Kette, die
bis heute nicht abgerissen ist, ein Zeitalter von Fortschritt und
Wohlstand. Erfindungen wie das Rad und das Pferdegeschirr
beispielsweise verbesserten die Einsatzmöglichkeiten von Haustieren:
Ochsen, Esel und Pferde konnten Wagen ziehen, was den Warenaustausch
förderte; Pferde als Reittiere erhöhten den Bewegungsradius der
Menschen um ein Vielfaches.
Von Anfang an hatten Erfindungen aber immer auch eine zweite Seite:
Pferde zum Beispiel sollten auch im Krieg eine wichtige Rolle
spielen – man denke nur an das ohne Pferde undenkbare Weltreich
der Mongolen unter Dschingis Khan. Und das neue Zeitalter war
auch eins der Entfremdung von der Natur, in dem immer mehr Menschen
begannen, in einer künstlichen Umwelt zu leben, die sie der Natur
durch Brandrodung, Pflügen, Bewässern und den Bau von Häusern
entrissen hatten, in der sie nur einige wenige domestizierte Tier-
und Pflanzenarten duldeten, aber sich mit immer mehr vom Menschen
selbst geschaffenen Gegenständen umgaben.
Kulturen als Antwort auf die wachsende
Bevölkerung
Jäger und Sammler hatten den größten Teil des Jahres in Gruppen von
bis zu 150 Menschen gelebt, in der alle mehr oder weniger
gleichberechtigt waren. Die überwiegend herumziehende Lebensweise
verhinderte das Ansammeln von Besitz; und selbst besonders gute oder
erfahrene Jäger hatten bestenfalls vorübergehende und
eingeschränkte Autorität. Das hatte seinen Grund: niemand hatte
immer Glück bei der Jagd. Gleichberechtigung und der Brauch des
Teilens der Jagdbeute stellte sicher, dass alle immer genug zu essen
hatten. Zudem entwickelten sich an den gemeinsamen Lagerfeuern wohl
geteilte Mythen, die eine gelegentliche Zusammenarbeit und die
Bildung größerer Einheiten – etwa Stämmen – ermöglichten.
Anfangs lebten wohl auch die Bauern noch länger in
gleichberechtigten Gemeinschaften – darauf deutet etwa hin, dass in
den ältesten Siedlungen alle Häuser gleich groß waren [714].
Aber im Laufe der Zeit änderte sich dies: wer gutes Land bebaute,
konnte mehr ernten als andere, und Getreidekörner konnte man
aufbewahren. Man konnte sie auch als Währung verwenden und andere
dafür bezahlen, dass sie etwas für einen taten. Vor 7.500 Jahren
gibt es in Mesopotamien
erste Zeichen für eine soziale Schichtung in den Dörfern: manche
Häuser waren größer als andere, manche Toten wurden mit reichen
Grabbeigaben bestattet. Auch in 6.000 Jahre alten Dörfern in China
wurden solche Unterschiede gefunden.
Auch die gleichberechtigte Entscheidungsfindung am Lagerfeuer stößt
an Grenzen, wenn die Anzahl der Mitglieder einer Gruppe 150 Menschen
überschreitet; der soziale Stress nimmt zu, je dichter viele
Menschen auf engem Raum zusammenleben – für das Zusammenleben in
großen und anonymen Gruppen haben wir keinen biologischen Instinkt.
In einer Gruppe, die von der Landwirtschaft lebte, musste man sich
aber – möglichst ohne gewalttätige Streitigkeiten – über zahlreiche
Fragen einigen: Wie konnte sichergestellt werden, dass in Notzeiten
alle Bewohner mit Nahrungsmitteln versorgt wurden – auch die
Spezialisten, die keine Landwirtschaft mehr betrieben? Die Felder
der Bauern versperrten zudem benachbarten Wildbeutern den Weg – die
sich nicht immer gescheut haben werden, Zäune zu zerstören oder von
dem zu profitieren, was andere angepflanzt oder gefüttert hatten.
Wie konnte die Verteidigung der Felder und Vorräte sichergestellt
werden? Wenn es Bewässerungssysteme gab: Wer sollte diese
unterhalten? Wenn die Einwohnerzahl anstieg und der Wohlstand wuchs
und immer mehr lebensnotwendige oder begehrte Gegenstände von außen
kommen mussten: Wie konnte der Handel organisiert werden?
Kulturen beruhen auf "erfundenen
Wirklichkeiten"
Die Antwort war die Weiterentwicklung der Mythen. Gemeinsame
Glaubensvorstellungen hatten schon Wildbeutern eine (gelegentliche)
Kooperation ermöglicht; mit größeren und komplexeren Gesellschaften
mussten auch komplexere Geschichten erfunden werden, um eine
effektive Zusammenarbeit zu ermöglichen. Dabei handelt es sich um
"intersubjektive Wirklichkeiten": intersubjektiv bedeutet,
dass diese Geschichten von vielen Menschen geglaubt werden,
obgleich sie nur Erfindungen des Menschen sind. Beispiele hierfür
sind die Götter und Geister der Naturvölker bis hin zu den modernen
Religionen, Nationalstaaten und Aktiengesellschaften – sie alle gibt
es nicht objektiv, also unabhängig vom menschlichen Bewusstsein. Man
kann sie zum Beispiel nicht anfassen. Aber obwohl sie vom Menschen
"erfunden" sind, können solche intersubjektiven Wirklichkeiten eine
Gesellschaft als Kitt zusammenhalten, wenn genug Menschen daran
glauben und ihr Handeln daran orientieren: wir alle sind bereit,
objektiv wertvolle Gegenstände (etwa Nahrungsmittel) gegen
bedrucktes Papier einzutauschen, weil wir daran glauben, dass Geld
ebenfalls einen Wert hat. So entstanden "erfundene Ordnungen"
[740], die eine
Kooperation selbst mit fremden Menschen ermöglichten.
Damit tatsächlich ausreichend viele Menschen an eine erfundene
Ordnung glauben, werden diese in der Regel natürlich als objektive
Wirklichkeit dargestellt, die entweder von den Göttern übermittelt
wurde oder den Gesetzen der Natur entspricht. So beginnt der Codex
Hammurabi, das erste Gesetzbuch der Geschichte, mit dem
Hinweis, dass die Götter Anu, Enlil und Marduk König Hammurabi
beauftragt hätten, das Recht zur Geltung zu bringen. Schon die
Kinder lernen, entsprechend der jeweiligen erfundenen Ordnung – die
wir "Kultur" nennen – zu denken und zu handeln, sie
prägt die Wünsche der Erwachsenen und wird von (fast) allen
Mitgliedern der Gesellschaft geteilt, so dass die Mythen hinter der
Ordnung kaum angezweifelt werden. Die Babylonier waren genauso davon
überzeugt, dass der Mensch als Freigeborener, Gemeiner oder Sklave
geboren sein kann, wie wir heute daran glauben, dass alle Menschen
gleich geboren sind. Mit "erfundenen Ordnungen" beginnt die
Geschichte, denn diese Ordnungen sind nicht unveränderlich:
menschliche Ordnungen sind voller Widersprüche, die aufgelöst sein
wollen. Im Westen glauben die Menschen heute beispielsweise an
Freiheit und Gleichheit, aber beides ist nicht
gleichzeitig möglich – unbegrenzte Freiheit geht immer auf Kosten
der Gleichheit. Dass solche Widersprüche fortlaufend neu verhandelt
werden müssen, macht menschliche Gesellschaften kreativ und
dynamisch; gesellschaftliche Ordnungen aber auch zerbrechlich.
Dennoch sind im Verlauf der Geschichte (wenn auch nicht ohne
zwischenzeitliche Rückschritte) kleine, einfache Kulturen zu immer
größeren und komplexeren Kulturen verschmolzen, bis schließlich
Ordnungen entstanden, die in den Augen ihrer Anhänger für die
ganze Welt gültig waren.
Geld, Imperien und
Religionen: die ersten universellen Ordnungen
Geld wurde an verschiedenen Orten unabhängig
voneinander erfunden und löste die Probleme, die der Tauschhandel
bei zunehmender Abhängigkeit vom Handel mit sich brachte (siehe Eine kleine
Geschichte des Geldes). Geld ist ein gutes Beispiel für eine
intersubjektive Wirklichkeit: Weniger als 10 Prozent des Geldes sind
als Münzen oder Banknoten (die ja nur bedrucktes Papier sind) in
Umlauf, über 90 Prozent existieren nur in Computern. Der Glaube an
den Wert des Geldes überschritt früh in der Geschichte die Grenzen
politischer Reiche – schon im Indien des ersten Jahrhunderts wurden
römische Münzen akzeptiert. Angebot und Nachfrage sorgten dafür,
dass Münzen überall auf der Welt den gleichen Wert hatten (würden
sie irgendwo billiger, hätten Händler sie sofort gekauft, um sie
dort wieder zu verkaufen, wo sie teurer waren), und ermöglichte so
die Zusammenarbeit mit Fremden. Das funktioniert auch, wenn man
diese eigentlich hasst: Selbst Osama bin Laden hat später gerne
amerikanische Dollar entgegengenommen.
Auch Imperien entstanden früh in der Geschichte:
das erste war vor 4.300 Jahren das Großreich
von Akkad, dessen König Sargon behauptete, "die ganze Welt"
erobert zu haben (das, oder zumindest der Anspruch, die größte Macht
auf der Erde zu sein, kennzeichnet ein Imperium). Spätere Imperien
betonten stets, nur das Beste für die eroberten Völker zu wollen,
behaupteten also die Existenz von universellen Prinzipien (nämlich
die der eigenen Kultur), die für alle galten. Imperien spielten eine
große Rolle beim Verschmelzen vormals unabhängiger Kulturen, die
dabei keinesfalls immer verschwanden – die Römer etwa übernahmen
viele Elemente der griechischen Kultur, die Abbasiden persische und
griechische Kulturelemente und die Mongolen die Kultur des
chinesischen Kaiserreichs. Staaten, die sich aus einem Imperium
befreien konnten, behielten oft wesentliche Teile der imperialen
Kultur: Der Staat Indien und seine Demokratie sind etwa ein Erbe der
britischen Kolonialzeit (und selbst das "urindische" Taj Mahal ist
unverkennbar ein Produkt des muslimischen Imperiums).
Religionen (die an eine nicht auf
menschliche Vereinbarungen zurückgehende "übermenschliche Ordnung"
glauben) wurden zu universellen Ordnungen, als die ersten
monotheistischen (von griech. mono, "ein" und theos,
Gott) Religionen entstanden: Wenn es nur einen Gott gibt, müssen
alle anderen Götter Produkte eines falschen Glaubens sein und
bekämpft werden. Dies taten insbesondere das Christentum und der
Islam seit der Zeitenwende bzw. ab dem 7. Jahrhundert. Heute sind
mit Ausnahme der Ostasiaten die meisten Menschen Anhänger einer
dieser beiden monotheistischen Religionen, deren Werte und Normen
die Weltordnung prägen. In den letzten Jahrhunderten wurden die
Religionen oft durch Ideologien (die auch auf dem
Glauben an eine "übermenschliche Ordnung" beruhen und insofern im
Grunde nicht von Religionen zu unterscheiden sind) abgelöst, etwa
den Glauben an Kommunismus, Kapitalismus oder Nationalismus.
Siehe hierzu auch: Eine kleine
Geschichte der Menschheit
Kulturen führen zu Ungleichheit
Das Leben in einer Kultur mit allgemein akzeptierten Regeln
erfordert aber auch, dass der Einzelne ein Teil seiner
Entscheidungsfreiheit abgibt. Zuerst war die Machtübertragung wohl
freiwillig. Die Vorteile waren leicht erkennbar: Geregelte
Konfliktaustragung führte zu weniger Gewalt; ein gerechter Führer
sorgte eine nachvollziehbare Verteilung von Überschüssen. Aber bei
der Freiwilligkeit ist es nicht geblieben. Um etwa die Regel "Auge
um Auge" durchzusetzen, war wohl meist Zwang und Gewalt notwendig.
Wie es dazu kam, dass Herrscher und Eliten schon die ersten Reiche
dominierten, weiß niemand. Hatten die Führer die Macht ausgenutzt,
die ihnen die Kontrolle über die Nahrungsvorräte gab? Hatte die
Konkurrenz zwischen benachbarten Dörfern zu Kriegen geführt, die
eine militärische Befehlshierarchie befördert hatten? Wie auch
immer: Bald wurde, wer seinen Teil nicht freiwillig beitrug, mit
Gewaltandrohung (und Gewalteinsatz) hierzu gezwungen. Wer nichts
hatte, konnte immer noch seine Arbeitskraft abgeben; und so gab es
bald Leibeigene und Sklaven – deren Existenz dann (siehe Codex
Hammurabi) als Teil der göttlichen Ordnung legitimiert wurde. In
anderen Regionen wurden andere Ordnungen erfunden. Oftmals prägten
zufällige historische Ereignisse Kulturen, die zum Teil bis heute
gehalten haben. So teilten die Arier, die vor dreitausend Jahren
Nordindien eroberten, die Gesellschaft in Kasten ein, um ihre Macht
und Identität zu sichern. Sie verknüpften das Kastenwesen mit
religiösen Tabus, vor allem hinduistischen Vorstellungen von
Reinheit und Unreinheit – das war so wirksam, dass noch das heutige
Indien vom Kastenwesen geprägt ist. Ob Sklaven, Kasten, die
Bevorzugung von Männern gegenüber Frauen oder andere Formen:
Hierarchien waren typisch für die Ausbildung von Gesellschaften.
Alltagsleben im
Zeitalter der Landwirtschaft
Während in Jäger-und-Sammler-Gesellschaften materieller Besitz
(abgesehen von Schmuck, den man am Körper tragen kann) nur
hinderlich gewesen wäre, änderte sich dies mit der Sesshaftigkeit.
Aber die meisten Menschen waren zu arm, an Konsum im heutigen Sinne
auch nur zu denken. Auf dem Land bestimmte die Landwirtschaft das
Leben der Menschen, auch der Kinder und vor allem der Frauen.
Während die Männer gelegentlich weiter auf Jagd gingen, hüteten die
Kinder die Gänse und Schafe, jäteten die Frauen Unkraut, holten
Wasser, sammelten Brennholz, Dünger und Kräuter. Höhepunkt des
Jahres war die Ernte, bei der alle anpacken mussten. Viele Bauern
mit kleinen Gärten verloren in schlechten Jahren ihre
Selbstständigkeit und wurden zu Helfern auf anderen Höfen;
Nahrungsmittel machten oft den größten Teil ihrer Entlohnung aus.
Brot wurde in der Regel in gemeinschaftlichen Backhäusern gebacken –
die wenigsten hatten einen eigenen Ofen. Das Backhaus war der
damalige “Supermarkt”. Katzen sollten verhindern, dass Mäuse und
Ratten zu viel vom wertvollen Getreide fraßen, das auch für die
Aussaat gebraucht wurde. Neben Brot spielte
Bier eine wichtige Rolle in der Ernährung. Fiel die Ernte aus,
drohte Hunger. Als Bett diente
meist eine Unterlage aus Stroh oder Blättern des Adlerfarns, für
Wärme in den Hütten sorgten im Winter die Haustiere. Bis weit in das
15. Jahrhundert hinein hatten viele Hütten keine gläsernen Fenster,
sondern nur mit Läden verschließbare Luken. Geheizt wurde mit
Brennholz, das selbst gesammelt oder (in größeren Orten) teuer
gekauft wurde; als es knapp wurde, wurden auch Zuckerrohr in
Nordafrika, Olivenkerne im Mittelmeerraum oder schlicht Dung
verbrannt. Geschlafen wurde auf selbstgemachten, mit Stroh gefüllte
Matratzen, die auf dem Fußboden aus gestampfter Erde oder Holz
lagen.
In den
Städten war das Leben auch nicht besser: In einem Zimmer
lebten in der Regel acht bis zehn Personen; im Renaissance-Florenz
galten 80 Prozent der Bevölkerung als arm oder bedürftig, in Köln
galten Anfang des 18. Jahrhunderts 20 Prozent der Bevölkerung als
Bettler. Viele Städter gaben um die 80 Prozent des Einkommens für
den Kauf von Nahrungsmitteln aus, der Rest wurde zu gleichen Teilen
für Kleidung und für eine Behausung ausgegeben. In Paris wurden ein
Viertel aller neugeborenen Kinder auf der Straße ausgesetzt, da die
Eltern nicht wussten, wie sie sie am Leben erhalten sollten. Möbel
gab es nur in den Häusern der Reichen – und diese konnten sich auch
Hausangestellte leisten (menschliche Arbeitskraft war ja zu dieser
Zeit eine wichtige
Energiequelle; Hausangestellte waren bis ins 20. Jahrhundert
ein Merkmal für eine bessere soziale Stellung).
Die Rohstoffe für Kleidung, Bettzeug und Decken wurden
selbst angebaut: In Europa vor allem Flachs zur Herstellung von
Leinen (und Schafwolle für warme Winterkleidung), in Asien
Baumwolle, Hanf und zunehmend auch Maulbeerbäume zur Aufzucht von
Seidenraupen. Gegen Ende des Zeitalters der Landwirtschaft diente
Leinen auch zur Herstellung von Segeln, und mit den Segelschiffen
gelangte Baumwolle aus Indien und später den amerikanischen Kolonien
nach Europa. Das war aber bereits eine Zeit, als das Leben ohnehin
besser wurde – die Baumwollherstellung wurde zu einem der Wegweiser
für die
Industrielle Revolution. Wichtigstes Handelsgut war Salz; im
Mittelalter wurden die Handelsstädte reich, und Salz konnte nur in
winzigen Mengen verwendet werden (große Mengen gingen in die
Herstellung von Salzheringen, im Baltikum waren zeitweise ein
Drittel der Handelsschiffe mit Salz beladen).
Die Bauern, die im "Schweiße ihres Angesichts" das Land bestellten
und 90 Prozent der Bevölkerung ausmachten, erzeugten die
Nahrungsmittel auch für Könige, Beamte, Soldaten, Priester, Künstler
und Erfinder, von denen die Geschichtsbücher berichten. "Geschichte
ist etwas, das eine kleine Minderheit tut, während die anderen Äcker
pflügen und Wasser schleppen" [760].
In vielen Hochburgen der Landwirtschaft entstanden mit Zwangsarbeit
Bauwerke, die immer auch eine Machtdemonstration waren, von den
Stufentempeln in Mesopotamien über die Pyramiden der Ägypter bis zu
den Pyramiden der Olmeken. Diese Machtdemonstration sollte wohl auch
äußere Feinde abschrecken: Seht her, könnten sie bedeutet haben, wie
viele Menschen wir mobilisieren können. Soldaten gehörten wohl
überall zu den Menschen, die von der Landwirtschaft ernährt wurden.
Nach den (wenigen) vorliegenden Untersuchungen starben in frühen
Agrargesellschaften bis zu einem Viertel der Männer durch
Kriegsführung (und fast ein Zehntel aller Frauen noch dazu). Wenn
die Ergebnisse repräsentativ sind, waren sie damit deutlich
gewalttätiger als die meisten Jäger und Sammler. Der Versuch, sich
vor Angriffen zu schützen, mag auch der Ursprung vieler Städte sein
– jedenfalls waren schon die ersten Städte von Mauern umgeben.
Die ersten Städte
Bereits vor 10.000 Jahren entstanden im fruchtbaren Halbmond Siedlungen
mit mehreren Tausend Einwohnern. Die meisten Ackerbauern lebten aber
in kleineren Dörfern. Einen Schub an Stadtgründungen gab es jedoch
vor 6.000 Jahren. Der Archäologe Brian Fagan erklärt dieses am
Beispiel Mesopotamien mit klimatischen Einflüssen: Das Klima war
dort seit dem Ende der Kaltphase des Jüngeren
Dryas feuchter als heute, da in dieser Zeit die Nordhalbkugel
der Erde der Sonne zugeneigter war als heute (Milankovitch-Zyklen).
Vor 6.000 Jahren wurde es aber zunehmend trockener, was die (von Bodenerosion
in den Bergen ohnehin begünstigte) Wanderung des Ackerbaus in
die Ebene von Euphrat und Tigris verstärkte. Dort konzentrierten
sich die Menschen – und dort entstanden vor 5.500 Jahren die ersten
Agrar-Städte, etwa die Stadt Uruk (rund 300 km
südlich des heutigen Bagdad), in der 40-50.000 Einwohner lebten. Die
Städte Mesopotamiens erzählen von Macht und Gottesfurcht; in ihrem
Zentrum lag der Tempelbezirk mit einer zentralen Stufenpyramide –
dem Wohnsitz des Stadtgottes. Vor knapp 5.000 Jahren lebte die
Bevölkerung Mesopotamiens bereits überwiegend in Städten; wohl auch,
da durch zunehmende Trockenheit und die dadurch verursachte
schlechte Ernährungslage das Leben in Dörfern immer unsicherer
wurde. Vor 5.200 Jahren entstanden in Mesopotamien erste
Stadtstaaten, die am Beginn der historischen sumerischen
Zivilisation stehen.
Das Gebiet zwischen Euphrat und Tigris stand dabei nicht allein:
Überall in den ältesten Landwirtschaftsgebieten, also auch am Nil,
am Indus und am Huanghe (Gelben Fluss) in China entstanden
Hochkulturen. In Ägypten entstanden die ersten Reiche (keine
Stadtstaaten, da die Bevölkerung weniger dicht lebte als in
Mesopotamien), die vor 5.100 Jahren vereinigt wurden; in China
entstanden die ersten mythischen Kaiserreiche im 3. Jahrtausend
v.u.Z.; und auch in Südamerika gab es Städte spätestens vor 4.600
Jahren (siehe Die
ersten Staaten).
Städte im Zeitalter der Landwirtschaft
Viele der ersten Städte waren religiöse Zentren, ihre Bedeutung als
Zeremonienstätten spiegelt sich in ihrem Aufbau wieder. Dies war so
in Mesopotamien, in Ägypten, im Industal, in China, in
Mittelamerika, in Peru und bis hin zu den Städten der Joruba in
Westafrika. Später wurden dann eher kleine Agrarstädte gegründet,
wie oben am Beispiel Mesopotamien beschreiben; große Städte
entstanden erst als Hauptstädte der entstehenden Staaten (Rom,
Konstantinopel, Changan, die Hauptstadt der Tang-Dynastie – heute
Xi’an, mit 800.000 Einwohnern die größte Stadt im ersten Jahrtausend
unserer Zeit) oder als Handelsstädte in besonders guter Lage: Athen,
Venedig, Malacca.
Da diese Städte von Nahrungslieferungen aus dem Hinterland der
Reiche abhingen, spiegelte sich in ihnen das Schicksal der Reiche
wieder: So hatte Rom im Jahr 150 etwa 500.000 Einwohner, im Jahr 600
nur noch 50.000 (Konstantinopel aber 500.000). Die Reiche gründeten
auch neue Städte in eroberten Gebieten: Die Phönizier gründeten
Karthago, die Griechen Marseille und Neapel, die Römer siedelten in
London, Paris oder Köln. Im Jahr 1000 gab es in Europa etwa 100
Städte, dann beschleunigte sich die Entwicklung und es
entstanden erste große Städte wie Florenz, Paris und Venedig mit
100.000 Einwohnern. Diese Städte waren oft von Mauern umgeben: Zum
einen herrschten innerhalb der Städte andere Regeln als außerhalb,
zum anderen erlaubte dies den Stadtvätern, beim Eintritt in die
Stadt für gehandelte Ware Steuern zu erheben.
Die größten Städte dieser Zeit lagen aber anderswo –
es waren Städte wie Bagdad, der Hauptstadt des islamischen
Abbasiden-Reichs, oder Kaifeng, die Hauptstadt der chinesischen
Song-Dynastie. Ihr Nachfolger, die Stadt Hangzhou, war die erste
Millionenstadt der Welt. Europa holte erst ab dem 16. Jahrhundert
mit zunehmendem Wohlstand auf: 1550 hatte Paris etwa 400.000
Einwohner, 1650 erreichte London diese Einwohnerzahl. Aber noch im
Jahr 1800 lebten gerade 3 Prozent der Weltbevölkerung in Städten, in
Europa etwa 10 Prozent. (Zu den Umweltbedingungen in den damaligen
Städten siehe hier.)
Die andere
Geschichte
Auch wenn die ersten Hochkulturen
(und die, die auf sie folgten) die menschliche Geschichte prägen
sollten: Man darf nicht vergessen, dass weite Teile der Welt hiervon
zunächst nicht betroffen waren: Noch um die Zeitenwende
kontrollierten Staaten weniger als 10 Prozent der Fläche, und im
Jahr 1000 auch erst rund 13 Prozent. Immer wieder kam es zum
Austausch mit Nomaden aus dem Umland, die oftmals Fleisch und andere
Handelswaren lieferten, der aber auch kriegerisch und für die
Hochkulturen verlustreich sein konnte: Das
akkadische Reich zerbrach unter dem Ansturm der Guttäer, das
später hier entstehende Reich von Summer und Akkad unter dem der
Amurriten. Guttäer und Amurriten waren Nomaden, von ihnen wissen
wir durch die Berichte der sumerischen Schriftkundigen. Die Nomaden
slebst hatte aber meist keine Schrift, und daher wissen wir nur das
über sie, was die Schriftkundigen oder ihre Auftraggeber für
berichtenswert hielten. Ob diese Nomaden die "Hochkulturen" auch für
solche hielten, wissen wir nicht. Bis in moderne Zeiten hinein
lebten Menschen auch weiter als Jäger und Sammler, etwa in weiten
Teilen Nord- und Südamerikas, in Sibirien, in Süd- und Südostasien
und in Teilen Afrikas; und noch heute gibt es sie etwa im Regenwald
Brasiliens, im Inneren Neuguineas, im südlichen Afrika und in der
Arktis. Oft werden sie als „Steinzeitmenschen“ missverstanden – der
Beigeschmack der Rückständigkeit führt insbesondere in Drittwelt-
und Schwellenländern oft dazu, dass diese Völker den Regierungen
ein Dorn im Auge sind. Dabei ist das Bild falsch: Diese Völker sind
nicht in einem früheren Entwicklungszustand stehen geblieben,
sondern haben sich häufig in raffinierter Weise einer speziellen
Umwelt angepasst. Auch ihre Kultur hat sich ständig gewandelt,
wobei aber eine immer feinere Anpassung, nicht die Unterwerfung der
Umwelt herauskam. Vielleicht ist das etwas, was wir von diesen
Völkern lernen könnten. Aber ob wir ihr ökologisches Wissen einmal
brauchen können oder nicht: Jede Kultur, die verschwindet, macht
uns alle ärmer (siehe auch
hier).
Die Erfindung der Schrift
Die Schrift wurde unabhängig voneinander von den Sumerern und
ungefähr zeitgleich von den Ägyptern (vor etwa 5.500 Jahren), in
China (vor 3.300 Jahren) und in Mittelamerika (vor 2.600 Jahren)
entwickelt. Auch hierfür war wohl die Landwirtschaft und die
komplexeren gesellschaftlichen Strukturen der Auslöser: offenbar
reichte das menschliche Gehirn nicht mehr aus, um sich alle Daten
und Zahlen zu merken, mit denen man die Überschüsse der
Landwirtschaft verwalten und Abgabenschulden festhalten konnte. Der
Vorläufer der Schrift waren in Mesopotamien
"Zählsteine"; Steine, die bei Warensendungen in
einem verschlossenen Gefäß mitgeliefert wurden, so dass der
Empfänger überprüfen konnte, ob er tatsächlich die gesamte
abgesandte Ware erhalten hatte. Auf diesen gab es Symbole für die
gelieferten Gegenstände, ein Kreis mit einem Kreuz darin bedeutete
etwa "Schaf". Später wurden Tontäfelchen genutzt, in die die
Beschriftungen eingeritzt und die dann an der Sonne getrocknet
wurden. Die Tontäfelchen boten aber ganz neue Möglichkeiten der
Beschriftung, und so wurden neue Zeichen und auch
Zeichenkombinationen (Kopf + Brot = essen) entwickelt; und
schließlich wurden diese Zeichen durch schneller in die Tafeln
einzuprägende Linien und Keile ersetzt: Die sumerische
Keilschrift entstand.
Die ältesten erhaltenen Texte waren sogenannte "Wirtschaftstexte";
die älteste Form der Keilschrift war als "partielles Schriftsystem"
noch nicht geeignet, wie ein "vollständiges Schriftsystem" alle
sprachlichen Äußerungen wiederzugeben. Sie bestand als Bilderschrift
aus zwei Typen Zeichen: Zeichen für Zahlen und Zeichen, die (wie ein
Piktogramm) einen Gegenstand darstellten. Im Laufe der Zeit wurden
die Zeichen immer abstrakter und zusammengesetzte Zeichen (siehe
oben) kamen hinzu. Später wurden die Zeichen dann auch nach Art der
Bilderrätsel (Rebus) für andere, ähnlich klingende Worte verwendet.
Da nun ein Zeichen für mehrere Worte diente, wurde die Bedeutung
durch sogenannte Determinative („Deutzeichen“) gekennzeichnet. Das
Rebus-Prinzip führte schließlich auch zu Silben- und Lautzeichen.
Damit einstand ein Gemisch aus Logogrammen (ein Zeichen – ein Wort,
wie heute im Chinesischen), Silben- und Lautzeichen und Deutzeichen;
und die sumerische Keilschrift war zu einem vollständigen
Schriftsystem geworden – um den Preis, dass die Schrift nicht mehr
"international" war, sondern eine Sprache abbildete. Zunächst
herrschte in den geschriebenen Texten die sumerische Sprache, im
zweiten Jahrtausend v.u.Z. die akkadische mit ihren Dialekten
babylonisch und assyrisch vor. Im ersten Jahrtausend trat das
Aramäische, das auf einer Buchstabenschrift beruhte (die von den
Phöniziern entwickelt wurde und auch Vorläufer des heute
gebräuchlichen lateinischen Alphabets ist, siehe nächster Absatz)
neben die Keilschrift, die nach der Zeitenwende in Vergessenheit
geriet [770].
Der Einfluss der sumerischen Keilschrift als Inspiration der
ägyptischen Hieroglyphenschrift ist unklar, aber die
Handelskontakte lassen vermuten, dass mindestens die Idee einer
Schrift übernommen wurde. Die Schrift selber, die Hieroglyphen (nach
altgriechisch hierós glyphē, "heilige Schrift") wurde aber
sehr wahrscheinlich unabhängig entwickelt und enthielt Lautzeichen
für die 24 ägyptischen Konsonanten. Diese bildeten den
Ausgangspunkt für das erste Alphabet, das um 1.900 v.u.Z. von
Sprechern semitischer Sprachen im Raum zwischen dem heutigen Syrien
und dem Sinai entwickelt wurde. Alphabetzeichen
aus der ersten Hälfte des zweiten Jahrtausends v.u.Z. wurden auf
Stelen in Serabit el-Chadim auf der Sinai-Halbinsel gefunden, wo
Beduinen aus Kanaan Kontakt mit Ägyptern hatten, die dort Kupfer und
Türkis abbauten. Aus solchen Kontakten heraus konnten die Beduinen
aus den Hieroglyphen eigene Zeichen für Laute (die Schrift enthielt
nur Konsonanten) und eine feste Reihenfolge für die Zeichen mit
leicht zu merkenden Namen festgelegt haben: ’aleph (damals noch ein
Konsonant) = Rind, beth = Haus, etc. Von diesem frühen semitischen
Alphabet führt dann eine Entwicklungslinie über frühe arabische
Alphabete zum einen zum modernen äthiopischen Alphabet, zum anderen
zum modernen arabischen, hebräischen, indischen und
südostasiatischen Alphabeten, und eine ganz andere über das
phönizische und griechische (hier kamen vor 2.800 Jahren die Vokale
hinzu) bis zum lateinischen Alphabet. (Die "arabischen
Zahlen" – ein aus zehn Zeichen für die Zahlen von 0 bis 9
bestehendes Schriftsystem – wurden im 9. Jahrhundert v.u.Z. in
Indien erfunden; die Araber brachten sie lediglich nach ihrer
Eroberung Nordindiens in den Nahen Osten, von dem aus sie nach
Europa gelangten.)
Daneben gab es Schriften, die eigenständig nur aus der Beobachtung
der Existenz einer Schrift entwickelt wurden. Dies gilt vermutlich
(siehe oben) schon für die ägyptischen Hieroglyphen; belegt ist
u.a. die Schrift der Cherokee, die von einem
einzelnen Menschen (dem Halbindianer Sequoia, nach dem – seiner
Leistung angemessen – der Sequoia-Mammutbaum benannt wurde)
entwickelt wurde. Andere Schriften kombinierten die Eigenschaften
bekannter Schriftsysteme. So ist die Hangeul-Schrift
in Korea unter Einfluss der quadratischen Blöcke der chinesischen
Zeichen und der Prinzipien der Alphabetschrift entstanden; die Ogam-Schrift
in Irland verband alphabetische Prinzipien mit eigenen Zeichen, die
sich vermutlich von Zählhölzern ableiten.
Metallverarbeitung
Metallverarbeitung war ein weiterer Meilenstein auf dem Weg der
Menschheit. Die Erfindung der ersten Kulturtechniken muss man sich
ähnlich wie die der Pflanzenzucht vorstellen: Die Jäger und Sammler
der Frühzeit kannten auch die Eigenschaften der ihnen zugänglichen
natürlichen Materialien sehr gut. Es kann ihnen nicht entgangen
sein, dass Ton unter Hitzeeinwirkung hart und beständig wurde – die
Grundlage für die Töpferei war entdeckt. Kupfererze waren bekannt,
da aus ihnen grüne und blaue Farbstoffe gewonnen wurden. Manche
Metalle, wie Kupfer und Gold, kommen gediegen (also in Metallform)
in der Natur vor und lassen sich leicht bearbeiten, zum Beispiel
durch Hämmern. Sie waren seit langem als Schmuck beliebt. Wurde das
Ausschmelzen von Kupfer entdeckt, als jemand Töpferware mit
Farbpigmenten aus Kupfererzen dekorieren wollte?
Wie auch immer, ihre Erfahrungen mit Töpferöfen kamen den Menschen
auf dem Weg zur Verhüttung entgegen: Dort hatten sie gelernt, dass
Feuer heißer wird, wenn man es mit Luft anbläst und wie man mit
heißem Material umgeht. Die Technik war wohl seit 8.000 Jahren
bekannt; eine systematische Verhüttung benötigte aber große Mengen
Holzkohle, die von Köhlern erzeugt werden musste, brauchte viele
Arbeitskräfte und nötigte zu dauerhafter Ansiedlung. Diese
Voraussetzungen waren erst später gegeben, in Südosteuropa vor etwa
7.000 Jahren. Später wurde die Technik auch auf andere Erze
angewendet und für die Metallverarbeitung weiterentwickelt; so
entstand der Metallguss. Kupfer ist aber so weich, dass es als
Werkzeug und Waffe kaum geeignet ist; sein Gebrauch also die
Steinzeit noch nicht beendete: Dies gelang erst der Bronze.
Die Bronzezeit
Dass man Kupfer härter machen kann, wenn es mit Zinn verbindet,
wurde in Palästina bereits vor etwa 5.300 Jahren entdeckt. Es wird
noch gerätselt, wie diese beiden Metalle zusammengebracht wurden,
die in der Natur selten zusammen vorkommen. Es mag ein Zufall
gewesen sein – aber einer, der einen aufmerksamen Beobachter hatte.
Das Ergebnis, eine "Legierung" (von lat. ligare,
verbinden) aus 90 Prozent Kupfer und 10 Prozent Zinn heißt Bronze.
Über das Mittelmeer breitete sich die Entdeckung aus; vor 4.300
Jahren gelang Bronze auch nach Mitteleuropa. Bronze war hart genug,
dass nun erstmals metallene Werkzeuge und Waffen hergestellt werden
konnten. Deren Vorteile waren so offensichtlich, dass der Bedarf
gewaltig war: Nach Berechnungen anhand von Kupferdämpfen in
Eisbohrkernen aus Grönland müssen in der Bronzezeit etwa eine halbe
Million Tonnen Bronze produziert worden sein. Bronzewaffen und das
seit etwa 4.000 Jahren als Reittier genutzte Pferd veränderten auch
die Kriegsführung und machten die Nomaden Osteuropas und
Zentralasiens für 3.500 Jahre zu Machtfaktoren (mehr).
Bronze panzerte auch die von Pferden gezogenen Streitwagen der
Antike, die das militärische Gegenstück zu den späteren Panzern
darstellten.
Die Bronzeherstellung brachte weitere Veränderungen mit sich: Da
die im Tagebau zugänglichen Kupfervorräte bald aufgebraucht waren,
suchte man unter der Erde; es begann der Bergbau und mit ihm die
Verhüttungsindustrie. Deren Brennholzbedarf fielen große
Waldflächen zum Opfer, die damaligen Bergbauzentren litten daher
unter Bodenerosion; die Arbeiter und ihre Familien mussten giftige
und schwermetallhaltige Dämpfe einatmen, die auch die Böden
vergifteten. Die Gewinnung von Blei ab der Bronzezeit lässt sich
ebenfalls im Eis auf Grönland nachweisen: Von 800 v.u.Z. bis 1753,
also vor dem Industriezeitalter, stieg der Bleigehalt um den Faktor
25. Bronze förderte auch den Handel: Da Zinn in Europa selten war,
musste handeln, wer Bronze herstellen wollte; der Handel nahm mit
der Ausbreitung des Metalls einen enormen Aufschwung, der wiederum
die Entstehung von Wegenetzen förderte; und natürlich auch die
Verbreitung der Bronzeprodukte. Es waren wohl Wanderhandwerker, die
Rohmetalle mitbrachten und vor Ort die gewünschten Produkte
herstellten: Schmuck, Waffen, Werkzeuge; und auch astronomische
Hilfsmittel, wie die berühmte Himmelsscheibe von Nebra (siehe
Kasten).
Die Sternendeuter von der Saale
In Mitteleuropa begann die Bronzezeit vor etwa 4.300
Jahren. Kupfer stammte aus dem Mitterberg bei Salzburg, Zinn musste
aus Cornwall oder der Bretagne beschafft werden – ohne weitläufigen
Handel hätte es keine Bronzezeit gegeben. Im Siedlungsgebiet an der
Saale (siehe hier)
entstand die Aunjetitzer Kultur – sie konnte die Metalle mit Salz
bezahlen, da im Harzvorland und bei der heutigen Stadt Halle
gefördert wurde. Die Region wurde zu einem Knotenpunkt des
bronzezeitlichen Handels. Gegen Ende dieser Kultur, von 3.600
Jahren, entstand die Himmelsscheibe von Nebra –
die heute als der älteste bekannte Kalender der Menschheit gilt. Die
vorgeschichtlichen Menschen waren also auch im Gebiet des späteren
Deutschland keine primitiven Faustkeilschwinger. Aber allem
Fernhandel zum Trotz: Das Gebiet war zu weit von den Hochkulturen
entfernt, in denen nun die Schrift entstand – die erste Hochkultur
Europas sollte in Kreta entstehen (mehr
hier). An der Saale hingegen wurden vermutlich die Bäume
knapp, die ja zum Salzsieden gebraucht wurden; wie so oft in der
Geschichte leitete also ein Umweltproblem den Niedergang der Kultur
ein.
Die Eisenzeit
Schmiedeeisen ist vor 4.500 Jahren in Anatolien in
Form einer Messerklinge zum ersten Mal nachgewiesen; die Nutzung von
Eisen sollte die Welt noch nachhaltiger verändern als die von
Bronze. Eisen ist in der Erdkruste reichlich verhanden, aber seine
Gewinnung ist komplex: Um Eisen aus dem Erz zu gewinnen, sind
Temperaturen von mindestens 1.450 Grad Celsius nötig, und damit das
Eisen brauchbar wird, muss es auf einem Bett aus Holzkohle mehrfach
erhitzt werden (um den Kohlenstoffanteil zu erhöhen), anschließend
jeweils mit Hammerschlägen bearbeitet werden (um die Asche zu
entfernen) und nach dem letzten Erhitzen in kaltem Wasser
abgeschreckt werden. Was für eine Leistung, dieses Verfahren mit
Versuch und Irrtum zu entdecken! Es dauerte einige Hundert Jahre,
bis die Technik wirklich beherrscht wurde, aber vor 3.500 Jahren
wurde Eisen von den Hethitern in größerem Umfang genutzt; vor 3.200
Jahren zogen fahrende Eisenschmiede durch die Lande, und vor 2.800
Jahren begann auch in Mitteleuropa die Eisenzeit. Sein größter
Vorteil war die reichliche Verfügbarkeit von Eisenerzen; denn das
verwendete Schmiedeeisen war nicht härter als Kupfer.
Die Nutzung des Eisen ermöglichte Landwirtschaft in Regionen, wo
die Bäume zuvor zu mühsam zu fällen und der Boden nicht zu pflügen
war – etwa in den Wäldern Mitteleuropas. Sie sollte auch die
Kriegführung verändern – statt der adeligen Streitwagenfahrer
konnten nun auch einfache Soldaten mit eisernen Schwertern
ausgerüstet werden. Ab 500 v.u.Z. stand die Technik zur Herstellung
von Stahl zu Verfügung, und nun waren eiserne Werkzeuge und Waffen
auch härter als bronzene. Mit ihnen sollten die Kelten in den
folgenden Jahrhunderten den Mittelmeerraum und Kleinasien in
Bedrängnis bringen; als „Kelten“ bezeichnete der Grieche Herodot im
5. Jahrhundert v.u.Z. die Völker nördlich der Alpen – damit traten
sie in den Gesichtskreis der antiken Welt. Ab 600 v.u.Z. gab es
Eisenverhüttung auch in Afrika (Taruga im heutigen Nigeria);
hierhin ist die Technik wohl von Berbern gebracht worden, die damals
mehrere Handelsrouten durch die Sahara unterhielten, von denen
Herodot schrieb und die durch Felszeichnungen von beladenen
Maultieren und von Pferden gezogenen Wagen dokumentiert sind.
Als die technische Entwicklung erst einmal begonnen hatte, förderte
eine Entdeckung die nächste, wie das Beispiel Töpferofen –
Metallverhüttung zeigte. Eine Rolle spielte auch die Erfindung
der Schrift: Informationen waren nun genauer und über größere
räumliche und zeitliche Abstände übertragbar. Die Erfindung des
Buchdrucks zeigt ebenfalls, wie verschiedene zuvor entwickelte
Techniken zusammenwirkten: die Metallverarbeitung zur Herstellung
von Lettern, die Entwicklung der Schrift (erst das Alphabet
reduzierte die Anzahl der notwendigen Lettern auf ein handhabbares
Maß) und die Druckerpresse, eine Ableitung der Wein- und Ölpressen.
Der Einfluss auf die Geschichte
Bei der Ausbreitung technischer Erfindungen stoßen wir wieder auf
ein Phänomen, dass schon die Ausbreitung der Landwirtschaft geprägt
hatte: Die Ausbreitung auf dem Europäisch-Asiatischen Kontinent
(einschließlich des geografisch benachbarten Nordafrika) war
leichter möglich als in Amerika und Afrika oder gar nach Australien.
So gelangten chinesische Erfindungen wie Papier und Schießpulver
nach Europa; aber das von den Maya erfundene Rad kam nie mit dem in
den Anden domestizierten Lama zusammen – das als Zugtier hätte
dienen können. Das Rad wurde daher im vorkolumbianischen Amerika
nicht an Fahrzeugen, sondern nur als Spielzeug genutzt. In
Australien wurde vor dem Eintreffen weißer Siedler keine
Metallverarbeitung betrieben. Diese Entwicklung sollte dazu führen,
dass die europäischen Eroberer später über Gewehre verfügten, denen
die Ureinwohner wie in Amerika und Afrika auch in Australien keine
gleichwertige Waffen entgegenzusetzen hatten (Die
erste Globalisierung). Pferde, Krankheitserreger und Gewehre:
Wer weiß, wie die Eroberungsgeschichte ohne diese Faktoren
ausgegangen wäre?
Siehe zu diesem Thema auch:
Die ersten Staaten
Nächste Seite:
Ernährung, Gesundheit, Bevölkerung
oder zur:
Übersicht
“Das Zeitalter der Landwirtschaft”