Das Zeitalter der Landwirtschaft

Die Vereinigung der Menschheit

Aus einer Vielzahl von menschlichen "Welten" wurde in der Folge der Erfindung der Landwirtschaft eine Welt. Dazu trugen im wesentlichen Händler, Eroberer und die Entstehung missionierender Universalreligionen bei, die erstmals die gesamte Menschheit in den Blick nahmen: als potenzielle Kunden, Untertanen oder Gläubige.

Gemälde von Edwin Lord Weeks, das eine Handelskarawane zeigt

Handelskarawane. Der Handel trug wesentlich mit dazu bei, dass die menschlichen Kulturen im Laufe der Geschichte zu immer größeren und komplexeren Kulturen verschmolzen. Gemälde von Edwin Lord Weeks, circa 1882. Aus wikipedia commons, public domain.

Im Zeitalter der Wildbeuter gab es vermutlich zehntausende von menschlichen "Welten": Ein Clan von Jägern und Sammlern auf der iberischen Halbinsel hat nichts von den Menschen östlich des Mittelmeeres oder in Nordeuropa gewusst. Gelegentlich handelten die Clans zwar mit benachbarten Gruppen, und mögen dabei auch Nachrichten von anderen Gruppen, die diese kannten, erhalten haben – aber irgendeine Bedeutung für ihr Leben hatte das kaum. Mit dem Entstehen der Landwirtschaft, dem Anwachsen der Bevölkerung, dem Entstehen der ersten Städte und zunehmender Spezialisierung änderte sich dies: Zum einen nahm die Bedeutung des Handels zu; zum anderen entwickelten sich die erfundenen Ordnungen, mit denen wir Menschen unsere biologischen Begrenzungen der Zusammenarbeit mit fremden Menschen überwanden, so weiter, dass sie in den Augen ihrer Anhänger weltweit gültig wurden (universelle Ordnungen). Die Anhänger jener Ordnungen waren es, die sich erstmals die (ihnen bekannte) Menschheit als Einheit vorstellten: Händler, die alle Menschen als mögliche Kunden sahen; Eroberer, die alle Menschen als mögliche Untertanen sahen; und Propheten, die alle Menschen als mögliche Gläubige sahen. Sie sollten – oftmals auch gemeinsam – dafür sorgen, dass die Zahl der voneinander getrennten "Welten" immer kleiner wurde und es zum Ende des Zeitalters der Landwirtschaft im großen und ganzen nur noch eine Welt gab.

Die Rolle der Händler

Geld war möglicherweise die wirksamste der erfundenen Wirklichkeiten: es wurde schon früh in der Geschichte der Menschheit genutzt (siehe Eine kleine Geschichte des Geldes) und hob die Beschränkungen einer Wirtschaft auf, die auf  gegenseitigen Gefälligkeiten und Verpflichtungen beruhte. Es machte den Handel mit Fremden möglich – Geld ist ja ein Ver­sprechen, dass jeder es jederzeit gegen eine gewünschte Ware eintauschen kann – und nahm daher an Bedeutung zu, als benötigte Dinge durch Fernhandel beschafft werden muss­ten. Das begann schon mit den ersten Städten im Zweistromland: zum einen gab es dort kein Holz und keine Metalle; und zum anderen stieg mit steigendem Wohlstand die Nachfrage nach Luxusgütern (die aufgrund ihres im Vergleich zu ihrem Wert geringen Ge­wichts leichter und damit weiter transportiert werden konnten). Der Handel lag über­wie­gend in den Händen von selbständigen Kaufleuten, die auf eigene Rechnung arbeiteten, ihr Geschäft aber in enger Abstimmung mit den politischen Herrschern vornahmen. Immer dann, wenn diese Geld für kriegerische Unternehmen brauchten (siehe Die Rolle der Eroberer), förderten diese die Nutzung von Geld auch in lokalen Märkten – die Entstehung kommerzieller Märkte und die Entstehung von Staaten hingen zusammen. Aber zur Vereini­gung der Menschheit trug vor allem der Fernhandel bei. Die Sumerer mögen zuerst versucht haben, sich die benötigten Waren – etwa Zedern aus dem Libanon – gewaltsam zu be­schaf­fen (so etwa im Gilgamesch-Epos nachzulesen); entdeckten aber bald, dass es weniger Leben kostete, wenn man mit den Völkern, die in den Wäldern lebten, handelte. Schon früh in der Geschichte verband der Fernhandel etwa die Welten an Euphrat und Tigris, Nil und Indus (siehe hier). Mit dem Handel verbreiteten sich nicht nur Waren, son­dern auch Wissen, Wertvorstellungen und Informationen: so führte der Handel zusätzlich dazu, dass Menschen aus weit entfernten Gebieten sich annäherten.

Mit Beginn der Bronzezeit waren es Kupfer und Zinn, die in allen Hochkulturen – schon weil Bronzewaffen überlegen waren – herbeigeschafft werden mussten. Von diesem Handel pro­fitierten etwa die neu entstehenden Handelsstädte an der Levante; das levantinische Handels­netz wurde später von den Phöniziern übernommen und verband Mesopotamien und Ägypten mit dem gesamten Mittelmeerraum (mehr hier). Mit der Eroberung Ägyptens durch das Römische Reich (im Jahr 30 v.u.Z.) hatte Rom direkten Zugang zu den Handelsrouten nach Asien; und die Pax Romana begünstigte ebenfalls einen Aufschwung des Fernhandels. Gegen Münzen wurden Luxuswaren wie Edelsteine und Gewürze aus Indien und Seide auch China importiert; Bernstein aus Nordeuropa wurde dagegen gegen Wein und Öl getauscht – die Bernstein- und die Seidenstraße verdanken diesem Handel ihren Namen. Exotische Gewürze und Seide hielten Einzug in die Häuser der Reichen. Im 1. Jahrhundert n. Chr. entdeckten die römischen Seefahrer auch das Geheimnis der Passatwinde, die einen direkten Seeweg nach Indien ermöglichten, wodurch das Monopol arabischer Zwischen­händler gebrochen wurde (zumal Augustus auch die südarabische Handelsstadt Aden angreifen ließ): Schwarzer Pfeffer wurde so billig, dass nicht mehr nur reiche Häuser sich ihn leisten konnten. Aus Indien kamen auch viele Waren, die aus noch exotischeren Regio­nen stammten – sie gelangten vermutlich mit malaiischen oder indonesischen Schiffen von den Gewürzinseln (Molukken) nach Indien.

An der anderen Seite der Seidenstraße – von den Römern Serica, Land der Seide, genannt – lag das China der Han-Dynastie. Zuerst waren es wohl Nomaden, die Xiongnu, die von China gezahlte Tributseide nach Westen weiterverkauften und so die Handelsroute begrün­deten, aber ab 133 v.u.Z. erschloss China unter Kaiser Wu die Handelswege nach Westen für seine eigenen Kaufleute. Die wenigsten Handelskarawanen reisten jedoch bis Antiochia, wo die Schiffe nach Rom ablegten, sondern verkauften unterwegs an Zwischenhändler: Parther und Sogder (letzteres ein in Mittelasien lebendes iranisches Volk, dessen sogdische Sprache die lingua franca der Seidenstraße wurde). Ihre erste Blütezeit sollte die Seiden­straße vom 5. bis 9. Jahrhundert erleben, als China seine Krise nach dem Ende der Han-Dynastie überwand und der Handel unter der Sui- und der Tang-Dynastie  wieder auf­blühte. Neben der Seidenstraße waren die Häfen Guangzhou und Jiaozhou Chinas Tore zur Welt: In Guangzhou des 8. Jahrhunderts waren die Hälfte der 200.000 Einwohner Auslän­der; Schiffe kamen aus Arabien, Persien, Indien, Ceylon, Malaysia und Java hierher und brachten Gewürze, Tropenhölzer, Elfenbein und Perlen mit. In Yangzhou, an der Kreuzung von Yangzi und Kaiserkanal, den beiden wichtigsten Wasserstraßen des Reiches, wurden die Waren ins Innere des Reiches weiterverteilt.

Das Schiffswrack von Belitung

Einen einzigartigen Einblick in den chinesischen Handel zur Tang-Zeit gibt ein vor der indonesischen Insel Belitung gefundenes Wrack einer arabischen Dau aus dem neunten Jahrhundert: Vor allem die Dekoration der Keramikschalen mit buddhistischen als auch islamischen Motiven zeigt, dass die Chinesen schon damals gezielt für den Export produ­zierten. Die blaue Farbe für die Keramikschalen stammte aus Persien, also wurden auch schon Rohstoffe eingeführt. Eine Goldtasse zeigt eine persische Tänzerin; persische Musik und Tanz waren im damaligen China auch nach anderen Funden wohl ”en vogue”.

Made in China (National Geographic über das Wrack von Belitung; englischsprachig)

Der Handel auf der "Seidenstraße der Meere" gewann an Bedeutung, da mit der Ausbrei­tung des islamischen Reichs im westasiatischen Teil der Seidenstraße der Handel schwie­riger wurde. Andererseits war der Islam dem Handel gegenüber positiv eingestellt, Moham­med war selbst ein Händler, Mekka und Medina Kaufmannstädte an wichtigen Karawanen­routen. Die gemeinsame Sprache und Religion festigte ein Netzwerk islamischer Kaufleute, die, nach der ersten Phase militärischer Eroberungen, eine wichtige Rolle bei der weiteren Ausbreitung des Islam spielten. Ihre Rolle zeigt sich zum Beispiel darin, dass Indonesien heute der bevölkerungsreichste muslimische Staat ist, aber niemals militärisch vom Islam erobert wurde. Bis ins 12. Jahrhundert beherrschten arabische und persische Kauf- und Seeleute auch die Schiffsroute nach China.

Dort war es unter der Song-Dynastie zu einem weiteren Ausbau des Handels gekommen; und die Chinesen eroberten auch den Seehandel. Die chinesischen Dschunken wurden in der Song-Zeit zu den größten und besten Schiffen der Welt – und sollten bis ins 14. Jahr­hundert den indischen Ozean und den Westpazifik beherrschen, also auch während der Mongolenzeit. Da nun auch die Seidenstraße einem Herrscher unterstand, war auch der Handel auf dem Landweg selbst für Fremde wieder sicher: so konnten italienische Händler wie die Polos diesen Weg nehmen. Unter der Ming-Dynastie wurde die Freiheit der Händ­ler aber durch einen stärker werdenden Staat, der die bestehende soziale Hierarchie festi­gen wollte, eingeschränkt; der Außenhandel wurde verboten. Die kaiserliche Marine, die mit sieben spektakulären Fahrten des Admirals Zheng He zwischen 1405 und 1433, auf denen auch die Küste Ostafrikas erreicht wurde, noch einmal die chinesische Überlegenheit zur See gezeigt hatte, wurde abgewrackt. Die Ming konnten ihre Vorstellungen aber nicht durchsetzen: viele Händler und Seeleute machten als Schmuggler und "Piraten" weiter. Unter den späten Ming förderte ein zunehmend spezialisiertes Handwerk in Südchina – Baumwollproduktion in Songjiang und Jiading, Seidenproduktion in Suzhou und Hangzhou, Porzellanherstellung in Jingdezhen, usw. – den Handel. "Piraten" brachten die Waren bis nach Manila und Nagasaki.

Die nicht zum islamischen Reich gehörenden Teile Westeuropas hatten nach dem Zusam­menbruch des weströmischen Reichs in diesem Handelsnetzwerk lange nur eine unbedeu­tende Rolle gespielt. Erst die Kreuzzüge führten zu einem zunehmenden Handel mit dem Osten; hiervon profitierten ab dem 12. Jahrhundert vor allem Kaufleute und Seefahrer aus Genua und Venedig, später auch aus Florenz, die günstig zwischen dem "Morgenland" und dem Norden Europas lagen. Um ihr Risiko zu minimieren, schlossen sich die am Fernhandel beteiligten Kaufleute oftmals zusammen und schickten ihre Schiffe in Flotten los; in den Zielorten lebten sie in Kontoren getrennt von der einheimischen Bevölkerung. An diesem Zusammenschluss beteiligten sich auch Städte: so entstand in Nordeuropa die Hanse. In Norditalien wurden neue Finanzinstrumente wie Wechselbrief, Banken und Staatsanleihen erfunden, die auch in den süddeutschen Handelsstädten wie Nürnberg und Augsburg übernommen wurden (siehe Eine kleine Geschichte des Geldes); es entstanden auch erstmals Unternehmen als juristische Person, die unabhängig von ihrem Eigentümer(n) existierten.

Es waren auch italienische Kaufleute, die zuerst arabische Zwischenhändler beim lukrativen Gewürzhandel umgehen wollten, die ihr Wissen über die Erde zu erweitern suchten. Die alten Texte von Ptolemäus und Strabon wurde mit modernen Erkenntnissen verbunden. Zu den Händlern, die versuchten, direkte Kontakte nach Asien aufzubauen, gehörten Niccolò und Maffeo Polo. Auf ihrer zweiten Reise nahmen sie Niccolòs Sohn Marco mit, dessen Reisebericht weit verbreitet wurde. 1269 kauften genuesische Kaufleute die Stadt Caffa am Schwarzen Meer, 1291 versuchten Schiffe aus Genua erstmals, auf dem Seeweg nach Indien zu gelangen. Auch der Papst nutzte das neue Wissen: ab 1245 schickte er Delegationen zum mongolischen Großkhan, um mit diesem ein Bündnis gegen die Muslime zu schmieden. Die Suche nach einem Weg, arabische Zwischenhändler beim Gewürzhandel auszuschalten, sollte auch zur Entdeckung der Welt durch europäische Seefahrer führen.

Die Rolle der Eroberer

Aber nicht nur Händler, auch Eroberer sollten die Menschheit zusammenbringen: Unüber­sehbar ist die Tendenz in der Geschichte, dass immer größere politische Einheiten ent­standen sind. Über erste Dörfer und Städte entstanden bald die ersten Stadtstaaten (siehe hier). Diese Stadtstaaten dehnte ihren Einflussbereich immer weiter aus – hauptsächlich wohl, um die Kontrolle über die wachsenden Bewässerungssysteme zu behalten; aber auch, um sich den Zugang zu Bauholz, Steinen und Erzen zu sichern, die es auf ihrem Territorium nicht gab. Als erstes Großreich der Geschichte gilt das ab 2.300 v.u.Z. entstandene Reich von Akkad unter Sargon I., das "die ganze Welt" umfasste – in Wirklichkeit waren dies der Raum vom Persischen Golf bis zum Mittelmeer. Das (alt)assyrische Reich, das Reich von Babylon und das der Hethiter folgten. Großreiche, die den Anspruch hatten, große Teile der bekannten Welt zu beherrschen – oft auch als  "Imperium" bezeichnet – sollten spätes­tens vor 2.550 Jahren mit dem Achämenidenreich unter Kyros dem Großen zur vor­herrschenden Staatsform werden – die meisten Menschen lebten seither in einem solchen Großreich. Für viele Historiker ist ohnehin erst das Achämenidenreich ein klassisches Imperium, da Kyros die anderen Völker nicht einfach unterwarf, sondern den Anspruch erhob, dass dieses zu ihrem Nutzen erfolgte. So verstand er sich beispielsweise als König der Juden und erlaubte diesen die Rückkehr aus babylonischer Gefangenschaft. Den Anspruch, den unterworfenen Völkern zu helfen, erhoben auch Alexander der Große und seine Nachfolger.

Auch in Ostasien waren im Gefolge der Landwirtschaft regionale Kulturen entstanden, "Welten in sich, die eigenen Sitten und Gebräuchen folgen". Ihnen galten benachbarte Völker oft wohl nicht einmal als Menschen – so erklären etwa Sinologen die große Zahl an Menschenopfern, von deren regelrechter ritueller Schlachtung sowohl archäologische Funde als auch Orakelinschriften aus der frühchinesischen Shang-Dynastie berichten, damit, dass die Opfer in den meisten Fällen wohl Kriegsgefangene gewesen sind, deren Opferung leicht fiel, weil sie eben nicht als Menschen galten. Das begann sich aber schon unter den Zhou zu ändern, unter deren Herrschaft Hierarchien über Clangrenzen hinweg eine neue Form der Gleichheit schufen, die Fürstentümer des Reichs "Brüderstaaten" bildete. Das hierdurch entstehende Zusammengehörigkeitsgefühl war die Grundlage der Entstehung Chinas; Moral und Anstand als verbindliche Regeln für das Zusammenleben in einer solchen, nicht mehr durch verwandtschaftliche Beziehungen geregelten Gesellschaft formulierte zuerst Konfuzius: "Was du dir selbst nicht wünscht, das füge auch keinem anderen zu" (aus dem Lunyu, "Urteile und Aussprüche", der – erst später aufgeschriebenen – Hauptquelle seiner Lehre). Seine Schüler und Nachfolger übertrugen diese Lehre auch auf die gesellschaftliche Organisation – die "Brüderstaaten" hatten nicht aufgehört, gegen­einander Krieg zu führen, und die Antwort konnte nur ein vereintes Reich unter einer zentralen Regierung sein. Dieser Anspruch wurde erstmals unter den Qin Wirklichkeit, die große Teile Ostasien eroberten und eindeutig imperialen Anspruch hatten: "In allen Richtungen ist das Land des Kaisers, ... . So weit menschliche Spuren führen, ist keiner, der ihm nicht untertan ist" (Shiji, "Aufzeichnungen des Schreibers" [Sima Qian, Hofastronom des Han-Kaisers Wu], dem ersten großen chinesischen Geschichtswerk). Ihre Herrscher beriefen sich auf das "Mandat des Himmels", das sie auch verpflichtete, für das Wohl ihres Volkes zu sorgen. Für die chinesischen Kaiser war dieses Mandat durchaus zweischneidig, denn auch jede Naturkatastrophe konnte so gedeutet werden, dass der Himmel dem Kaiser das Mandat entzogen hat – und so jeden Aufstand begründen. Die Qin-Dynastie hielt sich denn auch nicht lange, aber schon bald sollte unter der Han-Dynastie das Reich erneut vereint werden; und der Wechsel zwischen Zerfall und Neubildung des Reiches die weitere chinesische Geschichte bestimmen. Kulturell prägend waren nicht die Zeiten des Zerfalls, sondern die der Imperien – so sprechen die meisten Ostasiaten heute die Sprache des Han-Reiches und nennen sich die Chinesen selbst "Han-Menschen" ("ethnische Chinesen", die rund 90 Prozent der Bevölkerung Chinas ausmachen; ethnisch sind jedoch auch diese keine homogene Gruppen, sondern leiten sich aus einem bunten Sammelsurium von Völkern ab, die im Laufe der Geschichte vom chinesischen Reich erobert wurden).

Im Mittelmeerraum war unterdessen ein ebenso großes und mächtiges Reich entstanden: das Römische Reich. Die Römer hatte Karthago besiegt und damit Spanien und Teile Nordafrikas erobert; sie hatte Makedonien zur römischen Provinz gemacht, die griechischen Stadtstaaten unterworfen und schließlich Ägypten erobert. Wie schon die Achämeniden, die Makedonier und die chinesischen Kaiser glaubten auch die Römer, den sie umgebenden Barbaren das Licht der Kultur zu bringen: den wilden Germanen Frieden, und allen Theater und römische Philosophie. Die Großreiche spielten daher eine zentrale Rolle dabei, die Vielzahl der Völker und Kulturen auf unserer Erde zu weniger, aber größeren Völkern und Kulturen zu verschmelzen: Zum einen hatten die Imperien selber ein Interesse daran, etwa Sprachen und Gebräuche in ihrem Reich zu vereinheitlichen, um das Regieren zu erleichtern, zum anderen konnten Menschen und ihre Ideen sowie Waren und Technologien innerhalb eines Imperiums in der Regel leichter und sicherer reisen.

Die entstehende Kultur war in der Regel eine Mischkultur, die auch den eroberten Völkern viel verdankte: die Amurriter, die das Reich von Akkad eroberten, übernahmen viel von der Kultur und Lebensweise der älteren Bewohner und entwickelten diese weiter, genau wie die nach ihnen kommenden Hethiter und Babylonier; und genauso profitierte das Römische Reich von den Griechen, die arabisch-muslimischen Eroberer von den Ägyptern, Persern und Syriern oder die mongolischen Eroberer vom chinesischen Kaiserreich. Zwar weigerten sich die Imperien in der Regel, den unterworfenen Völkern volle Gleichberechtigung zu gewähren, mitunter aber fielen die Schranken: so saßen gallische Adlige im 1. Jahrhundert n. Chr. im römischen Senat, im 2. Jahrhundert regierten Kaiser von der iberischen Halbinsel das Römische Reich. Auch im arabischen Reich, das bei seiner Ausdehnung Ägypter, Syrer, Perser und Berber integrierte – die weder Araber noch Muslime waren – übernahmen diese die Religion und verlangten schließlich im Namen der "gemeinsamen islamischen Werte" Gleichberechtigung. Schließlich verloren die ethnischen Araber die Vorherrschaft über ihr eigenes Reich.

Überall übernahmen die unterworfenen Völker zumindest Teile der Kulturen der Sieger; mitunter wurden sie begeisterte Anhänger. Die gemeinsame Mischkultur wurden in der Regel auch dann beibehalten, wenn das Imperium zusammenbrach – auch die Bewohner kleiner gallischer Dörfer, die den Römern lange Widerstand leisteten, sprechen heute Französisch, eine vom Latein der Besatzer abstammende Sprache. Heute beruhen die meisten Kulturen der Erde auf dem Erbe eines Weltreichs. Wirklich ursprüngliche Kulturen gibt es – wenn überhaupt – allenfalls noch bei einigen Naturvölkern.

Die Rolle der Propheten

Den dritten großen Beitrag zur Einigung der Menschheit leisteten Religionen. Mit ihnen wurden gemeinsame Werte geschaffen, die die entstehenden Reiche zusammenhielten; mitunter waren sie sogar der Auslöser der imperialen Eroberungen (wie beim arabischen Reich). Begonnen hat diese Entwicklung mit den missionierenden Universalreligionen: Religionen, die glauben, für alle Menschen verbindlich zu sein und die darauf bestehen, dass alle Menschen daran glauben. Mit der landwirtschaftlichen Revolution waren wohl auch die animistischen Religionen der Jäger und Sammler abgelöst worden: Als der Mensch Tiere und Pflanzen domestizieren konnte, konnte er diese nicht mehr als ebenbürtig ansehen. An die Stelle der Tiergeister waren die Götter getreten – wenn der Regen ausblieb, konnte man jetzt den Regengott beschwören; Kriegsgötter halfen, Schlachten zu gewinnen. Grundsätz­lich sind Polytheisten – Menschen, die an viele Götter glauben – tolerant: wenn es mehrere Götter gibt, gibt es keinen Grund, warum alle an den selben Gott glauben sollten. Das än­der­te sich erst, als eine monotheistische Religion – deren Anhänger an nur einen Gott glauben – populär wurde: Die Christen gingen davon aus, dass ihr Prophet für die Erlösung der Menschheit gestorben war – und nicht nur der Juden. Die Christen begannen also, ihren Glauben zu verbreiten – und sollten mit der Bekehrung von Kaiser Konstantin schließlich die Herrschaft über das Römische Reich erlangen. Im 7. Jahrhundert entstand auf der arabi­schen Halbinsel mit dem Islam die nächste erfolgreiche monotheistische Religion. Der Islam wurde mit dem Schwert verbreitet, und eroberte in kürzester Zeit ein Weltreich, das vom Mittelmeer bis zum Indischen Ozean reichte. Um das Jahr 1000 waren in Europa, Westasien und Nordafrika die meisten Menschen Monotheisten. Monotheisten sind oftmals fanatischer als Polytheisten: da sie den wahren Gott zu kennen glauben, haben andere Religionen keine Existenzberechtigung. (Aus diesem Grund kommt es mitunter auch zu heftigen Streitigkeiten bei unterschiedlichen Auffassungen innerhalb einer Religion: In der "Bartholomäusnacht", dem 23. August 1572, töteten katholische Christen in einer Nacht mehr protestantische Christen als das [polytheistische] Römische Reich – das in den Christen eine politische, keine religiöse Bedrohung sah – bei allen Christenverfolgungen zusammen.)

Heute sind die meisten Menschen auf der Erde Monotheisten; Christentum und Islam sind zu Weltreligionen geworden. Auch die in Indien weit verbreiteten Hindu-Religionen sind ent­gegen dem Anschein nicht polytheistisch – die Götter sind lediglich Ausdruck des einen Gottes oder – je nach Ausrichtung – der unveränderlichen Realität ("Brahman"). In Ostasien herrschen Religionen vor, bei denen nicht ein Gott, sondern – wie beim Brahman – den Natur­gesetzen ähnliche allgemeingültige Wahrheiten an oberster Stelle stehen. Die bekann­teste dieser Religionen ist der in Indien entstandene Buddhismus. Die meisten Buddhisten leben heute in China; die höchsten Anteil an der Bevölkerung haben Buddhisten in Thailand, Kambodscha, Myanmar und Laos.

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© Jürgen Paeger 2006 – 2022

Der Übergang von ani­mistischen zu poly­theistischen und  monotheistischen Religionen wurde von den Gläubigen selbst nicht immer konsequent praktiziert: Auch An­hän­ger polytheistischer Religionen glaubten weiter an Feen und Geister; Anhänger mono­theistischer Religionen ebenso wie die der ohne Gott aus­kommenden Religionen an die früheren Götter. Bei den Christen über­nahmen etwa Heilige deren Rolle, bei den Buddhisten ein ganzer Pantheon von Buddhas und Bodhisattvas.