Das Zeitalter der Industrie
Die Industrielle Revolution
Kohle und Kapitalismus prägen die Welt
Die erste Phase der industriellen Revolution mit Kohle, Dampfmaschine und Stahl ist noch weitgehend von „Tüftlern und Bastlern“ ausgelöst worden, nicht durch wissenschaftlich-technische Forschung. Anders sah es mit Erfindungen und Entdeckungen in der Chemie und mit Elektrizität aus: hier hatten Amerikaner, Franzosen und Deutsche mit ihren guten wissenschaftlichen und technischen Ausbildungsstätten die Nase vorn. Erdöl wurde zum Grundstoff der chemischen Industrie und diente der Herstellung von Benzin – die Autoindustrie setzte Maßstäbe in der Produktivität.
Badische Anilin- und Sodafabrik
1881, unbekannter Maler. Aus
wikipedia, abgerufen
5.3.2010. Gemeinfrei.
Teil 2:
Chemie, Elektrizität und Auto
Die chemische Industrie entsteht
Die Geschichte der Chemie als moderne Naturwissenschaft begann Ende des 18. Jahrhunderts, als Experimente und genaue Messungen die alchimistische Arbeitsweise ablösten – etwa mit den Arbeiten Lavoisiers, der zeigte, das Verbrennungsprozesse chemisch gesehen Oxidationen sind: die verbrennenden Elemente reagieren mit Sauerstoff (mehr). In Deutschland legte Justus Liebigs Forschung in Gießen die Grundlage für die Düngerwirtschaft, die die Erträge der Landwirtschaft wirkungsvoll steigern sollte (mehr). Die neue Wissenschaft Chemie wandte sich auch den Abfallprodukten der Kohleindustrie zu. Bisher wurde nur das Kohlegas genutzt, mit dessen Hilfe London (1807), Baltimore (1816) und Paris (1820) eine Gas-Straßenbeleuchtung einführt hatten. Der Durchbruch kam 1856, als der englische Chemiker William Henry Perkin bei Experimenten mit dem in Kokereien in großen Mengen entstehendem stinkenden und giftigen Teer zufällig entdeckte, dass der Bestandteil Anilin ein Farbstoff war, mit dem sich Seide ausgezeichnet färben ließ. 1858 entdeckte Justus Liebigs Assistenz August Wilhelm von Hoffmann den ebenfalls aus Anilin abgeleiteten Farbstoff Fuchsin (benannt nach der ähnlich gefärbten Fuchsie). In Deutschland wurden mehrere Teerfarbenfabriken gegründet, darunter 1863 bei Frankfurt die Farbenfabrik Meister, Lucius & Brüning (die später in Farbwerke HOECHST umbenannt wurde) und die Firma Friedr. BAYER & Co. in Wuppertal, 1865 bei Mannheim die Badische Anilin- & Sodafabrik (BASF) und 1867 bei Berlin die Gesellschaft für Anilinfabrikation (die spätere AGFA) – dies war die Geburt der deutschen Chemieindustrie. Im Jahr 1900 produzierte Deutschland 80 bis 90 Prozent aller synthetischen Farbstoffe der Welt.
Die Teerfarbenindustrie wurde zum Ausgangspunkt der organischen Chemie insgesamt, denn bei den Versuchen, Farben zu entdecken, wurden beispielsweise auch Medikamente und Parfüme entdeckt. Eine ähnliche Bedeutung als Geburtshelfer der Chemieindustrie hatte nur noch die Herstellung von Soda (und wie die “Badische Anilin- und Sodafabrik” zeigt, sind beide eng verknüpft: Soda wird hauptsächlich bei der Glasherstellung, aber auch zur Herstellung von Wasch- und Reinigungsmitteln und in der Papierindustrie gebraucht). 1865 gelang es dem belgischen Chemiker Ernest Solvay, Soda nach einem neuen, billigeren Verfahren herzustellen; der Solvay-Konzern ist noch heute einer der weltgrößten Chemiekonzerne. Auch die anorganische chemische Industrie profitierte von den Techniken und Bedürfnissen der Teerfarbenfabriken. So wurde etwa für die Indigosynthese konzentrierte Schwefelsäure benötigt, die mit den damaligen Verfahren nicht hergestellt werden konnte: 1901 entwickelte BASF das “Kontaktverfahren”, mit dem sich diese herstellen ließ (und das inzwischen durch BAYER zum “Doppelkontaktverfahren” weiterentwickelt wurde). Schwefelsäure wurde damit zum Massenprodukt und wird zur Herstellung von Düngemitteln, in der Chemie-, Metall- und Elektroindustrie reichlich verwendet – im Jahr 2000 wurden 167 Millionen Tonnen hergestellt. Stickstoffverbindungen konnten seit 1913, als Carl Bosch bei der BASF ein 1909 von dem deutschen Chemiker Fritz Haber erfundenes Verfahren zur Herstellung von Ammoniak so modifiziert hatte, dass es industriell arbeitenden Syntheseanlagen hergestellt werden konnte, in großen Mengen produziert werden. Diese Anlage diente der Herstellung von Ammoniumsulfat, einem Stickstoffdünger (mehr).
Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde die Chemieindustrie auf Spreng- und Kampfstoffproduktion umgestellt und ausgebaut. So wurde bei Leuna unter der Leitung von Carl Bosch der Bau einer Ammoniaksyntheseanlage mit anschließender Erzeugung von Salpetersäure begonnen – Salpetersäure war die Basis für die Herstellung von Sprengstoffen wie “Nitroglycerin” (und damit des 1867 von Alfred Nobel erfundenen Dynamits, bei dem Nitroglycerin mit Granulat gemischt wird und so relativ sicher zu transportieren war), Pikrinsäure und TNT. Nach dem verlorenen Krieg wurden dann wieder Stickstoffdünger hergestellt; als sich große Teile der deutschen Farbenindustrie 1925 zur IG Farben zusammenschloss, machte das Stickstoffgeschäft über 40 Prozent ihres Umsatzes aus. Vor allem die Industrialisierung und damit einhergehende Chemisierung der Landwirtschaft (hier) führten dazu, dass die Produktion von Stickstoffverbindungen im Jahr 2000 etwa 90 Millionen Tonnen betrug. Mit der Verfügbarkeit von elektrischem Strom (mehr) waren zudem neue Produktionsverfahren möglich gewurden. So wurde der viel gebrauchte Grundstoff Natronlauge seit Anfang des 20. Jahrhundert mittels Elektrolyse einer Steinsalzlösung hergestellt. Bei dieser Elektrolyse fiel aber Chlor in großen Mengen an. Chlor ist ein aggressives Gift, und um dieses loszuwerden, begann die Suche nach Verwandlungsmöglichkeiten: Mit der Chlorierung von Acetylen wurden Chlorkohlenwasserstoffe (CKW) wie Trichlorethan und später Trichlorethen (TRI) erzeugt, andere CKW wie Chloroform wurden als Narkosemittel verwendet. Die so entstehende Chlorchemie sollte wesentlich die Umweltauswirkungen der chemischen Industrie bestimmen. Im Ersten Weltkrieg wurde Chlor aber zunächst direkt als Giftgas genutzt, später vor allem das aus der Reaktion von Chlor mit Kohlenmonoxid entstehende Phosgen und andere Giftgase wie Lost, gegen die auch keine Gasmasken mehr halfen. Alleine Deutschland stellte im Ersten Weltkrieg 105.000 Tonnen chemischen Kampfstoffe her.
Nach dem Krieg musste dann wieder eine zivile Verwendung für das Chlor gefunden werden, ein Verfahren war die bei Hoechst entwickelte Methanchlorierung. Insbesondere Tetrachlormethan (TETRA) begann seinen Siegeszug als Entfettungs- und Lösemittel sowie Feuerlöschmittel – und führte zu einer Welle von Vergiftungsfällen, weshalb die Verwendung nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgegeben wurde. Auch TRI erwies sich als giftig, wurde aber noch bis 1970 in steigenden Mengen hergestellt. Auch der “Nachfolger” Tetrachlorethen (PER) erwies sich als ähnlich giftig, und inzwischen sind die Emissionen leichtflüchtiger Halogenkohlenwasserstoffe gesetzlich streng geregelt. Aber im Jahr 2000 betrug die Einsatzmenge in Deutschland immer noch 22.500 Tonnen. (Siehe zum Thema auch Das Ozonloch.)
Eine andere Verwendungsmöglichkeit für die Chlorüberschüsse war die Herstellung von Kunststoffen. Grundlage war die 1869 gelungene Entwicklung des Zelluloid und der 1872 erfundenen Spritzgussmaschine. Zelluloid entstand – wie Kunstseide – noch auf Basis natürlicher Polymere (Zellulose). Es wurde, da es sehr brennbar war, später durch andere Kunststoffe ersetzt; nur als Grundlage für fotografische Filme blieb es lange bedeutsam. Aber es war der erste Stoff, mit dem man wertvolle Naturmaterialien wie Elfenbein imitieren und als billige Massenware herstellen konnte. Den ersten Kunststoffboom auf dem Massenmarkt erlangte als durchsichtige Verpackungsfolie das als Cellophan oder Zellglas bekannte Zellulosehydrat. Der erste echte “Kunst-Stoff” war das 1907 von Leo Hendrik Baekeland in den USA hergestellte “Bakelit”. Damit begann ein neues Zeitalter.
Anfang des 20. Jahrhundert hatte der deutsche Chemiker Hermann Staudinger wichtige Beiträge zur Polymerchemie geleistet, wofür er 1953 den Chemie-Nobelpreis bekam. Seine Forschung bildet die Grundlage für die heutige Kunststoffindustrie. 1930 hatte die IG Farben ein Patent für die Herstellung des künstlichen Polymers Polyvinylchlorid (PVC), dessen industrielle Produktion 1935 begann. Kunstfasern auf der Basis von Zelluloseacetat, die seit den 1920er Jahren als Basis preiswerter Kleidung immer bedeutsamer geworden waren (Kunstseide kostete ein Viertel natürlicher Seide), wurden durch rein synthetische Materialien wie das von DuPont entwickelte Nylon abgelöst. Insbesondere Nylonstrümpfe lösten eine “Nylonmanie” aus: bereits im ersten Jahr auf dem Markt wurden in den USA etwa 64 Millionen Paar verkauft. (Die Nylonmanie endete bereits 1941, als Nylon, das für die Herstellung von Fallschirmen, Zelten und Militäruniformen gebraucht wurde, kriegswichtig wurde: Viele amerikanische Frauen spendeten dafür ihre Nylonstrümpfe. In Deutschland wurde das von der IG Farben entwickelte Perlon als deutsche Alternative zum Nylon genutzt. Chemisch sind beide Polyamide.)
Dabei wurde zunehmend Erdöl (genauer: das in den Erdölraffinerien entstehende Destillat Naphtha) als Grundstoff genutzt, und ab den 1930er Jahren fanden weitere Kunststoffe wie Polystyrol (z.B. für Schaumstoffschalen, Dämmstoff, Elektrogeräte), Polyethylen (z.B. für “Tupperware”, Folien, Plastikflaschen) und Polyurethan (z.B. als Montageschaum, Dämmstoff) einen stetig wachsenden Markt und führten mit dem Bedarf der immer bedeutender werdenden Autoindustrie (hier) mit ihrem Bedarf an Kraftstoffzusätzen, Schmiermitteln, Lacken, Kautschuk etc. zur Entstehung der Petrochemie. In Deutschland begann ihr Siegeszug in der Zeit des “Wirtschaftswunders” nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Weltproduktion an Kunststoffen stieg von 10.000 Tonnen/Jahr im Jahr 1930 auf eine Millionen Tonnen/Jahr im Jahr 1949 an; 1976 betrug sie 50 Millionen, 1979 übertraf sie erstmals die Menge des im selben Jahr hergestellten Stahls und im Jahr 2003 betrug die Produktion 200 Millionen Tonnen/Jahr. Kennzeichnendes Produkt der Jahrtausendwende ist die PET-Flasche: Alleine in den USA wurden pro Jahr 25 Milliarden PET-Flaschen (für deren Produktion 17 Millionen Barrel Öl gebraucht wurden) weggeworfen. Die Petrochemie ist heute der bei weitem wichtigste Zweig der Chemieindustrie.
Ebenfalls der Chlorchemie entstammen die meisten Pestizide. Der Bedarf an “Schädlingsbekämpfung” stieg nach dem Zweiten Weltkrieg enorm an, als sich die Monokulturen der industrialisierten Landwirtschaft ausbreiteten. Zu den giftigsten Pestiziden zählten DDT, Lindan und Derivate von Di- und Trichlorphenol (2,4-D und 2,4,5-T). Lindan und DDT wurden als Insektenvernichtungsmittel verwendet; beide reicherten sich in der Nahrungskette an: DDT führte zum Rückgang von Seeadlern und anderen Raubvögeln (und wurde in Deutschland 1972 verboten), Lindan erwies sich als Gesundheitsgefahr für den Menschen. Dioxinhaltige Rückstände aus der Lindanproduktion, die ungesichert auf dem Gelände der Firma Boehringer gefunden wurden, führten 1984 in Hamburg zur ersten Werksschließung aus Gründen des Umweltschutzes in Deutschland. 2,4-D und 2,4,5-T wurden im Vietnamkrieg von den Amerikanern als Entlaubungsmittel “Agent Orange” eingesetzt, was zu Missbildungen Neugeborener und Krebserkrankungen führte.
Die Nutzung der Elektrizität
Elektrischer Strom ist ein enorm vielseitiger und komfortabler Energieträger; seine Nutzung ermöglichte Werner Siemens, als er auf Basis des Jahrzehnte zuvor von Michael Faraday entwickelten Dynamos im Jahr 1866 eine erste kommerziell nutzbare “Dynamomaschine” entwickelte: Wenn man eine Kupferspule in einem Magneten drehte, konnte mechanische Arbeit in elektrischen Strom umgewandelt werden – eine Erfindung, die so wichtig wie die Dampfmaschine werden sollte. Das Gegenstück zur Dynamomaschine war der Elektromotor, der elektrischen Strom zu mechanischer Arbeit machte – damit gab es eine kleine, erschwingliche Antriebs- und Arbeitsmaschine.
Zunächst wurde Strom aber vor allem für den 1837 von dem amerikanischen Erfinder Samuel Morse weiterentwickelten elektrischen Telegrafen gebraucht: die Technik ging auf einige Vorläufer zurück, darunter die des englischen Erfinders Francis Ronalds, der 1816 als erster eine Nachricht mittels Telegrafen über eine größere Entfernung (12 Kilometer) übermittelte. Morse entwickelte einen Schreibtelegrafen und einen als "Morse-Code" bekannt gewordenen Code zur Übertragung von Buchstaben, damit setzte sich der Telegraf weltweit durch. Die 1847 von Werner Siemens und Johann Georg Halske gegründete “Telegraphenbau-Anstalt von Siemens & Halske” baute im Winter 1848/49 eine Telegrafen-Leitung von Frankfurt nach Berlin und weitete ihr Geschäft auch ins Ausland aus: Aus der Anstalt sollte einer der ersten internationalen Konzerne werden und später die heutige Siemens AG hervorgehen. Ihr wichtigster Wettbewerber war die aus der 1883 gegründeten “Deutschen Edison-Gesellschaft für angewandte Elektrizität” hervorgegangene “Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft” (AEG). 1913 lieferte die deutsche Elektroindustrie dreißig Prozent der Weltproduktion an elektrotechnischen Erzeugnissen.
Morses Telegraf bedeutete aber vor allem eine Revolution für die Übermittlung von Nachrichten: Zuvor waren Nachrichten an Land über größere Entfernungen nur durch optische Signalübertragung (Rauchzeichen, später mit Flaggen und "Winkeralphabeten), Läufer- oder Reiterstafetten zu übermitteln [0005]. Mit dem Telegrafen gewann die Nachrichtenübermittlung an Land enorm an Schnelligkeit. Über das Meer waren die Nachrichten mit den Dampfschiffen zwar schneller geworden, aber immer noch langsam unterwegs. Das erste Seekabel, das 1866 Amerika mit Europa verband, änderte auch dies. Morses Telegraf regte auch viele Forscher an, über die Sprachübertragung durch elektrische Leitungen nachzudenken: Als Sieger ging der 1876 von dem amerikanischen Erfinder Alexander Graham Bell patentierte Telefonapparat hervor, der zur Basis der weiteren Entwicklung des Telefons wurde. 1897 zeigt der italienische Physiker Guglielmo Marconi, dass man Morsesignale auch drahtlos übertragen konnte, und wurde damit zum Pionier der Funktechnik – die Kommunikation war nun nicht mehr an Drähte gebunden; vom Fernsehsender bis zum Mobiltelefon nutzten wir heute alle Marconis Entdeckung.
Der elektrische Strom sollte auch die Beleuchtung auf neue Füße stellen: Bereits seit 1875 war der Pariser Gare du Nord elektrisch beleuchtet – den Durchbruch brachte aber die Weiterentwicklung der Glühlampe durch den amerikanischen Erfinder Thomas Alva Edison. Edison hatte 1874 einen verbesserten Telegrafen erfunden und verdiente mit seinem Verkauf viel Geld, das er in sein später weltberühmtes Erfinder-Labor in Menlo Park steckte. Hier erfand er unter anderem das Mikrofon und den Phonografen (den Vorläufer des Plattenspielers) – und verbesserte die Glühlampe. 1881 wurde das Unterhaus des englischen Parlaments mit der von Edison erfundenen Kohlefadenglühlampe beleuchtet, und bald erreichten diese Glühlampen eine Lebensdauer, die sie auch für Haushalte attraktiv machten. Glühlampen nutzen aber nichts, solange es keine Stromversorgung gab; und auch diese Thema ging Edison an. Er entwickelte ein von einer Dampfmaschinen angetriebenes Dynamo als Stromgenerator, und eröffnete 1882 in New York das mit sechs solcher Generatoren betriebene erste Zentralkraftwerk der Welt; es lieferte 110 Volt Gleichstrom. Über Kabel, die in 30 Kilometer unterirdischer Tunnel verliefen, versorgte es Gebäude im Finanzdistrikt Lower Manhattan, darunter das der New York Times, mit Strom. Zwei Monate später hatte Edison schon 3.500 Glühlampen verkauft, ein Jahr später brannten 10.000 Glühlampen. Zahlreiche Unternehmen stiegen in das Geschäft ein, und am Ende des Jahrzehnts waren über eine Millionen Glühlampen in Betrieb. 1892 vereinigte Edison seine Gesellschaften mit seinem größten Konkurrenten zu General Electric, noch heute einer der größten Konzerne der Welt.
Edisons Gleichstromsystem hatte jedoch den Nachteil, das mit der damaligen Technik der Strom nicht über längere Strecken geleitet werden konnte. Der serbisch-amerikanische Erfinder Nikola Tesla setzte daher auf Wechselstrom, entwickelte eine Wechselstrom- Generator und präsentierte 1888 einen ausgereiften Wechselstrom-Elektromotor. Er verkaufte seine Patente an den Industriellen George Westinghouse, der begann, Edison Konkurrenz zu machen. Zwischen General Electric und Westinghouse kam es zum “Stromkrieg”: Edison verbreitete Gerüchte über die Gefährlichkeit des Wechselstroms, aber als Westinghouse 1893 die Weltausstellung in Chicago mit Wechselspannung versorgte und mit einem Lichtermeer die Besucher begeisterte, setzte sich diese Technologie durch. 1896 wurde das neue, riesige Wasserkraftwerk an den Niagara-Fällen mit von Tesla entworfenen Wechselstrom-Generatoren ausgestattet. Westinghouse Electric wurde zum bedeutenden Kraftwerksbauer. Der Stromkrieg war entschieden, gestritten wurde jetzt darüber, ob die Stromversorgung von privaten oder öffentlichen Unternehmen übernommen werden sollte. Oft gewannen die Privatinteressen, viele Städte bauten aber auch städtische Versorgungsbetriebe auf. Strom wurde immer billiger, und als 1911 die Wolframfaden-Glühlampen durch Zusatz eine Stickstoff-Argon-Schutzgases noch langlebiger wurde, setzte sich die elektrische Glühbirne endgültig durch.
Der elektrische Strom veränderte das Leben in den Städten: In der Industrie sorgten Beleuchtung, Elektromotoren und die jetzt mögliche Automatisierung für immer höhere Produktivität; Aufzüge erlaubten den Bau von Hochhäusern. Ab den 1920er Jahren zogen Tiefkühlgeräte, Kühlschrank und Waschmaschine in die Haushalte ein. Aus den von George Westinghouse, Thomas A. Edison und Alexander G. Bell gegründeten Unternehmen wurden riesige Konzerne. Auf dem Land änderte sich zunächst wenig: Der Bau von Stromleitungen lohnte sich dort für die privaten Konzerne nicht. Erst 1935 begann unter der Präsidentschaft Roosevelts die Elektrifizierung des ländlichen Raums; Roosewelt sah hier die Möglichkeit, inmitten der Wirtschaftskrise Arbeitsplätze zu schaffen und dabei der Wirtschaft und der Landwirtschaft neue Impulse zu geben. Die größte Initiative war die Tennessee Valley Authority, die Dämme und ein weitläufiges Stromverteilungsnetz im Osten der USA errichtete. Bis Mitte der 1950er Jahre war fast jeder amerikanische Haushalt an das Stromnetz angeschlossen, Klimaanlagen und Fernseher zogen in die Häuser ein. In Westeuropa setzten sich elektrische Haushaltsgeräte erst nach dem zweiten Weltkrieg durch, um 1970 hatten die meisten Haushalte elektrische Haushaltsgeräte. In Japan begann die Nutzung elektrischer Haushaltsgeräte in den 1960er Jahren. In dieser Zeit wurde auch die Musik elektrisch: Rock’n Roll wäre ohne die E-Gitarre undenkbar gewesen. Strom wird aus vielen verschiedenen Energieträgern hergestellt; weltweit gesehen ist Kohle jedoch immer noch der wichtigste (mehr). Bei der nächsten Welle, der Motorisierung, spielte jedoch Erdöl die zentrale Rolle.
Die Motorisierung der Welt
Schon 1769 war das erste Automobil ("selbstbewegter Wagen") der Welt gebaut worden: der von dem französischen Erfinder Nicholas Cugnot gebaute Cugnot-Dampfwagen. Der war allerdings über 7 Meter lang, 4 Tonnen schwer und – wegen des hohen Gewichts des vor der Vorderachse hängenden Dampfkessels – äußerst schwer zu lenken. Cugnot selbst landete bei einer seiner Vorführfahrten mit dem Gefährt in einer Kasernenmauer. Da er auch nicht schneller war als ein Fußgänger, konnte er sich nicht durchsetzen. Ebenfalls in Frankreich hatte der aus Luxemburg stammende Erfinder Étienne Lenoir 1859 einen Gasmotor gebaut, mit dem er die aus seiner Sicht ausgereizte Dampfmaschine ersetzen wollte. Dieser Motor regte den deutschen Maschinenbauer Nikolaus Otto zu seinem wegweisenden Viertaktmotor an, der wesentlich weniger Kraftstoff verbrauchte – und die Zukunft des Verbrennungsmotors maßgeblich prägen sollte. 1885 baute der schwäbische Ingenieur Carl Benz einen vom ihm entwickelten Motor in ein dreirädriges Fahrzeug ein und erhielt hierfür 1886 ein Patent ("Motorwagen Nummer 1"). Mit seinem dritten Auto, dem Motorwagen Nummer 3, fuhr Benz' Frau Bertha 1888 vom Firmensitz Mannheim ins 106 Kilometer entfernte Pforzheim und wieder zurück, und bewies damit seine Langstreckentauglichkeit. Der Motorwagen Nummer 3 war das erste Automobil, das Benz auch verkaufte. 1894 präsentierte er den vierrädrigen "Benz Patent-Motorwagen Velo", das erste Auto, das er in Serie produzierte. 1900 war die (1899 in eine Aktiengesellschaft umgewandelte) Benz & Cie. mit 603 produzierten Motorwagen der größte Automobilhersteller der Welt. Dann machte ihm aber die Stuttgarter Daimler-Motoren-Gesellschaft zu schaffen. Der schwäbische Ingenieur Gottlieb Daimler und sein Kollege Wilhelm Maybach hatten als Mitarbeiter Ottos dessen Viertaktmotor zur Serienreife weiterentwickelt, nach einem Streit mit Otto hatten Daimler und Maybach dessen Firma verlassen und 1883 eine eigenen Viertaktmotor vorgestellt, der auch mit Benzin lief. 1886 bauten sie diesen in eine Kutsche ein – das erste vierrädrige Auto mit Verbrennungsmotor. 1887 gründete Daimler in Cannstatt eine Fabrik und 1889 stellte er den ersten (von Maybach konstruierten) Motorwagen vor. 1890 gründeten sie die Daimer-Motoren-Gesellschaft. Diese baute ab 1893 vor allem Schienentriebwagen und 1896 den ersten von einem Verbrennungsmotor angetriebenen Lastkraftwagen. 1897 wurde der Daimler Phoenix mit einem Vierzylindermotor vorgestellt. Die ab 1900 Mercedes genannten, ebenfalls von Maybach entwickelten Folgemodelle waren deutlich moderner als die Modelle von Benz & Cie. Als der Aufsichtsrat der Öffentlichkeit einen französischen Konstrukteur der Nachfolgemodelle präsentierte, verließ Carl Benz 1903 verärgert das Unternehmen, wurde aber im Jahr darauf Aufsichtsratsvorsitzender. Ein neuer Konstrukteur entwickelte neue Modelle, die Benz & Cie. AG wieder auf Erfolgskurs brachten. (1926 fusionierten die Daimler-Motoren-Gesellschaft und die Benz & Cie. AG zur Daimler-Benz AG.)
Zunächst blieb das Auto ein eher handwerklich oder in kleinen Serien hergestelltes Spielzeug für (reiche) Enthusiasten, im Jahr 1908 gab es über 250 Autohersteller in den USA. Für die alltägliche Fortbewegung der meisten Menschen war das frühen 1860er Jahren erfundene Fahrrad viel wichtiger, das immer weiter verbessert wurde (1890 etwa gab es schon Luftbereifung und Kettenschaltungen sowie Bremshebel). Es erlaubte den Menschen, dahin zu kommen, wohin keine Eisenbahn fuhr. Aber Berichte über Ottos Motor hatte in den USA auch der Ingenieur Henry Ford gelesen, und er träumte davon, das Automobil zum Massenprodukt zu machen. 1908 begann Ford mit der Herstellung des “Model T” („Tin Lizzy“), das er für 850 Dollar (entsprechend 19.300 US-Dollar im Jahr 2010) verkaufte. Bis 1914 entwickelte er das amerikanische Fabrikwarensystem zum Fließband weiter, neben Arbeitern wurden auch automatisierte Werkzeugmaschinen eingesetzt. Bis 1916 konnte Ford den Preis auf 345 Dollar senken. Viele seiner Arbeiter konnten sich nun selbst ein Auto leisten – so eröffnete sich auch einem bis dahin so exotischen Produkt wie dem Automobil ein großer Markt. 1923 baut Ford 1,8 Millionen Autos; die Massenproduktion hatte begonnen. Dazu trug auch die großzügige Bereitstellung von Krediten zum Autokauf bei; die Autohersteller richteten eigene Kreditabteilungen ein. 1927 wurden drei Viertel aller Autokäufe in den USA durch Kredite finanziert, das Automobil verhalf auch dem Kreditwesen zum Durchbruch. In den USA gab es im Jahr 1900 etwa 8.000 Autos, 1921 bereits 10 Millionen und im Jahr 1930 über 23 Millionen.