Hintergrundinformation
Eine kleine Geschichte der Menschheit
Kolonialgeschichte der USA
George Washington führte die
Kontinentalarmee der 13 englischen Kolonien im amerikanischen
Unabhängigkeitskrieg an,
Gemälde "Washington Crossing the Delaware", Emanuel Leutze 1871 (wikimedia
commons, gemeinfrei).
Die Erschließung Nordamerikas
Die ersten Europäer in Nordamerika im Gefolge von Kolumbus waren
die Spanier: von Mittelamerika (mehr)
aus erreichten sie auch Nordamerika jenseits des Golfs von Mexiko.
So suchte Hernando de Soto auf einer 1539 begonnenen Expedition in
“La Florida” und im ganzen Südosten Nordamerikas nach Gold; neben
600 Soldaten brachte er 200 Pferde und 300 Schweine mit. Seine
Truppe zog raubend, vergewaltigend und mordend durch das Land. Die
schlimmsten Folgen hatten jedoch – die Schweine. De Soto berichtete
noch von einem dicht bevölkerten Land mit riesigen Maisfeldern; als
1682 mit den Franzosen die nächsten Europäer den Mississippi hinab
kamen, fanden sie hier kaum Menschen, dafür aber riesige
Büffelherden. Offenbar hatten verwilderte Schweine aus De Sotos
Herde Krankheiten auf Hirsche und Truthähne übertragen, die von hier
aus ihren Weg zu den Ureinwohnern fanden. Nach manchen Schätzungen
starben 96 Prozent der Ureinwohner, die Überlebenden schlugen sich
beim Eintreffen der Franzosen als nomadische Jäger durch.
Die Franzosen waren aus
dem Norden gekommen, wo sie an der nördlichen Ackerbaugrenze vor
allem vom Pelzhandel lebten. Seit 1534 Jacques Cartier in den
Sankt-Lorenz-Strom hineingesegelt war, handelten sie mit
indianischen Jägern, bei denen sie vor allem Biberpelze
eintauschten. Dabei entwickelte sich am ehesten eine Partnerschaft
zwischen indianischen Jägern und Europäern, französische Händler
heirateten oft Indianerinnen. Die ersten Handelsposten entstanden im
Jahr 1600 am Sankt-Lorenz-Strom; 1608 wurde Québec durch den
Entdecker Samuel de Champlain gegründet. Bis Ende des Jahrhunderts
lebten 16.000 Europäer im Tal des Sankt-Lorenz-Stroms, wo auch die
Briten 1670 die Hudson’s Bay Company gegründet hatten, um
ebenfalls am Pelzgeschäft teilzuhaben. Die Rivalitäten zwischen
Engländern und Franzosen führten auch in Nordamerika zu häufigen
Auseinandersetzungen, so nahm der englische Pirat David Kirke 1629
Québec ein und konnte dort vier Jahre herrschen. Dank ihrer
Verbindung zu den Indianern konnten die Franzosen sich aber zunächst
halten. Nachdem die Pelztiere – neben Biber wurden auch Waschbären,
Marder, Otter und Bären gejagt – am Sankt-Lorenz-Strom und am Hudson
selten wurden, drangen die Franzosen nach Westen und Süden tief in
das Innere Amerikas vor; ihre Kooperation mit den Indianern sollte
später zu Konflikten mit englischen Siedlern führen. (Mehr zur
Pelzjagd
hier.)
Auch Holländer und Schweden waren in den heutigen
USA vertreten: Für die holländische Ostindien-Kompanie hatte 1609
der Brite Henry Hudson den später nach ihm benannten Fluss befahren,
an dem die 1621 (nach dem Vorbild der Ostindien-Kompanie) gegründete
holländische Westindien-Kompanie 1624 das Fort Nieuw Amsterdam
errichtete. Die Schweden erreichten 1638 unter dem
zuvor im Dienst Westindien-Kompanie tätigen Peter Minuit das heutige
Delaware, wo sie mit Fort Christiania die erste dauerhafte
europäische Siedlung errichteten.
Die englischen Kolonien
Entscheidend für die nordamerikanische Geschichte wurden aber die
englischen Kolonien. Im Dienste Englands hatte bereits John Cabot
1497 die Küste Nordamerikas erreicht, aber England begann erst unter
Elisabeth I. ernsthaft, an der Erforschung – und Kolonialisierung –
der neuentdeckten Länder teilzunehmen (mehr).
Sir Walter Raleigh erkundete ab 1584 von der Karibik aus die Küste
Nordamerikas, und bereits 1585 entstand die erste englische Siedlung
auf der Insel Roanoke vor dem heutigen North Carolina, die
allerdings aus noch unbekannten Gründen wieder verlassen wurde. Die
erste erfolgreiche englische Siedlung auf amerikanischem Boden war
das 1607 gegründete Jamestown im heutigen
US-Bundesstaat Virginia.
Die Region am James River, einem südlichen Zufluss der
Chesapeake-Bucht, war von sesshaften Powhatan-Indianern besiedelt,
die hier Mais, Kürbis und Bohnen in Mischkultur anbauten, fischten,
jagten und sammelten. Die Gärten der Indianer waren nicht
eingezäunt, da es in Nordamerika keine Haustiere gab, die gehütet
werden mussten. Aufgelassene Felder wurden der Natur überlassen, so
dass hier wieder Wald aufkam. Um frisches Gras für Jagdwild zu
fördern, brannten die Indianer regelmäßig den Unterwuchs der Wälder
ab, die daher licht und parkartig waren. Erste Versuche von Spaniern
und Engländern, sich in der Region anzusiedeln, waren durch Angriffe
der Indianer beendet worden. Daher suchten die Siedler im Jahr 1607
eine Gegend, die ihnen unbesiedelt schien – wie sich bald
herausstellte, aus gutem Grund: Im Sommer gab es hier kein frisches
Wasser; Gezeitenwasser aus dem Meer drang bis in Höhe der Siedlung
vor und verhinderte den Abfluss des Flusswassers. Bereits in den
ersten Monaten starb fast die Hälfte der 104 Siedler, die meisten
wohl an den Folgen verschmutzten oder versalzenen Wassers. Mit dem
Winter wurde die Situation besser, aber die kranken Siedler hatten
ihre Felder nicht bestellen können, und Ende Januar 1608 lebten nur
noch 38. Sie überlebten wohl nur, weil der James River fischreich
war – unter anderem lebten hier reichlich Störe – und weil es ihnen
gelang, Nahrung von den Indianern zu erhalten. Im Laufe der
folgenden Jahre trafen weitere Siedler aus England ein, aber Hunger
blieb ein Problem – der Winter 1609/10 ging als „Hungerwinter“ in
die Geschichte ein.
Die Indianer unternahmen dagegen zunächst keinen ernsthaften
Versuch, die Siedler zu vertreiben. Vermutlich glaubten sie, das
Problem werde sich durch die hohe Sterberate von selbst lösen; sie
hatten aber die Rechnung ohne die ständig neu eintreffenden Siedler
gemacht. Zu diesen gehörte der Farmer John Rolfe. Dieser baute 1612
als erster die in Mode geratene Tabakpflanze Nicotiana tabacum,
deren Samen von der karibischen Insel Trinidad stammten, in
Jamestown an. Bereits die Indianer hatten Tabak angebaut und
geraucht, jedoch eine andere Art (N. rustica). Rolfes Tabak
war auf dem Markt gefragt, so dass er im Gegensatz zum indianischen
Tabak auf immer größeren Flächen angebaut wurde. Dafür nutzten die
Siedler indianisches Land, das ihnen – obwohl regelmäßig abgebrannt
– als ungenutzt erschien. Tabak laugt ohne Dünger den Boden sehr
schnell aus, so dass regelmäßig neues Land abgeholzt und kultiviert
werden musste. Dieses hatte zwei Folgen: Zum einen waren die Siedler
in Jamestown die ersten, die (ab 1619) in Nordamerika Sklaven aus
Afrika einsetzten, um die notwendige Arbeitskraft zum Roden der
Wälder zur Verfügung zu haben. Zweitens ließen sie das Land nach der
Nutzung nicht brach liegen, sondern von eingeführten Nutztieren
beweiden. Diese verwilderten bald, und vor allem die Schweine
machten sich auch über die (nicht eingezäunten) Gärten und
Nutzpflanzen der Indianer her. Diese konnten die Schweine aber nicht
wie zuvor die Wildtiere einfach töten, da sofort die Siedler mit
Gewehren in der Hand Schadenersatz forderten.
So kam es dazu, dass die Siedler immer mehr Land nutzten, und den
Indianern immer weniger blieb. Es ist eines der ungelösten Rätsel,
warum die zahlenmäßig weit überlegenen Indianer die Siedler nicht
einfach vertrieben, zumal vor der Erfindung des Repetiergewehrs
Pfeil und Boden mindestens gleichwertige Waffen waren. Ein Angriff
im Jahr 1622 tötete ein Drittel der Siedler, aber weitere ernsthafte
Angriffe folgten nicht. Möglicherweise liegt dies an einer der von
den Siedlern mitgebrachten Krankheiten: Malaria. Mitte des 17.
Jahrhunderts war Malaria jedenfalls unter den Siedlern weit
verbreitet. Aber diese hatten ihre Sklaven und ständigen Nachschub
an Menschen aus England; die Indianer hatten daher keine Chance.
Virginia wurde mit dem auf Sklavenarbeit basierenden Plantagensystem
zum Vorläufer des Systems, das schließlich mit dem Baumwollanbau im
18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Wirtschaft im
Süden der Vereinigten Staaten von Amerika beherrschen sollte.
Als „Väter des amerikanischen Volkes“ gelten jedoch weithin nicht
die früh Sklaven haltenden Siedler von Jamestown, sondern die „Pilgerväter“,
die Ende 1620 mit der "Mayflower" am Cape Cod in Massachusetts
landeten und die Kolonie Plymouth gründeten. Bei ihnen handelte es
sich um religiöse Dissidenten, die sich gegen "papistische"
Einflüsse in der Church of England wendeten und vom
Kalvinismus beeinflusst werden. Diese von der Kirche als Abtrünnige
verfolgen "Puritaner" waren 1607 nach Holland geflohen und jetzt auf
der Suche nach einem Ort, wo sie ihren Glauben leben konnten. Sie
machten aber nur die Hälfte der Passagiere der Mayflower aus; die
andere Hälfte waren von der Virginia Company angeworbene
"normale" Auswanderer, die Land und Reichtum suchten. In der Region
um Plymouth, die zuvor von Seeleuten als dicht besiedelt und gut
verteidigt beschrieben wurden, war ein Großteil der indianischen
Bevölkerung wenige Jahre zuvor durch eine Seuche – möglicherweise
die Pest, die frühere Forschungsreisende oder frühere Siedler
mitgebracht hatten – getötet worden und stellte keine ernste
Bedrohung mehr dar. Aber auch diese Siedler wären zunächst fast
verhungert, sie waren schlecht ausgerüstet und keine guten Jäger
oder Bauern. Nur die Entdeckung – und Plünderung – eines
indianischen Maisspeichers rettete sie im ersten Winter vor dem
Hungertod; danach halfen Lachs aus den Flüssen, der im Winter an der
Küste reichliche Kabeljau und die Unterstützung eines Indianers, der
ihnen den Maisanbau zeigte, die Situation zu verbessern.
Damit begann der große Exodus der Puritaner: Die eigens gegründete
Massachusetts Bay Company finanzierte 1630 vier Schiffe mit 1.000
Auswanderern; im selben Jahr gründete sie das heutige Boston. Bis
1640 trafen 20.000 Einwanderer in Neuengland ein, die – wenn auch
mit Mais und Truthahn – Landwirtschaft nach europäischer Art
betrieben und von denen viele mit Kabeljaufang und –handel (mehr
hier) reich werden sollten. Die Siedler brachen ihre
Krankheiten mit; und die Indianer wurden von immer neuen
Seuchenausbrüchen betroffen, ab 1634 auch durch die Pocken (der
einzigen Krankheit, die so gut bekannt war, dass sie mit Namen
benannt wurden, bei den anderen Seuchen lässt sich aufgrund der
ungenauen Beschreibungen kaum nachvollziehen, welche Krankheit
wütete). Die Seuchen trafen auf eine Bevölkerung, die vorher keinen
Kontakt mit diesen Krankheitserregern hatte – und töteten insgesamt
weit mehr Indianer, als dies die blutrünstigsten Siedler hätten tun
können. Dies ist einer der Hauptgründe, warum die Ureinwohner in
Amerika so viel stärker als die Afrikas und Eurasiens unter dem
Kolonialismus litten. (Die weißen Siedler fühlten sich durch die
Seuchen freilich bestärkt in ihrem Glauben, dass Gott und Schicksal
ihnen das Land zugedacht hatten; um ihm zu helfen, verteilten auch
schon einmal mit Pocken infizierte Decken unter den Indianern.) Die
Pocken verbreiteten sich nach 1634 entlang der Handelswege für
Biberfelle, Gewehre und Alkohol, wo die Siedler auch entfernteren
Indianervölkern in Kontakt kamen. Sie veränderten die Geschichte
auch der einheimischen Völker: an den großen Seen konnten die
Irokesen die Vorherrschaft über die stärker von den Pocken
betroffenen Huronen gewinnen; die Anishinaabe-sprechenden Monsoni
starben aus und überließen das Feld den Ojibwe, noch heute eines der
größten Indianervölker Nordamerikas.
Auf die von den puritanischen Pilgervätern gegründete
Massachussetts-Bay-Kolonie folgten weitere englische Kolonien:
Maryland wurde 1634 von aus dem Gebiet der Massachusetts-Bay-Kolonie
ausgeschlossenen englischen Katholiken gegründet, auf Rhode Island
siedelten sich Auswanderer aus Massachusetts an, denen die Anführer
der Kolonie zu fundamentalistisch und intolerant waren. 1664
übernahmen englische Kriegsschiffe und Milizionäre aus Massachusetts
kampflos das holländische Nieuw Amsterdam, das in New York umbenannt
wurde; ebenso eroberten sie 1655 die von den Holländern eingenommene
ehemalige schwedische Kolonie in Delaware. Der Quäker William Penn
gründete am Delaware River die Siedlung Philadelphia (altgr. für
"Nächstenliebe"), wo Siedler mit Ureinwohnern friedlich
zusammenleben sollten. Harte Winter und gelegentliche Missernten
überstanden die Siedler auch aufgrund des Fischreichtums in den
Flüssen, die noch nicht wie in Europa durch Sedimenteintrag aus der
Landwirtschaft und den Bau von Wehren verändert waren; Lachse, Störe
und Flussheringe kamen hier reichlich vor. Um 1700 lebten 250.000
europäische Siedler an der amerikanischen Ostküste, bis 1732 waren
insgesamt 13 englische Kolonien in Nordamerika gegründet worden.
Die englischen Kolonien unterschieden sich deutlich voneinander:
Während in Neuengland die Bevölkerung überwiegend englischstämmig
und puritanisch geprägt war und mit religiös motiviertem
Arbeitsethos von familiärer Landwirtschaft und vom Fischfang lebte,
waren die mittleren Kolonien um New York religiös vielfältiger und
das Leben weniger streng, sie lebten von Landwirtschaft in den
Tälern des Hudson und des Delaware sowie von Handel und Gewerbe in
Städten wie New York und Philadelphia. Im Süden bewirtschafteten
reiche Pflanzer landwirtschaftliche Großbetriebe mit Sklavenarbeit.
Im Westen der Kolonien waren Jäger, Pelzhändler und Holzfäller, aber
auch Abenteurer und Flüchtlinge anzutreffen.
Mitte des 18. Jahrhunderts griff der Siebenjährige
Krieg auch auf Nordamerika über: 1759 eroberten die
Briten (wie die Engländer sich seit der Vereinigung mit Schottland
im Jahr 1707 nannten) Québec, und im Jahr darauf Montreal von den
Franzosen. Eine Rückeroberung gelang diesen nicht, da es den Briten
immer wieder gelang, den Nachschub aus Frankreich an der Mündung des
Sankt-Lorenz-Stroms abzufangen. Mit dem Friedensvertrag von Paris
1763 verzichtete Frankreich weitgehend auf seine Ansprüche in
Kanada.
Der Weg zu den Vereinigten Staaten von
Amerika
Das Mutterland England hatte den Kolonien lange weitgehend freie
Hand gelassen. Eine zentrale Kolonialgesetzgebung gab es nicht, die
Kolonien verwalteten sich weitgehend selbst. Das änderte sich, als
in Europa wirtschaftliche Macht zunehmend als Voraussetzung für
politische und militärische Macht gesehen wurde ("Merkantilismus"):
die Kolonien wurden zunehmend als Rohstofflieferanten und Kunden für
Manufakturwaren gedacht. Navigationsgesetze sollten in der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts dafür sorgen, dass koloniale Produkte
nur nach England geliefert und Fertigwaren nur aus englischen Häfen
eingeführt wurden. Praktisch wurden diese Gesetze aber zunächst
nicht umgesetzt. Erst als nach dem Siebenjährigen Krieg die
britische Staatskasse leer war, versuchte England, seine Kolonie
stärker an dessen Finanzierung zu beteiligen: Schon im Jahr 1733 war
das Molassegesetz erlassen worden, das die Zuckereinfuhr aus der
nichtbritischen Karibik mit Zöllen belegte – jetzt sollten diese
wirklich kassiert werden. Für die inzwischen selbstbewussten Siedler
– Neuengland war durch den Kabeljauhandel zur internationalen
Handelsmacht geworden – waren diese Abgaben eine grundsätzliche
Frage: Da sie an der Entscheidung über die Abgabe im Londoner
Parlament nicht beteiligt waren, erkannten sie diese nach dem Motto
no taxation without representation ("keine Besteuerung ohne
Stimmrecht") nicht an. Britische Zolleintreiber wagten sich 1768 nur
noch unter Militärschutz nach Boston. Auch versuchten die Briten, um
weitere teure Indianerkriege zu vermeiden, die Siedler von den
Indianergebieten im Westen fernzuhalten; der Kamm der Appalachen
wurde als Siedlungsgrenze festgelegt. Solche politischen
"Einmischungen" und andauernde Zoll- und Steuerstreitigkeiten
führten 1773 zur Boston Tea Party – symbolisch als Indianer
verkleidete Bürger Bostons warfen aus Protest gegen die britische
Teesteuer drei Ladungen Tee von englischen Schiffen ins Hafenbecken.
Britische Strafmaßnahmen, unter anderem die Schließung des Hafens
von Boston, mündeten 1775 in Kämpfe zwischen amerikanischen Milizen
und britischen Soldaten, die sich zum Amerikanischen
Unabhängigkeitskrieg ausweiteten.
Der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg
Am 4. Juli 1776 erklärten die Delegierten des Kontinentalkongresses
(der Vertreterversammlung der 13 britischen Kolonien) ihre
Unabhängigkeit von Großbritannien, neun der neuen Staaten gaben sich
bis 1780 eine Verfassung. 1777 schlossen sie zudem eine
Konföderation, einen "festen Freundschaftsbund". Militärisch
scheiterten die Aufständischen allerdings bei ihrem Versuch,
Montreal zu erobern und dann – wie sie hofften, mit französischer
Hilfe – die Briten aus Kanada zu vertreiben. Im März 1776 gelang es
ihnen unter der Führung von George Washington jedoch, Boston
einzunehmen, worauf sich die britische Regierung zum Krieg
entschloss. Mit 32.000 Mann, darunter 8.000 deutschen Söldnern
(insgesamt sollten 30.000 deutsche Söldner, alleine 19.000 aus
Hessen-Kassel, auf Seiten der Briten kämpfen), die auf Staten Island
landeten, konnten die Briten im Herbst 1776 New York einnehmen. Der
Krieg wurde zu großen Teilen auch ein Bürgerkrieg, in dem die von
George Washington angeführten Rebellen auch gegen Amerikaner
kämpften, die dem britischen König treu blieben. Bald wurden die
Rebellen zunächst heimlich und ab 1778 offen von Frankreich (das
sich für den Siebenjährigen Krieg zu rächen gedachte) und ab 1779
auch von Spanien unterstützt, und 1781, als die amerikanische Armee
und ein französisches Expeditionskorps die Briten in der Schlacht
von Yorktown in Virginia schlugen, gaben die Briten den Krieg
praktisch auf. Die Friedensverhandlungen in Paris dauerten noch
einmal fast zwei Jahre, aber 1783 erkannten die Briten die
Unabhängigkeit ihrer 13 Kolonien an, die zu den Vereinigten
Staaten von Amerika werden sollten. Die Briten traten das
gesamte Gebiet zwischen Appalachen und dem Mississippi an die
Vereinigten Staaten ab und räumten ihnen Fischfangrechte vor
Neufundland und Neuschottland ein; nur Kanada nördlich der großen
Seen blieb britisch.
Der Weg zu den USA
Dennoch gerieten die neuen Staaten nach ihrer Unabhängigkeit in
eine Krise: die Amerikaner hatten mit ihrer Unabhängigkeit die
Handelsrechte im Empire verloren und so wurden zunehmend
britische Fertigwaren importiert, die Briten hinderten die
Amerikaner aber am Export ihrer Waren nach Europa oder in die
Karibik. Der Kontinentalkongress hatte keine Befugnisse, dem etwas –
wie Importbeschränkungen – entgegenzusetzen, und die Briten spielten
die einzelnen Staaten geschickt gegeneinander aus. So entstand ein
Handelsdefizit, das drohte, die im Unabhängigkeitskrieg entstanden
Schulden unbezahlbar zu machen. Die Krise führte auch zu Unruhe in
den Staaten, so versuchten etwa in Massachusetts unzufriedene
Farmer, ein staatliches Waffendepot zu erbeuten. 1787 entschied
daher ein Verfassungskonvent, dass die Staaten eine handlungsfähige
Zentralregierung bräuchten. Interessenskonflikte zwischen Süden und
Norden – der Süden befürchtete etwa eine Mehrheit, die die Sklaverei
ablehnte – machten die Diskussionen schwierig, aber nach fünf
Monaten wurde die Verfassung angenommen. Die Vereinigten Staaten
bekamen ein Präsidialsystem – ein starker Präsident sollte die
Regierung führen, die auch das Recht erhielt, Steuern und Zölle zu
erheben. Um sowohl den Interessen der großen als auch der kleinen
Staaten entgegenzukommen, bestand der neu geschaffene Kongress aus
zwei Parlamentskammern: In das Repräsentantenhaus wurden Abgeordnete
entsprechend der Bevölkerungszahl entsendet, während im Senat jeder
Staat unabhängig von der Bevölkerungszahl zwei Sitze enthielt. Die
erforderliche Zustimmung von neun der 13 Staaten dauerte noch einmal
ein Jahr (Gegner der Verfassung fürchteten,, dass über kurz oder
lang die Staaten ihre Selbstständigkeit verlieren würden), aber am
30. April 1789 trat George Washington sein Amt als
erster Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika (United
States of America, USA) an. Im Dezember 1791 wurde die
Verfassung um einen Grundrechtekatalog erweitert. Um die Schulden
abzubauen, wollte Finanzminister Alexander Hamilton die
Kriegsschulden, aber auch wesentliche Steuerrechte auf die Union
übertragen – zum Ausgleich erreichten die gegenüber dieser Lösung
skeptischen Südstaaten, dass nicht New York Hauptstadt der USA
wurde, sondern eine neue Hauptstadt am Potomac in einem
staatenfreien, dem Kongress direkt unterstellten Gebiet (District
of Columia, D.C.) errichtet wurde. Zu Ehren George
Washingtons heißt sie Washington, im November 1800 wurde das Weiße
Haus als Amts- und Wohnsitz des Präsidenten eingeweiht.
Die Erschließung des amerikanischen
Westens
Die Erschließung des amerikanischen Westens erfolgte in mehreren
Wellen. Die erste Welle bestand aus den (überwiegend französischen)
Waldläufern, Missionaren und Händlern, die oft als erste Weiße das
Landesinnere bereisten. Ab 1780 verheerte zudem eine neue, diesmal
von Mexiko-City ausgehende Pockenepidemie die USA – wieder traf sie
insbesondere die indianischen Völker. Der mächtige, halbnomadische
Prärie-Indianerstamm der Arikara verlor in seinen Siedlungen am
Missouri-River etwa 80 Prozent der Bevölkerung; fortan dominierten
hier die nomadischen Sioux-Völker. Mit den Landgewinnen nach dem
Unabhängigkeitskrieg geriet der Westen in den Blick der USA, und mit
der Aufnahme von Kentucky im Jahr 1792 und von Tennessee 1796 (beide
waren von dem Jäger und Fallensteller Daniel Boone erkundet worden,
dessen Berichte über fruchtbare Böden die Besiedelung ausgelöst
hatten), dehnten sich die USA in Gebiete jenseits der Appalachen
aus. Vor allem der dritte Präsident der USA, Thomas
Jefferson, der aus einer Pflanzerfamilie in Virginia
stammte, sah die USA als eine Nation unabhängiger Farmer, Pflanzer
und Handwerker, der im Norden beginnenden
Industrialisierung wollte er als Gegengewicht die Erschließung
des Westens gegenüberstellen. 1803 konnten die Vereinigten Staaten
im “Louisiana Purchase” die verbliebenen
französischen Gebiete westlich des Mississippi für 60 Millionen
Francs von Napoleon kaufen, der das Geld für seine Kriege in Europa
brauchte. Das neu erstandene Gebiet war von Indianer besiedelt, die
einerseits dort bleiben und “zivilisiert” werden sollten;
andererseits konnten die Staaten aber auch Geld aus Landverkäufen
gut brauchen, um ihre Schulden zu bezahlen – und so kam es zu einer
Besiedlungswelle durch Viehbauern, die Grund und Boden erwarben.
Jefferson begann, von einer Ausdehnung der USA bis zur Westküste zu
träumen, und überzeugte den Kongress, eine Expedition an die
Pazifikküste zu finanzieren. Geleitet wurde diese von Meriwether
Lewis und William Clark; 1805 erreichte die Lewis-Clark-Expedition
den Pazifik.
Im gleichen Jahr begann der Häuptling der Shawnee-Indianer,
Tecumseh, die Indianerstämme im Nordwesten und Südosten
gegen das weitere Vordringen der Siedler jenseits der Appalachen zu
vereinen. Damit scheiterte er jedoch. Aber als 1812 die
Amerikaner den Briten, die bei ihrem Kampf gegen Napoleon immer
wieder amerikanische Matrosen zum Dienst auf britischen
Kriegsschiffen pressten, den Krieg erklärten (2.
Unabhängigkeitskrieg), unterstützte Tecumsehs Koalition
die Briten. Anfängliche Erfolge der Britisch-indianischen Truppen
verhinderten, dass die Amerikaner Kanada erobern konnten; den Krieg
konnten aber keine der beiden Parteien gewinnen, so dass am Ende
1815 weitgehend der Status vor Kriegsanbruch wieder hergestellt
wurde. Allerdings wurden die meisten Handelsschranken aufgehoben, so
dass die Amerikaner sich als Sieger sahen. Verlierer waren vor allem
die Indianer, die weiteres Land verloren.
1819 konnten die USA von den Spaniern, die zunehmend mit Unruhen in
Lateinamerika zu kämpfen hatten, für fünf Millionen Dollar Florida
abkaufen. 1821 verzichtete Spanien auf alle Gebiete jenseits der
Rocky Mountains, die nördlich von Kalifornien lagen, und in einem
Vertrag mit den Briten einigten sich die USA auf eine gemeinsame
Verwaltung dieses "Oregongebietes" und den 49. Breitengrad als
Grenze zu Kanada. Indes bedrohte die Sklavenfrage die Einheit der
USA: Als Missouri 1820 in die USA aufgenommen wurde, verlangte das
Repräsentantenhaus ein Ende der Sklaverei, woraufhin der Senat die
Aufnahme von Maine, das sich von Massachusetts abgespalten hatte,
verweigerte. Mit dem Kompromiss, Maine als sklavenfreien und
Missouri als Sklavenstaat aufzunehmen, wurde die Sklavenfrage noch
einmal politisch neutralisiert und das Gleichgewicht zwischen Nord-
und Südstaaten im Senat beibehalten. Ab 1824 bot das 1821 unabhängig
gewordene Mexiko amerikanischen Einwandern kostenloses Land und die
Staatsbürgerschaft in seiner dünn besiedelten Randprovinz Texas
(so groß wie Deutschland, keine 4.000 Einwohner) an. Mit Erfolg –
bald lebten in Texas mehr amerikanische Siedler als Mexikaner. Die
Amerikaner boten Mexiko mehrfach den Kauf von Texas an, der Zuzug
war unübersehbar zur Landnahme geworden. 1830 verboten die Mexikaner
den Zuzug weiterer nordamerikanischer Einwanderer. Zu spät: ab 1832
kam es zu Kämpfen zwischen Siedlern und mexikanischen Soldaten, und
nachdem Mexiko 1834 eine neue zentralistische Verfassung
verabschiedete, die auch noch die Sklaverei verbot, erklärten die
Siedler 1836 ihre Unabhängigkeit als "Republik Texas" (unter
Präsident Sam Houston) und boten den USA ihren Beitritt an. Die
fürchteten jedoch einen Krieg mit Mexiko und lehnten das texanische
Ansinnen zunächst ab; die Nordstaaten fürchteten zudem eine
Machtzunahme der Südstaaten.
1843 erreichte ein erster Planwagentreck das Oregon-Gebiet, und
löste ein wahres „Oregon-Fieber“ im Norden aus – hatten doch
Berichte von fruchtbarem Siedlungsland, reichen Fischgründen und
guten Möglichkeiten zum Pelzhandel dort im Westen gekündet. So
konnte die Oregon- mit der Texasfrage verknüpft werden: Oregon und
Texas sollten in die USA einverleibt werden. Die USA kündigten die
gemeinsame britisch-amerikanische Verwaltung von Oregon, und nahmen
1845 Texas auf. Während die Briten einen Krieg vermeiden wollten und
eine Aufteilung Oregons entlang des 49. Breitengrads vorschlugen,
was auch das eigentliche Ziel der Amerikaner war, führte die
Ablehnung des amerikanischen Versuchs, auch noch die mexikanischen
Provinzen Neumexiko und Kalifornien (für 30 Millionen Dollar) zu
kaufen, zum Krieg. Im Mexikanischen Krieg,
der bis 1848 dauerte, verlor Mexiko die beiden Provinzen an die USA
und erkannten den Rio Grande als Grenze an. Dafür zahlten die USA 15
Millionen Dollar und übernahmen 3,25 Millionen mexikanische
Schulden. Goldfunde in Kalifornien lösten kurz darauf eine
Goldrausch aus, der derartig viele Goldsucher und Glücksritter nach
Kalifornien lockte, dass die öffentliche Ordnung weitgehend
zusammenbrach. Auch die Einwanderung aus Europa stieg deutlich an:
Iren flohen vor der durch die Kartoffelfäule verursachte Hungersnot;
Deutsche (vor allem aus der Pfalz und dem Hunsrück), Schweizer und
Skandinavier vor knappem Land und Überbevölkerung, und aus England
kamen in Folge der Industrialisierung arbeitslos gewordene
Handwerker. Bis zum Jahr 1849 kamen drei Millionen Einwanderer in
das Land.
Überall wurden mit dem Vorrücken der Siedler die Indianer
vertrieben. 1830 hatte Präsident Andrew Jackson mit dem Indian
Removal Act eine gesetzliche Grundlage geschaffen, die rund
120.000 Indianer, die noch im Osten lebten, auch gegen ihren Willen
in Gebiete jenseits des Mississippi zu verbringen. Das traf vor
allem die sesshaften Cherokee, Creek, Chicksaw, Choctaw und
Seminolen; und obgleich die Cherokee mit ihrer Klage vor dem
Verfassungsgericht (das sie als eigenständiges Volk anerkannte)
recht bekamen, trieben die USA die Umsiedelung voran: von den
Cherokee kamen auf dem fast 2.000 Kilometer langen Weg über 4.000
der 17.000 Stammesmitglieder um (die Cherokee nennen den Weg daher trail
of tears, den "Weg der Tränen"), und das zugewiesene Land
entsprach nur einem Drittel der aufgegebenen Fläche und war zudem
weniger fruchtbar. 1837 bis 1840 hatte zudem eine erneute
Pockenepidemie (Great Plains Smallpox Epidemic) den amerikanischen
Westen verheert. Sie traf viele Indianervölker dort beinahe tödlich:
die Mandan, Hidatsa, Arikara, Schwarzfuß-Indianer, Gros Ventre und
Assiniboine. In den amerikanischen Prärien füllten die Lakota,
Cheyenne und Arapaho die Lücke – die Indianervölker, auf die die
Weißen später treffen sollten, waren das Ergebnis der von ihnen
mitgebrachten Pocken. Ein anderes Opfer waren die Wälder,
die für die Urbarmachung von Weide- und Ackerland fielen.
Unterdessen hatten sich die kulturellen Unterschiede zwischen den
Staaten der USA noch verschärft: Im Nordosten schritt die
Industrialisierung voran, die mittlerweile zum Finanzzentrum
gewordene New Yorker Wall Street investierte in Fabriken und
Infrastruktur – 1825 war mit der Fertigstellung des Eriekanals
beispielsweise New York über den Hudson und den Eriesee mit den
Siedlungsgebieten im Westen verbunden worden. Ab 1830 begann der
Eisenbahnbau in den USA, der Chicago zu einem zentralen Knotenpunkt
machte. Der Mittlere Westen versorgte die Metropolen im Osten mit
Nahrungsmitteln, die Landwirtschaft wurde mechanisiert (John Deere
stellte 1857 bereits 10.000 Stahlpflüge her), blieb aber von
Familienbetrieben dominiert – nur jeder zweite Betrieb hatte
überhaupt Angestellte. Im Süden wurde dagegen der wie der Tabakanbau
auf Sklavenarbeit beruhende Baumwollanbau stark ausgeweitet, so dass
Baumwolle zum wichtigsten Exportgut wurde. Aber im Norden prangerten
Reforminitiativen jetzt die Sklaverei (die im britischen Empire
schon 1833 verboten worden war) zunehmend an, und Abgeordnete
aus den Nordstaaten hatten den Mexikanischen Krieg als Komplott
gesehen, mit dem die Südstaaten ihren Einfluss ausweiten wollten. So
hatte der Abgeordnete Abraham Lincoln den Einmarsch in Mexiko als
"rechtswidrige Aggression" verurteilt. Den Wandel der Einstellung
großer Teile der Bevölkerung zeigte – und beförderte – der Erfolg
von Harriet Beecher Stowes 1952 erschienenes Buch "Onkel Toms
Hütte", das den Menschenhandel mit Schwarzen als Barbarei
darstellte.
Der amerikanische Bürgerkrieg
Als 1860 mit Abraham Lincoln ein erklärter Gegner der Sklaverei –
dem deren Ende allerdings kein Herzensanliegen war und der gar keine
Initiative zu ihrer Abschaffung begann – zum Präsidenten gewählt
wurden, erklärten 11 Südstaaten ihren Austritt aus der Union und
schlossen sich 1861 zu einer Konföderation
zusammen. Lincoln hoffte eigentlich auf ein freiwillige Rückkehr der
Südstaaten, aber als diese unbewaffnete Proviantboote der Union an
der Einfahrt zur Bucht von Charleston angriffen, verstand er den
Angriff als Kriegserklärung: der amerikanische Bürgerkrieg
(1861 bis 1865) hatte begonnen. Kaum jemand rechnete mit einem
langen Krieg: Dem Norden galt der Süden als bevölkerungsarm und
rückständig, die Südstaatler gingen davon aus, dass die
Geschäftsleute im Norden bei anhaltenden geschäftlichen Einbußen
schon für ein Ende des Krieges sorgen würden. Sie sollten sich
irren; vor allem der Kampf um die Einheit der Union (weniger für die
Abschaffung der Sklaverei, die nicht jeder Unionssoldat
befürwortete) mobilisierte nach ersten Siegen der Konföderierten im
Norden dann im zunächst kaum vorbereiteten Norden doch erhebliche
Truppen, und Schlachten bei Gettysburg, Vicksburg und Chattanooga
wendeten 1863 das Kriegsglück zugunsten der Nordstaaten. Als General
Sherman im Jahr darauf einen Vernichtungsfeldzug durch Georgia
startete, den die Südstaaten unter General Lee nicht aufhalten
konnten, kapitulierten diese am 9. April 1865. Die Einheit der USA
war wieder hergestellt, hatte aber 750.000 Soldaten das Leben
gekostet – in keinem Krieg des 19. Jahrhundert sollten mehr Menschen
sterben. Die Kapitulation des Südens führte zur Befreiung der
Sklaven, die aber kein Land erhielten und daher wirtschaftlich von
den weißen Pflanzern abhängig blieben – oder sich als bettelarme
Lohnarbeiter in den Fabriken des Nordens ausbeuten lassen konnten.
Im Süden entstanden zudem rassistische Geheimorganisationen wie der
Ku-Klux-Klan, der jegliche gesellschaftliche Veränderung zur Not mit
Lynchjustiz verhindern wollte. Der Krieg sollte aber auch die
Industrialisierung befördern: Der französische General Gribeauval
war nämlich auf die Idee gekommen, Gewehre mit austauschbaren Teilen
herzustellen, um beschädigte Waffen weiter nutzen zu können. Hiervon
hatte Thomas Jefferson während seiner Zeit als Botschafter in
Frankreich erfahren, und brachte die Idee nach Amerika. Trotz der
damals höheren Kosten bauten die Amerikaner Waffen mit
standardisierten Austauschelementen – die Grundlage des
„amerikanischen Fabrikwarensystem“, das Basis für die spätere
Fließbandproduktion war.
Amerika war nach dem Bürgerkrieg zu weiten Teilen zerstört, aber
seinen Ruf als Land der unbegrenzten Möglichkeiten hat dieses nicht
geschadet. Schon 1865 begann der Bau einer transnationalen
Eisenbahnstrecke, die den Osten mit dem Pazifik verbinden sollte,
und bereits 1869 war diese fertiggestellt. Jetzt begann auch die
große Zeit der Cowboys, Viehhirten, die Herden von Rindern aus Texas
zu den Märkten im Norden trieben. Siedler, die sich ihnen mit Zäunen
in den Weg stellten, wurden bekämpft – es entstand der Mythos vom Wilden
Westen. Allerdings endete diese Zeit schon dreißig Jahre
später, als die mittlerweile über 300.000 Kilometer an
Eisenbahntrassen die Viehtreiber überflüssig machten und die
Regierung es schaffte, für Recht und Ordnung zu sorgen. Während des
Bürgerkriegs waren auch die Indianerkriege
weitergegangen – nicht alle Indianer fügten sich der oben
beschriebenen Indianerpolitik kampflos. Nachdem 1864 in Montana Gold
gefunden wurde, legten die USA einen Weg durch das Gebiet, das sie
zuvor den Prärieindianern zugewiesen hatte, worauf diese sich
wehren. 1876 gelang den Indianern unter der Führung von Sitting Bull
und Crazy Horse am Little Big Horn ein letzter
Sieg gegen die Truppen der USA.
Die Besiedelung des Westens veränderte die Natur weiter.
Ausgebrochene Pferde hatten bereits zu Zeiten des
Unabhängigkeitskrieges dazu geführt, dass es wieder Herden wilder
Mustangs gab, die ganz Nordamerika besiedeln sollten. Damit machten
die Siedler wieder gut, was die ersten Menschen in Nordamerika
angerichtet hatten: Das eigentlich in Amerika entstandene Pferd, das
sich von hier aus nach Eurasien verbreitet hatte, war vor 13.000
Jahren ausgestorben – kurz nach der Ankunft des Menschen; vermutlich
wurde es diese
ausgerottet. Typischer war aber die Vernichtung der
Natur, für die Wandertaube und Bisons standen. Die Wandertaube
war mit Kolonien von Millionen Vögeln ein Weltwunder der Natur, das
die Fruchtbarkeit Nordamerikas symbolisierte – selbst die Siedler
konnten diese Art erst ausrotten, als 1870 der Hinterlader erfunden
wurde. Am prominentesten ist aber der Bison, der
ab 1830 an den Rand des Aussterbens getrieben wurde. Noch zu Anfang
des Jahrhunderts lebten wohl 30 bis 40 Millionen Bisons in den
Grasländern der Great Plains, die durch diese intensive Beweidung
und Düngung durch Urin und Kot überhaupt erst bestehen konnten.
Daher hingen von ihnen andere Pflanzenfresser ab, Millionen
Gabelböcke, Hirsche, Elche und Bighornschafe; und natürlich die
Fleischfresser, wie Wölfe – und die Prärieindianer. Die Vernichtung
der Bisons erfolgt anfänglich für die Pelze, später oftmals nur noch
für die Zungen oder rein zum Vergnügen – aus Eisenbahnwaggons
heraus. 1884 konnten dann nur noch 300 Bisonhäute in den Osten
geliefert werden; nur 600 Bisons überlebten das Gemetzel. Im Gefolge
starben auch die Wölfe fast aus. Und die Prärieindianer,
deren Lebensweise sich mit der Übernahmen von Pferd und Gewehr
grundlegend verändert hatte und die so – wie sich am Little Big Horn
gezeigt hatte – zum ernsthaften Gegner der Weißen bei der Eroberung
des Landes geworden waren, verloren ihre wichtigste Nahrungsquelle.
Derart geschwächt, endeten die Indianerkriege 1890 mit dem Massaker
am Wounded Knee in Süddakota, wo die US-Kavallerie 300 unbewaffnete
Männer, Frauen und Kinder ermordete (wofür sie auch noch
Tapferkeitsmedaillen erhielt). Im Jahr 1900 lebten nur noch 240.000
Indianer in den USA. Im späten 19. Jahrhundert wurde auch der
Höhepunkt der Vernichtung der Wälder erreicht: sie
fielen nicht mehr nur für die Urbarmachung von Acker- und Weideland,
sondern für die Holzproduktion, die zum (nach der Baumwolle)
zweitwichtigsten Wirtschaftszweig der USA wurde. Von den 2,5
Millionen Quadratmetern Waldland in den östlichen USA waren 1920 nur
noch vier Prozent ungenutzt.
Die Erschließung des Westens machte die USA mit den riesigen
Flächen zum Vorreiter der Mechanisierung
und Industrialisierung der Landwirtschaft. Diese begleitete
eine
Industrialisierung der USA, die diese, die über weit höhere
Vorräte an fossilen Energieträgern verfügte als Europa, zur
Weltmacht machen sollte.
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Auf dem Weg zur Weltmacht: Die Industrialisierung der USA