Der Mensch

Anmerkungen

Unser afrikanischer Ursprung

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108: Eine interessante Bestätigung für diesen Zeitraum liefern auch neuere Untersuchungen an Kopfläusen: die menschliche Kopflaus (Pediculus humanus capitus) ist nämlich, wie schon der Läuseforscher Henry Ewing in der 1930er Jahren vermutete, mit den Läusen der Schimpansen (Pediculus schaeffi) eng verwandt. Auch diese Linien haben sich nach Untersuchungen mitochondrialer DNA vor sechs Millionen Jahren voneinander getrennt. Quelle: Bob Dunn 2012: Enge Verwandte. New Scientist (deutsche Ausgabe) 46, S. 48-53.

120: Die rund 3,3 Millionen Jahren alten ältesten Funde von Steinwerkzeugen stammen vom Turkana-See und aufgrund ihres Alters nicht (wie früher von Werkzeugen angenommen) unserer Gattung Homo zuzuordnen. Sonia Harmand et al. 2015: 2.3-million-year-old stone tools from Lomekwi 2, West Turkana, Kenya. Nature 321, p. 310-315. doi:10.1038/nature14464.

122: Die Auswirkungen der damaligen Umwelt im Ostafrikanischen Graben auf die Evolution des Menschen sind detaillierter beschrieben in: Lewis Dartnell: Ursprünge. wie die Erde uns erschaffen hat. Hanser Berlin 2019.

130: So benannt nach einer Fundstelle bei dem Dorf St. Acheul bei Amiens in Nordfrankreich.

134: Dies vermutet etwa der amerikanische Anthropologe James Suzman in seinem Buch "Sie nannten es Arbeit", C.H. Beck 2021. Dass die Herstellung und der Gebrauch von Werkzeugen Einfluss auf den Selektionsdruck ausübten, zeigt sich für Suzman auch darin, dass der Großteil der zusätzlichen Energie, die der Mensch sich mit Werkzeugen (und später der Nutzung des Feuers) zugänglich machte, der Entwicklung des Gehirns und nicht etwa in die körperliche Entwicklung unserer Vorfahren geflossen sei.

140: Auch hier geben Läuse interessante Hinweise, wann wohl unsere Vorfahren die Haare verloren haben: Schamläuse (Phthirus pubis) sind nicht mit den Kopfläusen, sondern den Gorillaläusen (Phthirus gorillae) verwandt. Beide Linien haben sich nach DNA-Untersuchungen vor 3,3 Millionen Jahren getrennt, damals war unsere Körperbehaarung wohl so weit zurückgegangen, dass die Schamläuse im Schamhaar eine "ökologische Insel" finden konnten. (Obgleich Schamläuse heute üblicherweise beim Geschlechtsverkehr übertragen werden, muss dies damals nicht der Fall gewesen sein: Es könnte auch sein, dass Vormenschen Gorillas gejagt haben und sich dabei die neuen Parasiten zugezogen haben.) Quelle: Bob Dunn, s.o.

150: Eine eindrucksvolle, wenn auch manchen Punkten umstrittene Darstellung der Rolle des Feuers für die menschliche Evolution: Richard Wrangham 2009: Feuer fangen: Wie uns das Kochen zum Menschen machte – eine neue Theorie der menschlichen Evolution. DVA 2009.

160: Hermann Parzinger: Vor- und Frühgeschichte, S. 48. In: Akira Iriye und Jürgen Osterhammel (Hrsg.): Die Geschichte der Welt. Die Welt vor 600. C.H. Beck 2017.

180: Auch zu diesem Thema haben die Läuse etwas zu erzählen: Die Kleiderlaus (Pediculus humanus humanus) ist offenbar mehrfach während der Menschheitsgeschichte aus der Kopflaus entstanden; dies ist erstmals vor über 100.000 Jahren erfolgt. Da die Entwicklung von der Kopf- zur Kleiderlaus schnell geht, dürfte dies etwa der Zeitpunkt sein, an dem unsere Vorfahren erstmals Kleidung trugen. Quelle: Bob Dunn, s.o.

Mensch und Gehirn

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240: Esther Hermann et. al 2007: Humans Have Evolved Specialized Skills of Social Cognition: The Cultural Intelligence Hypothesis. Science 317, S. 1360-1366.

Homo sapiens

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316: Neuere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Mutationsrate des Menschen zu hoch eingeschätzt wurde, bei einer niedrigeren Mutationsrate müssten die Altersangaben aufgrund molekularer Uhren vordatiert werden. Siehe Aylwyn Scally and Richard Durbin: Revising the human mutation rate: implications for understanding human evolution. Nature Reviews Genetics 13, p. 745–753 (2012) doi:10.1038/nrg3295.

320: Evan Eichler et al: Emergence of a Homo sapiens-specific gene family and chromosome 16p11.2 CNV susceptibility. Nature 536, 205–209 (11. August 2016), doi:10.1038/nature19075.

322: Callaway, E. Oldest Homo sapiens fossil claim rewrites our species' history. Nature (2017). https://doi.org/10.1038/nature.2017.22114

330: Homo sapiens hat Afrika offenbar sehr früh in seiner Geschicht schon verlassen; der älteste Fund in Griechenland ist 210.000 Jahre alt (Katerina Harvati et al: Apidima Cave fossils provide earliest evidence of Homo sapiens in Eurasia. Nature, doi: 10.1038/s41586-019-1376-z). Auch hat er sich in Europa bereits vor 220.000 Jahren mit dem Neandertaler gepaart (Johannes Krause mit Thomas Trappe: Die Reise unserer Gene. Propyläen 2019). Er könnte er bis nach China gelangt sein, was dortige 80.000 Jahre als Homo-sapiens-Fossilien erklären würde. Diese frühen Wanderungen scheiterten aber offensichtlich; genetische Daten zeigen, dass wir allesamt auf eine spätere Auswanderungswelle zurückgehen.

340: siehe zum Beispiel James Suzman: Sie nannten es Arbeit. C.H. Beck 2021.

360: Wie flexibel der Mensch ist, zeigt seine Fähigkeit, in heutigen Industriegesellschaf­ten zu leben. Dass diese Fähigkeit nicht mit auf einer biologischen Evolution beruht, son­dern bereits in Wildbeutern angelegt ist, zeigt beeindruckend etwa die Entwicklung auf Neuguinea, von der Jared Diamond in seinem Buch "Vermächtnis" berichtet: Die Bewohner des Hochlands Neuguineas lebten noch 1931 in der Steinzeit, als sie von einem Australier "entdeckt" wurden. Bereits 75 Jahre später lebten viele von ihnen in einer modernen Gesellschaft mit Flugzeuge, Computern und Kreditkarten.
Jared Diamond: Vermächtnis. S. Fischer Verlag 2012 (Fischer Taschenbuch 2013).

Andererseits bedeutet die Entwicklung von Kulturen nicht, dass der Mensch sich von seinem biologischen Erbe gelöst hätte: Die Biologie gibt das Spielfeld vor, in dem mensch­liche Geschichte sich bewegen kann. Manches Erbe aus der Steinzeit wirkt in jedem von uns: So kann man etwa die regelrechte Epidemie der Verfettung von Menschen in modernen Industriestaaten damit erklären, dass es für Wildbeuter sinnvoll war, so viel süße und fette Nahrung zu sich zu nehmen, wie sie kriegen konnten. Zucker etwa gab es nur in reifen Früchten; die aber gab es selten und waren auch von anderen Tieren begehrt, so dass es riskant war, sie bis zum nächsten Tag am Baum zu lassen. Daher war es sinnvoll, sich den Bauch vollzuschlagen, wann immer es ging. Eine genetisch angelegte Zurückhaltung musste sich nicht entwickeln, da es ohnehin nicht zu viel Zucker gab. Heute wird Zucker reichlich und billig industriell produziert, und im Kühlschrank sind unsere Süßigkeiten sicher gelagert – unsere Gene haben das aber noch nicht mitgekriegt. (Dass nicht alle Menschen in modernen Industriestaaten verfetten, ist eine kulturelle Leistung – Kultur kann auch den stärksten biologischen Antrieb neutralisieren, siehe etwa das katholische Zölibat.)

366: Neuere Datierungen verlegen den Zeitpunkt auf 60.000 Jahre zurück: die ursprüngliche Messung sei verfälscht, da die datierten Holzkohlenreste erst später durch Erosionsprozesse in den Boden eingetragen worden seien. Siehe: Thomas Sutikna et al.: Revised stratigraphy and chronology for Homo floresiensis at Liang Bua in Indonesia. In: Nature. Band 532, 2016, Nr. 7599, S. 366–369, doi:10.1038/nature17179.

Diese Datierung stellt natürlich auch in Frage, ob sich Homo sapiens und Homo floresiensis jemals begegnet sind.

367: Die Geschichte der Besiedlung Europas durch den modernen Menschen folgt hier der Darstellung in Johannes Krause mit Thomas Trappe: Die Reise unserer Gene. Propyläen 2019. Das Buch beruht basiert auf archäogenetischen Untersuchungen.

368: Der moderne Mensch paarte sich bei seiner Besiedlung der Welt nicht nur mit dem Neandertaler, sondern der nach Osten wandernde Zweig paarte sich auch mit dem Denisova-Menschen: die Ureinwohner Australiens und Papua-Neuguineas besitzen zu sieben Prozent Gene des Denisova-Menschen (Johannes Krause mit Thomas Trappe: Die Reise unserer Gene. Propyläen 2019). Wir wissen nicht, ob die Paarungen freiwillig oder gewaltsam erzwungen erfolgten. Erfahrungen aus historischer Zeit, etwa während der Kolonialzeit oder bei den Sklavenhaltern, zeigen, dass der Mensch bei der Auswahl seiner Sexualpartner auch vermeintlich "niedere" Menschenformen nicht verschmäht - auch Rassisten haben Kinder mit ihnen gezeugt.

370: Ben Potter et al.: Terminal Pleistocene Alaskan genome reveals first founding population of Native Americans. Nature online 2018 (doi:10.1038/nature25173).

375: Richard B. Lee und Irven DeVore (Hrsg.): Man the Hunter. Aldine 1968; Richard Lee: The !KungSan: Man, Women and Work in a Foraging Society. Harvard University Press 1976; Richard B. Lee: The Dobe Ju/'Hoansi. 4. Aufl., Wadsworth 2013; Marshall Sahlins: Stone Age Economics. Routledge 1972; Colin Turnbull: The Forest People: A Study of the People of the Congo. Simon & Schuster 1961 (dt. Molimo. Drei Jahre bei den Pygmäen. Kiepenheuer & Witsch 1963); Nicolas Peterson: Demand sharing: reciprocity and pressure for generosity among foragers. American Anthropologist 95 (4), 1993, S. 860-874. Alle zitiert nach James Suzman: Sie nannten es Arbeit. C.H. Beck 2021.

380: Der Ausdruck "Vorhang des Schweigens" stammt aus dem Buch "Eine kurze Geschichte der Menschheit" von Yuval Noah Harari (DVA 2013) und bezieht sich auf die menschliche Geschichte in dieser Zeit insgesamt, nicht nur auf das geistige Leben: über das grobe Muster hinaus kennen wir keine einzelnen Ereignisse dieser 60.000 oder 70.000 Jahre der Menschheitsgeschichte, die unser Denken und Fühlen geprägt haben.

390: Den Begriff Natufien prägte die britische Prähistorikerin Dorothy Garrod (die erste Frau, die eine Professur an der Universität Cambridge erhielt). Garrod hatte von 1928 bis 1934 eine britisch-amerkanische Ausgrabung im Karmel-Gebirge im damals britisch verwalteten Palästina geleitet, Die Ergebnisse beschrieb sie 1937 in ihrem gemeinsam mit der britischen Paläontologin Dorothea Bate verfasstem Buch "The Stone Age of Mount Carmel", für das sie 1938 den Doktortitel erhielt (1939 wurde sie dann Professorin in Cambridge). Wie die Natufier sich selbst nannten und welche Sprache sie sprachen, ist unbekannt.

Jäger und Sammler und ihre Umwelt

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510: siehe James C. Scott: Die Mühlen der Zivilisation. Suhrkamp Verlag Berlin 2019. Der Begriff "Domestizierung" ist hier übertragen gemeint, da der Mensch ja nicht zum Nutztier wurde, aber eben wie diese "in freier Wildbahn" (ohne Feuer) nicht mehr überleben kann.

550: John Alroy 2001: A multispecies overkill simulation of the end-Pleistocene megafaunal mass extinction. Science 292, S. 1893-1896.

551: Chris Johnson 2012: The Aftermath of Megafaunal Extinction: Ecosystem Transformation in Pleistocene Australia. Science33, S. 1483-1486.

© Jürgen Paeger 2006 – 2019