Das Zeitalter der Landwirtschaft

Eine Botschaft von der Osterinsel

Auf der mitten im Pazifik gelegenen Osterinsel gab es einst eine große Kultur: Ihre Steinfiguren ziehen noch heute Touristen an. Als die Europäer die Osterinsel entdeckten, war diese Kultur aber längst untergegangen: Sie hatte ihre Lebensgrundlage, die Palmwälder, abgeholzt und versuchte nun mühsam, mit Steinen auf den Feldern den Verlust des Bodens zu stoppen. Der Mensch war auch im Zeitalter der Landwirtschaft schon in der Lage, den Ast abzusägen, auf dem er saß ...

Foto einer Steinfigur von der Osterinsel
Steinfigur von der Osterinsel. Ausschnitt aus dem Foto “Ahu Tongariki.jpg” aus Wikipedia Commons, abgerufen am 9.4.2007, Fotograf Rivi, Lizenz: GFDL.

Das Rätsel der Steinfiguren

Die Osterinsel ist wohl der abgelegenste Ort der Welt: 3.700 Kilometer westlich von Chile und 2.100 Kilometer östlich der Pitcairn-Inseln liegt die 166 Quadratkilometer große Insel mitten im Pazifik. Daher wurde sie auch erst um das Jahr 900 n. Chr. besiedelt – während der spektakulären Ausbreitung, mit der polynesische Seefahrer Ozeanien besiedelten (mehr hier). 1722 wurde sie von den Europäern entdeckt; und schon den ersten Entdeckern gaben die riesigen Steinstatuen Rätsel auf, die heute noch die touristische Hauptattraktion der Insel sind. Die Statuen stellen stilisierte männliche Körper ohne Beine dar, es gibt 887 Exemplare davon auf der Insel. Die größte ist 21 Meter hoch und wiegt 270 Tonnen. Jacob Roggeveen, der niederländische Entdecker der Insel, war nicht nur “starr vor Erstaunen” über die steinernen Bildsäulen (so sein Tagebucheintrag), er fragte sich auch, wie die Bewohner sie aufgestellt hatten. Ohne Holzbalken und Seile schien dies unmöglich – auf der Insel fanden sich aber nur wenige kleine Bäume. Die Spekulationen schossen über die Jahrhunderte ins Kraut, Thor Heyerdahl suchte zu beweisen, dass sie mit den Bauwerken der Inka in Beziehung standen; Erich von Däniken sah auch auf der Osterinsel Außerirdische am Werk. Inzwischen gibt es eine Erklärung; und sie zeigt, dass auf der Osterinsel eine Kultur ihre eigene Grundlage zerstört hat.

Die Blütezeit der Osterinsel

Die Polynesier kamen mit Auslegerkanus zur Osterinsel – die Gruppe dürfte also klein gewesen sein; vielleicht kamen nur 20 oder 30 Menschen mit Nutzpflanzen, einigen Hühnern (und Ratten) auf die Insel. Sie kamen auf eine Insel, die, wie Pollenanalysen zeigten und Wurzelabdrücke noch heute belegen, dicht mit Palmen bewachsen war – vermutlich eine Art, die der Chilenischen Honigpalme ähnelte. Die Palmwälder bedeckten etwa 70 Prozent der Inselfläche. Sie wurden zur Grundlage der Ernährung der Siedler, die in den Wäldern Gärten anlegten – die Bäume gaben Schatten und schützten die Pflanzen (vor allem Süßkartoffeln) vor Austrocknung, außerdem lieferten sie nahrhafte Palmnüsse. Der Boden wurde mit Pflanzstöcken bearbeitet, die die Wurzeln der Palmen nicht beschädigten; Pflanzenreste wurden als Dünger in den Boden eingearbeitet.

Das Leben dieser Siedler scheint nicht sehr schwer gewesen zu sein; sie hatten genug Zeit und Energie für andere Aktivitäten – etwa den Bau von steinernen Plattformen, die zeremoniellen Zwecken dienten; und die Herstellung, den Transport und die Aufstellung der Steinfiguren, die später die Welt erstaunen sollten. Sie stellten hochrangige Vorfahren dar; und zwischen den einzelnen Territorien auf der Insel scheint ein Wettstreit entbrannt zu sein, wer die größten und schönsten Steinfiguren herstellt. Die gesamte Arbeit musste mit Muskelkraft erledigt werden, Zugtiere gab es auf der Insel nicht. Die Bevölkerung musste also schon erheblich gewachsen sein – Experimente zeigen, dass die Arbeit nur von großen Gruppen von bis zu 500 Erwachsenen geleistet werden konnte – die natürlich auch ernährt werden wollten. Die Steinfiguren setzten also eine komplexe Gesellschaft voraus. Zu den besten Zeiten sollen etwa 15.000 Menschen auf der Insel gelebt haben.

Die Umweltkrise auf der Osterinsel

Das waren offenbar zu viele Menschen. Als erstes rotteten sie die großen Landvogelarten aus. Knochenuntersuchungen zeigten, dass es in der ersten Zeit Reiher, Rallen und Papageien gab, und dazu zahlreiche nistende Seevogelarten. Die Landvogelarten starben alle aus, von den Seevogelarten nistete am Ende noch eine einzige auf der Hauptinsel. Dann begann, in großem Maßstab Mitte des 13. Jahrhunderts, die Abholzung der Palmwälder. Das Holz wurde für die Boote, für den Transport und die Aufrichtung der Steinfiguren, als Brennholz (auch zur Einäscherung von Leichen) und wohl auch als Getränk gebraucht – eine gefällte Honigpalme liefert über 400 Liter eines zuckerhaltigen Safts. Zudem nagten die Ratten die Palmnüsse an, so dass diese nicht mehr keimen konnten. Gegen das Jahr 1500 scheinen die Palmen selten geworden zu sein; als die Europäer die Osterinsel erreichten, gab es keine mehr.

Die Folgen waren dramatisch: Wo der Palmwald abgeholzt war, trocknete der Boden unter dem vorherrschenden Wind aus und wurde durch Regen und bei Stürmen davongetragen. Ein Teil des Gebietes wurde für den Anbau gänzlich ungeeignet. Wenn man heute auf die Osterinsel kommt, findet man auf großen Teilen der Fläche ein riesiges Steinmeer: ein Relikt des Kampfes gegen die Erosion – der Steinmulchung. Wo genügend Steine vorhanden waren, wurden diese zum Schutz gegen die Erosion auf die Erde verteilt – solche Flächen bedecken 45 Prozent der Oberfläche der Insel. Der Arbeitsaufwand für dieses System muss sehr groß gewesen sein, aber die Ernährung war nun von den Erträgen des Gartenbaus abhängig – ohne Holz zum Bau von Booten war auch keine Fischerei mehr möglich. Dafür nahm die Zahl der Hühnerställe zu. Trotz aller Bemühungen kam die Osterinsel aber nicht an einer Katastrophe vorbei; es kam zu Hungersnöten und die Bevölkerung ging um 70 Prozent zurück. Es kam auch zu Kannibalismus, und um 1680 zu Bürgerkriegen, in deren Verlauf die meisten der Steinfiguren umgekippt wurden – das Vertrauen in die Vorfahren war offenbar verloren gegangen. Vielen Menschen wohnten am Ende in Höhlen statt in Häusern. Captain Cook, der die Insel 1774 erreichte, beschreib die Einwohner als “klein, mager, ängstlich und elend”.

Den Europäern hatten sie nichts entgegenzusetzen. Pocken und andere Krankheiten dezimierten die Bewohner der Osterinsel weiter; 1872 gab es noch gut 100 Inselbewohner. 1888 annektierte Chile die Insel, und machte sie im Wesentlichen zu einer Schaffarm. Seit den 1950er und -60er Jahren werden vor allem Rinder und Pferde auf der Insel gehalten. Die Beweidung und das Brandmanagement (Brände sollen junge Weidegräser fördern) führten zu weiter verstärkter Bodenerosion; die Vegetation wird zu großen Teilen von eingeschleppten Arten bestimmt, etwa einer zur Verbesserung der Weideflächen eingeführten afrikanischen Hirseart.

Eine Botschaft von der Osterinsel

Die Bewohner der Osterinsel hatten vor der Vernichtung der Palmenwälder ein viel leichteres Leben als nach ihrer Abholzung. Jared Diamond fragt sich in seinem Buch Der Kollaps, was wohl der Bewohner dachte, der die letzte Palme gefällt hat. Vielleicht: “Wir haben keinen Beweis, dass es nicht an anderen Stellen der Osterinsel noch Palmen gibt, wir brauchen mehr Forschung, der Vorschlag, das Abholzen zu verbieten, ist voreilig und reine Angstmacherei”? Die Osterinsel zeigt jedenfalls, das der Mensch, aus welchen Gründen und mit welchen Gedanken auch immer, schon mit Steinwerkzeugen in der Lage war, seine Lebensgrundlagen zu zerstören – und dass es auch bei “Naturvölkern” keinen Instinkt gibt, der sie davor schützt.

Für Jared Diamond besteht die Hoffnung aber darin, dass wir aus dieser (und den vielen andern, ähnlichen Geschichten, die er in seinem Buch vorstellt) lernen können: Die Zerstörung der Lebensgrundlagen auf der Osterinsel war eben keine Naturkatastrophe, sondern eine Folge menschlicher Entscheidungen. Wir könnten uns heute aber auch entscheiden, die Lösung ökologischer Probleme in Angriff zu nehmen, weitsichtige Entscheidungen zu treffen, sobald die Probleme erkannt werden, aber noch keine Katastrophe verursachen. Immerhin werden uns die möglichen Folgen unseres Verhaltens vorher vor Augen geführt, auch auf diesen Seiten. Verstehen wir die Botschaft von der Osterinsel?

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(Dieser Beitrag basiert im Wesentlichen auf den Darstellungen in Landschaften der Erde, Der Kollaps und A Green History of the World.)

© Jürgen Paeger 2006 – 2020