Das Zeitalter der Industrie
Die Energiewende
Seit Mitte der 1970er Jahre planen alternative
Denker eine Energieversorgung, die auf erneuerbaren Energiequellen
und effiziente Energienutzung beruht. Lange wurden sie für Spinner
gehalten, aber nach den Atomunfällen von Tschernobyl und Fukushima
wurde die "Energiewende" zur offiziellen deutschen Politik.
Deutschland ist damit das erste Industrieland, das eine
Energieversorgung mit erneuerbaren Energiequellen anstrebt.

Die Energiewende bedeutet: Durch effiziente
Energienutzung geht der Energieverbrauch
- zumindest in den hochentwickelten Industriestaaten - zurück; der
verbleibende Energiebedarf
wird möglichst umweltfreundlich durch erneuerbare Energien gedeckt.
Eigene Abbildung.
Die "Vorgeschichte" der Energiewende
Als 1973 die erste >> Ölkrise
zu Sonntagsfahrverboten führte und 1975 der >> Widerstand
gegen die Atomenergie mit der Besetzung des geplanten
Bauplatzes eines Atomkraftwerkes bei Wyhl am Kaiserstuhl auch in
Deutschland zur Volksbewegung wurde, begann - insbesondere innerhalb
der Anti-Atom-Bewegung - auch ein intensives Nachdenken über
alternative Formen der Energieversorgung. So wurde 1975 in Wyhl die
VHS Wyhler Wald gegründet, die als alternative Bildungseinrichtung
die Atomkraftgegner mit Informationen über die Atomkraft, aber eben
auch über alternative Energieformen versorgte. Die neue Bewegung
entdeckte die Arbeiten von Pionieren, die Sonnenkollektoren zur
Erzeugung von warmem Wasser und Windräder zur Stromerzeugung
bastelten, und von Wissenschaftlern, die abseits der Industrie über
die Energieversorgung nachdachten. 1976 fanden im benachbarten
Sasbach die ersten badisch-elsässischen „Sonnentage“ statt, die die
Möglichkeiten „alternativer Energien“ vorstellten. Viele Ideen
hierzu kamen aus den USA; vor allem in Kalifornien wurde in Folge
der Ölkrise an der Entwicklung von Sonnenkollektoren, Windrädern und
kleinen Wasserkraftwerken gearbeitet.
Dass alternative Energiequellen tatsächlich ganze Industrienationen
mit Energie versorgen konnten, zeigte zuerst der für die
internationale Umweltorganisation Friends of the Earth
arbeitende amerikanische Physiker Amory B. Lovins mit dem Aufsatz "Energy
Strategy: The Road not Taken?" in der Zeitschrift Foreign
Affairs (Oktober 1976). Der Aufsatz war ein Vorabdruck aus
seinem 1977 erscheinenden Buch "Soft Energy Paths" (dt.: Sanfte
Energie, Rowohlt Verlag 1978). Amory B. Lovins setzte der
offiziellen Energiepolitik, die einen stetig steigenden
Energieverbrauch als Voraussetzung für weiteres Wirtschaftswachstum
ansah und zur Deckung des ansteigenden Bedarfs auf die Steigerung
des Kohle- und Ölverbrauchs (und dazu, um die Abhängigkeit von
arabischem Öl zu mindern, Ölförderung in der Tiefsee und der Arktis
betreiben wollte) sowie den Ausbau der Atomkraft setzte, einen ganz
neuen, "sanften" Pfad entgegen. Dieser basierte auf wesentlich
verbesserter Energienutzung und wollte den Ölverbrauch durch
dezentrale Nutzung erneuerbarer Energiequellen ersetzten:
Sonnenenergie für die Heizung und für Warmwasser, Treibstoff aus
land- und forstwirtschaftlichen Abfällen und Wind- und Wasserkraft
zur Stromerzeugung. Lovins' Überlegungen regten auch die
Wissenschaftler an, die die Bürgerinitiativen mit Vorträgen in der
VHS Wyhler Wald unterstützten. Einige von ihnen gründeten 1977 in
Freiburg das >>
Öko-Institut; und dieses veröffentlichte 1980 die Studie Energiewende.
Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran (S. Fischer
Verlag 1980). Die Studie zeigte, dass auch in Deutschland mit
verbesserter Energienutzung der Energieverbrauch sinken (auf 60
Prozent des Wertes von 1973) und dass dieser niedrigere Verbrauch
durch heimische Kohle (der >> Klimawandel
spielte damals in Deutschland in der energiepolitischen Diskussion
noch keine Rolle) und erneuerbare Energien gedeckt werden könnte
(siehe die folgende Abbildung).

Energiewende 1980: Die mögliche zukünftige
Energieversorgung Deutschlands bis zum Jahr 2030 nach der Variante
"Kohle und Sonne" aus der 1980 erschienenen Energiewende-Studie des
Öko-Instituts Freiburg. Die Autoren Florentin Krause, Hartmut Bossel
und Karl-Friedrich Müller-Reißmann hatten den 1977 von Amory B.
Lovins für die USA vorgestellten Pfad einer "sanften"
Energieversorgung auf Deutschland übertragen und erstmals gezeigt,
dass eine Energieversorgung auch ohne Erdöl und Atomkraft möglich
wäre. Stattdessen setzten sie auf bessere Energienutzung, Kohle und
erneuerbare Energien wie Biomasse, Sonne, Wind und Wasser. Moderne
Szenarien, wie etwa die Studie >>
Treibhausgasneutrales Deutschland im Jahr 2050 des
Umweltbundesamtes zeigen, dass im Jahr 2050 eine vollständige
Energieversorgung Deutschlands mit erneuerbaren Energien möglich
ist; als Heiz- und Kraftstoffe sowie Nachfolger der Erdgases bei der
Stromerzeugung dient strombasiertes ("power-to-gas")
Methan. Eigene Abbildung nach Abb. 5.4 aus Krause, Bossel,
Müller-Reißmann: Energiewende. Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und
Uran. S. Fischer Verlag, 1980.
Die "Energiewende" hob die Diskussion in Deutschland auf ein neues
Niveau. Von den "Experten" aus der Industrie wurde die Studie
lächerlich gemacht; auch die Presse nahm sie kaum ernst (DIE ZEIT
musste 2012 in einem Beitrag über die Energiewende gestehen, dass
sie das Buch in einer kurzen Rezension als "mehr oder weniger
unseriös" eingestuft hatte). Aber der >> Atomunfall
von Harrisburg 1979 hatte die Diskussion über die Nutzung der
Atomkraft wieder aufleben lassen; im Oktober demonstrierten 100.000
Menschen in Bonn gegen die Atomkraft. Zahlreiche Bürgerinitiativen
und "Energiewende-Komitees" setzten sich für bessere
Energienutzung und erneuerbare Energien ein. Mit dem Einzug grüner
Parteien in die ersten Landtage (Bremer Grüne Liste 1979, DIE GRÜNEN
in Baden-Württemberg 1980) und in den Bundestag (1983) gelangten der
Begriff und das Thema auch in die Parlamente, zumal nach der Wahl
Helmut Kohls zum Bundeskanzler im Oktober 1982 auch in der SPD die
Opposition gegen die Atomkraft zunahm. Die Energiewende-Studie des
Öko-Instituts war die erste von vielen weiteren Studien, mit denen
seither über die zukünftige Energieversorgung nachgedacht wurde -
und >> bis
heute wird.
Erste Schritte zur Energiewende
1986 gab die >> Reaktorkatastrophe
von Tschernobyl der Anti-Atombewegung erneut Aufwind. In
Deutschland konzentrierte sich die Auseinandersetzung auf die
Wiederaufbereitungsanlage, die im bayerischen Wackersdorf geplant
wurde. Wie schon zuvor im badischen Wyhl und im niedersächsischen
Gorleben spielten auch hier vor Ort allgemeinpolitische
Einstellungen eine untergeordnete Rolle, und so ging der erste
zentrale politische Schritt zur Energiewende von zwei ungewöhnlichen
Partnern aus: Der CSU-Abgeordnete Matthias Engelsberger und der
GRÜNE Wolfgang Daniels entwarfen 1990 ein "Stromeinspeisungsgesetz"
(100).
Engelsberger hatte seinen Wahlkreis in Siegsdorf; einem Ort, der mit
einem kleinen Wasserkraftwerk mit Strom versorgt wurde.
Wasserkraftwerke waren bis dahin die einzigen nennenswerten
erneuerbaren Energiequellen, Laufwasserkraftwerke an Flüssen
erzeugten drei bis vier Prozent (1990: 3,4 Prozent) des deutschen
Stroms. Engelsberger ärgerte sich darüber, dass die mächtigen
Stromkonzerne des Betreibern von kleinen Wasserkraftwerken weniger
zahlten, als sie ihre eigene Stromerzeugung kostete (101).
Daniels war über den Widerstand gegen Wackersdorf in die Politik
gelangt. Das Stromeinspeisungsgesetz trat am 1.1.1991 in Kraft und
verpflichtete die Stromkonzerne, Strom aus erneuerbaren Energien
abzunehmen und zu einem festen Preis zu vergüten. Dieser richtete
sich nach den Durchschnittserlösen der Stromversorger im vorletzten
Kalenderjahr; bei Einführung betrug der Preis 13,84 Pfennig pro
Kilowattstunde (kWh), und 16,61 Pfennig/kWh für Strom aus
Wind- und Sonnenenergie. Das Gesetz wurde ebenfalls von vielen nicht
ernst genommen (der SPD-Abgeordnete Sperling bezeichnete es in der
Parlamentsdebatte als "Zehenwackelei"), aber es hatte Folgen: Vor
allem Windkraftanlagen waren an guten Standorten zu dem gezahlten
Preis wirtschaftlich; ihre Zahl stieg von weniger als 1.000 im Jahr
1991 auf über 10.000 im Jahr 1999, der Anteil erneuerbarer
Energieträger an der Stromerzeugung stieg auf 5,5 Prozent. Mehrere
Stromkonzerne versuchten, das Stromeinspeisungsgesetz durch Klagen
wieder loszuwerden, scheiterten letztendlich aber. Kaum eine Rolle
spielte 1999 noch die Stromerzeugung mittels Photovoltaik, die 1990
mit dem "1000-Dächer-Programm" gefördert worden
waren. Das Programm war aber - nachdem rund 2.000
Photovoltaik-Anlagen gefördert wurden - 1992 ausgelaufen. Gelohnt
hatte das Programm sich trotzdem: Zwar war selbst mit der Förderung
die Photovoltaik damals ein Zuschussgeschäft, aber vielen
überzeugten Enthusiasten eröffnete die Förderung überhaupt erst die
Möglichkeit einer eigenen solaren Stromerzeugung, mit der viele
später wertvolle Erfahrungen gesammelt wurden.
Erneuerbare-Energien-Gesetz und Atomausstieg
Seit Oktober 1998 regierte in Deutschland eine rot-grüne
Bundesregierung unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer. Am
1.4.2000 wurde das Stromeinspeisungsgesetz durch das maßgeblich von
den SPD-Politikern Hermann Scheer und Dietmar Schütz sowie den
GRÜNEN Michaele Hustedt und Hans-Josef Fell erarbeitete Erneuerbare-Energien-Gesetz
(EEG) abgelöst. Mit dem EEG wurden feste (nicht mehr von
den Erlösen der Stromversorger abhängige) Vergütungen festgelegt;
die Vergütungen für Strom aus Photovoltaik wurden stark angehoben
und betrugen im ersten Jahr 50,6 Cent/kWh. Die Vergütung wurde als
"EEG-Umlage" auf die Stromverbraucher umgelegt; und sollte zukünftig
fallen, um die erhofften Kostensenkungen abzubilden: für Sonnenstrom
sollte sie jährlich um 5 Prozent fallen, für Windstrom um 1,5
Prozent und für Strom aus Biomasse um 1 Prozent. Sonnenstrom wurde
zudem durch zinsreduzierte Kredite im Rahmen des "100.000-Dächer-Programms"
gefördert; zusammen mit der hohen Einspeisevergütung sorgte das EEG
für einen Boom bei Photovoltaikanlagen auf den Hausdächern in
Deutschland.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
Mit dem EEG wurden Netzbetreiber verpflichtet, neue Anlagen
zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien unverzüglich an
das Netz anzuschließen, selbst wenn hierzu die Netze
ausgebaut und verstärkt werden müssen, und den in diesen
Anlagen erzeugten Strom unverzüglich vorrangig abzunehmen, zu
übertragen und zu verteilen (es sei denn, während einer
Übergangszeit bis zum Ausbau der Netze würde hierdurch das Netz
überlastet – dann sind die Anlagenbetreiber aber vom Netzbetreiber
zu entschädigen). Für den abgenommenen Strom aus erneuerbaren
Energien muss 20 Jahre lang eine im Gesetz festgelegte
Vergütung gezahlt werden, die von der Art und Leistung
der Anlage zur Stromerzeugung abhängt (und im Laufe der Geschichte
des EEG immer wieder geändert wurde).
Die Netzbetreiber leiten diesen Strom zum Übertragungsnetzbetreiber
durch und erhalten dafür den Abnahmepreis (abzüglich vermiedener
Netzentgelte). Die Übertragungsnetzbetreiber vermarkten den
Strom an der Börse; und ermitteln aus der Differenz zwischen
Abnahmepreis und an der Börse erzielten Erlösen einen
Differenzbetrag ("EEG-Umlage"), die von den
Energieversorgungsunternehmen (EVU) an die Endverbraucher
weitergegeben wird (aber nicht an alle - mehr >> hier).
Die EVU müssen den Endverbrauchern in der Rechnung angeben, wie hoch
der Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien war, der nach dem EEG
gefördert wurde; sie dürfen auch die EEG-Umlage ausweisen.
Ferner ist in dem Gesetz geregelt, dass Strom aus
Anlagen, die nach dem EEG gefördert werden, nicht doppelt (etwa als
„Grünstrom“) vermarktet werden darf; er darf auch nicht für
Emissionsminderungen im Rahmen des Emissionshandels angerechnet
werden.
Parallel zum EEG hatte die rot-grüne Bundesregierung am 14.6.2000
eine oft als "Atomkonsens" bezeichnete Vereinbarung
mit den Energieversorgungsunternehmen geschlossen, die 2002 in das
Atomgesetz übernommen wurde: Vereinbart wurde der Ausstieg
aus der Atomenergie in Deutschland. Es sollten keine
neuen Atomkraftwerke gebaut werden; die bestehenden Atomkraftwerke
sollten ab dem 1. Januar 2000 noch höchstens 2,62 Millionen
Gigawattstunden (GWh) Strom erzeugen. Diese Menge sollte je nach
Inbetriebnahmedatum auf die einzelnen Kraftwerke verteilt werden,
voraussichtlich 2021 wäre nach dieser Regelung das letzte
Atomkraftwerk abgeschaltet worden. (Als erstes Atomkraftwerk wurde
am 11.10.2003 das Kraftwerk Stade [vorzeitig] aufgrund dieser
Vereinbarung abgeschaltet.) Die Konsequenz war klar: Die rund 20
Prozent, die die Atomkraftwerke zur Stromversorgung beitrugen,
mussten in den folgenden 20 Jahren durch andere Energiequellen - am
besten erneuerbare - ersetzt werden.
Unterdessen wurde 2003 die im EEG als Fördergrenze festgelegte
Grenze von 350 MW installierter Photovoltaikleistung überschritten.
Um Sonnenstrom weiter fördern zu können, wurde das EEG zum 1.8.2004
neu gefasst. Die Beschränkung für Sonnenstrom entfiel, und das
Wachstum der erneuerbaren Energien ging weiter: 2005 überschritten
erneuerbare Energiequellen erstmals einen Anteil von 10 Prozent an
der deutschen Stromproduktion; 2008 wurde ein Anteil von 15,1
Prozent erreicht. Die EEG-Umlage, die von den Stromverbrauchern zu
zahlen war, stieg damit an: von 0,2 Cent/kWh im Jahr 2000 auf 0,68
Cent/kWh im Jahr 2005 und 1,12 Cent/kWh im Jahr 2008. Dazu
trug nicht nur die steigende Stromerzeugung aus erneuerbaren
Energiequellen bei, sondern auch, dass die EEG-Umlage für
industrielle Großverbraucher begrenzt wurde: 2003 wurde sie für
Stromverbräuche über 100 GWh/Jahr auf 0,05 Cent/kWh begrenzt; mit
dem EEG 2004 griff die Begrenzung für Industriebetriebe mit einem
Stromverbrauch über 10 GWh/Jahr. Damit sollte die internationale
Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gewahrt bleiben, aber die Kosten
mussten von allen anderen Verbrauchern mitgetragen werden. Die
mitzutragende Last sollte aber 10 Prozent der EEG-Umlage nicht
überschreiten (eine Begrenzung, die im Jahr 2006 von der seit Ende
2005 regierenden großen Koalition auf Druck der Industrie aufgegeben
wurde; zu den aktuellen Regelungen für gewerbliche Großverbraucher
>> hier).
Immer deutlicher wurde auch eine andere Herausforderung der
erneuerbaren Energien: Die Erzeugung von Strom aus Wind und Sonne
hing vom Wind und vom Sonnenlicht ab, sie schwankte daher stark.
Diese Schwankungen belasteten das Stromnetz, das hierfür nicht
ausgelegt war. Gleichzeitig wurde das Stromnetz von anderer Seite -
und noch viel stärker - belastet: der mit der Liberalisierung der
Strommärkte einhergehenden Zunahme des Stromhandels. Das Netz diente
nicht mehr nur der Stromversorgung, sondern musste europaweit
gehandelten Strom transportieren. Zu welchen Belastungen dies
führte, zeigte ein Stromausfall am 4.11.2006, der weite Teile
Europas betraf - wie sich herausstellt, war die Ursache, dass (vom
Stromhandel verursachte) "unvorhergesehene Stromflüsse" nicht
berücksichtigt wurden, als eine Hochspannungsleitung abgeschaltet
werden musste, die über die Ems führt, um einem neu gebauten
Kreuzfahrtschiff die gefahrlose Durchfahrt zur Nordsee zu
ermöglichen.
Die schwarz-gelbe(n) Energiewende(n)
Unterdessen war Ende 2009 die seit 2005 regierende große Koalition
aus SPD und CDU von einer schwarz-gelben Bundesregierung aus CDU/CSU
und FDP abgelöst worden. Diese veröffentlichte im Herbst 2010 ihr
Energiekonzept: Sie bekannte sich zu einem weiteren (wenn
auch "kosteneffizienten") Ausbau der erneuerbaren Energien, wollte
aber gleichzeitig (wie bereits im Koalitionsvertrag vereinbart) die
Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängern - sie beschloss den Ausstieg
aus dem Ausstieg aus der Atomkraft. Auch diese Regelung
wurde mit einer Änderung des Atomgesetzes am 28.10.2010
rechtsverbindlich.
Dann kam es am 11.3.2011 zum >>
Atomunfall von Fukushima. Am 6. Juni 2011 beschloss die
Bundesregierung die Abschaltung von acht Atomkraftwerke und einen
stufenweisen Atomausstieg bis 2022 - der Ausstieg
aus dem Ausstieg wurde wieder zurückgenommen. Wieder wurde das
Atomgesetz geändert, die neue Fassung trat am 6.8.2011 in Kraft.
Abgesehen vom Atomausstieg blieb das Energiekonzept aber Grundlage
der Regierungspolitik: Bis 2020 soll der Anteil der
Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien 35 Prozent
betragen; bis 2030 50 Prozent, bis 2040 65 Prozent und bis 2050 80
Prozent. Am Energieverbrauch insgesamt soll ihr
Anteil bis 2020 18 Prozent betragen, bis 2030 30 Prozent, bis 2040
45 Prozent und bis 2050 60 Prozent.
Die "Energiewende" von 2011 (mit dem Titel nahm eine konservative
Bundesregierung den Begriff der Atomkraftgegner von 1980 auf - wie
sich die Zeiten ändern...) führte dazu, dass sich jetzt auch viele
traditionell eher in etablierten Strukturen denkende konservative
Politiker und Unternehmenschefs mit dem Siegeszug der erneuerbaren
Energien abfanden, der Ausbau erneuerbarer Energien legte noch
einmal zu. Dazu trug auch bei, dass die schwarz-gelbe
Bundesregierung die Vergütung für Strom aus Photovoltaik zweimal
außerplanmäßig herabsetzte: Um den Kürzungen zuvor zu kommen, stieg
die installierte Leistung stärker an als zuvor. Bereits 2011 hatte
der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch 20 Prozent
überschritten, und im Jahr 2013 erreichte er (nach der offiziellen
Statistik, die z.B. auch die Verbrennung von biogenen Hausmüll
berücksichtigt) 25 Prozent (siehe >> hier).
Absehbar war, dass die für 2020 vorgesehenen 35 Prozent viel früher
erreicht werden können - wenn man denn wollte. Aber längst nicht
alle wollen das wirklich - Klimawandel durch Kohlekraftwerke hin,
schwindende fossile Vorräte her: Wer früher von grünen Spinnern
sprach, die zurück in die Steinzeit wollten, redet heute von
drohender Deindustrialisierung und entdeckt auf einmal sein Herz für
die Armen, die sich Strom bald nicht mehr leisten können. Schuld
daran soll das EEG sein. Das aber ist ein Märchen:
Das Märchen vom teuren
Ökostrom
Strom aus neue Windkraftanlagen an Land und großen
Photovoltaikanlagen kostet heute nicht mehr als Strom aus neuen Gas-
und Kohlekraftwerken: 8 bis 9 Cent/kWh. Strom aus kleinen
Photovoltaikanlagen kostet aufgrund der Installationskosten etwas
mehr (10 bis 12 Cent/kWh), lohnt sich aber ebenfalls, wenn er
teilweise selbst verbraucht wird und Strombezugskosten (von
durchschnittlich 28 Cent/kWh) einspart. Das ist ein weiterer Erfolg
des EEG: Die Förderung hat neue Technologien, hat die Produktion von
Windrädern und Solarmodulen so preiswert gemacht, dass sie mit
konventionellen Kraftwerken mithalten kann.
Warum aber steigt dann die EEG-Umlage immer weiter an (im Jahr 2010
betrug sie schon 2,05 Cent/kWh, 2012 3,59 Cent/kWh und 2014 6,24
Cent/kWh)? Um dieses zu verstehen, muss man sich ansehen, wie die
EEG-Umlage entsteht: Berücksichtigt werden Kosten und Einnahmen der
mit der Vermarktung des Ökostroms beauftragten
Übertragungsnetzbetreiber: Die Kosten sind im wesentlichen die
festgelegten Vergütungen für eingespeisten Strom; die Einnahmen die
Erlöse aus dem Stromverkauf an der Strombörse. Die Kosten steigen
fraglos, das sich die Kosten für die in der Vergangenheit
geförderten, teureren Anlagen summieren. Den Anstieg der EEG-Umlage
erklärt dies aber nur zum Teil, wie ein Blick auf die Entwicklung
von EEG-Vergütungen und EEG-Umlage zeigt:

Entwicklung von EEG-Vergütung (grau) und
EEG-Umlage (rot) von 2004 bis 2014:
Während sich die EEG-Vergütung etwa versechsfacht hat, ist die
EEG-Umlage etwa
doppelt so schnell gestiegen. Die Kostensteigerungen durch die
Stromerzeugung aus
erneuerbaren Energien trägt also nur rund die Hälfte zum Anstieg der
EEG-Umlage bei.
Eigene Abbildung, Zahlenquelle: (105)
Neben den Ausgaben wird die Höhe ja von den Erlösen an der
Strombörse bestimmt. Und die sinken seit 2010. Das hat auch mit den
erneuerbaren Energien zu tun: Im Unterschied zu klassischen
Kraftwerken verursachen Wind, Sonne und Wasser keine
Brennstoffkosten. Wenn sie viel Strom produzieren, sinkt der
Börsenpreis für Strom. Konventionelle Kraftwerke werden dann
abgeschaltet, da sie ihre Brennstoffkosten nicht mehr einspielen;
Windräder, Wasserkraftwerke und Photovoltaik produzieren dann
weiter. Welchen Einfluss sinkende Börsenpreise auf die EEG-Umlage
haben, ist nicht leicht zu berechnen, für das Jahr 2013 haben die
Energieberater von Energy Brainpool in einer Studie (106)
für Agora Energiewende errechnet, dass ein um ein Cent sinkender
Börsenpreis die EEG-Umlage um 0,3 Cent ansteigen lässt. Die meisten
Stromversorger, die ihren Strom ebenfalls nicht selber erzeugen,
sondern an der Strombörse einkaufen, profitieren natürlich von
sinkenden Einkaufspreisen: Wie Energy Brainpool in einer weiteren
Studie (107)
für die Grünen gezeigt hat, sind je nach Beschaffungsstrategie die
Einkaufspreise von 2009 bis 2014 um 1 bis fast 3 Cent/kWh gefallen.
Das sollte eigentlich dazu führen, dass fallende Einkaufspreise
zumindest diesen Anteil der EEG-Umlage überkompensieren; aber
fallende Preise werden in der Regel nur verspätet und teilweise an
die Endkunden weitergegeben - ein Teil der finanziellen Vorteile,
die aus dem Ausbau erneuerbarer Energien auch folgen,
bleibt also bei den Stromversorgern stecken.
Weiter steigt die EEG-Umlage dadurch, dass die EEG-Vergütung längst
nicht mehr auf alle Stromverbraucher umgelegt wird. Insbesondere die
Befreiungen für die stromintensive >> Industrie
führen dazu, dass eine steigende Last auch noch auf weniger
Schultern verteilt wird. Grundsätzlich sind diese Befreiungen und
Begrenzungen auch gerechtfertigt: Die Stahlindustrie etwa, bei denen
die Stromkosten die Hälfte der Bruttowertschöpfung ausmachen, wäre
ohne international nicht mehr wettbewerbsfähig. Aber gute
Interessenvertretung hat dafür gesorgt, dass die Befreiungen und
Begrenzungen längst auch für Unternehmen gewährt werden, die
überhaupt nicht im internationalen Wettbewerb stehen - der
Braunkohleabbau etwa, obwohl Braunkohle weder importiert noch
exportiert wird. Die Industriebefreiungen haben das sinnvolle Ausmaß
längst weit überschritten; die Grünen fordern beispielsweise, sie
auf den Stand von 2008 zurückzuführen. (Zum Argument der
"Deindustrialisierung" - die deutsche Außenhandelsbilanz hat 2013
einen neuen Rekord erreicht, die deutsche Industrie gilt als die
wettbewerbsfähigste der Welt. So hat beispielsweise der
Aluminiumhersteller Norsk Hydro seine Produktion am Standort Neuss
wieder hochgefahren (108),
und die Aluhütte Adel in den Niederlanden meldete Insolvenz an - mit
Verweis auf die niedrigen Industrie-Strompreise in Deutschland. Die
EU-Kommission sieht die Begrenzung der EEG-Umlage in der Form des
EEG 2012 denn auch als Verstoß gegen den fairen Wettbewerb und hat
im Dezember 2013 ein Beihilfeprüfverfahren gegen die Bundesrepublik
Deutschland eingeleitet.)
Die Auswirkungen dieser Faktoren auf die EEG-Umlage hat das
Öko-Institut in einer >> Studie
untersucht: Demnach ging der Anstieg der EEG-Umlage im Jahr
2014 zu weniger als die Hälfte auf den Zubau erneuerbarer
Energien zurück, 37 Prozent gingen auf den fallenden
Börsenstrompreis und 15 Prozent auf die Ausweitung der Privilegien
für stromintensive Industrien zurück.
Damit bleiben aber immer scheinbare Mehrkosten für Strom aus
erneuerbaren Energien; diese liegen nach dem oben gesagten bei rund
der Hälfte der EEG-Umlage, also bei gut 3 Cent/kWh. Aber: Auch
andere Energieträger wie Kohle und Atomstrom wurden (und werden)
gefördert. Diese Förderung wirkt sich nur nicht auf den Strompreis
aus, da sie (mit Ausnahme des "Kohlepfennigs") aus Steuergeldern
erfolgte. Nach Berechnungen des Forums Ökologisch-Soziale
Marktwirtschaft machte die Kohleförderung von 1970 bis 2012 3,3
Cent/kWh aus, Atomkraft wurde mit 4 Cent/kWh gefördert. Würden diese
Kosten ebenfalls auf den Strompreis umgelegt, gäbe es keinen
Preisunterschied mehr.
Das ist aber noch nicht alles: Sowohl die Kosten für erneuerbare
Energien als auch die für fossile Energieträger sind in Wirklichkeit
noch höher. Bei den erneuerbaren Energien müsste man für einen
fairen Vergleich berücksichtigen, dass bei einer alleinigen
Stromversorgung mit erneuerbaren Energien entweder Stromspeicher
oder Reservekraftwerke bereitgehalten werden mussten, um
Schwankungen auszugleichen, und dass ein verstärkter Ausbau von
Stromnetzen notwendig ist (>> mehr).
Die Schätzungen über die Kosten hierfür schwanken: Der
Sachverständigenrat für Umweltfragen geht auch langfristig von
weniger als einem Cent/kWh aus, die Forschungsstelle für
Energiewirtschaft von 3 Cent/kWh. Bei einer Stromversorgung aus
erneuerbaren Energien wäre als mit weiteren Kosten von 1 bis 3
Cent/kWh zu rechnen (wobei die Erzeugungskosten weiter fallen
dürften). Bei den allen Energieträgern müssten zudem die Kosten für
die von ihnen verursachte Luftverschmutzung und den Klimawandel
eingerechnet werden - die betragen bei den erneuerbaren
Energieträgern nach einer Abschätzung (110)
des Umweltbundesamtes zwischen 0,18 (Wasserkraft) und 3,84 Cent/kWh
(Biomasse); bei fossilen Energieträgern zwischen 4,91 (Gas) und
10,75 Cent/kWh (Braunkohle). Spätestens hier wird klar:
Berücksichtigt man wirklich alle Kosten, die die Energieerzeugung
verursacht, sind erneuerbare Energien längst deutlich
billiger als fossile Energien. (Atomkraft wäre übrigens
noch teurer: Die Betreiber der beiden in Großbritannien in Hinkley
Point C geplanten neuen Reaktoren fordern einen über 35 Jahre
garantierten Preis von 10,9 Cent/kWh mit Inflationsausgleich (111)
- umgerechnet auf die deutsche EEG-Förderung (20 Jahre ohne
Inflationsausgleich) entspräche dies bei einer Inflation von 2
Prozent einem garantierten Preis von rund 34 Cent/kWh! Dazu kommen
die externen Kosten der Atomkraft, die sehr umstritten sind, in den
meisten Studien aber bei 10 - 30 Cent/kWh liegen.)
Bleibt noch die "neue sozialen Frage", nach der
angeblich arme Hartz-IV-Empfänger mittels EEG reichen Zahnärzten
fette Renditen aus Photovoltaikanlagen finanzieren. Wenn es den
Kritikern wirklich um die Vermeidung sozialer Härten ginge (richtig
ist, dass Bezieher niedriger Einkommen einen höheren Anteil ihres
Einkommens für Strom bezahlen und daher von Strompreiserhöhungen -
aus welchen Gründen auch immer diese erfolgen - stärker betroffen
sind), wäre dieses leicht zu lösen: Alleine die Mehreinnahmen durch
die Mehrwertsteuer, die ja auch auf die EEG-Umlage erhoben wird und
mit dieser gestiegen ist, würden reichen, die Empfänger niedriger
Einkommen von der EEG-Umlage zu befreien. Oder man könnte mit den
Mehreinnahmen Grundsicherung, BAföG und Wohngeld erhöhen.
Wollte man Bezieher niedriger Einkommen entlasten,
wäre dies also längst möglich gewesen - geschehen ist nichts. Ein
Blick auf die Statistik zeigt zudem, dass die Haushalte durch
steigende Kosten für Öl, Treibstoffe und Gas viel stärker belastet
werden als durch die EEG-Umlage. Darüber wird nicht geredet. Bleibt
also der Eindruck, dass die "neue soziale Frage" vor allem dafür
sorgen soll, dass abgeschriebene Kohle- und (solange sie noch laufen
dürfen) Atomkraftwerke noch lange für ihre Betreiber hochprofitabel
(deren Renditen liegen übrigens höher als die von
Photovoltaikanlagen) Strom erzeugen können. Dafür werden dann eben
"geeignete Kommunikationsstrategien" entwickelt - manche sagen auch
Strompreiskomplott dazu (112).
Wie weiter mit der Energiewende und dem EEG?
Wenn, wie oben dargestellt, Strom aus Windrädern an Land und
Photovoltaik heute bereits konkurrenzfähig mit Strom aus neuen
Kohle- und Gaskraftwerken ist, brauchen wir dann das EEG überhaupt
noch? Ja, denn die Börsenpreise für Strom sind derzeit so niedrig,
dass sich neue Kraftwerke - auch Gas- und Kohlekraftwerke -
überhaupt nicht rechnen. Neue Kraftwerke brauchen wir aber - auch
die bestehenden Kohlekraftwerke, im Schnitt über 30 Jahre alt,
müssten in den nächsten Jahrzehnten erneuert werden. Solange aber
bei der betriebswirtschaftlichen Entscheidung die externen Kosten
keine Rolle spielen, sind ohne Förderung die besonders
umweltschädlichen - und mit allen Nebenkosten insgesamt teuersten -
Braunkohlekraftwerke mit Stromgestehungskosten von 4 bis 5 Cent/kWh
am wirtschaftlichsten. Wenn wir den Klimaschutz ernst meinen und die
Energiewende weitergehen soll, muss die Förderung erneuerbarer
Energien weitergehen.
Eine bestehende Überförderung (auch die Hersteller von Anlagen zur
Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien verstehen sich mittlerweile
auf Lobbyismus) kann aber durchaus abgebaut werden. Die Denkfabrik
"Agora Energiewende" (114)
hält eine Vergütungs-Obergrenze von 8,9 Cent/kWh,
die jährlich um ein Prozent fällt, für ausreichend, um im Jahr 2020
einen Anteil von 40 Prozent erneuerbarer Energien bei der
Stromversorgung zu erreichen. Für Unternehmen, die bisher eine auf
0,05 Cent/kWh reduzierte EEG-Umlage zahlen, sollte diese auf 0,5
Cent/kWh angehoben werden, um auch industrielle Großverbraucher, die
von sinkenden Börsenpreisen profitieren, angemessen an den Kosten
erneuerbarer Energieträger zu beteiligen. Ferner sollte es für
steuerbare Anlagen, die bei Bedarf Strom erzeugen können (etwa aus
Biogas) zusätzlich zur Vergütung eine Kapazitätsprämie von höchstens
500 Euro/kW geben. Mit dieser Regelung würde die Summe aus
Großhandels-Strompreis und EEG-Umlage etwa gleich bleiben, für die
Verbraucher müsste der Strom also nicht teuer werden.
Schnelle
Energiewende macht unabhängig von russischem Gas
Über die Hälfte des Energieverbrauchs der EU beruht auf Importen -
2012 haben die EU-Länder hierfür 545 Milliarden Euro ausgegeben.
Beim Öl beträgt der Importanteil 86 Prozent, bei Gas 66 Prozent. Da
die heimischen Vorräte zu Neige gehen, steigt dieser Anteil
tendenziell. Dass er voraussichtlich nur langsam steigt, liegt laut
der Folgenabschätzung, die die EU-Kommission für die
Weiterentwicklung der EU-Klima- und Energiepolitik hat erstellen
lassen, an der Energiewende: Europa hat sich zum Ziel gesetzt, bis
2020 20 Prozent energieeffizienter zu werden und einen Anteil von 20
Prozent erneuerbarer Energien zu erreichen. Energieeffizienz und
erneuerbare Energieträger verringern aber den Verbrauch von Öl und
Gas, deren heimische Vorräte besonders schnell zu Ende gehen.
Die Folgeabschätzung zeigt aber auch, dass es noch besser ginge:
ein Klimaschutzziel von 40 Prozent weniger Emissionen bis 2030
gegenüber 1990 würde die Gasimporte nicht - wie die Fortschreibung
der bisherigen Politik - nur langsamer ansteigen, sondern sogar
sinken lassen. Bei einem ambitionierteren Ziel von 45 Prozent
weniger Emissionen und einem Anteil von 35 Prozent erneuerbarer
Energien im Jahr 2030 würden die Gasimporte sogar um 28 Prozent
sinken können - das entspricht rund drei Viertel der heute aus
Russland importierten Gasmenge. Die Krimkrise hat gerade wieder
gezeigt, wie erpressbar eine hohe Importabhängigkeit politisch macht
- und das gilt nicht nur für Lieferungen aus Russland, wie die
>>
Geschichte des Erdöls zeigt. Die EU hat im März 2014 dennoch
die Entscheidung über ihre zukünftige Klima- und Energiepolitik auf
den Herbst vertagt; vor allem die stark von Kohle abhängigen Länder
Osteuropas haben die vorgeschlagenen (ohnehin nicht sonderlich
ambitionierten) Ziele abgelehnt. Hoffentlich verstehen auch diese
Länder bald, dass die Alternative zur dreckigen Kohle nicht
russisches Gas, sondern erneuerbare Energien sind.
Weitere Informationen:
>>
Folgenabschätzung der europäischen Klima- und Energiepolitik,
COM(2014) 15 final (pdf, 1,9 MB, englischsprachig)-
Vor allem aber wird es Zeit, unsere
Stromerzeugung wirklich an das Zeitalter der erneuerbaren Energien
anzupassen: Zur Deckung der Spitzenlast bei Flaute und an trüben
Tagen werden sogenannte Back-up-Kapazitäten benötigt.
Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten: ein ausgebautes
Leitungsnetz (meist gibt es anderswo genug Wind und Sonne, der Strom
muss aber transportiert werden); nach dem Strombedarf gesteuerte,
flexible Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen und Biomassekraftwerke;
Lastmanagement (Anpassung der Nachfrage an die Stromproduktion, z.B.
über veränderliche Strompreise); die Entwicklung von
Speichertechnologien und die Bereitstellung von Gasturbinen.
Technisch ist das Problem lösbar, problematisch ist der aktuelle
Strommarkt - gehandelt werden heute Kilowattstunden, einen Markt für
Erzeugungskapazität gibt es nicht. Zentraler Ansatzpunkt, damit die
Stromversorgung zukünftig genauso sicher bleibt wie sie heute ist,
ist die Schaffung eines neuen Markts für Investitionen in Kapazität.
Wie für zu einem neuen, auf die Energiewende abgestimmten
Marktdesign für die Energiewirtschaft kommen, hat Agora Energiewende
ebenfalls vorgeschlagen. Um das Vorgehen transparent zu halten,
schlagen die Experten folgende Schritte vor:
- Analyseprozess: Wissenschaftler und Berater stellen die
verschiedenen Modelle, die zugrunde liegenden Annahmen sowie deren
Kosten und Anforderungen transparent dar.
- Die verschiedenen hieraus entstehenden Optionen für ein
künftiges Energiemarktdesign werden in einem "Grünbuch"
beschrieben und öffentlich diskutiert; Stellungnahmen hierzu
werden veröffentlicht.
- In einem "Weißbuch" wird die Position der Bundesregierung
dargestellt; hierzu eingehende Kommentare werden wiederum
veröffentlicht.
- Auf dieser Basis wird ein Gesetzesentwurf entwickelt, der im
üblichen Verfahren verabschiedet wird.
Mit dem EEG 2014 gab es erstmals verbindliche,
technologiespezifische "Ausbaukorridore" für erneuerbare Energien -
angeblich, um den Ausbau kosteneffizienter zu machen. Tatsächlich
wird damit erstmals der Ausbau erneuerbarer Energien praktisch
gesetzlich begrenzt. Angesichts der Tatsache, dass die EEG-Vergütung
vor allem von teuren Altanlagen verursacht wird und die
Industrieprivilegien weitgehend erhalten wurden (sogar die gar nicht
im internationalen Wettbewerb stehende Braunkohle zahlt weiterhin -
im Rahmen einer unbegrenzten "Härtefallregelung" - eine reduzierte
EEG-Umlage), dürfte die EEG-Umlage kaum sinken. Der Ausbau
erneuerbarer Energien könnte aber gebremst werden. Für die
Energiekonzerne ist das aber eine gute Nachricht: sie bekommen "Zeit
für den Umbau" des Energiesystems und können mit ihren Kohle- und
Atomkraftwerken ein wenig länger gutes Geld verdienen. Ihre
Lobbyarbeit (beschrieben z.B. in >> Kreutzfeld
2014) scheint Früchte zu tragen.
Nach so viel "erneuerbaren Energien" sei
aber auch noch einmal daran erinnert, dass die Energiewende
mehr ist als der Umstieg auf erneuerbare Energien:
Genauso wichtig - und sogar noch preisgünstiger - ist die Steigerung
der >>
Energieeffizienz. Die aber ist bisher sehr halbherzig
angegangen worden. Immerhin hat auch Wirtschaftsminister Gabriel,
mittlerweile zuständig für die Energiewende, erkannt, dass wir auf
dem Weg zur Energiewende erst zehn Prozent geschafft haben, und
Energieeffizienz als "schlafenden Riesen" identifiziert (116).
Da hat er recht - hoffen wir, dass die Einsicht Konsequenzen hat.
Mehr zur Energie der Zukunft auf diesen Seiten:
>> Saubere Energie
>> Erneuerbare Energien
>> Mögliche Energiezukünfte
Einstiegsseite >> Energie (im
Industriezeitalter)
Hintergrundinformationen auf diesen Seiten:
>> Eine kleine Geschichte
des menschlichen Energieverbrauchs
>> Energie und ihre Einheiten
>> Eine kleine Geschichte
der Erforschung der Energie
Webtipps
>> Energiewende
"für Dummies": die wichtigsten Zusammenhänge einfach und
verständlich - so hoffen zumindest die
Autoren (ist auch gelungen
).
>> Erneuerbare
Energie und Klimaschutz: die Seite von Volker Quaschning,
Autor des
gleichnamigen Fachbuches (Hanser Verlag
2013 - ebenfalls lohnend).
>> Energiewende:
das Original vom Öko-Institut Freiburg.
>> Agora
Energiewende: der wohl aktivste "Think Tank" zum
Thema.