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Das Leben

Die Geschichte des Lebens auf der Erde – 2

 Das Zeitalter der Fossilien (Erdaltertum) I
Von der Erfindung des Skeletts bis zur Besiedelung des Festlands

„Zeitalter der Fossilien“ sagt es eigentlich schon: Mit Beginn des Kambriums vor 541 Millionen Jahren tauchen plötzlich Fossilien (siehe Kasten) in den Gesteinen auf – es waren diese Fossilien, die es den >> Geologen im 19. Jahrhundert ermöglicht hatten, Gesteinsschichten verschiedener Regionen einander zuzuordnen. Mit der Erkenntnis, dass in Sedimentschichten das jüngere Material weiter oben liegt, konnten sie anhand der sogenannten Leitfossilien (Fossilien, die für einen Zeitraum typisch sind) eine erste geologische Zeitskala aufstellen – genaue Jahreszahlen kannten sie noch nicht; aber was unten lag, musste älter sein. Auf dieser Basis wurde die Erdgeschichte in Abschnitte eingeteilt, wobei oftmals geographische Bezeichnungen übernommen wurde: Der erste Abschnitt des Erdaltertums heißt Kambrium nach dem lateinischen Namen für Wales. (Dass englische Regionen besonders häufig zu Namensgebern von Gesteinsschichten wurden, ist eine Folge der Bedeutung englischer Geologen im 19. Jahrhundert.) Als im 20. Jahrhundert das Alter von Gesteinen bestimmt werden konnte (mehr dazu >> hier), wurde die geologische Zeitskala mit Jahreszahlen versehen (zur >> aktuellen Fassung). 

Fossilien

Ammonit

Ammonit. Foto: GD Berlin, aus wikipedia >> Fossil,
abgerufen 13.1.2009. Lizenz: >> cc 2.0

Fossilien sind Zeugnisse vergangenen Lebens aus der Erdgeschichte. Die für die Erforschung der Geschichte des Lebens bedeutenden Fossilien sind meist Versteinerungen: Bei deren Entstehung dringt mineralstoffhaltiges Wasser in Knochen oder andere, zumeist feste Strukturen ein; die Mineralien lagern sich ab und ersetzen im Laufe der Zeit die Gewebe. Ebenso kann Gestein Hohlräume ausfüllen und so Abgüsse schaffen. Nur unter besonderen Umständen kann es auch zur Versteinerung von Weichteilen kommen; vor allem dann, wenn Lebewesen unter Sauerstoffabschluss – etwa in tiefen Seen oder am Meeresgrund – “eingelagert” werden; ein Sauerstoffmangel, der am besten auch noch Räuber tötet, die sich sonst über die abgestorbenen Lebewesen hermachen würden. Weil dann auch Weichtiere ohne Skelette erhalten bleiben, verdankt die Paläontologie (die Wissenschaft von der Erforschung vergangener Erdzeitalter) solchen Lagerstätten viel; eine der berühmtesten ist der Burgess-Schiefer in den kanadischen Rocky Mountains – mehr im folgenden Kapitel. Zusammen mit den molekularen Uhren stellen Fossilien die wichtigste Erkenntnisquelle über die Geschichte des Lebens auf der Erde dar.

Siehe zu Fossilien auch >> hier.

Die Erfindung des Skeletts: Das Kambrium

Die ältesten Fossilien

In Kalksteinformationen aus dem Unteren Kambrium (wie die ältesten Schichten des Kambriums, das vor 541 Millionen Jahren begann, heißen) finden sich auf der ganzen Welt kleine Röhren, die sich nicht in verdünnter Säure lösen: Winzige Schalen und Panzer aus Kalziumphosphat. Es sind die Wohnröhren eines nach dem amerikanischen Paläontologen Preston Cloud als Cloudina benannten Tieres. Zum ersten Mal lassen sich also Tiere mit einem Skelett nachweisen – als Skelett bezeichnen Biologen alle biologischen Strukturen, in die Mineralien eingelagert werden (wie unsere Knochen, die aus dem Protein Kollagen bestehen, in das das Mineral Apatit, ein Kalziumphosphat, eingelagert ist). Kalziumphosphat ist nicht das einzige Mineral, die meisten Schalen von Meerestieren bestehen aus Kalziumkarbonat, die Skelette der Schwämme aus Siliziumdioxid. Und alle drei Mineralien finden sich auch schon bei den kleinschaligen Fossilien des unteren Kambrium. Dabei ist nicht gesagt, dass “kleinschalige Fossilien” auch kleine Tiere bedeutet: 1990 wurde in der grönländischen Sirius-Passet-Fundstätte ein Tier namens Halkieria gefunden, das eine Art Panzerhemd aus in Reihen angeordneten Skelettplatten trägt, die man zuvor für eigene Arten gehalten hatte.

Trilobit
Trilobit. Foto: Gryffindor, aus wikipedia >> Trilobit, abgerufen 13.1.2009, Lizenz: >> FDL 1.2.

Gleich über diesen kleinschaligen Fossilien findet man dann die häufigsten aller Fossilien: die Trilobiten. Diese an Asseln erinnernden Tiere gehören zu den Gliederfüßern, die alle gegliederte, durch Gelenke bewegliche Gliedmaßen besitzen und zu denen heute etwa Krebse und Insekten gehören. Ihren Namen (“Dreilapper”) verdanken sie dem längs in drei Abschnitten unterteilten Rücken (siehe Foto rechts). Die Flachmeere des Kambriums müssen vor Trilobiten nur so gewimmelt haben, sonst wären die Fossilien nicht so häufig. Lange Zeit waren die Trilobiten die einzigen bekannten Gliederfüßer aus dem Kambrium. Aber im Jahr 1909 entdeckte der amerikanische Paläontologe Charles Doolittle Walcott in den kanadischen Rocky Mountains eine Lagerstätte mit vielen ausgesprochen gut erhaltenen Fossilien aus dem frühen Kambrium: den über 500 Millionen Jahre alten Burgess-Schiefer. Die Lebewesen waren unter einem Erdrutsch begraben worden – ihr Pech, aber unser Glück, denn dadurch blieben auch Weichteile erhalten. So wurden Schwämme, Seetang und Quallen konserviert; viele wurmähnliche Tiere; das fischartige, aber keinen Kopf besitzende Pikaia, das damals älteste >> Chordatier – vor allem aber jede Menge Gliederfüßer. Die Trilobiten waren also Mitglieder einer damals schon artenreichen Gruppe. Andere Lebewesen ließen sich zunächst nicht zuordnen, und sie sollten den Fundort weltberühmt machen: 1989 veröffentlichte Stephen Jay Gould sein Buch “Zufall Mensch”, in dem er über zahlreiche unbekannte Tierstämme in der Lagerstätte berichtete, darunter solchen, die später wieder ausstarben.

Gab es eine “kambrische Explosion”?

Diese Phase mutmaßlich besonderer Kreativität der Natur mit plötzlich auftauchender und später wieder verschwindender Vielfalt wurde als “kambrische Explosion” bezeichnet. Inzwischen konnten jedoch die Paläontologen, darunter insbesondere Simon Conway Morris – einem der “Helden” in Stephen Jay Goulds Buch – viele dieser Lebensformen bekannten Tierstämmen zugeordnen (wie Walcott es von Anfang an getan hatte). Auch zeigten die inzwischen gefundenen >> Ediacara-Organismen, dass die Entwicklung neuer Tierstämme so plötzlich wohl nicht war. Die Auswertung der molekularen Uhren deutet heute auf eine Entstehung der heutigen Tierstämme bereits vor mindestens 650 bis 600 Millionen Jahren, also noch tief im Präkambrium, hin (mehr dazu >> hier).

Für die Täuschung gab es aber einen guten Grund: Die Vorfahren aus dem Präkambrium wurden vor 541 Millionen Jahren auf einmal sichtbar, da sie größer wurden und harte Schalen und Panzer entwickelten –  also leichter als Fossilien erhalten blieben und zu finden waren. Größenwachstum und harte Schalen und Panzer hängen scheinbar zusammen, offenbar hatte das Größenwachstum stützende Skelette notwendig gemacht (>> mehr). Die Frage lautet also heute: Was löste diesen Entwicklungsschub zu Beginn des Kambriums aus? Da alle drei heute verbreiteten Skelettbaustoffe etwa zur gleichen Zeit auftraten, liegt es nahe, die Ursache nicht innerhalt einzelner Lebewesen, sondern in der Umwelt zu suchen. Lag es am steigenden Sauerstoffgehalt in der Luft, der das Größenwachstum ermöglichte? Lag es an einer durch veränderte Meeresströmungen verbesserten Versorgung mit dem Nährstoff Phosphat? Ursache könnte eine geologisch unruhige Umwelt gewesen sein: Der Superkontinent Gondwana war zerbrochen; Nordamerika, Sibirien und Baltica abgetrennt worden, der Iapetus-Ozean (ein Vorläufer des Atlantik) entstanden, und der Meeresspiegel stieg an. Dadurch wurden der Tierwelt auch die nährstoffreichen Kontinentalsockel zugänglich – was ihrem Größenwachstum ebenfalls zuträglich gewesen sein könnte.

Lage der Kontinente im Kambrium

Verteilung der Landmassen im frühen Kambrium vor ca. 540 Millionen Jahren. Eigene Abbildung auf Basis einer Karte von Dr. Ron Blakey, >> Global Paleographic Views of Earth History.


Vielleicht war aber auch die Entwicklung des Lebens selbst der Auslöser: Im Kambrium bekamen zwei ökologische Stufen eine neue Qualität: jene Organismen, die sich von Bakterien und Algen ernährten (die Primärverbraucher) und solche, die wiederum von diesen lebten – die „Räuber“ oder Sekundärverbraucher. Ein Beispiel sind die Trilobiten. Sie besitzen die ältesten bekannten Augen –  Facettenaugen wie die heutigen Insekten. Der Wissenschaftsjournalist Volker Arzt nannte die Entstehung von Augen einmal “Die Erfindung des Lichts”: Sonnenstrahlung hat es schon vorher gegeben, aber sichtbar, Licht, wurde sie erst mit der Erfindung des Auges. (Wobei es lichtempfindliche Gewebe schon bei früheren Lebensformen gegeben hat, die verschiedenen Augentypen haben sich hieraus entwickelt. Das Rezeptormolekül Opsin in den Lichtsammelzellen der Netzhaut lässt sich sogar bis zu den Bakterien zurückverfolgen.) Die Vorteile des Sehens für Räuber liegen auf der Hand: Sie helfen ihnen als “phantastisches Erkundungssystem” (wieder Volker Arzt), ihre Beute zu finden. Und sie zwangen ihre Beute geradezu, ebenfalls Augen zu entwickeln – als Frühwarnsystem. Die mit dem Sehen mögliche Wahrnehmung der Umwelt hatte offenbar so viele Vorteile, dass sich im Laufe der Zeit aus einem Grundmodell immer bessere Sinnesorgane entwickelt haben – natürliche Entwicklungen haben ja kein Ziel, sondern müssen sich im tägliche Leben bewähren und die Chancen ihres Trägers erhöhen, sich fortzupflanzen (>> Die Evolutionstheorie); mit genügend Zeit kann diese Entwicklung aber – wie die Augen zeigen – zu ganz außerordentlichen Ergebnissen führen.

Mit den sehenden Räubern aber änderte sich das Leben auf der Erde. Das friedliche Leben von Cyanobakterien, Algen und Bakterien war zu Ende; auf einmal gab es Lebewesen, die darauf aus waren, sie zu verschlingen. Es entstanden Ökosysteme, wie wir sie noch heute im Meer finden; mit Jägern und Gejagten. Waren die Panzer und Schalen möglicherweise eine Anpassung an das Auftreten von Räubern? Im Sinne eines „Wettrüstens“ entwickelten Räuber und Beute nach dieser Hypothese immer ausgefeiltere Angriffs- und Verteidigungsstrategien, die sich gegenseitig in die Höhe schaukelten und schließlich zur Vielfalt der Organismen geführt hätten. Über die Gründe darf spekuliert werden, eines sagen die Steine: Im Meer entwickelten sich Ökosysteme, die den heutigen Meeresökosystemen ähnelten; es gab Algengärten mit reicher Tierwelt in belichteten Küstenzonen, Plankton im oberen Teil des offenen Meeres, der aus photosynthetisch aktiven Algen und von ihnen lebenden Tieren besteht; eine Tierwelt in  dunklen tiefen Meeresgebiete, die vom herabsinkenden abgestorbenen Plankton lebt und schließlich in warmen, flachen Meeren Riffe, die im Kambrium aus Schwämmen und schwammähnlichen Tieren bestanden.

Inzwischen wurden zwei noch etwas ältere Fundstellen als die Burgess-Schiefer gefunden,  Sirius Passet in Grönland und Chengjiang in China (siehe Kasten). Auch hier gibt es schon eine erstauliche Vielfalt an Organismen; auch hier konnten die meisten Arten heutigen Tierstämmen zugeordnet werden. Um auf die Frage aus der Überschrift zurückzukommen: Der Begriff “kambrische Explosion” scheint falsch zu sein – die Vielfalt ist nicht auf einmal entstanden, sondern aufgrund des Größenwachstums der Lebewesen nur erkennbar geworden.

Die Fundstätte von Chengjiang

Die Fundstätte von Chengjiang liegt in den etwa 525 bis 520 Millionen Jahre alten Maotianshan-Schiefer der chinesischen Provinz Yunnan. Sie wurde 1984 durch einen sehr gut erhaltenen Trilobiten berühmt – auch hier sind Weichteile erhalten, die Lebewesen wurden wohl von an unterseeischen Hängen abgerutschtem Sediment (“Trübeströme”) verschüttet. Bisher wurden 185 Arten beschrieben, etwa die Hälfte davon Gliederfüßer. Viele von ihnen besitzen noch relativ weiche Außenskelette aus Chitin, wie die heutigen Insekten – harte Schalen entstanden wohl erst als zweiter Schritt. In Chengjiang wurde – wie auch im Burgess-Schiefer – der bis zu zwei Meter lange Anomalocaris, ein trilobitenähnlicher Räuber gefunden. Ein Achtel der Arten lässt sich nicht klar heutigen Stämmen zuordnen. Der erstaunlichste Fund ist vielleicht Myllokunmingia, der älteste (kieferlose) Fisch – und damit das älteste Wirbeltier – der Erde. Über 500 Exemplare dieses drei Zentimeter langen Fischchens wurden bisher gefunden. Bisher einzigartig für Chengjiang sind die Vetulicolia, die einer eingeschnürten Wurst mit dicker und dünner Hälfte ähneln; die systematische Einordung dieses Tierstamms ist noch umstritten.

Korallenriffe und Linien auf Steinen: das Ordovizium

Im Ordovizium (nach den Ordovicern, einem in Wales lebenden keltischem Volksstamm), das auf das Kambrium folgte und vor 485 Millionen Jahren begann, hielten die Korallen Einzug in die Riffe; sie sollten im Karbon eine Blütezeit erleben. Korallenriffe stellen mit ihrer Vielfalt an Arten so etwas wie das marine Gegenstück zu den Regenwäldern an Land dar.

Neben den Korallen tauchten im Ordovizium die „Graptolithen“ auf: Sie sehen aus wie gezeichnete Linien (ihr Name bedeutet „auf Stein geschrieben“). Sie stellten sich als Kolonien von Kragentieren (Hemichordaten) heraus, die als Primärverbraucher vom Plankton der Meere lebten; im Stammbaum des Lebens liegen sie irgendwo vor den Chordatieren (die gleich erklärt werden) – sie sind also unsere (sehr …) weit entfernten Vorfahren. Im Ordovizium tauchten auch große Räuber wie die Nautiloiden (Verwandte des heutigen Nautilus) auf, im Wasser lebende Riesenskorpione, Seeigel und Seesterne sowie weitere  kieferlose Fische auf. Diese kieferlosen Fische stellen eine frühe Gruppe der Wirbeltiere dar, die wohl schon im frühen Kambrium aus Chordatieren entstanden sind. Chordatiere, wie die heute noch lebenden “Lanzettfischchen”, besitzen einen “Notochord” genannten Stützstab, der sich durch den Rücken zieht. Die Chordatiere “erfanden” also das Innenskelett; bei den Wirbeltieren wird der Stützstab beim erwachsenen Tier durch die Wirbelsäule ersetzt, das Notochord bildet die Bandscheiben. Zu den Chordatieren gehören neben den Lanzettfischen auch die heute noch lebenden Seescheiden, die festgewachsen an einem Felsen ihre Nahrung aus dem Wasser filtern. An Wirbeltiere erinnern nur ihre kaulquappenartigen Larven. Schon Charles Darwin vermutete, dass die Seescheiden Vorfahren hatten, die stärker den Larven ähnelten, und aus denen sich einerseits eine sesshafte Gruppe entwickelte, aus denen die heutigen Seescheiden hervorgingen, und andererseits die heutigen Wirbeltiere. Darwins Vermutung wird heute durch molekularbiologische Befunde gestützt. Traditionell wird das Tierreich in Wirbeltiere und Wirbellose unterteilt, für Systematiker sind die Wirbeltiere jedoch “nur” ein Unterstamm der Chordatiere. (Neben dem Stamm der Chordatiere stehen etwa 30 Stämme der Wirbellosen, zu denen etwa die Weichtiere (mit den Tintenfischen), die Platt-, Rund- und Ringelwürmer (die jeweils einen eigenen Stamm darstellen), die Gliederfüßler (mit den Insekten, Spinnen, Krebstieren, ...) und die Stachelhäuter (mit den Seesternen) gehören).

Das Ende des Ordoviziums wurde durch eine erneute Eiszeit eingeläutet: Die Abkühlung führte dazu, dass über die Hälfte aller lebenden Arten ausstarben. Dieses ist ein wiederkehrendes Muster: Auch Katastrophen haben die Erde geformt (siehe >> hier). Die Vielfalt der Lebensformen wurde von Zeit zu Zeit durch große Ereignisse reduziert, und danach war die Erde auf immer eine andere. Das Leben musste mehrfach durch solche „Filter“ gehen. Über die Ursache der Eiszeit am Ende des Ordoviziums wird noch gerätselt; eine neuere Theorie geht davon aus, dass der bei einer kosmischen Supernova entstandene Gammablitz das Leben geschädigt und über chemische Reaktionen eine Smogschicht ausgelöst habe, die wiederum für die Abkühlung verantwortlich gewesen sein soll.

Der Schritt an Land: das Silur

Trilobiten und Graptolithen konnten sich von dem Massenaussterben nicht wieder erholen; es sind andere Arten, die nun gefunden werden. Prägend für das Silur (der Name geht wie das Ordovizium auf einen keltischen Volksstamm in Wales zurück), das vor 443 Millionen Jahren begann, ist aber der Schritt des Lebens an Land. Bisher spielte die Geschichte des Lebens ja ausschließlich im Wasser – wenn die Erde ein hundertjähriger Mensch wäre, wäre Leben mit 22 Jahren entstanden; aber erst mit über 88 Jahren an Land gegangen! Den ersten Schritt an Land machten, noch im Ordovizium vor etwa 470 Millionen Jahren, die Pflanzen: Viele Paläontologen glauben, dass es es Grünalgen waren, denen der Sprung an Land gelang (sie kommen noch heute von allen Algen in der Gezeitenzone in den trockensten Bereichen vor); möglicherweise auch in einer Symbiose mit Pilzen: Die so gebildeten Flechten kommen auch heute noch in extremen Lebensräumen vor, in denen keiner der Partner alleine überleben könnte. Von den allerersten “echten” Landpflanzen sind nur Bruchteile bekannt. Lediglich die Sporen verraten, dass sie zu den Landpflanzen gehören müssen, da sie vor Austrocknung geschützt waren. Die Sporensäcke ähneln denen der heutigen Lebermoose; daher glauben auch viele Paläontologen, dass diese die ersten Landpflanzen waren. Warum es überhaupt zur Besiedelung des Landes kam, lässt sich nur vermuten: Möglicherweise geschah es als Anpassung an durch eine Erderwärmung austrocknende Lebensräume im Küstenbereich; eine Anpassung, die dann einen riesigen Lebensraum eröffnete, das weitgehend unbesiedelte Land (Bakterien und Archaeen an heißen Quellen und Vulkanen mögen neben Flechten- und Cyanophytenkrusten am Meeresrand weitere Vorläufer gewesen sein).

Der Gang an Land erforderte viele Anpassungen: Im Wasser lebende Pflanzen nahmen Nährstoffe über ihre gesamte Oberfläche auf; die Lebensvorgänge aller Lebewesen waren an das Wasser angepasst – daher musste das feuchte Innere vor der trockenen Umwelt an Land geschützt werden. In Wasser können Lebewesen schweben, an Land brauchen sie aber einen Körper, der der Schwerkraft trotzen kann (mehr im Kasten rechts). Als die Besiedelung  gelungen war, veränderte sie das Gesicht der Erde: Aus dem Weltall prägen die grünen Pflanzen mehr als jedes andere Lebewesen das Gesicht der Erde; auf der nur aus Felsen und seinen Verwitterungsprodukten bestehenden Erdoberfläche entstanden Böden (>> mehr); kurz: Die Erde wurde zu der, die wir heute kennen. Die Besiedelung des Landes hatte noch eine andere Auswirkung: Der größte Teil der heute bekannten biologischen Vielfalt (>> mehr) findet sich auf dem Festland, was nur teilweise mit der viel schlechteren Kenntnis des Lebens im Meer zusammenhängt. Die Besiedelung des Festlandes verschaffte dem Leben also einen weiteren Entwicklungsschub.

Cooksonia, Abb. UC Museum of Paleontology
Eine Rekonstruktion von Cooksonia. A zeigt die Pflanze, B einen Querschnitt durch den Stängel mit erkennbaren Gefäßen und C zeigt die Sporangien, in denen die Sporen ausgebildet wurden. © University of California Museum of Paleontologie, Verwendung mit freundlicher Genehmigung.

Die älteste ohne Mikroskop sichtbare Landpflanze ist die 425 Millionen Jahre alte, nur wenige Zentimeter hohe, gabelig verzweigte Cooksonia; ein Urfarn. Dass sie – im Unterschied zu den Algen – aufrecht stehen konnte, verdankte sie der Einlagerung des Makromoleküls Lignin in der Zellwand – Lignin ist der Stoff, aus dem Holz gemacht ist. Im Inneren der Triebe besaß Cooksonia bereits Gefäße, in denen Wasser aus dem Boden in die oberen Pflanzenteile transportiert wurde (und die gleichzeitig die Festigkeit der Triebe weiter erhöhten); die Sporen, mit denen sie sich ausbreitete, wurden durch den Wind verbreitet. Mit stabilen Zellwänden und Gefäßen waren alle Voraussetzungen gegeben, dass die Pflanzen in die Höhe wachsen konnten – in dichteren Beständen ein Vorteil, denn dadurch entgehen sie der Beschattung durch ihre Nachbarn.

Mit den Pflanzen, oder kurz darauf, kamen auch die Tiere und Pilze an Land (die beweglichen Tiere hatten zuvor schon Ausflüge an Land unternommen, wie 500 Millionen Jahre alte Tierspuren zeigen; vermutlich aber dort nichts Interessantes gefunden). Die ältesten fossil bekannten Landtiere sind die Gliederfüßer, vor allem Arten, die den heutigen Tausendfüßern ähnelten und Trigonotarbiden, die den heutigen Spinnen ähneln. Ihr Außenskelett stabilisierte diese Tiergruppen und schützte sie einigermaßen vor Austrocknung; kräftige Beine, mit denen sie zuvor auf dem Meeresgrund liefen, erlaubten die Fortbewegung an Land. Pilze hatten wahrscheinlich schon die Grünpflanzen an Land begleitet: Bodenpilze konnten Nährstoffe aus dem Gestein herauslösen und wurden im Gegenzug von den Grünpflanzen mit organischen Nährstoffen versorgt; noch heute leben die weitaus meisten Pflanzen in einer Symbiose mit Pilzen (der Mykorrhiza). Aber mit der Besiedlung des Landes durch Tiere und Pflanzen konnten die Pilze auch alleine überleben: Sie bauten organisches Material abgestorbener Tiere und Pflanzen ab. So entstanden auch an Land Lebensgemeinschaften: produzierende Pflanzen, pflanzen- und tierfressende Tiere und abbauende Pilze, die organische Materie verwerten und erneut dem Boden zufügen. Im Silur müssen auch die Fische den Übergang vom Meer in Brack- und Süßwasser geschafft haben, und eine dieser Fischarten sollte zum Vorläufer der landlebenden Wirbeltiere werden. Auch der Übergang der Wirbeltiere an Land war nicht einfach: Im Wasser funktionieren Atmung und Bewegung ganz anders als auf Land. Dass dieser Übergang aber möglich ist, zeigen unter anderem die Lungenfische; sie haben – der Name verrät es – eine Lunge und zudem fleischige Flossen, mit denen sie sich an Land bewegen können (>> mehr).

Der Sprung an Land sollte so erfolgreich sein, dass „schon“ 65 Mio. Jahre später die Wälder der Karbonzeit große Teile der Kontinente bedeckten (>> mehr). Diese Wälder hatten Ähnlichkeit mit heutigen tropischen Regenwäldern; tatsächlich lag das sich gerade bildende Europa damals am Äquator. Im Silur war der Kontinent Baltica (das heutige Nord- und Osteuropa) mit Laurentia, dem Nordamerika-Vorläufer, kollidiert; dabei entstand „Avalonia“ als Gegenstück zum weiter bestehenden Gondwana. Bei dieser Kollision verschwand der Iapetus, und es wurden die kaledonischen Gebirge aufgefaltet – die Appalachen, die Gebirge im Nordwesten Großbritanniens und die westskandinavischen Hochgebirge.

Weiter mit:
>> Das Zeitalter der Fossilien II: Vom Zeitalter der Fische bis zur großen Katastrophe

© Jürgen Paeger 2006 – 2013

Das Skelett entstand offenbar mehrfach, heute lassen sich zwei Grundtypen unterscheiden: Das “Außenskelett”, das etwa Muscheln und Insekten wie ein Panzer umgibt, und das Innenskelett der Chordatiere (>> hier).

Über Charles Doolittle Walcott schreibt Richard Fortey, dass sein zweiter Vorname unpassender nicht hätte ausfallen können: “Es gibt so gut wie nichts, was Walcott nicht getan hat. Er beschrieb kambrische Fossilien aus aller Welt, China eingeschlossen (aneinandergereiht beanspruchen seine Bücher fast einen Regalmeter). Er war ein geschätzter Administrator, und er entdeckte den Burgess-Schiefer.” (aus: >> “Leben. Eine Biographie”)

Facettenaugen kommen bei den Gliederfüßern häufig vor, sie sind aus zahlreichen kleinen Einzelaugen zusammengesetzt. Die Linsen der Trilobiten bestanden aus Kalzitstäbchen, das Auge lieferte ein mosaikähnliches Bild.

Kieferlose Fische gibt es noch heute: Die Neunaugen und Inger. Die Lanzettfischchen sind dagegen gar keine Fische, denn sie gehören nicht zu den Wirbeltieren.

Zu früheren Spuren von Leben an Land siehe >> hier.

Der Schritt an Land erforderte eine Reihe von Anpassungen der Pflanzen: Als Schutz vor Austrocknung entwickelten sie eine Wachsschicht auf den Blättern; um trotzdem Gase aufnehmen und abgeben zu können, Spaltöffnungen, die hydraulisch geöffnet und geschlossen werden. Zur Versorgung mit Wasser und Nährstoffen dienen Wurzeln und Leitungsbündel, die zugleich den Stängel stabilisieren und damit den Pflanzen helfen, der Schwerkraft zu trotzen.

Trotzdem konnte die Besiedlung des Landes erst erfolgen, nachdem der von Algen und Pflanzen produzierte Sauerstoff in der Atmosphäre eine Ozonschicht gebildet hatte, die die UV-Strahlung der Sonne von der Erde fernhielt (>> mehr).