Das Leben
Die Entfaltung des Lebens auf der Erde – 1
Die Welt der Prokaryoten
(Bakterien und Archaeen)

Prokaryoten (Bakterien
und Archaeen, links) waren die ersten Lebewesen auf der Erde; die
Entstehung der Eukaryoten (rechts eine
Pflanzenzelle) schuf die Basis für die Entstehung höheren Lebens.
Die Abbildung ist nicht maßstäblich, Eukaryotenzellen sind etwa
10-15.000 Mal so groß wie Prokaryotenzellen. Abbildungen aus
wikipedia, siehe >>
hier und >>
hier.
Heute gliedert sich das Leben auf der Erde in drei große Bereiche:
Die Bakterien, die Archaeen und
die Eukaryoten, zu denen Pflanzen, Pilze und
Tiere gehören. Die Archaeen wurden erst im Jahr 1977 von dem
amerikanischen Mikrobiologen Carl Woese entdeckt, der damals
erkannte, dass die Organismen, die man bis dahin alle für Bakterien
gehalten hatte, aus zwei grundverschiedenen Abstammungslinien
bestehen, den „echten Bakterien“ und den Archaeen (das Wort stammt
vor griechischen archaĩos, uralt, ursprünglich). Gemeinsam ist
beiden, dass sie aus einer einzigen Zelle bestehen und ihre DNS
nicht in einem Zellkern eingeschlossen ist (diese Gemeinsamkeiten
stellen sie als "Prokaryoten" den Eukaryoten gegenüber); die
Unterschiede zwischen Bakterien und Archaeen liegen vor allem in der
Zellmembran, der RNA-Sequenz in der kleinen Untereinheit der
Ribosomen und im
Stoffwechsel, sind also selbst im Mikroskop äußerlich nicht zu
erkennen, was ihre späte Entdeckung erklärt. Diese Unterschiede
könnten aber wichtige Hinweise auf die Entstehung
des Lebens geben: Sie dürften erst nach der Aufspaltung eines
ursprünglichen gemeinsamen Vorfahrens (LUCA, von engl. last
universal common ancestor) entstanden sein, während
Gemeinsamkeiten wie die chemiosmotische
Kopplung zur Energiegewinnung, das Enzym ATP-Synthase und die
Nutzung des Moleküls ATP
als universelle Energiewährung, Ribosomen als Orte der
Proteinherstellung sowie das Erbmolekül DNS
bereits bei LUCA anzutreffen gewesen sein dürften.
Die Archaeen rufen heute großes Interesse hervor, denn sie
besiedeln – neben Meeren, Süßwasserseen und Böden – auch zahlreiche
extreme Lebensräume, etwa heiße Quellen oder konzentrierte Säuren
und Salzlösungen. Dort kommen sie unter Bedingungen vor, die denen
auf der Erde
zu Beginn des Lebens nahe kommen; und daher hoffen die
Forscher, durch ihre Untersuchung Hinweise auf das frühe Leben auf
der Erde zu erhalten. Heute sieht man – vor allem durch die
verbesserte Kenntnis der Vorgänge auf biochemischer Ebene – die
Prokaryoten ohnehin ganz anders als noch vor einigen Jahren: Die
Archaeen werden neben den Echten Bakterien und den Eukaryoten (siehe
>>
unten) als eine der drei fundamentalen “Domänen” des Lebens
eingestuft (>>
mehr); den drei großen Reichen der Vielzeller (Pflanzen,
Tieren und Pilzen) stehen mehrere Dutzend Reiche der
Bakterien gegenüber, die sich untereinander und von
Pflanzen, Tieren und Pilzen ebenso stark voneinander unterscheiden
wie Pflanzen, Tiere und Pilze.

Bakterienzelle. Das
Erbmaterial DNS ist bei Bakterien nicht in einem Zellkern
eingeschlossen. Abbildung von Mariana Ruiz Villarreal, aus wikipedia
commons, >>
Abb. Prokaryot (abgerufen 23.7.2008), Public Domain
Wie aber ist aus diesen bescheidenen Ursprüngen die heutige
Vielfalt des Lebens entstanden? Die Antwort lautet: Darwinsche
Evolution. Charles
Darwin veröffentlichte im Jahr 1859 das wohl
wirkungsmächtigste Buch in der Geschichte der Biologie: „Die
Entstehung der Arten“. Dieses Buch ist noch heute die Grundlage für
alle Erklärungen der Veränderung von Lebewesen und der Entstehung
neuer Arten. Was Darwin damals nicht kennen konnte, waren die
genetischen Grundlagen für diese Vorgänge; diese wurden ab den
1930er und 40er Jahren durch Theodosius Dobzhansky, Ernst Mayr und
andere in Darwins Theorie eingearbeitet, wodurch die moderne
„synthetische Evolutionstheorie“ entstand (siehe Seite Die
Evolution). Darwin wusste, dass alle Individuen einer Art sich
voneinander unterscheiden und dass diese Unterschiede erblich sind
(was die Grundlage der Tier- und Pflanzenzucht ist; Darwin war
Taubenzüchter); und dass in der Natur ein Überschuss an Nachwuchs
produziert wird. Die Zahl der Individuen nimmt aber nicht im
gleichen Maß zu, nur ein Teil des Nachwuchses überlebt also. Wer
überlebt, war nach Darwin nicht rein zufällig: vielmehr übernahmen
selektive Kräfte der Natur wie die Umweltbedingungen oder das
Nahrungsangebot die Rolle des Züchters in der Tier- und
Pflanzenzucht – die Auswahl der „besten“ Exemplare. Daher sprach
Darwin von natürlicher Auslese. Die Ursache der anfänglichen
Veränderungen wurde später von den Genetikern entdeckt: Es sind
kleine Veränderungen („Mutationen“) an der DNS, die durch
Kopierfehler oder Umwelteinflüsse entstehen. Entscheidend für unsere
Überlegungen: Sobald in den ersten Vorstufen des Lebens RNS und
Proteine so zusammenwirkten, dass Reaktionen hiervon gesteuert
wurden und die Steuerung auch in Tochterzellen überging (also
„erblich“ wurde), begann diese natürliche Selektion. Neue Arten
können dann entstehen, wenn eine „Reproduktionsgemeinschaft“
(gemeint sind alle Organismen, die Erbmaterial untereinander
austauschen) getrennt wird: dann kann die natürliche Auslese in
unterschiedliche Richtungen führen. Meist geschieht dies durch
räumliche Trennung der Organismen (die Biologen nennen dies
„geographische Artbildung“), die Trennung kann aber auch durch eine
Spezialisierung an bestimmte Umweltfaktoren erfolgen („sympatrische
Artbildung“). Aus den Schloten der Hydrothermalquellen dürften
beispielsweise immer wieder Lebensformen ins Meer gespült worden
sein. Wahrscheinlich hatten sie hier keine Überlebenschance, da es
ihnen im Meer an Energiequellen mangelte. Anders könnte aber die
Lage am Meeresboden gewesen sein: Hier gab es Wasserstoff und
Kohlendioxid, wenn auch weniger als an den Schloten. So könnte sich
die Biosphäre in der Erdkruste unter dem Ozean entwickelt haben (ein
Lebensraum, der erst vor wenigen Jahren erforscht und entdeckt
wurde: Selbst im Tiefengestein der Erde bis in eine Tiefe von über
3.000 Metern leben Bakterien und Pilze, >>
mehr).
Während der ersten 1,5
Milliarden Jahre
bestand das Leben auf der Erde ausschließlich
aus Bakterien und Archaeen.
Die ersten 1,5 Milliarden Jahre nach der Entstehung des Lebens gab
es auf der Erde nur Bakterien und Archaeen, und sie sollten das
Leben noch mehr als eine weitere Milliarde Jahre dominieren.
Bakterien und Archaeen sind beide sehr klein und nur in
Ausnahmefällen mit dem bloßen Auge zu erkennen; aber sie kommen in
riesigen Zahlen vor und können sich sehr schnell vermehren. In dem
riesigen Zeitraum, in dem sie das Leben auf der Erde alleine
bestimmten, konnten Bakterien und Archaeen ungezählte Möglichkeiten
biochemischer Reaktionen „ausprobieren“ – aus den Lösungen, die die
natürliche Selektion überstanden, und die vor allem auf 20
Aminosäuren und aus diesen gebildeten ein- bis zweihundert
Eiweißstrukturen beruhen, die die anderen Reaktionen katalysieren,
besteht das Leben im wesentlichen noch heute. Spätere Lebensformen
sollten die biochemischen Lösungen, die die Bakterien erfunden
hatten, kombinieren; aber kaum noch Neues hinzufügen (siehe Seite Der
Weg zum vielzelligen Organismus). In dieser Zeit entstand die
oben beschriebene enorme biochemische Vielfalt der Bakterien, die
insbesondere früh "gelernt" haben, das Grundprinzip der
Redoxreaktion mit vielen anderen, auch anorganischen
Elektronenspendern wie Schwefelwasserstoff oder zweiwertigem Eisen
durchzuführen, was überhaupt erst das Leben jenseits von dauerhaften
Wasserstoffquellen möglich gemacht hat und heute noch bedeutet, dass
sie auch Gestein, Gase und viele Chemikalien "fressen" können.
Bakterien und Archaeen sind ganz ohne Zweifel ein “Erfolgsmodell”
der Evolution: Bakterien und Archaeen, auch solche aus der
sauerstofffreien Frühzeit der Erde, machen auch heute
schätzungsweise mehr als die Hälfte aller
Biomasse auf der Erde aus. Bakterien sie spielen eine zentrale
Rolle in vielen Lebensvorgängen: Unter anderem leben sie im Pansen
von Rindern und Kühen, wo sie Zellulose aus Gras abbauen und damit
die Nährstoffe den Tieren erst zugänglich machen; sie reinigen unser
Wasser; besorgen die Verrottung organischer (und vieler anderer)
Abfälle; erzeugen Vitamine in unserem Darm und holen den Stickstoff
aus der Luft, den die Pflanzen sonst nicht verwerten könnten. Ihre
große Stärke scheint die schnelle Fortpflanzung zu sein: Wenn genug
Nahrung vorhanden ist, können sich manche Arten alle 20 Minuten
verdoppeln. Ein winziges Bakterium könnte theoretisch in zwei Tagen
mehr Biomasse erzeugen, als die ganze Welt wiegt... (praktisch kann
dies natürlich nie passieren, da es dafür nicht genug Nahrung gibt).
Leben
oder nicht Leben? - Viren
Vermutlich bereits mit den ersten Bakterien und
Archaeen entwickelten sich die Viren, die noch
hundertfach kleiner sind als Bakterien: Viren bestehen eigentlich
nur aus Erbmaterial und einer Proteinhülle, verfügen aber nicht über
einen eigenen Stoffwechsel (weshalb sie im engeren Sinne nicht als Lebewesen
gelten). Sie können sich aber an Zellen “andocken” und ihr
Erbmaterial in diese injizieren, worauf es dann sozusagen das
Kommando in der Zelle übernimmt und neue Viren produziert. Über die
Entstehung der Viren gibt es verschiedene Hypothesen: So könnten sie
Reste der ersten selbstreplizierenden Moleküle sein, die nach der
Entstehung der ersten Zellen zu “Parasiten” wurden; sie könnten eine
Schwundstufe ehemaliger Lebewesen sein (z.B. von Parasiten, die alle
überflüssigen Elemente verloren haben) oder aber sie könnten
“selbstständig” gewordene RNS-Moleküle der Wirtszelle sein. Einige
Viren sind Krankheitserreger (Grippe, Pocken, AIDS, ...), viele
Viren schaden jedoch nicht. Im menschlichen Erbgut findet sich ein
erheblicher Anteil von Erbsubstanz, die offenbar von Viren abstammt,
die die Keimzellen infiziert hatten. Manche dieser Gene haben
inzwischen sogar Funktionen im menschlichen Körper übernommen, so
ist ein Virengen an der Herstellung des menschlichen Blutfarbstoffs
Hämoglobin beteiligt. Auch können Viren gelegentlich genetisches
Material von einer Art auf eine andere übertragen; mit ihrer Hilfe
können Gene also Artgrenzen überwinden.
Eine der wichtigsten Erfindungen der
Bakterien, und die erste Erfindung des Lebens, die die ganze Welt
verändern sollte, war die Fotosynthese. Sie sollte dafür sorgen,
dass aus dem rötlichen Planeten vor zweieinhalb Milliarden Jahren
der blau-grüne Planet wurde, den wir heute alle von Satellitenfotos
kennen.
Die Erfindung
der wichtigsten chemischen Reaktion der Welt:
Die Fotosynthese
Die ersten Bakterien gewannen Energie, wie auf der Seite Die
Entstehung des Lebens dargestellt, aus organischen Stoffen
oder aus einfachen chemischen Verbindungen (solche Organismen nennt
man chemotroph – wörtlich "chemische Ernährung"). Heute
steckt hinter dem Leben auf der Erde vor allem die Energie des
Sonnenlichts. Die Umwandlung des Sonnenlichts in nutzbare chemische
Energie (mehr zu den
Energieformen) und gleichzeitig die Umwandlung anorganischen
Kohlendioxids in die organischen Kohlenstoffverbindungen des Lebens
erfolgt durch die Fotosynthese (und Lebewesen,
die diese beherrschen nennt man phototroph – wörtlich
Ernährung durch Licht). Die Fotosynthese – genauer die oxygene
Fotosynthese – war eine geniale Erfindung: aus den reichlich
vorhandenen Ausgangstoffen Wasser und Kohlendioxid sowie Sonnenlicht
entstehen Energie und Zucker; Zucker, die die Ausgangsstoffe für
alle weiteren Reaktionen des Lebens sind. Mit dieser Fotosynthese
stand dem Leben eine so reichliche Energiequelle zur Verfügung, dass
sich die Produktivität der Biosphäre um
mindestens den Faktor 1.000 erhöhte (20):
die Fotosynthese ist fraglos die wichtigste chemische Reaktion der
Welt.
Die oxygene Fotosynthese ist aber ein komplexer Vorgang, und es ist
eine spannende – und noch nicht vollständig gelöste – Frage, wie die
Evolution so etwas hervorbringen kann. Im Kern wird bei der
Fotosynthese Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff
zerlegt, Wasserstoff oxidiert
und die dabei freigesetzten Elektronen genutzt, um einerseits die
universale Energiequelle des Lebens, das Molekül ATP, und das
Reduktionsmittel NADPH zu erzeugen, das wiederum Kohlendioxid zu
organischen Kohlehydraten (dem Zucker) reduziert(eine detaillierte
Darstellung finden Sie auf der Seite Die
Fotosynthese). Schon das Zerlegen von Wasserstoff in
Sauerstoff ist eine großartige Leistung, die uns technisch noch
nicht gelungen ist: Alle technischen Verfahren zur Herstellung von
Wasserstoff aus Wasser kosten mehr Energie, als sie ergeben. (Wenn
wir dereinst lernen, was die Natur seit Milliarden Jahren kann –
Wasserstoff mit Sonnenenergie aus Wasser zu gewinnen – wäre die
Lösung unserer Energieprobleme absehbar… – aber das ist ein
anderes Thema). Die Natur hat hierzu einen Katalysator
erfunden, der mit minimalem Energieeinsatz Wasser in Wasserstoff und
Sauerstoff zerlegen kann, den “sauerstoffproduzierenden
Komplex”. An der Oxidation des Wasserstoffs und dem
anschließenden Transport der freigesetzten Elektronen bis hin zur
Erzeugung des Reduktionsmittels NADPH sind zwei Fotosysteme
beteiligt, die ihr Redoxpotenzial unter Lichteinwirkung ändern
können. Fotosystem II wirkt als Oxidationsmittel, Fotosystem I als
Reduktionsmittel. Es muss, wenn dieser Vorgang mit Licht angetrieben
werden soll, zwei Fotosysteme geben, denn ein System kann nicht
gleichzeitig ein starkes Oxydations- als auch Reduktionsmittel sein.
Aber wie konnte die Evolution so ein komplexes System hervorbringen?
Der Vorläufer: Fotosynthese ohne Freisetzung
von Sauerstoff
Die Erfinder der oxygenen Fotosynthese, bei der Wasser als
Elektronenquelle dient, sind die Cyanobakterien
(früher blaugrüne Algen genannt). Älter als diese ist die heute
ebenfalls noch vorkommende anoxygene Fotosynthese
– bei dieser werden andere, leichter als Wasser zu oxidierende
Ausgangstoffe als Elektronenquelle genutzt, etwa Schwefelwasserstoff
oder reduzierte Eisen-Ionen. Auch in den Bakterien, die zur
anoxgenen Fotosynthese fähig sind, kommen Fotosysteme vor: entweder
ein Fotosystem, das dem Fotosystem I ähnelt (dann wir auch von
anoxygener Photosynthese des Typs I gesprochen, oder ein Fotosystem,
das dem Fotosystem II ähnelt (anoxygene Photosynthese Typ II). Aber
bei ihnen kommen nie beide Fotosysteme zusammen vor. Das Fotosystem
I ähnelnde System dient in den Bakterien ebenfalls als
Reduktionsmittel und erzeugt NADPH, das andere Fotosystem erzeugt
ATP. Beide Fotosysteme nutzen dazu die Energie des Sonnenlichts
(darum heißen sie ja auch Fotosysteme). Das ist chemisch kein großes
Kunststück – die Färbung aller Pigmente beruht darauf, dass
Elektronen durch Lichtstrahlung angeregt werden, und die
Pigmentgruppe, zu der Chlorophyll gehört, wurde sowohl im Weltall
gefunden als auch im Labor unter den Bedingungen der Erdfrühzeit
hergestellt. Die Strukturen von Fotosystem I und II ähneln sich
derart, dass es als gesichert gilt, dass beide aus einem gemeinsamen
Vorläufer entstanden sind. Die spannendste Frage an dieser Stelle
ist: Wie kamen die Lebewesen, die ja möglicherweise an
Tiefseequellen entstanden waren, an Licht? Eine denkbare Antwort
sind die geologischen Vorgänge der
Plattentektonik: Die Bewegung der ozeanischen Krustenplatten
bewegte den Meeresboden in Richtung der Kontinente; bei der
Subduktion wurden Teile abgehobelt und an die Kontinente angelagert.
Dabei gelangten sie in küstennahe Flachwasserbereiche, in denen es
Sonnenlicht gab. Die anoxygenen Formen der Fotosynthese, der
Umwandlung von Licht in chemische Energie, die mit nur einem
Fotosystem auskamen, setzten – da ja kein Wasser gespalten wurde –
noch keinen Sauerstoff frei (daher auch die Bezeichnung anoxygen -
ohne Sauerstoffbildung).
Die Entstehung der modernen Fotosynthese?
Damit die heute verbreitete oxygene Fotosynthese entstehen konnte,
mussten erst noch Fotosystem I und II zusammenkommen, und wie dies
geschehen ist, wissen die Forscher noch nicht. Ein viel diskutierte
Hypothese ist die des britischen Biochemikers John Allen: Er
vermutet, dass es einst Bakterien gegeben habe, die in instabilen
Umwelten zeitweise sowohl Fotosystem I – zur Verarbeitung von
Schwefelwasserstoff und den Aufbau von organischer Substanz – als
auch Fotosystem II – in schlechten Zeiten, um mit Hilfe von
Elektronen ATP zur Erhaltung des Organismus zu erzeugen. Damals, als
noch keine Ozonschicht in der Atmosphäre die energiereiche
UV-Strahlung abschirmte, war die energiereiche Strahlung aber auch
zerstörend. Glücklicherweise gab es im Wasser der Urozeane aber auch
viel Mangan, und Mangan absorbiert UV-Strahlung, wobei ein Elektron
freigesetzt wird. Lebewesen, die Mangan aufnahmen, waren vor
UV-Strahlung besser geschützt; die Elektronen würden aber das
Fotosystem II mit den freigesetzten Elektronen „verstopfen“. Die
Lösung: Wenn es eine Struktur gegeben hätte, die Fotosystem II und I
über einen Elektronentransport verbinden könnte, wären wir fast bei
der Fotosynthese … Fast, denn Mangan muss ja noch als
Elektronenlieferant durch Wasser ersetzt werden. Ein möglicher Weg
wurde 2006 durch die Aufklärung der Struktur des
„sauerstoffproduzierenden Komplexes“ aufgezeigt: in seinem Herzen
erhält er ein Mangancluster mit vier Manganatomen. Möglicherweise
wurden also einst die manganhaltigen Mineralien in das Fotosystem II
eingelagert; und diese konnten – wie heute der Komplex – wenn sie
ihre Elektronen unter Lichteinwirkung abgegeben hatten Wasser
zerlegen und sich so ihre Elektronen „zurückholen“. Fest in einen
Enzymkomplex eingebunden, wurde dieser Mechanismus erblich; und
damit hätten wir, einen plausiblen Weg zur Fotosynthese. Bisher ist
all dies nur eine Hypothese, aber eine, die zeigt, dass komplexe
Reaktionen wie die Fotosynthese durch einfache Schritte entstehen
können, also durchaus mit der Evolution erklärbar sind.
Die Fotosynthese wurde zur wohl wichtigsten chemischen Reaktion in
der Natur, da Sonnenlicht auf der Erde reichlich vorhanden ist.
Damit konnte die Fotosynthese bald zum vorherrschenden Weg werden,
wie in der Natur organische Substanz aufgebaut wird (mehr dazu YY
hier). Die zur Fotosynthese fähigen phototrophen
Organismen, einige Bakterien und die meisten Pflanzen,
bilden gemeinsam mit den chemotrophen Bakterien,
die nach wie vor chemische Energie nutzen, aber im Energiehaushalt
nur eine kleine Rolle spielen, die Primärproduzenten
– auf ihrer Leistung beruhen alle anderen Lebensprozesse (mehr dazu
>>
hier). Noch heute wird etwa die Hälfte des Luftsauerstoffs von
Bakterien erzeugt (und beruht die Erzeugung der anderen Hälfte im
Grunde auf “eingewanderten Bakterien", siehe >> hier);
und auch die fossilen
Brennstoffe, die die Industrielle Revolution ausgelöst haben
und bis heute unsere Gesellschaft maßgeblich versorgen, sind im
Grunde durch die Fotosynthese gespeicherte Sonnenenergie.
Noch heute wird etwa die
Hälfte des Luftsauerstoffs von Bakterien erzeugt
Die Fotosynthese ist vielleicht schon vor
3,8 Milliarden Jahren entstanden (>> hier),
wahrscheinlich vor über 3 Milliarden Jahren und mit ziemlicher
Sicherheit gab es sie spätestens vor 2,7 Milliarden Jahren. Für eine
Entstehung der Photosynthese vor über drei Milliarden Jahren
sprechen die ältesten Stromatolithen; aber sicher ist die
Photosynthese dort erst vor 2,7 Milliarden Jahren, so alt sind
fossile Cyanobakterien (21;
spätestens damals begann auch die Freisetzung von Sauerstoff ins
Meerwasser, mehr dazu >> hier).
Die australische Geobiologin Nora Noffke hat zudem in mehr als 3
Milliarden Jahre alten fossilen Mikrobenmatten, wie sie noch heute
an tropischen Stränden vorkommen, für biologische Ursprünge typische
Isotopenmuster gefunden; bei Mikrobenmatten in Sandstein, fällt es
schwer, sich eine andere Energiequelle als Licht vorzustellen. Dazu
passt, dass eine erste Sauerstoffanreicherung in der Atmosphäre
möglicherweise bereits vor über drei Milliarden Jahren erfolgte
(siehe >> hier).
Sauerstoff war der “Abfall”, der bei der Fotosynthese entstand, und
er sollte die
Welt verändern. Vorher enthielt die Erdatmosphäre und das
Wasser nur Spuren von freiem Sauerstoff (der beispielsweise aus
Wasser stammt, das durch die starke UV-Strahlung der Sonne in seine
Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wurde), sie war
reduzierend. Damit haben auch die
Ausgangsstoffe der anaeroben Atmung (die etwa Nitrat als Empfänger
der Elektronen genutzt hat) nur in sehr begrenzter Menge zur
Verfügung gestanden. In einer sauerstoffreichen Welt konnten sich
diese viel stärker ansammeln, und damit konnte nicht nur die neue
aerobe Atmung zur Energieversorgung des Lebens beitragen, sondern
auch die "alte" anaerobe Atmung leistete einen deutlich größeren
Beitrag.
Die aerobe Zellatmung ist eine Art “chemische Verbrennung” der
Nahrungsmittel (was nebenbei auch erklärt, warum der Energieinhalt
von Nahrungsmitteln in der alten Wärmeeinheit “Kalorie” (>> mehr)
angegeben wird):
- Aerobe Zellatmung: Glucose (C6H12O6)
+ Sauerstoff (6 O2)
-> Kohlendioxid (6 CO2) + Wasser (6 H2O)
+ Energie (38 ATP)
Die Alternative, die Gärung, liefert im Vergleich viel weniger
Energie:
- Gärung: Glucose (C6H12O6)
-> Ethanol (2 C2H5OH) + Kohlendioxid (2
CO2) + Energie (2 ATP)
Die aerobe Zellatmung ist chemisch gesehen die Umkehrung der
Fotosynthese; letztlich wird Sonnenenergie also durch die
Fotosynthese (bei der ebenfalls ATP entsteht) und die Zellatmung in
den universellen chemischen Energieträger des Leben, ATP,
umgewandelt. Im Vergleich zur Gärung entstehen dabei 38 ATP statt 2
ATP, also 19 Mal so viel Energie alleine aus der Verbrennung der
Nahrungsmittel. Damit das Leben die
Zellatmung aber in großem Umfang nutzen konnte, musste sich aber
erst genug Sauerstoff in Meerwasser und Atmosphäre ansammeln, was
vor 2,7 Milliarden Jahren geschah (Die
Geschichte des Lebens auf der Erde). Dann hatte diese Art von
Energiegewinn aber Folgen für das Leben auf der Erde: Es stand genug
Energie zur Verfügung, komplexere Lebensformen auszubilden –
Eukaryoten und später innerhalb dieser Gruppe vielzellige
Organismen, deren Entwicklung ohne die zusätzliche Energie, die frei
verfügbarer Sauerstoff bedeutete nicht möglich gewesen wäre.
Diese Seite in
aller Kürze ...
Bereits früh in der Geschichte des Lebens
differenzierten sich zwei der drei heutigen Domänen des Lebens
heraus: die Archaeen und Bakterien. Diese "Prokaryoten" sind
einzellige, in der Regel mit bloßem Auge nicht sichtbare Lebewesen
ohne Zellkern, sie waren 1,5 Milliarden Jahre lang die einzigen
Lebensformen auf der Erde und eine weitere Milliarde Jahre
vorherrschend. In dieser Zeit entwickelten sie eine ungeheure
biochemische Vielfalt, die es ihnen unter anderem erlaubt, von
Gestein und von Gasen zu leben. Sie haben auch die Fotosynthese
"erfunden" und mit dem hierbei freigesetzten Sauerstoff die Erde
tief greifend verändert und sich damit selbst große Energiemengen
zugänglich gemacht. Noch heute machen Archaeen und Bakterien wohl
mehr als die Hälfte der Biomasse auf der Erde aus.