Das Zeitalter der Industrie
Die Folgen des Klimawandels
Der Klimawandel auf der Erde könnte dramatische Folgen haben, erste Vorboten sind bereits erkennbar: Gebirgsgletscher und polares Eis schmelzen, der Meeresspiegel steigt an, Wetterextreme nehmen zu, erste Schäden an Ökosysteme werden erkannt ...
1. Was wir heute schon erkennen
Die Erde ist in den letzten 60 Jahren um 0,9 Grad Celsius wärmer geworden, und der Wärmeinhalt des Ozeans hat erheblich zugenommen (siehe >> Der Klimawandel). Dadurch erwärmte sich insbesondere das oberflächennahe Meerwasser: Die Oberflächentemperatur der Weltmeere hat um durchschnittlich 0,6 Grad Celsius zugenommen; seit 1971 hat ist sie jedes Jahrzehnt um 0,11 Grad Celsius angestiegen (siehe >> Der 5. UN-Klimareport). Diese Erwärmung erfolgt nicht gleichmäßig; in tropischen Meeren ist sie relativ gering, in der Nordsee betrug sie alleine in den letzten 25 Jahren 1,25 Grad Celsius, und Teile des Polarmeeres haben sich um mehr als drei Grad Celsius erwärmt. Hier hat der Klimawandel heute die deutlichsten Folgen - schmelzendes Eis, das auch in den Hochgebirgen zu beobachten ist:
Schmelzendes Eis
In allen großen Gebirgsketten der Welt gehen die Gletscher zurück; in den Alpen haben sie seit der Industrialisierung die Hälfte ihres Eises verloren - und die Geschwindigkeit des Rückgangs nimmt zu. Die Eiskappe des Kilimandscharo könnte bereits um das Jahr 2020 verschwunden sein. Von 1993 bis 2009 nahm die Eismasse der Gletscher weltweit um 275 Milliarden Tonnen pro Jahr ab.
Ebenso ist ein Rückgang des arktischen Meereises festzustellen - über 40 Prozent seit 1979; und die Wissenschaftler rechnen bereits aus, wann das arktische Meer im Sommer eisfrei sein könnte: um 2050 herum. Das ist keine gute Nachricht: Eis reflektiert Sonnenlicht zu über 90 Prozent, Meerwasser absorbiert über 90 Prozent - das Abschmelzen würde daher die Erwärmung weiter verstärken (>> Rückkoppelungen).
Ausdehnung des arktischen
Meereises im September 1979, 2005 und 2007 auf
Satellitenfotos,
die das Meereis jeweils zur Zeit seines Sommerminimums zeigen.
Fotos: NASA (http://www.nasa.gov/vision/earth/environ
ment/arcticice_decline.html; Foto 2012: http://svs.gsfc.nasa.gov/cgi-bin/details.cgi?aid=3998.
Die gelbe Linie gibt die durchschnittliche Ausdehnung 1979 bis 2010
an).
Dieser Rückgang war schneller, als von den Klimaforschern erwartet war:
Der Rückgang verläuft wesentlich
schneller, als die Klimamodelle des IPCC
vorhersagen (Abb. aus >> WBGU
Sondergutachten 2009)).
Noch tragischer ist aber der Rückgang der Eisschilde auf Grönland und der Antarktis. Die Eismasse des grönländischen Eisschildes im Zeitraum von 2002 bis 2011 um 215 Milliarden Tonnen pro Jahr (in den 10 Jahren zuvor betrug er nur 34 Milliarden Tonnen pro Jahr!). Wie schnell das Eis hier verloren geht, zeigen die seit 2003 durchgeführten Satellitenmessungen des Eisverlustes:
Massenverlust des grönländischen
Eisschildes. Die Veränderung
wird seit 2003 über Satelliten mittels Messung der Veränderung
der Schwerkraft gemessen. Der graue Bereich gibt die Unsicherheit
an (90-%-Bereich der gemittelten grauen Linie). Quelle der
Abbildung:
Synthesis Report Climate Change: Global Risks, Challenges &
Decisions. Copenhagen 2009, 10-12 March, eigene Übersetzung.
Rapide schmilzt auch das antarktische Eisschild: Hier betrug der Verlust von 2002 bis 2011 147 Milliarden Tonnen pro Jahr. In der Antarktis brach im Jahr 2002 ein Stück des Larsen-B-Eisschelfs ab; dies ist beunruhigend, da die schwimmenden Eisschelfe offenbar das Kontinental-Eis stabilisieren: Ohne Schelf rutscht dieses ins Meer, und taut dort durch das (relativ) warme Wasser. Dies ist zur Zeit am West-Antarktische Eisschild zu beobachten. Zusammen beträgt der Massenverlust des Eises auf Grönland und in der Antarktis inzwischen über 500 Milliarden Tonnen pro Jahr (>> 200). Die riesigen in den Eisschilden gebundenen Wassermengen tragen zum Ansteigen des Meeresspiegels bei (siehe unten); alleine der gemessene Massenverlust des grönländischen Eisschildes reicht aus, den Meeresspiegel um 1,3 Zentimeter pro Jahrzehnt ansteigen zu lassen.
Rund um die arktischen Eisgebiete tauen zudem die Permafrostböden (jene Böden, die seit der letzten Eiszeit rund um das Jahr gefroren blieben). Dies bewirkt bereits gewaltige Kosten, da Bauwerke in der Regel im Eis gegründet sind und neu verankert werden müssen. Folgenreicher könnte jedoch sein, dass in den tauenden arktischen Torfmooren riesige Kohlenstoffmengen gebunden sind, die nach dem Auftauen freigesetzt werden, infolge der hohen Feuchtigkeit als Methan. Bisher können die Mengen nur geschätzt werden, aber möglicherweise liegen sie bei 50 Millionen Tonnen im Jahr - dies entspräche etwa einer Milliarde Tonnen Kohlendioxid (>> mehr zur Umrechnung); die Methanfreisetzung ist eine weitere der gefürchteten positiven Rückkoppelungen im Klimasystem.
Ansteigender Meeresspiegel
Die Erwärmung des Ozeans hat eine weitere Folge: Wasser dehnt sich - wie alle Materie - aus, wenn es wärmer wird. Dazu kommt Wasser aus schmelzendem Kontinental-Eis (siehe oben), und beides zusammen hat dafür gesorgt, dass der Meeresspiegel seit 1880 um 20 Zentimeter gestiegen ist. Derzeit steigt er um 3,2 Zentimeter pro Jahrzehnt - und eine weitere Steigerung der Geschwindigkeit ist absehbar (siehe: “Womit wir in Zukunft rechnen müssen”).
Anstieg des Meeresspiegels seit
1901. Quelle der Abbildung:
IPCC: Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Summary for
Policymakers,
Abb. SPM 3(d), eigene Übersetzung.
Die Meere werden sauer
In Wasser gelösten Gase stehen im Gleichgewicht mit den Gasen in der Luft - steigt deren Konzentration, steigt auch die Menge der gelösten Gase. Daher nehmen auch die Meere einen Teil des vom Menschen produzierten Kohlendioxids auf (>> Hintergrundinformation Kohlenstoffkreislauf und Klimawandel). Seit Beginn der Industriellen Revolution haben die Weltmeere 568 Milliarden Tonnen vom Menschen freigesetztes Kohlendioxid aufgenommen (>> hier, siehe auch 204). Im Wasser gelöstes Kohlendioxid bildet Kohlensäure, und die zerfällt in Wasserstoffionen und Bicarbonat (siehe 206).
Kohlendioxid-Konzentration an der
Messstation Mauna Loa (obere rote Linie),
Kohlendioxid-Partialdruck und pH-Wert des Oberflächenwasser
an der
Messstation Aloha (blaue und grüne Linie): Der
Zusammenhang zwischen
steigender Konzentration in der Luft und steigendem Partialdruck
sowie sinkendem
pH im Meerwasser ist deutlich erkennbar. Prozesse im Meereswasser
sorgen dafür,
dass der pH-Wert stärker schwankt als die Kohlendioxid-Konzentration
in der Luft.
Quelle und © der Abbildung: IPCC: Climate Change 2013: The
Physical Science Basis,
Seite 298, Abb. FAQ 3.3 Fig. 1, eigene Übersetzung.
Gegenüber dem vorindustriellen Niveau ist der pH-Wert bereits um 0,1 Einheiten gesunken - da der pH-Wert eine logarithmische Skala ist (eine Veränderung um pH 1 bedeutet eine zehnfache Konzentration) bedeutet dies eine Erhöhung der Säuremenge um 30 Prozent. Die wichtigste Folge für das Ökosystem Ozean ist die damit einhergehende (siehe 206) Umwandlung von Carbonat in Bicarbonat: Carbonat ist nämlich ein Baustein, mit dem viele Meeresorganismen - von den winzigen Coccolithophoren und Foraminiferen über Muscheln und Schnecken bis zu den Korallen - mit einem Kalzifikation genannten Prozess ihr Kalk-Skelett aufbauen - Kalk ist Calciumcarbonat (207). Geht der Carbonatgehalt im Wasser zurück, benötigen diese Organismen mehr Energie für diesen Prozess; sie produzieren weniger robuste Skelette. Bei einer bestimmten Säuremenge lösen sich Kalkskelette sogar auf. Die Versauerung der Meere gefährdet daher das Wachstum kalkbildender Organismen wie vieler Arten des Phytoplanktons, Muscheln, Schnecken und Korallen; schädigt damit die Grundlage der Nahrungskette der Weltmeere und ohnehin gefährdete Ökosysteme wie die >> Korallenriffe. Experimente mit Mittelmeerkorallen deuten an, dass Korallen heute nur noch halb so viel Carbonat ablagern wie vor der Industriellen Revolution (208); im australischen Great Barrier Reef enthalten die Korallen über 14 Prozent weniger Carbonat als vor 25 Jahren (210). Neben dem Carbonatgehalt spielt bei Korallenriffen auch eine Rolle, in welcher Form das Carbonat vorliegt: die Wachstumsgeschwindigkeit hängt von der "Aragonitsättigung" (Aragonit ist eine leichter lösliche Form von Calciumcarbonat) ab; und Corallinales-Algen, die eine magnesiumreiche Form von Calciumcarbonat abscheiden und die als eine Art "Zement" die Korallen verbinden, sind besonders empfindlich, da diese magnesiumreiche Form von Calciumcarbonat sich in saurem Wasser leichter löst als "normales" Calciumcarbonat. Riffbildende Steinkorallen gehören bereits heute zu den am stärksten gefährdeten Organismengruppe der Erde.
Zunehmende Wetterextreme
Ebenfalls ins Bild des Klimawandels passen die zunehmenden Wetterextreme: Die Erwärmung der Erde erfolgt nicht gleichmäßig, und sie verändert die Niederschlagsmuster. Sie verstärkt Trockenheiten und Niederschläge: Auf die Rekordniederschläge in den Alpen und die “Jahrhundertflut” der Elbe 2002 folgte der Hitzesommer 2003; und die Rekordwerte in den Alpen wurden bereits 2005 und die der “Jahrhundertflut” der Elbe 2006 übertroffen. Haben diese Extreme etwas mit dem Klimawandel zu tun? Bei einem einzelnen Ereignis ist die Antwort unmöglich, aber in der Häufung geschieht genau das, wovor die Klimaforscher immer gewarnt haben ...
Und das nicht nur vor unserer Haustür, sondern auch anderswo: Trockenheiten in den Waldgebieten dieser Erde führten in den vergangenen Jahren zu zunehmenden Waldbränden; betroffen waren nicht nur Mittelmeerländer wie Spanien und Portugal, sondern auch kühl-feuchte Wälder in Alaska oder gar tropische Regenwälder in Indonesien.
Temperaturverlauf (blau) und Hurrikanenergie
(rot) im Atlantik. Quelle: Emanuel, K.: Increasing destructiveness
of tropical cyclones over the past 30 years. Nature 436, S. 686-688
(2005).
Im Indischen Ozean steigen die Oberflächentemperaturen wie in allen Weltmeeren stetig an, seit 1955 wird der Monsun immer unregelmäßiger und führt zu Missernten in der Landwirtschaft - ausbleibende Niederschläge und Schulden für immer tiefere Brunnen führten in Indien bereits zehntausende Bauern in den Selbstmord.
Die tropischen Wirbelstürme nehmen an Zahl und Heftigkeit zu; und sie treten dort auf, wo es sie nie zuvor gab - im Südatlantik (im März 2004 vor der brasilianischen Küste) oder gar in Europa (der Hurrikan Vince, der im Oktober 2005 Spanien erreichte). Ob dies alleine auf den Klimawandel zurückzuführen ist, ist jedoch umstritten: Einerseits ist warmes Wasser der Treibstoff für Wirbelstürme, und die Meerestemperatur im tropischen Atlantik ist in den vergangenen 50 Jahren um 0,5 °C gestiegen (siehe Abbildung), andererseits könnten auch (auf natürliche Zyklen zurückgehende) veränderte Ozeanströmungen zumindest für die Zunahme der Zahl der Wirbelstürme verantwortlich sein.