Strategien für die Zukunft

Mögliche Energiezukünfte 

Es gibt viele vorstellbare Wege zu einer nachhaltigen Energiezukunft – die folgenden Vorstellungen sind daher nur Beispiele, die zeigen, wie eine nachhaltige Energiezukunft aussehen könnte. Sie können damit Entscheidungen vorbereiten, die die Vorstellungen zur Realität machen – wenn dies denn gewollt ist (>> mehr).

Die nachhaltige Energiezukunft des WBGU

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen hat im Jahr 2003 ein Gutachten “Energiewende zur Nachhaltigkeit” vorgelegt, in dem er untersucht, wie weltweit mit gesteigerter Energieproduktivität und dem Ersatz fossiler Brennstoffe durch erneuerbare Energieträger der Übergang zu einer nachhaltigen Energiezukunft aussehen könnte (siehe Abbildung).

Energieversorgung bis 2050 nach dem WBGU-Szenario Energiewende zur Nachhaltigkeit

Der globale Energiemix im Szenario des WBGU bis 2050. Eigene Abbildung mit Daten aus WBGU, Energiewende zur Nachhaltigkeit.

Basis der Überlegungen waren die Szenarien, die der Weltklimarat IPCC (>> mehr) im Jahr 2000 veröffentlicht hat. Die zukünftige Energienachfrage in den Szenarien hängt wesentlich von den Annahmen über künftige globale Verflechtungen, über das künftige Wirtschaftswachstum und über politische Entscheidungen etwa zur Luftreinhaltung ab. Um auf der sicheren Seite zu liegen, ging der WBGU von einem Szenario mit weiterhin hohem Wirtschaftswachstum und zunehmender Mobilität aus (und nicht etwa von einem Szenario, dass ohnehin verstärkten Umweltschutz vorsieht), das aber gleichzeitig von einer schnellen Entwicklung nicht-fossiler Energiequellen gekennzeichnet ist (genau: das auf den 2000er- Szenarien basierende “A1T-450-Szenario” aus dem 3. UN-Klimareport von 2001). Dieses Szenario wurde dann so modifiziert, dass es mit den >> Leitplanken einer nachhaltigen Energieversorgung vereinbar ist. Dazu nahm der WBGU folgende Anpassungen vor:

Energieeffizienz: Während das A1T-450-Szenario eine Erhöhung der Energieproduktivität um 1,3 Prozent im Jahr voraussetzt, nimmt der WBGU ab 2040 eine Steigerung um 1,6 Prozent an – bis zum Jahr 2100 bedeutet dies einen um 22 Prozent verringerten Primärenergieeinsatz gegenüber dem A1T-Szenario.

Atomenergie: Im WBGU-Szenario läuft die Nutzung der Atomenergie bis zum Jahr 2050 aus, da diese mit der Risikoleitplanke kollidiert – die Wiederaufarbeitung von Atombrennstoffen und die Endlagerung zählen für den WBGU zum “Grenzbereich”; die mögliche Verbreitung von waffenfähigem Plutonium und hochangereichertem Uran, die bei der Nutzung der Atomenergie entstehen und zum Bau von Atomwaffen genutzt werden können, und die Gefahr durch Terrorangriffen auf Atomkraftwerke machen die Atomenergie für den WBGU zum unakzeptablen Risiko.

Wasserkraft: Der WBGU beschränkt die Nutzung der Wasserkraft auf 15 EJ/Jahr (gegenüber 35 EJ im A1T-450-Szenario), da Staudämme negative Auswirkungen auf Fluss-Ökosysteme haben und die Umsetzung bestehender Richtlinien zur Nachhaltigkeit (>> mehr) langfristig aufzubauende Kompetenzen und Verantwortlichkeiten erfordert.

Energie aus Biomasse: Der WBGU geht davon aus, dass auch im Jahr 2050 noch 5 EJ/Jahr “traditionelle Biomasse” (>> mehr) genutzt werden (gegenüber 0 im A1T-450-Szenario). Dieses kann ohne Luftverschmutzung erfolgen und ist daher mit der Leitplanke “Gesundheit” zu vereinbaren. Die moderne Biomassenutzung wird auf 100 EJ/Jahr begrenzt (im Vergleich zu 260 EJ im A1T-450-Szenario), da der WBGU den höheren Wert nicht mit einer nachhaltigen Flächennutzung für vereinbar hält (>> mehr).

Windkraft: Die Windenergie wird im WBGU-Szenario mit 135 EJ/Jahr im Endstadium stärker ausgebaut als im A1T-450-Szenario, liegt aber auch hier deutlich unter ihrem technischen Potenzial.

Solarstrom: Die Stromerzeugung aus Sonnenenergie wächst im WBGU-Modell langsamer als im A1T-450-Szenario, gleicht sich bis 2100 aber an – in beiden Fällen wird das technische Potenzial bei weitem nicht ausgeschöpft. (Bei der Nutzung der Sonnenwärme unterscheiden sich die beiden Szenarien kaum.)

Geothermie: Die Erdwärme wird im A1T-450-Szenario nicht gesondert ausgewiesen, der WBGU hält sie jedoch für so bedeutend, dass er sie gesondert erwähnt. Dazu gibt es einen Beitrag von “anderen erneuerbaren Energien” – dies sind heute noch nicht entwickelte Technologien wie Gezeiten- oder Wellenenergie oder die Energieumwandlung mit Membransystemen, die der Fotosynthese nachempfunden sind. Auch hier ist der WBGU deutlich optimistischer als das A1T-450-Szenario.

Fossile Energieträger: Da der WBGU von einer geringeren Nutzung von Biomasse und Wasserkraft ausgeht, kommt es im WBGU-Szenario der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts zu einem verstärkten Einsatz von Gaskraftwerken. Insgesamt liegt der Einsatz fossiler Energieträger bis 2100 jedoch – vor allem durch die bessere Energieproduktivität – niedriger als im A1T-450-Szenario.

Die Rolle der Kohlendioxid-Speicherung: Im A1T-450-Szenario werden bis 2100 insgesamt 218 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert (zur Kohlenstoffspeicherung siehe >> hier). Der WBGU geht davon aus, dass aufgrund begrenzter Endlagerstätten die Speicherung Ende des 21. Jahrhunderts beendet werden muss, und kommt auf eine etwas geringere Menge.

Das WBGU-Szenario zeigt: Auch bei schneller wirtschaftlicher Entwicklung (Versechsfachung bis 2050) und weiter steigendem Energieeinsatz (Verdreifachung bis 2050) ist eine nachhaltige Energieversorgung möglich. Diese beruht auf besserer Energieproduktivität (effizientere Energienutzung) und erneuerbaren Energien, die 2050 etwa 50 Prozent und 2100 fast 90 Prozent der Energieversorgung sichern. Wenn dieser Weg Wirklichkeit werden soll, ist weltweit eine schnelle Zunahme der Nutzung erneuerbarer Energien nötig – was nicht unmöglich ist, wie die Steigerungsraten von Windkraft und Sonnenwärme etwa in Deutschland gezeigt haben.

Dafür sind politische Weichenstellungen nötig, etwa eine Verteuerung von Kohlendioxid- Emissionen und ein Technologie- und Kapitaltransfer in Entwicklungsländer. Globale Energietransportnetze werden gebraucht, um das Potenzial der Sonnenenergie zu nutzen und Schwankungen auszugleichen. (Auch hier gibt es ermutigende Entwicklungen: Die beim Stromtransport über große Entfernungen verlustärmere Hochspannungs-Gleichstrom- Übertragung wird durch Fortschritte in der Elektronik immer preiswerter.) Als Übergangstechnologien kommt vor allem die effiziente Nutzung von Gas in Brennstoffzellen und Kraft-/Wärmekopplungs-Anlagen in Frage, die den Übergang zu einer Wasserstoffwirtschaft vorbereiten könnte. In diesen Technologien steckt ein riesiges Potential für eine kleine Energie-Revolution, das Energie-Internet.

Was kostet die nachhaltige Energiezukunft?

Die Kosten von Investitionen, Brennstoffkosten und Folgekosten verschiedener Wege der Energieversorgung lassen sich über ein Jahrhundert nicht sinnvoll beziffern, zuviele heute noch unbekannte Entwicklungen lassen die Unsicherheiten zu groß werden. Klar ist aber, dass eine nachhaltige Energiezukunft einen großen Teil der Folgekosten des Klimawandels vermeiden kann (>> mehr). Dafür wären nach Modellrechnungen Investitionen von insgesamt 190.000 bis 330.000 Milliarden US-Dollar nötig – diese Summe scheint unfassbar groß, aber alleine für die Ölversorgung sind bis zum Jahr 2030 Investitionen von 26.000 Milliarden US-Dollar nötig sind (>> mehr); die Summe liegt insgesamt um 10 – 39 Prozent höher als in konventionellen Szenarien. Erneuerbare Energien wie Wind und Sonne verursachen aber danach keine Brennstoffkosten – was vermuten lässt, dass die nachhaltige Energiezukunft mit erneuerbaren Energiequellen auf Dauer auch ohne Berücksichtigung vermiedener Folgekosten des Klimawandels insgesamt deutlich billiger wäre als der Versuch, das bestehende Energiesystem mit Großkraftwerken und bescheidener Energieproduktivität zukunftsfest zu machen.

Die Greenpeace-Energie-(R)Evolution

Im Januar 2007 stellte Greenpeace ein von der Abteilung Systemanalyse und Technologiebewertung beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erstelltes Szenario einer zukunftsfähigen Energieversorgung bis zum Jahr 2050 vor: Die Studie Globale Energie-(R)Evolution. Ein Unterschied fällt in der grafischen Darstellung unten sofort ins Auge: Anders als beim WBGU-Szenario steigt der Energieverbrauch bis zum Jahr 2050 kaum an. Das ist auch bereits ein wesentlicher Unterschied: Greenpeace setzt noch wesentlich stärker als der WBGU auf die konsequente Verbesserung der Energieeffizienz, und geht zum anderen von einer etwas langsameren wirtschaftlichen Entwicklung ab 2030 aus – hierin folgt es der B2-Szenarienfamilie des IPCC, die verstärkt von einer nachhaltigen Entwicklung ausgeht. Entscheidend sind aber die Annahmen von höhere Energieproduktivität: Bis 2050 steigt der Energieverbrauch nicht wie im WBGU-Szenario auf 1.169 EJ/Jahr an, sondern liegt bei 422 EJ pro Jahr!

Energieversorgung bis 2050 nach dem Greenpeace-Szenario Energie-(R)Evolution

Globale Energienachfrage und ihre Deckung nach dem Greenpeace-Szenario Energie-(R)Evolution. Eigene Abbildungen mit realen Daten für 2000, ab 2010 mit Daten aus der Greenpeace-Studie.

Die Konsequenz: In beiden Szenarien decken im Jahr 2050 erneuerbare Energieträger etwa die Hälfte des Primarenergieeinsatzes; aber insgesamt liefern im Greenpeace-Szenarion die erneuerbaren Energieträger “nur” 210 EJ/Jahr – das ist etwa ein Drittel der Menge, die laut WBGU-Szenario möglich wäre. Die dort angenommene Menge (620 EJ/Jahr) würde mehr als  ausreichen, die gesamte Energienachfrage laut Greenpeace-Szenario zu decken! Insbesondere der Einsatz von Windkraft (25 EJ/Jahr im Vergleich zu 135 EJ/Jahr im WBGU-Szenario) und Solarstrom (etwa 21 EJ/Jahr gegenüber 288 EJ/Jahr im WBGU-Szenario) fällt wesentlich geringer als. Mit den optimistischeren Annahmen des WBGU kämen wir bei einem Energieverbrauch wie im Greenpeace-Szenario bereits bald nach 2040 ohne fossile Energieträger aus.

Emissionsfreie Welt bis 2030

Die Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft veröffentlichte im Heft 12/2009 eine Untersuchung der von Mark Jacobson (Stanford University) und Mark DeLucchi (University of California). Ihre Frage: Ist es möglich, die weltweite Energieversorgung in 20 Jahren auf eine Versorgung mit Wind, Sonne und Wasser umzustellen? Jacobson und DeLucchi gingen dabei nicht vom Energieverbrauch, sondern von der in der Spitze nachgefragten Leistung (in Watt) aus, die bei einer erneuerbaren Energieversorgung (bei der keine Brennstoffe verbraucht werden) der entscheidende Parameter ist. Heute beträgt die nachgefragte Leistung in der Spitze 12,5 Terawatt, die U.S. Energy Information Administration erwartet bis zum Jahr 2030 eine Steigerung auf 16,9 Terawatt. Da bei einer Umstellung auf direkte Stromerzeugung keine Umwandlungsverluste mehr entstehen, erwaten Jacobson und DeLucchi bei vollständig erneuerbarer Energieversorgung einen Rückgang der nachgefragten Spitzenleistung auf 11,5 Terawatt; das technische Potential alleine von Wind- und Sonnenenergie errechneten sie – ohne Nutzung der Tiefsee, der Hochgebirge und von Naturschutzgebieten – mit weit über 600 Terawatt. Um die erwartete Spitzenleistung von 11,5 Terawatt mit Wind, Sonne und Wasser abdecken zu können, setzen sie auf Windkraft (5,8 Terawatt, 51 Prozent Anteil), Sonnenenergie (4,6 Terawatt, 40 Prozent Anteil) und Wasserkraft (9 Prozent Anteil). Dazu müssten 3,8 Millionen Windkraftwerke mit 5 Megawatt gebaut werden, 1,7 Milliarden kleine Photovoltaikanlagen (à 3 kW) auf Hausdächern installiert sowie 90.000 Solarkraftwerke à 300 Megawatt gebaut werden, dazu kämen 490.000 Gezeitenturbinen und 270 neue große Wasserkraftwerke, 5.350 Erdwärmekraftwerke und 720.000 Wellenkonverter. Die Aufgabe scheint gigantisch, wird aber durch den Vergleich mit jährlich 73 Millionen gebauten Autos und Transportern relativiert. Auch die notwendigen Rohstoffe für den Bau der Anlagen sind vorhanden; am problematischsten erscheint die Versorung mit Seltenerdmetallen wie Neodym zu sein, die in Getrieben von Windkraftwerken verwendet werden: Die meisten Vorkommen liegen in China, was zu einer Abhängigkeit führen könnte. Aber die Hersteller von Windkraftwerken arbeiten bereits an getriebelosen Anlagen, was die Gefahr bannen würde. Der Rohstoffnachschub für den Bau der Solarzellen sehen Jacobson und DeLucchi als machbar an (begrenzte Vorräte von Tellur und Indium könnten jedoch die Optimierung anderer Typen von Dünnschicht-Solarzellen erforderlich machen); die Versorgung mit Lithium und Platin für Elektro- und Brennstoffzellenautos würde erhöhte Recycling-Anstrengungen erfordern.

Auch die Zuverlässigkeit der Energieversorgung sehen Jacobson und DeLucchi gewährleistet: Erdwärme und Gezeitenenergie tragen rund um die Uhr zur Grundlastversorgung bei, Wind und Sonne würden sich gegenseitig ergänzen: Wind weht stärker nachts und bei schlechtem Wetter, die Sonne scheint eher an ruhigen Tagen. Ein Verbundnetz könnte zudem für einen großräumigen Ausgleich sorgen. Die Kosten für Wind-, Wellen- und Wasserkraft schätzen sie für das Jahr 2020 mit 4 Cent/kWh, für Sonnenenergie (einschließlich Fernübertragung und Druckluftspeicherung zur Nachtnutzung) bei 10 Cent/kWh; die fossiler Energieerzeugung bei 8 Cent/kWh. Damit würde die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen mit einem Durchschnittspreis von unter 7 Cent/kWh ab 2020 sogar billiger sein als die aus fossilen Energiequellen. Bis dahin könnten die höheren Kosten zum Beispiel über Steuern auf Kohlenstoffemissionen gedeckt werden. Jacobson und DeLucchi glauben selber, dass die Umsetzung ihres Planes “sehr ehrgeizig” wäre; diese Untersuchung zeigt aber, dass eine komplette Umstellung auf erneuerbare Energieversorgung bis 2050 jedenfalls technisch und finanziell möglich ist.

Welche Zukunft wollen wir?

Energienachfrage und ihre Deckung durch fossile Energieträger, Atomkraft und erneuerbare Energien in drei verschiedenen Szenarien

Entwicklung der Energienachfrage und ihre Deckung durch fossile Energieträger, Atomkraft und erneuerbare Energien in drei verschiedenen Szenarien: links “Energiewende zur Nachhaltigkeit” des WBGU, in der Mitte das Referenzszenario aus dem Weltenergiebericht 2008 der Internationalen Energieagentur (>> mehr) und rechts das Szenario der Greenpeace Energie-(R)Evolution. Eigene Abbildung.

Szenarien beschreiben nicht, wie die Zukunft wird, sondern zeigen, wie diese aussehen könnte, wenn wir das tun, was als Annahme in den Szenarien vorausgesetzt wurde. Wenn wir so weitermachen wie bisher, hat die Internationale Energieagentur bei der Vorstellung ihres Weltenergieberichts 2008 gewarnt, ist unsere Energiesicherheit gefährdet und könnte sich das Weltklima um bis zu 6 Grad Celsius erwärmen (>> mehr). Alternative Wege haben der WBGU und Greenpeace aufgezeigt, beide sind oben dargestellt. Im Szenario des WBGU wird der Schwerpunkt auf die Entwicklung erneuerbarer Energien gesetzt; durch Umschichtungen innerhalb der fossilen Energieträger (weniger Kohle als im Referenzszenario der Internationalen Energieagentur, dafür mehr Gas) und Einsatz der Kohlenstoffabscheidung soll der Anstieg der Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre in verträglichem Rahmen gehalten werden. Ab 2030 ist dann vor allem die Stromerzeugung mit der Sonne nach Auffassung des WBGU so preiswert, dass sie fossile Energieträger verdrängen kann. Greenpeace setzt dagegen konsequent auf bessere Energieproduktivität: Obwohl die Weltwirtschaft auch im Greenpeace-Szenario mit durchschnittlich 2,7 Prozent im Jahr wächst, bleibt die Energienachfrage in etwa gleich. Auch Greenpeace geht von einem schnellen Wachstum erneuerbarer Energien aus, setzt aber weniger auf diese als der WBGU. Aufgrund der konsequenten Verbesserung der Energieeffizienz geht der Verbrauch fossiler Energieträger dennoch stärker zurück als im WBGU-Szenario –  umstrittene Techniken wie die Kohlenstoffabscheidung braucht es daher nicht, um das Klimaziel einer Erwärmung von maximal 2 Grad Celsius (>> mehr) zu erreichen.

Szenarien machen also die Wahl deutlich, die wir haben: Wir können weitermachen wie bisher – falls wir genug Öl finden und uns das Klima egal ist. Wir können konsequent auf erneuerbare Energien setzen – diese werden aber alleine nicht schnell genug eine ungebremste Nachfrage decken können, so dass wir hoffen müssen, dass die Kohleabscheidung tatsächlich, wie von den Stromkonzernen versprochen, bis zum Jahr 2020 einsatzreif ist und auch eingesetzt wird. Oder wir setzen auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien, dann bräuchten wir solche Rettungsanker nicht – müssten aber investieren, bevor es zu Katastrophen kommt. Noch haben wir die Wahl. (Nebenbei: Sowohl der WBGU als auch Greenpeace lassen in ihren Szenarien die Atomenergie auslaufen. Im Szenarion der Internationalen Energieagentur ist die Atomenergie dagegen fest eingeplant. Aber auch hier – siehe die Abbildung in der Mitte –  spielt sich keinesfalls eine entscheidende Rolle bei der Lösung zukünftiger Energieprobleme.)

Das Energiekonzept der Bundesregierung

Das am 28.9.2010 veröffentlichte Energiekonzept der Bundesregierung sollte die bis zum Jahr 2050 reichende Gesamtstrategie der Bundesregierung für Versorgungssicherheit, wirksamen Klima- und Umweltschutz und eine wirtschaftliche tragfähige Energieversorgung werden. Auch das Energiekonzept setzt auf Energieeffizienz: Bis 2020 soll der Primärenergieverbrauch gegenüber 2008 um 20 Prozent sinken, bis 2050 um 50 Prozent. Der Fortschritt bei der Verbesserung der Energieeffizienz soll alle drei Jahr überprüft und ggf. zusätzlich notwendige Maßnahmen dargestellt werden. Erneuerbare Energien werden als “tragende Säule” der künftigen Energieversorgung dargestellt, dazu soll des Stromnetz beschleunigt ausgebaut (ein Konzept hierfür soll 2011 in einem gesonderten “Konzept Zielnetz 2050” entwickelt werden) und “intelligent” gemacht werden (siehe >> hier); ebenso sollen Biogasanlagen als flexible Stromerzeuger stärker gefördert und Speicherkapazitäten für Strom ausgebaut werden. Im Bereich des Verkehrs verweist der Entwurf auf die Strategie zur Elektromobilität und hält bis 2040 durchschnittliche Kohlendioxid-Emissionen von Neuwagen von 35 g/km für machbar. Der Anteil von Biokraftstoffen soll erhöht werden.

Widerspruch löste vor allem der im Entwurf vorgeschlagene Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken um durchschnittlich 12 Jahre aus. Die Bundesregierung erklärte dies zu einem “zentralen Beitrag” zur Errichung der Ziele ihres Energiekonzeptes, die durch die Verlängerung anfallenden Zusatzgewinne sollten zum Teil abgeschöpft und zur Finanzierung von Maßnahmen zur Energieeffizienz und dem Ausbau der erneuerbaren Energien verwendet werden. Nach dem >> Atomunfall von Fukushima verabschiedete sich die Bundesregierung allerdings von dieser Idee, und beschloss stattdessen einen stufenweisen Ausstieg aus der Atomenergie bis Ende 2022. Diese Entscheidung ist nicht nur auf Grund der >> Risiken der Atomkraft richtig, sondern dürfte mittelfristig auch die Umstellung auf erneuerbare Energien fördern: Atomkraftwerke sind Grundlastkraftwerke, also nicht geeignet, die Schwankungen erneuerbarer Energiequellen auszugleichen, wie es etwa Gaskraftwerke sind. Deren Ausbau wäre bei weiterer Atomkraftnutzung aber behindert worden, da die Betreiber mit abgeschriebenen Atomkraftwerke mehr Geld verdient hätten mit dem Neubau von Gaskraftwerken.

Der wichtigste Punkt bei der Umsetzung des Energiekonzepts wird es jetzt sein, die Widersprüche der Regierungspolitik zu den im Energiekonzept erkannten und unbestritten in die richtige Richtung führenden Punkte zu beseitigen, etwa dei Forderung nach energetischer Sanierung des Gebäudebestandes bei gleichzeitiger Kürzung der Fördermittel für die Gebäudesanierung oder die geforderte Verringerung des Energieverbrauchs von Autos bei gleichzeitiger Entwicklung eines Öko-Labels für Autos, bei dem Geländewagen besser bewertet werden als spritsparende Kleinwagen (weil das Gewicht von Fahrzeugen, ein zentraler Stellhebel zur Senkung des Energieverbrauchs, positiv berücksichtigt wird).

Bundesregierung: >> Webseite zur Energiewende

Webtipps

Wissenschaftlicher Beirat Globale Umweltveränderungen: Unter Gutachten / Hauptgutachten sind das Gutachten >> “Energiewende zur Nachhaltigkeit” und einige Hintergrundinformationen zum Download erhältlich.

Greenpeace-Energie-(R)Evolution: download (Neufassung 2015)

Emissionsfreie Welt bis 2030: Unter Themen (Seite 80) kostenfreier >> download des Beitrags auf der Website von Spektrum der Wissenschaft.

© Jürgen Paeger 2006 – 2015

EJ? Zu den Einheiten von Leistung und Energie und ihrer Umrechnung siehe >> Energie und ihre Einheiten.

Wieviel Energie liefert die Atomenergie? Immer wieder liest man, dies seien heute 7 Prozent – warum dies nicht stimmt, finden Sie >> hier.

Zusatzgewinne für die Betreiber von Atomkraftwerken fallen an, da der Preis an der Strombörse in Leipzig durch die Nachfrage nach Strom und dem teuersten zur Deckung dieser Nachfrage benötigtem Kraftwerk gebildet wird – die (Grundlast-) Atomkraftwerke also nicht den Strompreis für die Verbraucher senken, sondern bei steigendem Preis immer höhere Gewinne für ihre Betreiber bedeuten.