Der Mensch
Jäger und Sammler und
ihre Umwelt
Die Jäger und Sammler waren nicht immer “edle Wilde”, die im “Einklang mit der Natur lebten”: Bei seiner Ausbreitung über die Welt zog Homo sapiens eine Spur der Zerstörung nach sich; viele große Säugetiere wurden ausgerottet. Erst im Laufe der Zeit entwickelten viele Kulturen Traditionen, die sie zu Hütern ihrer Ökosysteme machten: Sie sahen sich als Bestandteil eines lebenden Kosmos und behandelten andere Lebewesen wie auch ihre unbelebte Umwelt respektvoll.
Stich eines Lagers der australischen Ureinwohner, die zum Zeitpunkt der Besiedlung Australiens durch die Europäer noch als Jäger und Sammler lebten (aus: Edwin Carton Booth, Australia in the 1870th, Virtue and Co. 1873, übernommen aus >> wikipedia commons, abgerufen 30.05.2012). Die australischen Ureinwohner veränderten die Vegetation des Landes durch regelmäßige Feuer (>> mehr) und rotteten vermutlich viele große Säugetiere aus (>> mehr).
Feuer: die erste Umgestaltung der Welt
Mit der Nutzung von Werkzeugen und vor allem der Nutzung des Feuers – beide nicht spezifisch menschlich (siehe rechts), aber von niemandem sonst so gekonnt und ausgeprägt genutzt – begann der Mensch bereits lange vor Entstehung des Homo sapiens, einen immer größeren Anteil der Energie- und Stoffflüsse des Ökosystems Erde für sich zu nutzten. Feuer sind eine natürliche ökologische Kraft: Vor allem Blitzeinschläge sorgen immer wieder für brennende Wälder, Busch- und Grasländer. Manche Pflanzen brauchen Feuer, um überhaupt keimen zu können. Schon Homo erectus hat gelernt, mit Feuern umzugehen und begann mit seiner Hilfe, die Welt nach seinen Vorstellungen umzugestalten: er zündete die "alte" Vegetation an, woraufhin sich schnell wachsende Gräser ausbreiteten und Jagdwild anlockten; für den Menschen nutzbare (frucht- oder nusstragende) Büsche folgten. Im Laufe der Geschichte gestaltete der Mensch auf diese Weise weite Teile der natürlichen Landschaft um; auch dort, wo keine Landwirtschaft betrieben wurde: die Indianer Nordamerikas setzen Feuer ein, um ihre Jagdgründe zu schaffen – Landschaften, die ihre bevorzugte Jagdbeute anlockte, so dass sie die versammelten Tiere fast schon ernten konnten. Der Reichtum an Brasil-Holz in den Küsten-Regenwäldern, der Brasilien seinen Namen gab, ist für einen Urwald untypisch; mit häufigen Feuern durch eine dichte Indianer-Bevölkerung aber leicht zu erklären. Der Amazonas-Regenwald wurde bereits vor Einsetzen des Ackerbaus offenbar von den indianischen Ureinwohnern regelmäßig abgebrannt: diese legten Gärten an, mit denen sie (auch) Jagdwild anlockten – der Amazonas-Regenwald, den wir heute schützen, ist womöglich ein Wald, der erst nach 1500 in Folge der weitgehenden Entvölkerung durch eingeschleppte europäische Krankheiten entstanden ist (>> mehr). Feuerland erhielt seinen Namen durch die Rauchwolken, die Magellan an der Südspitze Südamerikas aufsteigen sah; und auch die afrikanische Savanne ist offensichtlich durch regelmäßige Feuer, die den Graswuchs förderten und junge Bäume verbrannten, wenn nicht entstanden, so doch erhalten worden. Und die Eukalyptuswälder Australiens sind ebenfalls eine Folge des menschlichen Feuers (siehe unten: Beispiel Australien). In vielen Fällen war also das Land, das die späteren europäischen “Entdecker” für jungfräulich hielten, durch seine menschlichen Bewohner bereits tief greifend verändert.
Das Feuer half uns Menschen auch, ansonsten ungenießbare Nahrungsmittel zugänglich zu machen (hier); der Gebrauch von Werkzeugen verstärkt diese “Aneignung” noch einmal – wer Tiere mit scharfen Steinwerkzeugen zerteilen kann, ist nicht mehr nur auf die Kraft seiner Zähne beschränkt. Ökologisch bedeutete beides (das "Anlocken" von nutzbaren Tieren und Pflanzen und das Kochen/Braten der Nahrung), dass sich der Radius, den wir zum Auffinden von ausreichend Nahrung benötigten, verkleinerte: die Nutzung des Feuers war der erste Schritt auf dem Weg zur späteren Sesshaftigkeit (und auch zur Domestizierung des Menschen (510), der heute ohne Feuer nicht mehr überleben kann.) Feuer und Werkzeuge hatten noch eine zweite Wirkung: Der Mensch konnte mit Lagerfeuern und der Fähigkeit zur Herstellung von Kleidung neue, kühlere Lebensräume besiedeln; und auch damit erhöhte er noch einmal seinen Anteil an den Energie- und Stoffflüssen der Natur.
Homo sapiens
Zu den Fähigkeiten, die Homo sapiens erlaubten, die Welt zu erobern, gehörte unter anderem die, gemeinsam die größten und wildesten Tiere zu jagen. Davon machte er reichlich Gebrauch: archäologische Spuren zeigten, dass beispielsweise in den Great Plains in Nordamerika Bisons und in Europa (etwa in Solutré bei Lyon) Pferde massenhaft über Abgründe gehetzt wurden. Dabei wurden derart viele Tiere getötet, dass das Fleisch nur zu einem kleinen Teil verwertet werden konnte.
Wie frühere Jäger und Sammler ihre Rolle in der Umwelt verstanden haben, wissen wir nicht (mehr dazu hier). Die heute noch bestehenden Jäger- und Sammler-Gesellschaften haben jedoch eine Gemeinsamkeit, die die meisten Forscher auch für die damaligen Jäger und Sammler vermuten: Sie trennen nicht zwischen Menschen und Natur, sondern fassen vielmehr den ganzen Kosmos als belebt auf (was wir heute als "animistische Glaubensvorstellungen bezeichnen). In vielen Fällen hat diese Vorstellung irgendwann zu großem Respekt vor den belebten, aber auch den unbelebten Bestandteilen der Umwelt geführt – wie etwa am Beispiel der Koyukon-Indianern in Nordalaska gezeigt wurde. Aber die Kulturen der Jäger und Sammler waren sehr unterschiedlich (mehr dazu hier), und dieser Respekt war nicht immer und überall zu erkennen: Viele Stämme waren später in Kontakt zu europäischen Händlern etwa gerne bereit, diesen bei der Ausrottung vieler Tierarten zu helfen, etwa bei der Pelzjagd in Amerika.
Dass lange Zeit der Mythos vorherrschte, dass die Jäger und Sammler in "Einklang mit der Natur" lebten, hat – neben den oben erwähnten, aber wohl nicht ursprünglichen Beispielen von Kulturen mit einem respektvollen Umgang mit der Natur – vor allem mit ihrer geringen Zahl (die weltweit wohl nie mehr als acht Millionen Menschen betragen hat) und ihren – im Vergleich zu heute – geringen technischen Möglichkeiten zu tun. Tatsächlich aber hat Homo sapiens bereits vor Erfindung der Landwirtschaft die Erde sehr verändert, wie die folgenden Kapitel zeigen.
Massenaussterben durch frühe Jäger
Homo sapiens war mit seiner Sprache und seinen ausgetüftelten Waffen ein guter und sehr anpassungsfähiger Jäger, als er die Welt eroberte. Es gibt kein anderes Beispiel, wie eine große Säugetierart über Klimazonen und Meere hinweg die Welt besiedelte. Irgendwann vor 30.000 bis 15.000 Jahren entwickelten unsere Vorfahren Pfeil und Bogen; damit konnten sie noch schnellere und gefährlichere Tiere jagen. Unsere Ahnen waren offensichtlich zu gute Jäger: Wo immer der Mensch neue Kontinente und Inseln besiedelte, kam es zu einem Massenaussterben von Tierarten – vor allem großer und flugunfähiger Landtiere. Besonders deutlich war dies in den Regionen, die zuvor auch noch nicht mit Homo erectus in Berührung gekommen waren: In Australien, dass sich seit 55 Millionen Jahren eigenständig entwickelt hatte, verschwanden bald nach der Ankunft der ersten Menschen die größten Kängurus, nashornähnliche Riesenbeuteltiere und die Beutellöwen – 23 der 24 großen Tierarten (Arten, bei denen erwachsene Tiere mehr als 50 kg wiegen) starben nach der Ankunft des Menschen aus. Ähnlich in Nordamerika: Mammuts, Mastodonte, Säbelzahntiger und Riesenfaultiere verschwanden – hier waren bald nach der Besiedelung durch den Menschen alle Großtiere (Tiere, die mehr als 1000 kg wiegen) und mehr als die Hälfte der leichteren großen Tierarten (und insgesamt zwei Drittel aller großen Säugetierarten) ausgerottet. Auf den ersten Blick ist die Bilanz besser als in Australien; aber die überlebenden Arten wie Bison, Braunbären und Elche waren solche, die den amerikanischen Kontinent erst über dieselbe Landbrücke wie der Mensch besiedelt hatten – die also gelernt hatten, dass das zweibeinige Lebewesen Mensch weniger harmlos war, als er aussah. Das Aussterben der Arten ging auch später weiter, wann immer der Mensch "neues" Land betrat: Auf den karibischen Inseln verschwanden die Antillenaffen und das Riesenfaultier; auf Neuseeland alle 15 Arten der flugunfähigen Moas; auf Madagaskar der Elefantenvogel und die Riesenlemuren...
Der Schluss liegt nahe, dass mindestens die Pflanzenfresser unter ihnen vom Menschen ausgerottet wurden. Die oben erwähnten Skelettansammlungen in Schluchten und Sümpfen zeigen, wie wirksam die Waffen und die Jagdstrategie des Menschen inzwischen geworden waren – und auf den neu besiedelten Kontinenten und Inseln auf eine Tierwelt traf, die keine gefährlichen zweibeinigen Affen kannten und daher auch nicht scheu waren. Die Raubtiere starben womöglich aus, da der Mensch ihnen die Beute genommen hatte. Diese als “Overkill”-Hypothese bezeichnete Annahme ist nicht unumstritten, da das Aussterben auch durch Krankheitserreger verursacht worden sein könnte: Ähnlich wie später zu Zeiten von Kolumbus (mehr) könnten mit den Einwanderern neue Krankheitserreger auf die Kontinente gelangt sein, die dem Großwild das Garaus machten.