Strategien für die Zukunft
Keile gegen den Klimawandel
Die Ideen von Socolow und Pacala
Wie der Klimawandel aufgehalten werden kann, haben die
US-Wissenschaftler Robert H. Socolow und Stephen W. Pacala
untersucht (>> Literatur).
Ihre Annahme: Der gegenwärtig ständig steigende Ausstoß an
Kohlendioxid muss über die nächsten 50 Jahre mindestens stabilisiert
werden (damit würde eine Kohlendioxid-Konzentration in der
Erdatmosphäre von 560 ppm einhergehen, dem doppelten der
vorindustriellen Konzentration), dann könnte er über die folgenden
50 Jahre auf die Hälfte abfallen. Socolow und Pacala glauben nicht,
dass der künftige Verlauf so ist, sie wollten lediglich ein leicht
verständliches Modell für eine Überschlagsrechnung entwerfen: Würden
die Wachstumsraten der letzten 30 Jahre beibehalten, verdoppelte
sich der Ausstoß von heute 7 Milliarden Tonnen Kohlenstoff auf 14
Milliarden Tonnen. Eine Stabilisierung hieße also: Im Jahr 2056
müssen 7 Milliarden Tonnen weniger abgegeben werden als bei
aktuellen Wachstumsraten.
Dazu können verschiedene Maßnahmen beitragen, deren Potenzial
jeweils etwa eine Reduzierung um eine Milliarde Tonnen im Jahr 2056
beträgt. Diese Maßnahmen nennen Socolow und Pacala das
“Stabilisierungsdreieck” (vgl. die Abbildung), das aus mehreren
“Stabilisierungskeilen” besteht – als anschauliche Darstellung der
möglichen Maßnahmen, die jeweils den Kohlendioxidausstoß reduzieren.
Wichtigster Punkt ist für Socolow und Pacala dabei zu zeigen, dass
es eine Reihe von – jeweils für sich alleine nicht ausreichender
– Maßnahmen gibt, die als “Keil gegen den Klimawandel” wirken
können; es geht also nicht darum, das Wundermittel zu finden, das
alle Probleme alleine löst, sondern verschiedene Maßnahmen
ineinandergreifen zu lassen.
Durch verschiedene Maßnahmen, die als
Keile dargestellt werden, kann der
Kohlendioxid-Ausstoß stabil gehalten werden. Abb. nach >> Sokolow und Pacala.
Socolow und Pacala haben 15 verschiedene mögliche
“Stabilisierungskeile” untersucht, wobei sie sich darauf
beschränkten, Technologien zu berücksichtigen, die mindestens
technisch bereits heute machbar sind. Jedes Maßnahmenpaket könnte
die Reduzierung um eine Milliarde Tonnen im Jahr 2056 bewirken, bzw.
über den Zeitraum von 50 Jahren eine Gesamtreduzierung von jeweils
25 Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Die 15 untersuchten
Maßnahmenpaketen sind:
Energieeffizienz
-
Senkung des durchschnittlichen PKW-Kraftstoffverbrauchs (der im
Jahr 2050 erwarteten 2 Milliarden Autos) von 7,8 auf 3,9 l/100
km
-
Reduzierung der durchschnittlichen PKW-Jahresfahrleistung von
16.000 auf 8.000 km
(bei einem Kraftstoffverbrauch von 7,8 l/100 km)
-
Reduzierung des Stromverbrauchs in Haushalten, Büros und
Geschäften um 25 Prozent
-
Erhöhung des Wirkungsgrades von 1.600 großen Kohlekraftwerken
von 40 auf 60 Prozent (z.B. durch Ausbau der
Kraft-Wärme-Koppelung)
-
Ersetzen von 1.400 großen Kohlekraftwerken durch Gaskraftwerke
Nutzung nicht-fossiler Energiequellen
-
Verdreifachung der Stromerzeugung durch Atomenergie
-
Vervierzigfachung der Stromerzeugung durch Windenergie
-
Versiebenhundertfachung der Stromerzeugung durch Sonnenenergie
-
Verachtzigfachung der Nutzung von Windenergie, um Wasserstoff
als Treibstoff für Autos zu erzeugen
-
2 Milliarden Autos mit Ethanol betreiben (und dafür ein
Sechstel des Ackerlandes nutzen)
Forst- und Landwirtschaft
-
Abholzung und Brandrodung von Wäldern vollständig beenden
-
Bodenschonende Bewirtschaftung auf dem gesamten Ackerland, um
den dort gespeicherten Kohlenstoff zu erhalten
(weitere Möglichkeiten ergäben sich durch die Reduzierung der
Methanproduktion bei der Rinderhaltung, dem Reisanbau und
anderen bewässerten Flächen)
Kohlenstoffabscheidung und -speicherung
-
Kohlenstoff aus dem Abgas von 800 großen Kohlekraftwerken
abscheiden
-
Kohlenstoff aus dem Abgas der Kohlekraftwerke abscheiden, die
Wasserstoff für 1,5 Milliarden Autos erzeugen
-
Kohlenstoff aus dem Abgas der Kohlekraftwerke abscheiden, die
synthetische, auf Kohle basierende Kraftstoffe herstellen.
Sieben dieser Maßnahmenpakete würden ausreichen, um Socolows und
Pacalas Ziel einer Stabilisierung der Kohlendioxidemissionen zu
erreichen. Damit ist in dem Konzept Spielraum für politische
Auswahlen und das Erreichen anspruchsvollerer Ziele gegeben – zur
Erreichung des UN-Klimaschutzzieles wäre ja eine stärkere
Reduzierung der Emissionen notwendig (>> Wieviel
Treibhausgase sind erlaubt). Aber auch dieses Ziel wäre
erreichbar, statt sieben müssten zehn bis elf Maßnahmenpakte
umgesetzt werden. Klar wird jedoch anhand dieser Untersuchungen,
dass das grundlegende wissenschaftliche, technische und
industrielle Wissen für die Lösung der Klimakrise bereits heute
vorhanden ist, auch wenn man einzelne Vorschläge aus der Liste
der Maßnahmenpakete kritisch betrachen mag (etwa den Ausbau der
Atomenergie, siehe hierzu etwa >> Energie
für die Zukunft).
Und nach 2056?
Wie geht es weiter, wenn die Stabilisierung des
Kohlenstoff-Ausstoßes bis 2056 erreicht wird? Wer sich den
technologischen Fortschritt der vergangenen 50 Jahre ansieht, wird
sich scheuen, die in 50 Jahre vorhandenen wissenschaftlichen und
technischen Möglichkeiten vorherzusagen. Aber die Maßnahmen bis
dahin werden Forschung und Entwicklung nach Ansicht von Socolow und
Pacala in eine Richtung lenken, die die Lösung der zweiten Etappe
– die Halbierung des Ausstoßes – als ebenso wahrscheinlich
erscheinen läßt wie die der ersten Etappe.
Und
in Deutschland?
Das Klimaschutzkonzept des Umweltbundesamtes
Was würde die Umsetzung eines anspruchsvollen Klimaschutzkonzeptes
für Deutschland bedeuten? Diese Frage hat im Jahr 2005 das
Umweltbundesamt untersucht. Dabei ist das Umweltbundesamt davon
ausgegangen, dass Deutschland seine Emissionen vom Basisjahr 1990
bis 2050 um 80 Prozent, auf 2 Tonnen pro Kopf und Jahr, reduzieren
muss. Dieses Ziel wird durch ein Zwischenziel ergänzt: die Reduktion
der Emissionen bis 2020 um 40 Prozent.
Um diese Ziele zu erreichen, sind u.a. folgende Maßnahmen nötig:
-
Reduzierung des Stromverbrauchs (bis 2030 um 12 Prozent) in den
Haushalten: Energieeffiziente Beleuchtung und Haushaltsgeräte,
Vermeidung von Leerlaufverlusten
-
Die Stromerzeugung aus Kohlekraftwerken wird reduziert und
durch Strom aus gasbetriebenen Gas- und Dampfkraftwerken
ersetzt; erneuerbare Energiequellen werden massiv ausgebaut
-
Ausbau der Nah- und Fernwärmeversorgung auf Basis von Gas-,
Biomasse und Biogaskraftwerken
-
Nutzung des Einsparpotentials bei energieintensiven
Industrieprozessen, Druckluftsystemen, elektrischen Antrieben
und bei der Dampferzeugung
-
Gebäudesanierung, um den Heizenergiebedarf von Wohnhäusern zu
verringern
-
Verbesserter Wärmeschutz auch in Handel und Industrie,
verstärkte Nutzung von Blockheizkraftwerken
-
Verkehr: Effizientere Fahrzeuge (PKW-Kraftstoffverbrauch von 4
l/100 km bis 2020), Verlagerung auf energieeffiziente
Verkehrsträger (Fahrrad, Busse und Bahnen), Biokraftstoffe statt
fossiler Kraftstoffe; Klimawirkungen des Flugverkehrs begrenzen
-
Landwirtschaft: Vermehrte Verwendung von Biogas und optimierte
Düngeverfahren.
Das Umweltbundesamt weist in seiner Untersuchung
darauf hin, dass diese Maßnahmen nicht nur wesentlich weniger kosten
als die Schäden, die ohne diese Maßnahmen entstehen würden, sondern
darüber weitere positive Nebenwirkungen hätten:
-
Verminderung der >> Luftverschmutzung: Eine
Stabilisierung der Treibhausgase auf 450 ppm bis 2050 würde die
Belastung mit Schwefeldioxid und Stickoxiden um 70 bzw. 50
Prozent reduzieren.
-
Der Ausbau erneuerbarer Energie reduziert die Abhängigkeit von
Rohstoffimporten und das Risiko internationaler Konflikte um
knappe Rohstoffe; in armen Ländern trägt sie zur
wirtschaftlichen Entwicklung bei.
-
Eine Reduzierung des Klimawandels reduziert das Risiko von
Konflikten um Wasser in Regionen mit Wasserknappheit.
Umweltbundesamt: Die Zukunft in unseren Händen.
Climate Change 05/2006. Erhältlich als Download auf www.umweltbundesamt.de/klimaschutz/.
Beide Konzepte beruhen auf einer neuen Energiepolitik mit den
Schwerpunkten effiziente Energienutzung (>> mehr)
und Ausbau erneuerbarer Energien (>> mehr)
sowie auf einer Verkehrspolitik, die auf wesentlich sparsamere Autos
und eine stärkere Nutzung effizienterer Verkehrssysteme (Fußgänger-
und Fahrradverkehr, Busse und Bahnen) setzt (>> mehr).
Weiter mit:
>> Anpassung
an den Klimawandel
>> Saubere Energie