Das Zeitalter der Industrie

Von der Bedrohung zur Erholung

Wie wir die Weltmeere schützen können

Die >> Global Ocean Commission, die im Februar 2013 auf Initiative der gemeinnützigen amerikanischen Umweltorganisation >> Pew Charitable Trusts gegründet wurde, um die wesentlichen Bedrohungen des Ozeans zu identifizieren und Vorschläge zum besseren Umgang mit dem Ozean zu machen, hat im Juni 2014 ihren Bericht („From Decline to Recovery. A Rescue Package for the Global Ocean“) vorgelegt.

Abbildung der Titelseite des Global Ocean Commission Report 2014

Die Meere sind eine zentraler Bestandteil des Lebenserhaltungssystems der Erde

Der Bericht weist zunächst auf die zentrale Rolle hin, die der Ozean als Teil des Systems spielt, das das Leben auf der Erde ermöglicht: Er spielt eine zentrale Rolle bei der Wärmeverteilung auf der Erde, produziert die Hälfe des Sauerstoffs, nimmt große Mengen Wärme und Kohlendioxid auf und verringert damit die Folgen des Klimawandels. Für viele Menschen ist er zudem eine unverzichtbare Nahrungsquelle. Der finanzielle Wert dieser Leistungen ist schwer zu erfassen, aber alleine die Rolle als Kohlendioxid-Speicher wäre mit 150 Milliarden US-Dollar pro Jahr zu bewerten.

Die Meere sind gefährdet

Dem großen Wert steht aber ein unzureichender Schutz entgegen. Insbesondere die Hohe See, jene 64 Prozent der Meeresoberfläche, die nicht zur ausschließlichen Wirtschaftszone eines Küstenstaates („200-Meilen-Zone“) gehört, wird von einigen wenigen Profiteuren des allgemeinen Desinteresses an ihr geplündert; die rechtlichen Voraussetzungen für ihren Schutz, die auf dem UN-Seerechtsübereinkommen von 1982 beruhen, sind der Gefährdung nicht angemessen. Die hohe See wird zunehmend geschädigt und ihre Produktivität beeinträchtigt; der Bericht hat hierfür fünf (teilweise zusammenwirkende) Haupttreiber identifiziert:

  • Ressourcenhunger: 90 Prozent aller Fischgründe in den Ozeanen sind mittlerweile vollständig oder übermäßig ausgebeutet, die Fischerei verlegt sich daher zunehmend auf die Hohe See, aus der mittlerweile 12 Prozent der Fangmenge stammen. Ein Drittel der Öl- und ein Viertel der Gasförderung finden bereits im Meer – und in immer größerer Tiefe – statt;  und auch bei der Suche nach knapper werdenden Mineralien geraten die Vorkommen in der Tiefsee immer stärker in den Blick.
  •  Technischer Fortschritt: Lange hat ihre Unzugänglichkeit die Hohe See vor dem Menschen geschützt, aber der technische Fortschritt verschiebt die Grenzen immer weiter in die Tiefsee. So kann heute Öl mehrere Kilometer unter dem Meeresboden abgebaut werden; der Abbau von Öl, Gas und Bergbau in der Tiefsee sind wahrscheinlich demnächst möglich. Fischschwärme werden längst mit Sonaren aufgespürt, Bodenschleppnetze reichen über 2.000 Meter tief.
  • Fischerei: Die Fischerei führt nicht nur zur Überfischung, sondern gefährdet das Überleben ganzer Arten. So sind viele Bestände großer Fischarten, wie Thunfisch und Schwertfisch, auf unter 10 Prozent ihrer früheren Größen geschrumpft. Infolge von unerwünschtem Beifang, der wieder über Bord gekippt wird, und den Auswirkungen der Fischerei auf andere Arten (Seevögel, Schildkröten) und der Zerstörung von Lebensräumen am Boden durch die Schleppnetzfischerei gehen die Folgen aber weit über die Fischbestände hinaus.
  • Klimawandel und Verschmutzung: Der Klimawandel führt zur Versauerung des Ozeans, zu seiner Erwärmung und (als Folge) einem geringeren Sauerstoffgehalt. Die Versauerung führt bereits dazu, dass sich die Artenverteilung und die Ökosysteme des Ozeans verändern. Müll, der vom Festland in die Meere gelangt, tötet jedes Jahr etwa eine Millionen Seevögel und 100.000 Säugetiere wie Robben, Wale und Delphine. An Plastikpartikel, die aus zerfallenden Plastikabfällen stammen, können sich Schwermetalle anlagern, die sich in der Nahrungskette anreichern und auch die menschliche Gesundheit gefährden. Plastik findet man mittlerweile überall in den Weltmeeren – der „pazifische Müllkreisel“ ist mittlerweile weltbekannt.
  • Unzureichender Schutz: Der unzureichende Schutz führt dazu, dass weder Vorsorge- noch Verursacherprinzip auf Hoher See eine Rolle spielen; es gibt zudem kaum Möglichkeiten, die Einhaltung bestehender Regelung zu überwachen und Verstöße zu bestrafen. Für neue Aktivitäten, etwa die Erschließung von Öl- und Gasvorkommen, gibt es gar keine Regelungen.

Wie wir die Meere retten können

Durch die Überfischung, die direkte Zerstörung von Lebensräumen durch manche Fischereipraktiken, die Verschmutzung und die Folgen des Klimawandels werden die Gesundheit der Lebensräume im Ozean und seine Produktivität geschwächt. Auch wenn der Schutz der Hohen See Geld kostet, ist die Kommission überzeugt, dass dieses eine lohnende Investition wäre, deren Nutzen die Kosten mehr als ausgleicht. Die Kommission schlägt hierzu das im folgende dargestellt, zusammenhängende Paket von acht Maßnahmen vor:

  •  Ein nachhaltiges Entwicklungsziel für den Ozean: Die Vereinten Nationen haben 2012 auf dem Rio+20-Gipfel die Entwicklung von Zielen für eine globale nachhaltige Entwicklung beschlossen, die nach 2015 die Millennium-Entwicklungsziele ergänzen sollen. Die Kommission schlägt vor, den Ozeanen ein eigenes Ziel zu widmen. Damit würde der Schutz der Ozeane auf die globale Tagesordnung gesetzt und die gegenwärtigen zersplitterten Schutzbemühungen zusammengeführt. Einzelziele hierzu könnten die Sicherstellung einer nachhaltigen Fischerei (einschließlich der Bekämpfung illegaler Fischerei), den Schutz empfindlicher Meeresgebiete, den Schutz der biologischen Vielfalt sowie der Reduzierung des Eintrags von Plastikmüll in den Ozean umfassen.
  • Besserer Schutz der Hohen See: Insbesondere das UN-Seerechtsübereinkommen, die „Verfassung der Hohen See“, muss weiterentwickelt werden, um die Meere schützen zu können: So sollte ein Zusatzübereinkommen (nach dem Vorbild der Zusatzübereinkommens über den Tiefseebergbau von 1994 und über die gebietsübergreifenden und weit wandernden Fischbestände von 1995) zum Schutz und der nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt auf Hoher See geschlossen werden. Staaten, die das Seerechtsübereinkommen und die Zusatzübereinkommen noch nicht unterzeichnet haben, werden von der Kommission aufgefordert, dieses zu tun. Ebenso muss das FAO-Übereinkommen über Hafenstaatmaßnahmen zur Verhinderung, Bekämpfung und Unterbindung der illegalen, ungemeldeten und unregulierten Fischerei von 2009 baldmöglichst in Kraft treten, wozu es von weiteren Staaten ratifiziert werden muss. Ferner sollten regionale Meeresmanagementorganisationen gegründet werden, die die Schutzbemühungen und die Umsetzung dieser und weiterer Abkommen in ihrer jeweiligen Region koordinieren. Die einzelnen Staaten sollten Beauftragte oder Minister für Meeresfragen benennen.
  • Die Überfischung beenden: Neben dem unzureichenden Schutz ist eine übergroße (und zumeist subventionierte) Fischereiflotte für die Überfischung ursächlich. Die Fischereiflotte ist zweieinhalb Mal so groß wie für eine nachhaltige Fischerei notwendig, und ermöglichst wird dies erst durch Subventionen in Höhe von 27 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Darunter leidet insbesondere die Hohe See, deren Befischung nur mit Subventionen wirtschaftlich ist. Um die Auswirkungen der Subventionen besser beurteilen zu können, fordert die Kommission eine transparente Aufstellung der Fischereisubventionen und  eine Klassifizierung nach Verwendungszwecken; Treibstoffsubventionen für die Hochseefischerei müssten baldmöglichst eingestellt werden.
  • Beendigung der illegalen Fischerei: Die „illegale, ungemeldete und unregulierte“ (IUU-)Fischerei fängt jedes Jahr Fisch im Wert von 10 bis 23,5 Milliarden US-Dollar; illegale Fischereischiffe gelten auch als anfällig für Waffen-, Drogen- und Menschenschmuggel. Der Kampf gegen die illegale Fischerei wird seit einigen Jahren intensiv geführt, allerdings sind illegale Fischer weniger schwerfällig als internationale Abkommen und geschickt darin, diesen auszuweichen. Die Kommission fordert daher, die eindeutige IMO- (Internationale Seeschifffahrts-Organisation-) Kennzeichnung von Schiffen auch für Fischereischiffe vorzuschreiben und das Umladen von Fischfängen auf hoher See zu verbieten; Schiffen ohne Kennzeichnung die Hafenbenutzung und den Verkauf von Fischen zu verbieten sowie die Selbstverpflichtung von Fischhändlern und –verarbeitern, nur Fisch von gekennzeichneten Schiffen zu kaufen und zu verarbeiten.
  • Plastik raus aus dem Ozean: Plastikmüll in den Meeren ist die Folge von schlechtem Abfallmanagement an Land und muss durch bessere Regelungen und bessere Aufklärung der Verbraucher bekämpft werden. Dazu gehören der Verzicht auf die Benutzung von Einweg-Plastiktüten und eine geregelte Abfallbeseitigung, die insbesondere das Recycling und die Wiederverwendung gebrauchter Kunststoffe umfasst. Ein besonderes Problem stellt illegal im Meer entsorgte Fischereiausrüstung dar, die unbeaufsichtigt weiter Fische fängt: Hier müssen die bestehenden Regeln konsequent umgesetzt werden.
  • Internationale Sicherheitsregeln für die Öl- und Gasförderung: Mittlerweile wird in über 3.000 Meter Wassertiefe nach Öl und Gas gebohrt. Die Bohrungen in der Tiefsee sind schwieriger und komplexer, die Folgen von Unfällen schwerer zu beheben – wie zuletzt der Unfall an der Plattform >> Deepwater Horizon im Golf von Mexiko gezeigt hat. Die Gesetzgebung zur Öl- und Gasförderung im Meer ist von Land zu Land unterschiedlich; für Bohrungen auf dem Kontinentalschelf (deren Wassersäule außerhalb der 200-Meilen-Zone zur Hohen See gehört) gibt es keine verbindlichen internationalen Sicherheitsregeln. Diese sollten nach Ansicht der Kommission dringend geschaffen werden; ebenso wie eine international verbindliche Regelung, dass Verursacher im Falle von Schädigungen der Meeresumwelt für die Schäden haften.
  • Überwachung der Fortschritte: Die Umsetzung der im Bericht gemachten Vorschläge muss fortlaufend überwacht werden. Die Kommission schlägt daher nach dem Vorbild des von der G-20 eingerichteten Finanzstabilitätsrats die Einrichtung eines unabhängigen Überwachungsgremiums vor, das die Umsetzung der Maßnahmen überwachen und regelmäßig der Öffentlichkeit hierüber berichten soll. Einrichtung eines Hohe-See-Schutzgebietes: Die Kommission ist davon überzeugt, dass die oben aufgeführten Maßnahmen das dringlichste Problem, die Überfischung der Weltmeere, lösen könnten. Sollten die Maßnahmen jedoch nicht umgesetzt werden können oder sich als nicht wirksam erweisen, unterstützt die Kommission Bemühungen, die Hohe See ganz für die Fischerei zu sperren. Da nur drei Prozent der Fischarten ausschließlich auf Hoher See gefangen werden, könnte ein Ende des Fischfangs auf Hoher See dazu beitragen, dass die Bestände sich hier erholen können und die Fangmenge insgesamt ansteigt; außerdem würden durch diese Maßnahme die Lebensräume auf hoher See besser geschützt werden.

Siehe zum Thema auch:
>> Die Lebensräume des Ozeans
>> Die Verschmutzung der Ozeane
>> Die Plünderung der Meere

© Jürgen Paeger 2014

 

Siehe zu diesem Thema auch die Seite: >> Die Plünderung der Weltmeere.