Strategien für die Zukunft
Der Weltenergiebericht 2008
Das Weltenergiesystem steht an einem Scheideweg; gegenwärtige Trends sind erkennbar nicht zukunftsfähig. Nötig ist eine Energierevolution, um einerseits eine zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung zu sichern, andererseits diese so umzubauen, dass sie effizient und umweltverträglich wird. Und dies sagen nicht grüne Umweltschützer, sondern die Internationale Energieagentur (IEA) der OECD in ihrem neuesten Weltenergieausblick (World Energy Outlook) 2008, der „jährlich erscheinenden Bibel der Energiewirtschaft“ (DIE ZEIT).
Abbildung 1: Bei einem Verzicht auf eine
andere Energiepolitik sieht die IEA den
Weltenergieverbrauch im Jahr 2030 bei über 17.000 Mtoe (Millionen
Tonnen Erdöl-
äquivalent) – falls die Entwicklung nicht durch Nachschubprobleme
beim Erdöl
gebremst würde. Auf jeden Fall würden das Energiebudget der Welt
weiter wachsen,
die Unsicherheit zunehmen – und der Klimawandel katastrophal.
Abbildung © OECD/IEA,
WEO Presentation to the Press 2008, mit freundlicher Genehmigung,
eigene Übersetzung*.
Der Bericht in Kurzform
Öl ist nach wie vor die wichtigste Energiequelle der Welt. Die Preisentwicklung der vergangenen Jahre mit Höchstpreisen, die im Jahr 2008 kurzzeitig 145 Dollar pro Barrel überschritten haben, hat die Welt daran erinnert, dass die Ölvorräte endlich sind und wie empfindlich die Ölpreise inzwischen geworden sind (siehe auch >> hier). Das größte Risiko für die Ölversorgung in naher Zukunft sieht die IEA darin, dass nicht in allen Förderländern genug investiert wird; ab 2010 könnte es dadurch zu Engpässen in der Ölversorgung kommen.
Gleichzeitig würde eine Fortsetzung gegenwärtiger Trends zu einem unaufhaltsamen Anstieg energiebedingter Kohlendioxid-Emissionen führen, die die Erdtemperatur um bis zu 6 Grad Celsius ansteigen lassen würden. Soll dies nicht geschehen, muss eine „Dekarbonisierung“ (eine Verringerung des Kohlenstoffgehalts) der Energiequellen eingeleitet werden. Eine Chance dazu gäbe es während des im November 2009 in Kopenhagen stattfindenden 15. UN-Klimagipfels, bei dem ein weltweit verbindliches Ziel für die Begrenzung der Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre erreicht und ein Aktionsplan zur Zielerreichung beschlossen werden müsste – und robuste Mechanismen, die Zielerreichung auch wirklich sicherzustellen. Der Energiesektor wird dazu durch schnelle Einführung erneuerbarer Energiequellen und anderer „Dekarbonisierungs-Techniken“, wie die Kohlenstoffabscheidung, beitragen müssen.
Beide Ziele, sichere Energieversorgung und Dekarbonisierung, erfordern tief greifende Änderungen: Industrie, Haushalte und Autofahrer werden anders mit Energie umgehen müssen, Energieerzeuger Energie anders erzeugen. Die Politik muss dafür die richtigen Rahmenbedingungen und Anreize schaffen. So müssen Subventionen für Energieverbrauch abgeschafft werden (die im Jahr 2007 in den 20 größten Nicht-OECD-Staaten 310 Milliarden Dollar betrugen).
Neue Ölkrisen in Sicht: die Folgen von „weiter so“
Ein Verzicht auf eine neue Energiepolitik würde auch bei hohen Energiepreisen (die IEA geht – bezogen auf die Kaufkraft von 2007 – von einem Durchschnittspreis von 100 Dollar/Barrel Öl für 2008 bis 2015 und einem Anstieg auf 120 Dollar bis 2030 aus) zu einem weiteren Anstieg des Energieverbrauchs führen. Im „Referenzszenario“ (das von einer Fortführung der aktuellen Energiepolitik ohne zukünftige Änderungen ausgeht) steigt er um 1,6 Prozent pro Jahr, von 11.730 Mtoe im Jahr 2006 stiege der Verbrauch auf über 17.000 Mtoe im Jahr 2030 (siehe Abbildung >> oben). Fossile Brennstoffe würden davon 80 Prozent decken, der Ölverbrauch von 85 Millionen Barrel auf 106 Millionen Barrel pro Tag steigen. Die Hälfte des Anstiegs beim Energieverbrauch würde alleine von China und Indien verursacht, beim Anstieg des Ölverbrauchs wäre ihr Anteil noch größer. Der Kohleverbrauch würde um zwei Prozent pro Jahr steigen, mehr als vier Fünftel der zusätzlichen Kohle würden von Kraftwerken in China und Indien gebraucht. Daran könnte auch das starke Wachstum erneuerbarer Energiequellen (Wind, Sonne, Geothermie, Wellenenergie sollen um 7,2 Prozent pro Jahr wachsen) nichts ändern, obwohl er in den OECD-Ländern mehr zur Stromerzeugung beitragen wird als neue fossile Kraftwerke und Atomkraftwerke zusammen.
Abbildung 2: Kurz nach 2010 werden
erneuerbare Energieträger die nach Kohle
wichtigste Energiequelle für die Stromerzeugung; dies liegt an der
Unterstützung durch
Regierungen und daran, dass ihre Kosten sinken. Abbildung ©
OECD/IEA, WEO
Presentation to the Press 2008, mit freundlicher Genehmigung, eigene
Übersetzung*.
Um diese Energieerzeugung zu sichern, wären bis 2030 Investitionen von insgesamt 26.000 Milliarden Dollar nötig; mehr als die Hälfte davon für die Stromerzeugung und -verteilung, der größte Teil des Rests für die Entdeckung und Erschließung von Öl- und Gasfeldern.
Abbildung 3: Die nötigen Investitionen im
Energiebereich bis zum Jahr 2030, um den
prognostizierten Verbrauch decken zu können. Die aktuelle
Kreditkrise könnte diese
Investitionen verzögern, beim Anspringen der Nachfrage könnte es
dadurch zu Versorgungs-
engpässen kommen. Abbildung © OECD/IEA, WEO Presentation to the
Press 2008, mit
freundlicher Genehmigung, eigene Übersetzung*.
Etwa die Hälfte des Geldes würde gebraucht, die gegenwärtige Infrastruktur zu erhalten, die andere Hälfte ginge in den Ausbau. Wir würden alle wesentlich mehr für Energie bezahlen müssen; der Anteil des Öls am Weltinlandsprodukt (dem Gesamtwert aller auf der Welt gehandelten Güter), der bereits von 1 Prozent (1998) auf 4 Prozent im Jahr 2007 gestiegen ist, würde weiter auf über 5 Prozent ansteigen. Ob es dabei bleibt, hängt auch davon ab, ob genug in die Entdeckung und Erschließung neuer Ölfelder investiert wird. Die Ölvorräte selbst hält die IEA für ausreichend – ein Drittel der Vorräte seien noch unentdeckt.
Aber: Dies ist keine Garantie dafür, dass der Ölnachschub mit dem Verbrauch Schritt halten kann, da alte Ölfelder zunehmend dem Ende ihrer Produktion entgegengehen (siehe folgende Abbildung, und zunehmend durch kleinere Ölfelder oder solche im Meer (offshore) ersetzt werden müssen.
Abbildung 4: Unsere zukünftige
Ölversorgung hängt immer stärker von noch nicht
erschlossenen oder gar noch nicht entdeckten Ölfeldern ab. Abbildung
© OECD/IEA,
WEO Presentation to the Press 2008, mit freundlicher Genehmigung,
eigene Übersetzung*.
Ob die hierfür und für die Ausweitung der Produktion nötigen Investitionen tatsächlich getätigt werden, ist unsicher, da in den Ländern mit den größten Öl- und Gasreserven staatliche Gesellschaften die Öl- und Gasförderung betreiben, die andere Ziele – etwa die Streckung der Vorräte – verfolgen könnten oder auch nicht über ausreichende technische Kenntnisse und Managementfähigkeiten verfügen.