Hintergrundinformation
Aus der Werkstatt der Naturforscher
Zeitmessung
Woher wissen wir eigentlich, wie alt das
Universum, die Erde, Fossilien und andere alte Gegenstände sind?
Eine der spannendsten Fragen bei der naturwissenschaftlichen
Erforschung der Entstehung der Erde und des Lebens ist die, wann
bestimmte Ereignisse stattgefunden haben. Solche Fragen hat sich der
Mensch schon lange gestellt; Untersuchungen zum Alter der
Welt haben eine lange Tradition.
Heute oft belächelt wird die Berechnung des Erzbischofs James
Ussher von der Church of Ireland, der im Jahr 1650 den
Schöpfungszeitpunkt anhand der biblischen Chronologie auf den 22.
Oktober 4004 v. Chr. festlegte. Ussher hat kräftig daneben gelegen,
aber sein Versuch zur Berechnung an sich war durchaus modern - und
auch die Naturkundler damals lagen nicht viel besser. 1897
errechnete Lord Kelvin etwa ein Erdalter von 24 Millionen Jahren –
länger, so dachte er, kann der Brennstoffvorrat der Sonne nicht
reichen (die Kernfusion als Energiequelle war noch unbekannt).
Das Alter des Universums
Mit der Urknalltheorie (>> hier)
wurde die Altersbestimmung des Universum dann im Prinzip einfach -
vorausgesetzt, man kannte die Position der Sterne und ihre
Ausbreitungsgeschwindigkeit: Dann kann man zurückrechnen, wann der
Urknall erfolgt sein muss – und das ist dann das Alter des
Universums. Die bisher genauesten Daten für die notwendigen Faktoren
lieferte der 2001 gestartete WMAP-Satellit, mit ihnen wird das Alter
des Universums heute mit 13,77 Milliarden Jahren
berechnet.
Das Alter der Erde
Die Erde ist aber jünger, denn ohne eine vorhergegangene Supernova
wären die schweren Elemente nicht erklärbar (>> mehr).
Um das Alter zu messen, brauchen wir eine “Uhr” - im weitesten Sinne
ein Prozess, der von der Zeit abhängt (wie beispielsweise das
Schwingen eines Pendels oder eines Quarzkristalls bei von Menschen
gebauten Uhren); und lange Zeit waren solche für geologische
Zeiträume nicht bekannt. Daher konnten Geologen lange nur Methoden
der relativen Altersbestimmung anhand von Leitfossilien (>> Die
Entwicklung des Lebens) verwenden. Dies änderte sich mit der
Entdeckung und Erforschung der Radioaktivität (>> hier),
die die Grundlage der heute weit verbreiteten radiometrischen
Methoden lieferte: Radioaktive Substanzen zerfallen so, dass nach
einer bestimmten Zeit, der Halbwertszeit, die Hälfte der
ursprünglichen Menge in eine andere Substanz umgewandelt wird.
Dieser Zerfallsprozess beginnt, wenn flüssiges Gestein erstarrt,
sich also Kristalle bilden. Mit Hilfe von natürlicherweise im
Gestein vorhandenen radioaktiven Substanzen kann man damit sein
Alter ermitteln. Beispielsweise zerfällt das radioaktive Uran-Isotop U-238 mit einer
Halbwertszeit von 4,47 Milliarden Jahren und über verschiedene
Zwischenstufen zu stabilem Blei-206. Wollen die Forscher also das
Alter einer Gesteinsprobe, die U-238 enthält, messen, müssen sie den
Blei-206-Gehalt messen. Von dem so gemessenen Blei-206-Gehalt muss
man den ursprünglich im Gestein vorhandenen Gehalt an Blei-206
abziehen; dieser liegt in einem festen Verhältnis zum Blei-Isotop
Blei-204 vor und kann daher durch die Messung des Blei-204-Gehalts
errechnet werden. Wenn wir den errechneten ursprünglichen Gehalt an
Blei-206 vom Messwert an Blei-206 abziehen, erhalten wir also den
Wert des durch den radioaktiven Zerfall entstandenen Blei-206; und
kann damit anhand der Halbwertszeit berechnen, wie lange seine
Entstehung bei dem vorliegenden Gehalt an U-238 gedauert hat: das
Ergebnis ist das Alter des Gesteins.
Das Alter der Erde wurde durch die Untersuchung von Meteoriten und
von Mondgestein mit dieser Uran-Blei-Methode untersucht: Da das
Material an der Erdoberfläche durch geologische Prozesse jünger ist
als die Erde selbst, musste das Alter der Erde indirekt untersucht
werden. Und Meteoriten sind, wie der Mond, aufgrund der gemeinsamen
Entstehungsgeschichte ähnlich alt wie die Erde. Die erste
Altersbestimmung an Meteoritenmaterial wurde von Clair Patterson im
Jahr 1953 durchgeführt – sie ergab ein Alter von 4,55 Milliarden
Jahren, inzwischen wurde 4,566 Milliarden Jahre altes
Meteoritenmaterial gefunden, so alt ist also das Sonnensystem. Da
die Erde und der Mond etwa 50 Millionen Jahre später entstanden
sind, ist die Erde 4,5 Milliarden Jahre alt. Dieses Alter wurde auch
durch die Untersuchung von Mondgestein bestätigt. Bis die Erde durch
weitere Einschläge von Himmelskörpern etwa ihre heutige Größe
erreicht hat, dürften aber noch viele Millionen Jahre vergangen
sein.
Die Erde - verglichen mit einem Leben
4,5 Milliarden Jahre - auch das Alter der Erde ist eine Dimension,
die unser Vorstellungsvermögen bei weitem übersteigt. Daran ist
nichts zu ändern, aber um wenigstens eine Vorstellung davon zu
geben, wann in diesem enormen Zeitraum was geschehen ist, wurden
viele Modelle entwickelt, eine Analogie zu etwas herzustellen, was
wir uns vorstellen können. Etwa: Stellen Sie sich vor, dass Alter
der Erde entspräche einem menschlichen Leben von 75 Jahren. 1
Lebensjahr entspräche dann 60 Millionen Jahren der Erdgeschichte. In
ihrem ersten Lebensjahr ist ”Baby Erde” also heftig von Meteoriten,
Asteroiden und Kometen beschossen worden und hat an Größe zugelegt
(>>
mehr). Vermutlich ziemlich frühreif, im Alter von knapp 12 bis
15 Jahren, ist das erste Leben auf der Erde entstanden (>> mehr),
und wohl schon ein paar Wochen später haben die ersten
Cyanobakterien mit der Produktion von Sauerstoff begonnen (>>
mehr).
Sehr lange, nämlich 25 Jahre lang, bestand das Leben ausschließlich
aus verschiedenen Formen von Bakterien (>> mehr).
Erst im Alter von etwa 40 Jahren entstanden Eukaryoten, der Zelltyp,
aus dem vielzellige Lebewesen entstanden (>> mehr)
- dies sollte aber noch einmal 10 Jahre dauern. Inzwischen war die
Erde 50 Jahre alt. Es dauerte noch einmal 12 bis 13 Jahre, bis die
ersten Tierstämme entstanden (>>
mehr), und als die Dinosaurier auf der Bildfläche erschienen
(>> mehr),
war Mutter Erde wohl schon Großmutter - jedenfalls war sie schon
über 70. Ihre ersten Blumen kann sie aber frühestens zu ihrem 73.
Geburtstag bekommen haben, denn vorher gab es keine Blütenpflanzen.
Kurz bevor Großmutter Erde ihren 75. Geburtstag feiern konnte,
schlug ein Meteorit ein und beendete die Zeit der Dinosaurier. Das
bisher letzte Lebensjahr der Erde sollte von den Säugetieren
beherrscht werden. Im Mai diesen Jahres wurden die Primaten
häufiger, und bis Anfang Okober entstanden aus diesen die ersten
Menschenaffen (>>
mehr). Die Vorläufer des Menschen trennten sich von dieser
Linie gegen Ende November (>> mehr),
und die ersten Menschen der Gattung Homo erschienen am 15. Dezember.
Der moderne Mensch Homo sapiens trat am späten Abend des 30.
Dezembers auf, erfand am 31. Dezember gegen 22.30 Uhr die
Landwirtschaft (>>
mehr) und vermehrte sich auf 800 Millionen Menschen. Die
begannen um fast 23.58 Uhr mit der Industriellen Revolution
(>>
mehr). Wirklich beherrscht wird die Erde von diesem System
aber erst in den letzten 30 Sekunden.
Das Alter der Dinge
Es gibt eine ganze Reihe weiterer radioaktiver Substanzen, die scih
ähnlich wie Uran-238 einsetzen lassen, Die Auswahl richtet sich
unter anderem nach dem zu untersuchenden Zeitraum: Nach etwa 10
Halbwertszeiten ist so wenig radioaktives Material übrig, dass die
Methode kaum noch zu verwenden ist. Aber die Halbwertszeiten der
verwendeten radioaktiven Materialien unterscheiden sich, so dass für
einen riesigen Zeitbereich relativ genaue “Uhren” zur Verfügung
stehen; die Ungenauigkeit beträgt bei der radiometrischen Methode
etwa ein Prozent. Komplexer werden die Messungen dadurch, dass die
beschriebene Methode nur für magmatisches Gestein verwendbar ist (da
der gemessene Zerfallsprozess bei dessen Erstarrung beginnt), nicht
aber für Sedimentgestein, in dem die meisten Fossilien gefunden
werden. Hier kann oft der genaue Zeitraum nur durch das darunter und
darüber gefundene magmatische Gestein eingegrenzt werden.
Es sei denn, die untersuchten Lebewesen sind so jung, dass ihr
Alter mit der C-14-Methode bestimmt werden kann.
Diese Methode beruht darauf, den Zerfall des radioaktiven
Kohlenstoff-Isotops C-14 zu messen. In der Atmosphäre bleibt der
C-14-Anteil immer gleich, das dieses durch den Beschuss von
Stickstoff durch kosmische Strahlung entsteht und sich Bildung und
Zerfall in einem Gleichgewicht befinden. In einem lebenden Körper
ist er ebenfalls konstant, da der Kohlenstoff sich in einem
Austausch mit dem Kohlenstoff in der Atmosphäre befindet. Sobald ein
Lebewesen aber stirbt, endet dieser Austausch und beginnt der
Zerfall: Mit einer Halbwertszeit von 5.730 Jahren zerfällt das C-14
zu N-14, das Verhältnis C-12 zu C-14 wird also immer größer. Und
damit kann man den Todeszeitpunkt messen. Aufgrund der relativ
kleinen Halbwertszeit lassen sich aber nur Lebewesen bis zu einem
Zeitraum von 50.000 bis 60.000 Jahren mit dieser Methode erfassen.
(Und noch etwas macht die Methode komplex: Historisch ist das
C-12/C-14-Verhältnis aufgrund von Schwankungen der kosmischen
Strahlung und des Erdmagnetfeldes nicht ganz konstant gewesen;
Ergebnisse müssen daher kalibriert werden, um diese Schwankung zu
berücksichtigen. Da dieses noch nicht lange bekannt ist, sind ältere
Daten oft unkalibriert und daher ungenau.)
Neben diesen Methoden ist auch die “alte” Auswertung von
Baumringen nach wie vor nützlich: An den Jahresringen von
Bäumen kann man deren Alter abzählen. Da zudem die Jahresringe in
guten Jahren dick, in schlechten Jahren dünn sind, entsteht ein
charakteristisches Muster, anhand dessen man überlappende Holzstücke
miteinander verbinden kann - diese Dendrochronologie genannte
Methode kann heute Holz identifizieren, das bis zu 11.500 Jahre alt
ist. Der Vorteil dieser Methode ist, dass derart Material auf das
Jahr genau datiert werden kann, genauer als bei jeder anderen
Methode für diesen Zeitraum. Nebenbei: Mit dem Vergleich von
Ergebnissen aus der Auswertung von Baumringen und der C-14-Methode
konnte die Richtigkeit der oben dargestellten Annahmen belegt
werden, denn beide so unterschiedliche Methoden führten in vielen
Paralleluntersuchungen zum gleichen Ergebnis.
Eine weitere Methode der Zeitmessung sind die “molekularen
Uhren” der Biologie, die die Mutationsrate im Erbmaterial
zur Altersbestimmung nutzen, mehr >>
hier.
Siehe auch:
Geologische Zeittafel
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Aus Staub geboren - die Entstehung von
Sonne und Erde