Das Zeitalter der Industrie

Der 4. UN-Klimareport

Arbeitsgruppe I1: Auswirkungen des Klimawandels

Im Jahr 2007 hat der Klimarat der Vereinten Nationen (IPCC) seinen vierten Klimareport veröffentlicht. Der Klimareport fasst regelmäßig den Stand der weltweiten Klimaforschung zusammen. Arbeitsgruppe 2 hat den aktuellen Kenntisstand über die Auswirkungen des Klimawandels auf natürliche und menschliche Systeme, ihre Anpassungsfähigkeit und ihre Verwundbarkeit zusammengefasst.

Was noch auf uns zukommen könnte

Zu erwartende Auswirkungen des Klimawandels

Beispiele der zu erwartenden globalen Auswirkungen des Klimawandels je nach Anstieg der Temperatur im 21. Jahrhundert. Die schwarzen Linien verbinden Auswirkungen, die gestrichelten Linien deuten eine Fortsetzung mit steigender Temperatur an. Der linke Textrand zeigt an, wo die jeweilige Auswirkung beginnt. Alle dargestellten Auswirkungen treten mit hoher Wahrscheinlichkeit ein. Anmerkungen in der Abb.: 1 = Signifikant bedeutet hier mehr als 40 Prozent; 2 = Basierend auf einem Anstieg des Meeresspiegels um 4,2 mm/Jahr von 2000-2080. Quelle: Climate Change 2007: Climate Change Impacs, Adaptation and Vulnerability. Summary for Policymakers, eigene Übersetzung

Der Klimawandel verändert bereits heute die Umwelt

Die Ergebnisse zeigen, dass bereits jetzt zahlreiche natürliche Systeme von Klimaänderungen betroffen sind. Zu den Veränderungen, die bereits heute zu beobachten sind, gehören Änderungen in der Eis- und Schneedecke in den kalten Regionen der Erde. Diese äußern sich zum Beispiel darin, dass Gletscherseen zahlreicher und größer werden und die von Gletschern gespeisten Flüsse mehr Wasser führen. Arktische und antarktische Ökosysteme ändern sich, betroffen sind auch die Raubtiere an der Spitze der Nahrungskette.

Die Änderungen treffen aber nicht nur die kalten Regionen; überall tritt der Frühling (gemessen an Ereignissen wie Blattentfaltung, Vogelzug und Eiablage) früher auf; außerdem verschieben sich die Verbreitungsgebiete von Tieren und Pflanzen polwärts und in höhere Lagen in den Bergen. Ebenso verschieben sich die Verbreitungsgebiete von Algen, Plankton und Fischen in den Weltmeeren; Algen und Zooplankton nehmen in hohen Breiten und in höher gelegenen Seen zu. Die Fischwanderungen in den Flüsse finden ebenfalls früher statt. Von allen Untersuchungen, die zu Veränderungen in der Umwelt und in biologischen Systemen ausgewertet wurden (über 29.000 Datenreihen), zeigen über 89 Prozent ein Ergebnis, das man bei einer Klimaerwärmung erwarten würde. Die Veränderungen häufen sich dort, wo die Temperaturen sich am stärksten erwärmt haben, was natürliche Schwankungen als Ursache sehr unwahrscheinlich macht.

Daneben gibt es weitere Veränderungen, wo die Zuordnung zum Klimawandel weniger eindeutig ist, da sie durch nicht klimatische Antriebselemente schwieriger zu erkennen sind. Dazu gehören zum Beispiel zunehmende Waldbrände und Schädlingsbefall in den Forsten, oder die Todesfolgen durch Hitzewellen in Europa.

Was wir über künftige Auswirkungen wissen

Gegenüber früheren Berichten haben die Kenntnisse über künftige Auswirkungen des Klimawandels auf viele Systeme und Sektoren zugenommen.

Süßwasser: Die Flüsse in hohen Breiten und feuchten tropischen Regionen werden 10 bis 40 Prozent mehr Wasser führen; in den trockenen Regionen der mittleren Breiten und der Tropen aber 10 bis 30 Prozent weniger Wasser. Sowohl Dürreperioden als auch Überschwemmungen durch Starkregen werden beide zunehmen. In Regionen, die von Schmelzwasser aus den Bergen abhängen (gegenwärtig ein Sechstel der Weltbevölkerung), wird durch den Rückgang der in Gletschern und Schneedecken gespeicherten Wassermenge Wasser knapper werden.

Ökosysteme: Die Auswirkungen des Klimawandels werden die Widerstandsfähigkeit vieler Ökosysteme übersteigen. Wahrscheinlich wird gegen Mitte des Jahrhunderts die Aufnahme von Kohlendioxid durch die Ökosysteme zurückgehen, wodurch sich der Klimawandel verstärken würde. Für 20 bis 30 Prozent der Tier- und Pflanzenarten steigt das Aussterberisiko bei einem Temperaturanstieg von mehr als 1,5 bis 2,5 °C. Die Auswirkungen auf die Ökosysteme haben überwiegend schädliche Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und die von den Ökosystemen erbrachten Dienstleistungen, wie z.B. Wasser- und Nahrungsmittelversorgung.

Nahrungsmittel, Faserstoffe und Holzproduktion: Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Temperaturerhöhungen sowie Dürren und Überschwemmungen die Nahrungsmittelproduktion reduzieren, insbesondere bei der Subsistenz-Landwirtschaft in niedrigen Breiten (”negative Auswirkungen” auf die Nahrungsmittelproduktion hier heißt im Klartext: es werden mehr Menschen hungern). In mittleren bis hohen Breiten können die Getreideerträge durch Anpassungen auf derzeitigem oder höheren Niveau gehalten werden, ebenso könnte die Holzproduktion kurz- bis mittelfristig leicht steigen. Die Vorkommen von Fischarten werden sich weiter verschieben, mit negativen Folgen für Fischerei und Fischzucht.

Küsten und tiefliegende Gebiete: Küsten sind durch die Erderwärmung höheren Risiken, etwa durch Erosion, ausgesetzt; der Effekt wird durch den zunehmenden Druck des Menschen auf die Küsten noch verschärft. Korallen werden vermutlich in Zukunft noch vermehrt ausbleichen und großräumig absterben; und Küsten-Ökosysteme wie Salzmarschen und Mangroven werden besonders vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen sein. Von Fluten infolge des ansteigenden Meeresspiegels werden viele Millionen Menschen betroffen sein, insbesondere in den Mega-Deltas Asiens und Afrikas und auf kleinen Inseln.

Industrie, Siedlungen und Gesellschaft: Die Auswirkungen des Klimawandels sind regional sehr unterschiedlich, jedoch insgesamt betrachtet umso negativer, je größer die Klimaänderung ausfällt. Dies gilt besonders in Küstennähe und in Überschwemmungsgebieten und für Sektoren, die von klimatisch sensiblen Ressourcen wie Wasser- und Nahrungsmittelversorgung abhängen, die vom Klimawandel und extremen Wetterereignissen betroffen sind. Arme Bevölkerungsgruppen werden aufgrund ihrer geringeren Möglichkeiten zur Anpassung stärker betroffen sein.

Gesundheit: Der Klimawandel wird Auswirkungen auf die Gesundheit von Millionen Menschen haben, etwa durch zunehmende Unterernährung und ihre Folgen; Hitzewellen, Stürme, Überschwemmungen und Dürren; zunehmende Durchfallerkrankungen und die Ausbreitung von Krankheitsüberträgern. Positive Effekte (weniger Kältetode in hohen Breiten) werden durch negative Effekte mehr als aufgehoben. Faktoren wie öffentliche Gesundheitsvorsorge, Bildungs- und Gesundheitswesen, Infrastruktur und wirtschaftliche Entwicklung werden in Zukunft entscheidende Bedeutung für die Gesundheit der Bevölkerung haben.

Im Vergleich zu früheren Berichten haben die Kenntnisse über die zukünftigen regionalen Auswirkungen des Klimawandels zugenommen:

In Afrika werden bis 2020 durch den Klimawandel zwischen 75 bis 250 Millionen Menschen unter zunehmendem Wassermangel leiden. Die Anbaufläche für Nahrungsmittel und die Erträge werden abnehmen (in manchen Regionen bis 2020 um bis zu 50 Prozent); die Unterernährung wird zunehmen. Afrika ist gegenüber den Klimaveränderungen einer der verwundbarsten Kontinente; die Kosten für Anpassungsmaßnahmen etwa für bevölkerungsreiche Küstengebiete betragen mindestens 5-10 % des Bruttoinlandsprodukts.

In Asien wird die Verfügbarkeit von Süßwasser in den großen Flussbecken abnehmen, bis Mitte des Jahrhunderts könnten hiervon mehr als eine Milliarde Menschen betroffen sein. In den Schwellenländern mit schneller Verstädterung und Industrialisierung könnte der Klimawandel die nachhaltige Entwicklung gefährden. In den großen Küstendeltas Süd-, Ost- und Südostasiens nimmt das Risiko von Überflutungen zu; Fluten und Dürren könnten Durchfallerkrankungen zunehmen lassen, steigende Wassertemperaturen die Cholera fördern.

In Australien und Neuseeland nehmen die Probleme bei der Wasserversorgung zu; damit einher geht ein Rückgang der land- und forstwirtschaftlichen Produktion in Süd- und Ostaustralien. Verluste an Biodiversität treten bereits bis 2020 in Gebieten wie dem Great Barrier Reef, den Kakadu-Feuchtgebieten und in alpinen Bereichen ein. Stürme und Küstenüberflutungen werden zunehmen und immer mehr Menschen betreffen.

In Europa werden fast alle Regionen unter dem Klimawandel leiden; etwa durch Überschwemmungen, zunehmende Stürme und Verluste an Artenvielfalt und Ökosystemen. Südeuropa wird unter zunehmender Trockenheit und geringeren Erträgen in der Landwirtschaft leiden; auch in Mittel- und Osteuropa könnten Trockenzeiten häufiger werden. Auch in Nordeuropa dürften die Schäden (etwa Überschwemmungen) die Vorteile überwiegen.

In Lateinamerika könnte zunehmende Trockenheit dazu führen, dass die Regenwälder im östlichen Amazonasgebiet durch eine Savannenvegetation ersetzt werden. In den Tropen besteht die Gefahr des Verlustes an biologischer Vielfalt; in den trockenen Regionen könnte es zur Wüstenbildung kommen und zur Abnahmen der landwirtschaftlichen Erträge kommen. Änderungen der Niederschlagsverteilung könnten Wasserversorgung und Energiegewinnung beeinträchtigen.

In Nordamerika könnte die Wasserknappheit im Westen durch eine zurückgehende Schneedecke in den Bergen verschärft werden; sehr wahrscheinlich werden auch Feuer und Schädlingsbefall in den Wäldern zunehmen. Hitzewellen werden in den Städten, die schon heute darunter leiden, zunehmen. Küstenstädte und -ökosysteme werden durch den Klimawandel - im Zusammenspiel mit Bebauung und Verschmutzung - besonders leiden. Die Auswirkungen auf die Landwirtschaft sind regional sehr unterschiedlich, vom Regen abhängige Kulturen könnten besser wachsen, Bewässerungskulturen unter zunehmender Trockenheit leiden.

In den Polarregionen werden Dicke und Ausmaß der Gletscher und Eisschilde weiter zurückgehen, und die Ökosysteme sich verändern. Dies wird Seevögel und Säugetiere negativ betreffen. Die traditionelle Lebensweise der Bewohner der Arktis ist gefährdet.

Kleine Inseln sind besonders vom ansteigenden Meeresspiegel und seine Auswirkungen auf die Küsten betroffen, der zudem Fischerei und Tourismus schädigen könnte. Außerdem gefährdet der Klimawandel insbesondere in der Karibik und im Pazifik die Wasserversorgung.

Es kann aber noch schlimmer kommen: Der Klimawandel könnte, vor allem nach dem 21. Jahrhundert, noch viel größere Auswirkungen haben:

Ein starker Anstieg des Meeresspiegels könnte zum Abtauen der Gletscher Grönlands und des Westantarktischen Eisschildes führen - dies würde die Küstenlinie und die Ökosysteme tiefgreifend verändern. Das Abtauen der Gletscher Grönlands würde den Meeresspiegel um 7 Meter ansteigen lassen, es ist bei einem weiteren Anstieg der Temperaturen um 1 bis 4 °C wahrscheinlich, würde aber Hunderte bis Tausende von Jahren dauern. Das Umkippen des >> thermohalinen Förderbands hält der Klimarat dagegen im 21. Jahrhundert für sehr unwahrscheinlich; eine Verlangsamung jedoch für sehr wahrscheinlich.

Anpassung an den Klimawandel

Die Menschheit beginnt bereits, sich an den Klimawandel anzupassen. Dieses ist auch nötig, da aufgrund der vergangenen Emissionen ein weiterer Temperaturanstieg bis Ende das nächsten Jahrhunderts um weitere 0,6 °C bereits unvermeidlich ist (mehr >> hier). Die möglichen Anpassungsmaßnahmen sind sehr vielfältig, sie reichen von technologischen Maßnahmen (z.B. Schutzbauten am Meer) über verhaltensbezogene Maßnahmen (z.B. geänderte Freizeitgestaltung) zu politischen Maßnahmen. Aber Anpassung alleine kann das Problem nicht lösen, da die Auswirkungen des Klimawandels mit steigender Temperatur immer weiter zunehmen. Dazu kommt, dass die Folgen durch andere Belastungen verschärft werden können, so leiden etwa die Korallen in den Weltmeeren nicht nur durch Versauerung und Klimaerwärmung, sondern auch durch chemische Wasserverschmutzung und Nährstoffeintrag aus der Landwirtschaft.

Seit dem dritten Bericht ist immer deutlicher geworden, dass die Auswirkungen des Klimawandels sehr von gesellschaftlichen Entscheidungen abhängen: Eine Entscheidung für eine nachhaltige Entwicklung kann die Verletzlichkeit von Gesellschaften durch den Klimawandel verkleinern. Durch die richtigen Maßnahmen können zudem viele der befürchteten Auswirkungen des Klimawandels noch vermieden werden. Ohne solche Vermeidungsmaßnahmen würde die Fähigkeit der menschlichen Gesellschaften zur Anpassung an den Klimawandel wohl nicht ausreichen.

Über die wirtschaftlichen Schäden durch den Ausstoß von Klimagasen gibt es wenige zuverlässige Untersuchungen. Diese schwanken je nach den zu Grunde liegenden Annahmen etwa für Kohlendioxid von 3 bis 130 US-Dollar pro Tonne. Zu beachten ist auch, dass zahlreiche nicht-finanzielle Schäden nicht eingerechnet sind. In der Summe zeigen die Untersuchungen aber, dass die Kosten des Klimawandels erheblich sind; und - was die Durchschnittswerte nicht zeigen - dass sie je nach Land, Region, betroffenem Sektor etc. sehr unterschiedlich sein können.

Anmerkung:
Die kursiv dargestellten Angaben zur Wahrscheinlichkeit bedeuten:
- sehr wahrscheinlich: Wahrscheinlichkeit größer 90 Prozent
- wahrscheinlich: Wahrscheinlichkeit größer 66 Prozent
- sehr unwahrscheinlich: Wahrscheinlichkeit kleiner 10 Prozent

Zum Download der Studie:
Der Bericht ist auf den Seiten des IPCC zum Herunterladen verfügbar: >> hier (englischsprachig; Zusammenfassung: Summary for Policymakers).
Eine deutsche Übersetzung des Zusammenfassungen ist >> hier (unten auf der Seite unter “Translations into non-UN languages”) zu finden.

>>Webseiten des IPCC
>> Hintergrundinformationen: Der IPCC und der UN-Klimareport

Zur Kurzfassung des Berichts der Arbeitsgruppe 1:
     Wissenschaftliche Grundlagen
>> Zur Kurzfassung des Berichts der Arbeitsgruppe 3:
     Maßnahmen gegen den Klimawandel
>> Zur Zusammenfassung des Synthesebands

Zum aktuellen >> 5. UN-Klimareport.

Klimawandel gefährdet die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme

Eine empfehlenswerte Website zum Thema:

 Logo der Website "Den Klimawandel verstehen"

Weitere Informationen zum Klimawandel auf Ökosystem Erde:
>> Klimawandel
>> Politik gegen den Klimawandel
>> Strategien gegen den Klimawandel

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© Text Jürgen Paeger 2006 - 2010
© Abbildungen IPCC 2007: WG2-4AR

Zum aktuellen >> 5. UN-Klimareport

Weitere Teile des 4. UN-Klimareports:
> 1 Grundlagen
> 3 Maßnahmen
   gegen den
   Klimawandel
> Zusammenfassung