Strategien für die Zukunft

Anpassung an den Klimawandel

Der Plan B

Auch wenn sofort ernsthafte Maßnahmen gegen den Klimawandel eingeleitet würden, eine Erwärmung der Erde um 2 Grad Celsius gilt als unvermeidlich. Und sofortige ernsthafte Maßnahmen sind auch noch nicht eingeleitet. Um den dadurch entstehenden Schaden zu begrenzen, sind Anpassungsstrategien notwendig. Da diese um so teurer werden, je stärker der Klimawandel wird, können sie Maßnahmen gegen den Klimawandel allerdings nicht ersetzen.

Der Klimawandel ist bereits eingetreten und hat bereits  Folgen; und auch ohne weitere Treibhausgasemissionen würde es auf der Erde noch wärmer werden und sind weitere Folgen absehbar. Die Bemühungen um eine Reduktion der Emissionen von Treibhausgasen müssen daher ergänzt werden um die Anpassung an die unvermeidlichen Folgen des Klimawandels. Auch diese Anpassung an längst begonnen: In Deutschland und Holland wird längst diskutiert, um wie viel die Deiche erhöht werden müssen; London überlegt, wie es sich gegen zukünftige Hochwasser schützen kann. Die richtigen Anpassungsstrategien und die richtige Mischung von Maßnahmen gegen und zur Anpassung an den Klimawandel sind aber nicht einfach zu bestimmen, da falsche Maßnahmen auch kontraproduktiv sein können (mit fossilen Brennstoffen betriebene Klimaanlagen, die gegen die Folgen von zunehmenden Hitzewellen schützen sollen, selber aber den Klimawandel beschleunigen oder Küstenschutzmaßnahmen, die wertvolle Feuchtgebiete gefährden). Eine Gefahr ist auch, dass Anpassungsstrategien als Weg missverstanden werden, die Maßnahmen gegen den Klimawandel herauszuschieben – angesichts der Tatsachen, dass die Anpassung ein Mehrfaches kostet (siehe zum Beispiel den >> Stern-Report 2006) und Restrisiken bleiben, müssen die Maßnahmen gegen den Klimawandel Priorität behalten. Da Maßnahmen zur Anpassung wie erhöhte Deiche aber leicht erkennbar sind und bei zunehmenden Folgen des Klimawandels auch leichter Wählerstimmen bringen werden, Maßnahmen gegen den Klimawandel aber erst langfristig Wirkung zeigen werden, ist eine falsche Prioritätensetzung eine sehr reale Gefahr.


Was kostet die Anpassung an den Klimawandel?

Eine zuverlässige, weltweite Studie über die Kosten der Anpassungsstrategien gibt es nicht – dies musste der Klimarat in seinem letzten Bericht 2007 feststellen, und dies hat sich seither nicht geändert, wie das “International Institute for Environment and Development” in einer Studie vom August 2009 festgestellt hat (im Folgenden iied-Studie genannt). Ansätze finden sich im >> Stern-Report von 2006 und in einer Studie vom Klimasekretariat der UN (UNFCCC 2008), in der erstmals globale Kosten für viele Anpassungsmaßnahmen berechnet wurden. Beide unterschätzen aber die Kosten laut iied-Studie erheblich. Die UNFCCC-Studie kam für 2030 auf jährliche Kosten von 49 bis 171 Millarden Dollar (alleine die Spannbreite zeigt die Unsicherheit), von denen 27 bis 66 Millarden Dollar in Entwicklungsländern anfallen; die iied-Studie schätzt die nötigen Ausgaben um den Faktor 2 bis 3 höher ein - und noch höher, wenn in der UNFCCC-Studie bei der Summe nicht berücksichtigte Maßnahmen, etwa für den Schutz von Ökosystemen, hinzukämen.

Insbesondere viele Entwicklungsländer sind mit den notwendigen Anpassungsmaßnahmen technisch und finanziell überfordert. In Anerkennung der historischen Verantwortung der Industrieländer für den Klimawandel schlägt der Wissenschaftliche Beirat globale Umweltveränderung (WBGU) der Bundesregierung vor, verpflichtende Zahlungen auf Basis der aufsummierten Emissionen aus den Jahren 1990-2010 zu vereinbaren: Wer einen besonders hohen Pro-Kopf-Anteil an den Emissionen hatte, müsste auch besonders viel zahlen. Die Beiträge könnten die zahlenden Staaten beispielsweise durch eine Kohlendioxid-Steuer oder eine Versteigerung nationaler Emissionsrechte einsammeln. Die Mittel könnten etwa als Fonds über die vom WBGU vorgeschlagene “Weltklimabank” verwaltet werden (>> mehr).


>> UN-Klimasekretariat: Investment and Financial Flows to Address Climate Change (zum Thema vor allem Kapitel V; download als pdf, 147 kB, englischsprachig)

>> iied-Studie 2009: Assessing the cost of adaption to climate change. Download unter >> www.pubs.iied.org (pdf, 2 MB, englischsprachig).

Küstenschutz

Die Küsten leiden zum einen unter dem künftig ansteigenden Meeresspiegel, zum anderen unter den mit heftigeren Stürmen verbundenen stärkeren Sturmfluten. Auch heftigere Niederschläge können Folgen haben, etwa eine bessere Entwässerung niedrig liegender Marschgebiete erfordern. Andererseits bestehen teils jahrhundertelange Erfahrungen im Küstenschutz - Länder wie die Niederlande wurden ja teilweise dem Meer abgetrotzt. Auf diesen Erfahrungen kann aufgebaut werden. Die Küste kann zum einen durch technische Maßnahmen gesichert werden: Deiche und Schutzbauwerke können erhöht werden, Strände und andere Flächen vor dem Deich können aufgespült werden, eine zweite Deichlinie kann angelegt werden. Zum anderen kann die Infrastruktur hinter dem Deich an die steigende Gefahr von Überflutungen angepasst werden; und müssen die Bewohner durch verbesserte Warn- und Evakuierungssysteme bei Sturmfluten geschützt werden. In vielen Fällen sind die Kosten für diese Maßnahmen aber so hoch, dass eine dritte Alternative zum Zug kommen dürfte: Der Rückzug aus überschwemmungsgefährdeten Bereichen. Neben den Kosten besteht auch die Gefahr, dass durch neue Deiche und Schutzbauten Küstenökosysteme wie Salzmarschen und Mangroven geschädigt werden, die ihrerseits Teil des “natürlichen Küstenschutzes” sind.

Für reiche Länder ist der Küstenschutz auch in den nächsten 200 Jahren machbar. Im Jahr 2008 hat etwa die “Deltakommission” Empfehlungen für das Hochwassermanagement in den Niederlanden vorgelegt, wo die Regierung von einem Anstieg des Meeresspiegels bis 2100 um 1,30 Meter ausgeht. Auch hier wird eine Mischung aus Sperrwerken und Dünenschutz vorgeschlagen, aber auch die Räumung bestimmter Flächen, um “Platz fürs Wasser” zu schaffen. Die Kosten für die vorgeschlagenen Maßnahmen – die auch den Hochwasserschutz an Flüssen einschließen, siehe >> hier – belaufen sich auf 1,2 bis 1,8 Milliarden Euro pro Jahr, etwa 0,25 Prozent des niederländischen Bruttosozialprodukts. Anders sieht dies bei vielen armen Ländern aus: Erstens können sie nicht wie die Niederländer auf einem hohen Standard des Küstenschutzes aufbauen, zweitens bedeuten Summen wie in den Niederlanden dort schnell zweistellige Prozentanteile am Bruttosozialprodukt. Eine zuverlässige Schätzung für die globalen Kosten des Küstenschutzes gibt es nicht (die UN schätzte im Jahr 2007 13 Milliarden Dollar pro Jahr, was angesichts der niederländischen Zahlen mit Sicherheit zu niedrig ist); absehbar ist aber, dass viele Länder weder finanziell noch organisatorisch in der Lage sind, ihre Küsten angemessen zu sichern. Dazu kommt, dass all diese Maßnahmen nicht gegen weitere Gefährdungen der Küste helfen, die mit dem Klimawandel verbunden sind, wie dem Absterben der Korallenriffe und der Mangrovenwälder, die ihrerseits die Gefährdung der Küste durch Sturmfluten erhöhen werden. Dazu kommt eine weitere Gefährdung dadurch, dass viele Küstenstädte durch ihr eigenes Gewicht absinken, wodurch die Gefahr von Überschwemmungen auch ohne Anstieg des Meeresspiegels steigt.

>> Die Ruhe vor dem Sturm (Die Diskussion um den Küstenschutz in Deutschland, zeit-online).

Landwirtschaft

Die Erträge in der Landwirtschaft werden ohne Anpassungsmaßnahmen insbesondere in Australien, Indien und Teilen Afrikas vor allem unter Hitze und Trockenheit, aber auch unter Überschwemmungen leiden; und dies zu einer Zeit, in der bereits eine Milliarde Menschen hungern und eine steigende Bevölkerung zu versorgen ist (>> hier). Anpassung an den Klimawandel kann die individuelle Anpassung von Aussaat- und Erntezeiten, den Anbau anderer, hitze- und trockenheitsresistener Sorten oder anderer Feldfrüchte/Futterpflanzen bzw. die Aufzucht anderer Tierarten bedeuten, kann aber auch den überregionalen Ausbau etwa von Bewässerungssystemen meinen. Untersuchungen zeigen, dass alleine die Anpassung von Bewässerungssystemen an zunehmende Trockenheit ohne Maßnahmen gegen den Klimawandel 24 bis 27 Milliarden Dollar im Jahr kosten würde. Auch die Zucht neuer hitze- und trockenheitsresistenter Sorten kostet viel Geld (zuverlässige globale Studien hierzu gibt es nicht). Fraglich ist, inwieweit Anpassungsmaßnahmen Ernteausfälle verhindern können - selbst in reichen Ländern wie Australien ist unsicher, ob etwa der Weizenanbau im heutigen Umfang erhalten bleiben kann. Global stehen nach Schätzungen der Weltbank für Anpassungsmaßnahmen in der Landwirtschaft (einschließlich Forstwirtschaft und Fischerei) in armen Ländern heute 150 bis 300 Millionen Dollar pro Jahr zur Verfügung - dass diese Summe nicht ausreicht, ist dagegen sicher. Dabei könnten Investitionen in die Landwirtschaft nicht nur helfen, zukünftige Erträge zu sichern, sondern etwa über Kohlenstoffspeicherung auch dazu beitragen, die Klimawandel zu mildern (>> hier).

Forstwirtschaft und Fischerei

Die Anpassung in der Forstwirtschaft ähnelt der in der Landwirtschaft; neben dem Anbau anderer, hitze- und trockenheitsresistenter Arten wird vor allem die bessere Bekämpfung der mit dem Klimawandel zunehmenden Waldbrände wichtig werden. Die Fischerei wird sich an andere Arten gewöhnen müssen, wenn Fische aufgrund der Erwärmung in andere Gewässer ziehen.

Wasserversorgung und Hochwasserschutz

Zunehmende Trockenheit hier und zunehmende Unwetter dort stellen nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch die Wasserversorgung und den Hochwasserschutz vor neue Herausforderungen: Neue Stauseen, Anlagen zur Grundwassergewinnung und zur Meerwasserentsalzung werden ebenso nötig werden wie die effizientere Nutzung von Trinkwasser und den Transport von Wasser von Überschuss- in Mangelgebiete und Deiche an Flüssen oder Rückhaltebecken und “Auslaufflächen” für Hochwasser. In den Niederlanden – deren Maßnahmen zum Küstenschutz bereits oben kurz skizziert wurden – bereitet etwa die Aussicht auf häufigere Starkregen den Fachleuten viel mehr Kopfzerbrechen als der Anstieg der Meeresspiegel: An Rhein und Maas sollen den Flüssen 500.000 Hektar Land (ungefähr die doppelte Fläche des Saarlandes) als Überschwemmungsgebiet zurückgegeben werden, um so die Überschwemmungsgefahr für die Städte bei Hochwasser zu verringern. Einst dem Meer abgetrotzte Polder sollen wieder geflutet werden und können so gleichzeitig als Wasserspeicher für Trockenzeiten dienen. Die Niederlande experimentieren auch mit Häusern und Treibhäusern, die auf solchen Binnenseen schwimmen können und daher von verändertem Wasserspiegel nicht betroffen sind.

Die Studie des UN-Klimasekretariats berechnete die jährlichen Mehrkosten alleine für die Wasserversorgung auf 11 Milliarden Dollar, die iied-Studie von 2009 hält die Schätzung nach heutigem Wissensstand für (wahrscheinlich deutlich) zu niedrig, zumal der notwendige besser Hochwasserschutz nicht berücksichtigt wurde. Allein für das Huang-Ho-Becken in China wurden die Zusatzkosten für die Wasserversorgung im Jahr 2040 mit 500 Millionen Dollar pro Jahr errechnet, die Kosten für den Hochwasserschutz wurden beispielsweise für England und Wales auf 1 Milliarde Britische Pfund pro Jahr geschätzt. Dazu kommt, dass alle Anpassungsmaßnahmen keine ausreichende Wasserversorgung werden sicherstellen können, worunter vor allem die Landwirtschaft (siehe oben) als Hauptverbraucher leiden dürfte.

Menschliche Gesundheit

Neben Hitzewellen führen vor allem sich ausbreitende Krankheitserreger wie Malaria übertragende Mücken zu gesundheitlichen Folgen des Klimawandels, daneben können auch durch den Klimawandel ausgelöste Flüchtlingswellen zu Krankheiten führen. Die Folgen könnten zu einem Teil durch funktionierende Gesundheitssysteme aufgefangen werden - aber in vielen Ländern gibt es diese heute nicht. Die UN-Studie beziffert die Kosten für Maßnahmen gegen klimabedingte Durchfallerkrankungen, Unterernährung und Malaria auf 4 bis 5 Milliarden Dollar pro Jahr. Alleine durch die Beschränkung auf drei Krankheitskomplexe werden die Kosten höher liegen, eine umfassendere globale Untersuchung gibt es aber nicht.

Natürliche Ökosysteme

Die naturnahen Ökosysteme der Erde sind ohnehin durch die Aktivitäten des Menschen schwer beeinträchtigt, der Klimawandel kann dieses Fass zum Überlaufen bringen. Die Anpassungsstrategien umfassen vor allem einen besseren Schutz vor anderen Faktoren, und eine Vernetzung von Lebensräumen, um Arten ein Ausweichen zu erlauben. Ein Überleben bedrohter Arten in künstlichen Lebensräumen, wie zoologischen und botanischen Gärten, wird nur für wenige Arten möglich sein. Die nötigen Maßnahmen werden laut UN-Studie zukünftig 12 bis 22 Milliarden Dollar im Jahr betragen (zusätzlich zu den aktuell pro Jahr für den Schutz naturnaher Ökosysteme ausgegebenen ca. 7 Milliarden Dollar).


Geo-Engineering – ein Lösung für den Klimawandel?

Wenn von einem “Plan B” für den Klimawandel die Lösung ist, kommen gerne auch großtechnische Lösungsvorschläge auf den Tisch: mit Geo- oder Klima-Engineering könne der Temperaturanstieg verhindert werden, glauben die Vertreter dieser Richtung. So wie historisch Vulkanausbrüche die Temperatur der Erde gesenkt haben, könnte man demnach mit Flugzeugen (oder über von Ballons gehaltenen Leitungen, an Fantasie fehlt es den Verfechtern nicht) Schwefeldioxid in die Stratosphäre einbringen, das den gleichen Effekt hätte. Andere planen, Meerwasser zu versprühen, so dass Salzkristalle in der Luft als Kristallisationskeim für Wolken dienen, die ebenfalls die Sonneneinstrahlung reduzieren sollen. Oder warum nicht gleich Spiegel in den Weltraum verteilen, die einen Teil des Sonnenlichts erst gar nicht zur Erde gelangen lassen? Auch dieser Vorschlag wird diskutiert. Angesichts der bescheidenen Kenntnisse, die wir etwa von der Rolle der Aerosole beim Klimageschehen haben, wären überraschende Nebenwirkungen fast garantiert. Einige sind selbst mit heutigem Wissen bereits absehbar: Schwefeldioxid in den benötigten Mengen wäre das Ende des blauen Himmels; jede Veränderung der Sonneneinstrahlung würde auch die von dieser angetriebenen globalen Meeresströmungen und den Wasserkreislauf verändern. Es gäbe Gewinner und Verlierer - wer würde entscheiden, ob wir etwa für eine Abkühlung Deutschlands die Trockenheit in der Sahelzone verstärken dürfen? Und würden die Verlierer das Ergebnis stillschweigend akzeptieren? Und wie sammeln wir die Spiegel im Weltraum wieder ein, wenn uns die fossilen Brennstoffe ausgehen und wir aus diesem Grund kein Kohlendioxid mehr produzieren können? Es gibt genügend Gründe, Geo-Engineering mit sehr großer Vorsicht zu betrachten - aber leider ist auch absehbar, dass immer mehr Menschen solche Experimente mit der Erde irgendwann als “alternativlos” bezeichnen werden, nur weil wir zu bequem waren, unsere Energieversorgung rechtzeitig auf den Prüfstand zu stellen.

Webtipps

>> Niederländische Deltakommission mit Möglichkeit zum Download des Berichts und einer Zusammenfassung (auch englischsprachig)

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>> Saubere Energie

© Jürgen Paeger 2006 – 2011