Das Zeitalter der Industrie

Eine kleine Geschichte der Atombombe

Atombombentest Crossroads

Der Atomwaffentest Crossroads im Juli 1946 wurde von der Sowjetunion als Symbol amerikanischer Überlegenheit verstanden und löste ein atomares Wettrüsten aus, das die Erde mehrfach an den Rand eines Atomkriegs brachte. Foto: US-Army oder US-Navy, gemeinfrei.

Die Vorgeschichte

Als James Chadwick im Jahr 1932 das Neutron entdeckte (>> hier), ahnten bereits manche Physiker, dass dies der Schlüssel für die Freisetzung der gewaltigen, im Atomkern gebundenen Kräfte sein könnte. 1933 erkannte der ungarische Physiker Leo Szilard, dass eine Kettenreaktion möglich wäre, wenn es ein Element gäbe, das zwei Neutronen freisetzt, wenn es eines aufnimmt. Szilard, der in Berlin studiert hatte, bei Hitlers Machtantritt aber nach Wien gewechselt war, dachte auch über die politischen Folgen einer möglichen Freisetzung der Kräfte im Atomkern nach – was, wenn Leute wie Hitler davon erführen? Er schlug vor, Forschungsergebnisse vorläufig nicht mehr veröffentlichen. Ohne Erfolg – den meisten Kollegen schien die praktische Nutzung der “Atomkraft” ohnehin unmöglich. Als 1934 Enrico Fermi das erste Mal Atomkerne spaltete, erkannte er dies nicht; er glaubte vielmehr, durch Neutronenbeschuss von Uran künstliche “Transurane” hergestellt zu haben. Merkwürdige Ergebnisse, die mit dieser Theorie nicht übereinstimmten, erhielt vor allem die Pariser Radiumforscherin Irène Joliot-Curie, die beim Beschuss von Uran mit Neutronen ein dem “Lanthan sehr ähnliches” Element feststellte. Dieses war, wie Otto Hahn und Fritz Straßmann 1938 in Berlin bei der Überprüfung des Versuchs feststellten, Barium. Es dauerte eine Zeit, bis sie begriffen, was dies bedeutete: das Uranatom muss beim Beschuss mit Neutronen “zerplatzt” sein (wie Hahn es nannte). Hahn teilte dieses Ergebnis als erster seiner ehemaligen Mitarbeiterin Lise Meitner mit, die als österreichische Jüdin einige Monate zuvor nach Schweden emigriert war. Meitner und ihr Neffe, der Physiker Otto Frisch, der gerade zu Besuch war, erkannten die eigentliche Bedeutung des Bariums: es musste das Ergebnis einer Kernspaltung sein.

Die bei der Spaltung von Atomkernen freigesetzte große Energiemenge (>> mehr) konnte praktisch nur dann genutzt werden, wenn bei der Spaltung eines Urankerns mehrere Neutronen frei würden, die mittels einer Art Lawineneffekt weitere Atomkerne spalten würden – Szilards “Kettenreaktion”. Auch wenn die meisten Physiker an eine solche nicht glaubten, fürchteten andere angesichts der theoretischen Möglichkeit und der weltpolitischen Situation Anfang 1939 schon eine deutsche Atombombe: Wie konnte es sonst möglich sein, dass Hitler die Großmächte herausforderte? Mit einer “Uranbombe” wäre er tatsächlich fast unbesiegbar... Versuche des inzwischen in den USA lebenden Leo Szilard sowie von Irène und Frédéric Joliot-Curie in Paris deuteten zudem bald an, dass eine Kettenreaktion tatsächlich möglich war. Wieder versuchte Szilard, seine Kollegen von einem Veröffentlichungsstopp zu überzeugen, wieder scheiterte er. Szilard und einige Freunde, darunter der seit 1935 in den USA lebende Ungar Ed Teller, beschlossen daher, wenigstens die amerikanische Regierung auf die Möglichkeit einer solchen Bombe hinzuweisen, damit Hitler sie nicht mit einer Atombombe überraschen konnte. Die Amerikaner zeigten aber kein Interesse an diesen Informationen. Erst als Szilard auf die Idee kam, Albert Einstein zu bitten, einen Brief an Präsident Roosevelt zu schreiben, änderte sich dies – im Oktober nahm Präsident Roosevelt den Brief entgegen. Ein daraufhin gestartetes Projekt dümpelte aber lange ohne großes Engagement vor sich hin.

In Deutschland dagegen zeigte das Reichskriegsministerium Interesse und rief ein “Uranprojekt” ins Leben, dessen Leiter im Herbst 1939 Werner Heisenberg wurde. Heisenberg war einer der führenden Physiker seiner Zeit, und im Winter 1939/40 verstand er theoretisch, dass und wie eine Uran-Bombe funktionieren könnte. Seine Rolle während des Krieges ist unter den Historikern umstritten. Zahlreiche ausländische Kollegen verstanden nicht, wie Heisenberg die Leitung des “Uranprojektes” übernehmen konnte. Heisenberg selbst stellte es Robert Jungk gegenüber, der das Leben der Atomforscher für sein Buch “Heller als tausend Sonnen” (1964) recherchierte, so dar, dass er Widerstand leistete, indem er scheinbar beim Bau der deutschen Atombombe mitmachte, diese aber als unrealistisch darstellte und so intensivere Anstrengungen verhinderte. Sein enger Mitarbeiter Carl Friedrich von Weizsäcker sieht dies ähnlich, ist aber selbst umstritten: Er hat 1940 ein Papier geschrieben, dem zu entnehmen war, dass in einem Uranmeiler eine Substanz entstehe könne, die “als Sprengstoff” zu verwenden war (diese Substanz war das noch unbekannte, 1941 entdeckte Plutonium). 1941 reisten Heisenberg und von Weizsäcker nach Kopenhagen, um mit Niels Bohr über die deutsche Atombombe zu reden – nach ihrer Darstellung: um ihm zu versichern, dass sie nicht gebaut wird. Aber Heisenberg, der sich überwacht glaubte, deutete nur an, was er eigentlich sagen wollte, und Bohr verstand das Gespräch ganz anders – er war danach überzeugt, dass die Deutschen an der Atombombe arbeiteten. Unterdessen hatte auch der für die Reichspost (sic!) arbeitende Physiker Fritz Houtermans herausgefunden, dass man eine Atombombe bauen könnte, wenn man in einem Uranmeiler genug “Element 94” (Plutonium) erzeugen könnte, verschwieg diese Entdeckung jedoch. Er traf im Winter 1941 jedoch Heisenberg und von Weizsäcker und offenbarte ihnen seine Ergebnisse – alle drei beschlossen, diese gegenüber Regierungsstellen zu verbergen.

Auch in England hatte der Physiker George P. Thomson das Luftfahrtministerium auf die möglichen Konsequenzen einer Kettenreaktion hingewiesen, und bekam den Auftrag, dieses weiter zu erforschen. Bereits 1940 hatten der mittlerweile nach England emigrierte Otto Frisch und der aus Berlin stammende Rudolf Peierl, der als Jude bereits 1933 nach England emigriert waren, gezeigt, dass eine mit dem spaltbarem Uran-Isotop Uran-235 gebaute Bombe eine Sprengkraft von mehreren Tausend Tonnen TNT hätte. Im Juli 1941 stellte Thomson fest, dass es “ziemlich wahrscheinlich” sei, dass die Bombe noch während des Krieges hergestellt werden könnte. Dieses Ergebnis beflügelte auch die Amerikaner, die im Dezember 1941 beschlossen, den Bau dieser Waffe ernsthaft zu versuchen. 1942 beschlossen Engländer und Amerikaner, ihre Forschungen zusammenzulegen und gemeinsam in den USA durchzuführen. Das Projekt erhielt den Decknamen “Manhattan Engineer District” – bekannt wurde es unter seiner späteren Abkürzung “Manhattan Project”. Als Niels Bohr 1943 aus Kopenhagen fliehen musste, bestärkte er aufgrund seines Gespräches mit Heisenberg und von Weizsäcker die anglo-amerikanischen Bemühungen, Hitler beim Bau der Atombombe zuvorzukommen.

Das Manhattan Project

Das Manhattan Project wurde zu einem gigantischen Projekt zur Entwicklung und Bau der Atombombe. Es kostete über zwei Milliarden Dollar, drei “geheime” Städte – Oak Ridge, Hanford und Los Alamos – wurden erbaut und beschäftigte in Spitzenzeiten bis zu 150.000 Menschen.  Die militärische Leitung des Projektes erhielt General Leslie R. Groves, der unter anderem beim Bau des Pentagon Erfahrung mit großen Bauprojekten gesammelt hatte. Leiter der Forschung wurde der amerikanische Physiker Robert Oppenheimer, der in Göttingen studiert und promoviert hatte. Die große Herausforderung beim Bau einer Atombombe bestand darin, genug spaltbares Material zu gewinnen und zusammenzubringen, um eine Kettenreaktion auszulösen (die “kritische Masse”). Als spaltbares Material kam nur Uran-235, die in geringen Konzentrationen in Natururan vorkommt, oder das künstlich in Reaktoren gewonnene Plutonium in Frage. Man konnte es also durch “Anreicherung” aus Natururan gewinnen, oder in Reaktoren Plutonium erzeugen, das dann durch eine Wiederaufbereitung aus den Brennstäben herausgetrennt werden musste. Zum Starten der Kettenreaktion gab es zwei Ideen: zum einen könnte man zwei kleinere, “unterkritische” Massen an Uran-235 zusammenbringen, zum anderen eine ausreichende Menge an spaltbarem Plutonium durch eine konventionelle Explosion zusammendrücken. Ed Teller entwickelte noch einen weiteren Vorschlag: Wenn man eine solche Spaltbombe mit den schweren Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium umgab, sollte die Energie ausreichen, um eine Kernfusion auszulösen, die die Wirkung der Bombe noch verstärken würde.

Verfolgt wurden zunächst die beiden ersten Ideen. Das Forschungszentrum mit seinen Laboranlagen und Werkstätten wurde bei Los Alamos in der Wüste von New Mexico erbaut. In Oak Ridge in Tennessee wurden Anlagen zur Anreicherung von Uran-235 gebaut und in Hanford im Bundesstaat Washington drei Uranreaktoren zur Herstellung von Plutonium und eine Wiederaufbereitungsanlage. Den ersten Uranreaktor mit einer selbsterhaltenden, gesteuerten Neutronen-Kettenreaktion hatte der italienische Physiker Enrico Fermi, der mit einer Jüdin verheiratet und 1938 in die USA emigriert war, im Dezember 1942 in Chicago fertig gestellt. Mit so einem Reaktor konnten größere Mengen Plutonium hergestellt werden; und zeitweise fürchteten amerikanische Atomforscher, Deutschland könnte ebenfalls über die Technik verfügen. Dann könnte es, so die Befürchtung, Plutonium aus der Luft über amerikanische Städte abwerfen – Plutonium ist nicht nur radioaktiv, sondern auch in kleinsten Mengen hochgiftig.

Als im Herbst 1943 die ersten amerikanischen Truppen in Europa landeten, befand sich daher in ihrem Gefolge eine Nachrichteneinheit, die den Stand der deutschen Atomrüstung herausfinden sollte. Als im November 1944 Straßburg kapitulierte, fand sie in von Weizsäckers Büro Unterlagen über die deutsche Atomforschung, aus denen hervorging, dass Deutschland weder über spaltbares Uran-235 oder Plutonium verfügte und daher auch keine Atombombe bauen konnte. Die deutschen Forscher hatten stattdessen in kleinem Maßstab an einem “Uran-Brenner” zur Energieerzeugung gearbeitet. Diese Anlage stand im Haigerloch am Nordwestrand der Schwäbischen Alb und wurde im April 1945 von einem amerikanischen Stoßtrupp gezielt “erobert”. Hätten von Weizsäckers Papiere noch eine Kriegslist sein können, wurden nun die letzten Zweifel über die deutsche Atomforschung zerstreut – es gab keine deutsche Atombombe; es gab auch nicht die Voraussetzungen für ihren Bau.

Damit war einerseits die Begründung für das Manhattan-Project entfallen. Andererseits: konnte man mehr als zwei Milliarden Dollar ausgeben, ohne dann auch ein Ergebnis zu präsentieren? Niels Bohr versuchte Präsident Roosevelt zu überreden, eine Demonstration vor Vertretern der Alliierten und neutraler Länder sowie Vertretern der großen Religionen vorzubereiten; Leo Szilard bewegte Albert Einstein zu einem weiteren Brief – diesmal eine Warnung vor dem Einsatz der Bombe. Die Militärs, allen voran General Groves, für den der “Hauptgegner” von Anfang an die Sowjetunion gewesen ist, wollten dagegen einen Kriegseinsatz, und schonten bereits vier japanische Städte, um die Wirkung der Atombombe nach ihrem Abwurf an einer unversehrten Stadt überprüfen zu können. Einsteins Brief lag unerledigt auf Roosevelts Schreibtisch, als dieser am 12. April 1945 starb. Jetzt musste sein bisher nicht in das Projekt eingeweihter Nachfolger Harry S. Truman ohne lange Vorbereitung über die Frage des Einsatzes der drei demnächst fertigen Atombomben entscheiden. Eine Sachverständigen-Kommission, an deren Sitzungen auch Groves teilnahm, empfahl den Einsatz gegen Japan. In Chicago, wo einst der erste Atomreaktor gebaut worden war, versuchten sieben Forscher unter Führung von James Franck in einem als “Franck-Report” bekannt gewordenen Bericht noch einmal, der Regierung die Folgen eines solchen Einsatzes klar zu machen und griffen Bohrs Idee einer Demonstration in einer Wüste auf. Ohne Erfolg.

Der Einsatz der Atombombe

Am 16. Juli 1945 fand die erste Explosion einer Atombombe statt: der Trinity”-Test in Alamogordo, 430 Kilometer südlich von Los Alamos. Was dort geschah, übertraf alle Erwartungen der am Bau beteiligten Physiker. Obwohl die Bombe eher primitiv war, hatte sie mit ihrem nur apfelsinengroßen, sechs Kilogramm schweren Plutoniumkern eine Sprengkraft von 21.000 Tonnen TNT. Die meisten Wissenschaftler waren erschüttert – auch die, die wie Enrico Fermi die frühere Besorgnis von Szilard und Einstein nicht geteilt hatten. Leo Szilard versuchte noch einmal, mit einer Petition den Einsatz im Krieg zu verhindern und die Atombombe unter internationale Kontrolle zu stellen. Wieder ohne Erfolg: Am 6. August 1945 wurde eine Atombombe über dem Zentrum von Hiroshima abgeworfen. Etwa 150.000 Menschen waren sofort tot, die gesamte Stadt zerstört. Im Zentrum Hiroshimas waren Menschen regelrecht verdampft: von ihnen blieb nur ein Schatten an Häuserwänden. Andere waren derart schnell verbrannt, dass sie als verkohlte Reste, ihre Kinder noch im Arm, in den Straßen standen. Am 9. August folgte die zweite Atombombe gegen Nagasaki. Wegen schlechter Sichtverhältnisse verfehlte diese Bombe ihr Ziel, die Mitsubishi-Werke, es starben “nur” 22.000 Menschen sofort. Da sie sich nicht dem Verdacht aussetzen wollten, so etwas Ähnliches wie chemische Waffen eingesetzt zu haben, behaupteten die Amerikaner zudem, dass es keine gefährliche Radioaktivität mehr gäbe. Japanische Berichte über Strahlenschäden taten sie als “Propaganda” ab. Dieses Vorgehen brachte die Forscher, die ohnehin gegen den Einsatz der Bombe waren, zusätzlich gegen die Militärs auf – erlebten sie doch gerade, wie ihr Kollege Henry Dagnian, der am 21. August bei einem Versuch eine Überdosis Radioaktivität abbekommen hatte, qualvoll starb. In Hiroshima und Nagasaki starben weitere 300.000 Menschen an den Spätfolgen der Bombe, oft nach jahrelangem Siechtum. Die US-Regierung legitimierte den Abwurf mit der Begründung, er hätte noch mehr Menschen das Leben gerettet, die ansonsten bei einer Invasion Japans gestorben wären.

Die Welt am atomaren Scheideweg

Die deutschen Atomforscher, darunter Otto Hahn, Werner Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker, erfuhren von den Bombeneinsätzen in englischer Gefangenschaft. Insbesondere Otto Hahn war tief erschüttert darüber, was die von ihm entdeckte Atomspaltung bewirkt hatte; seine Kollegen fürchteten tagelang, er könne sich das Leben nehmen. Auch für viele der in Amerika arbeitenden Forscher wie Szilard und Einstein waren der 6. und 9. August  schwarze Tage. Ihnen und vielen ihrer Kollegen schien es dringlicher denn je, ein mögliches Wettrüsten mit diesen Waffen zu verhindern. Sie gründeten die “Federation of Atomic Scientists” (bald umbenannt in Federation of American Scientists); ihr gelang es im Juli 1946 zu verhindern, dass die Atomentwicklung in den USA in den Händen des Militärs verblieb – sie sollte ab dem 1.1.1947 von einer zivilen Atomenergie-Kommission (Atomic Energy Commission, AEC) kontrolliert werden. Das ebenfalls 1945 gegründete Bulletin of the Atomic Scientists wollte Wissenschaftlerkollegen und Öffentlichkeit über die Gefahren von Atomwaffen informieren. Am wichtigsten erschien eine internationale Kontrolle der Atomwaffen, und die USA, die Sowjetunion und Großbritannien schlugen die Gründung einer UN-Atomenergiekommission vor, die Vorschläge zur friedlichen Nutzung der Atomkraft und zur Kontrolle und schließlich dem Verbot von Atomwaffen machen sollte. Den amerikanischen Standpunkt bereitete Robert Oppenheimer maßgeblich mit vor; er schlug eine Weltatomenergiebehörde vor, die von Uranlagerstätten über Bau und Betrieb von Atomreaktoren bis hin zur Atomwaffenforschung jedes Glied der Atomkette überwachen sollte. Dieser Plan, der weitgehende Eingriffe in die nationale Souveränität bedeutet hätte, war aber für konservative Amerikaner nicht akzeptabel; und eine veränderte Fassung, mit der die Amerikaner in die Verhandlungen gingen, wurde von der Sowjetunion abgelehnt.

Die sowjetische Ablehnung erfolgte einen Tag nach einem weiteren amerikanischen Atombombentest. Unbeeindruckt von den Bedenken der Wissenschaftler hatte nämlich auch das Militär sich weiter mit der Atombombe beschäftigt. Die Luftwaffe strebte wegen ihrer Rolle bei Atombombenabwurf in Japan nach Unabhängigkeit von der Armee (und wurde 1947 zur eigenständigen Air Force), die Marine fürchtete um ihre künftige Bedeutung und wollte an der Atombombe teilhaben. Sie trieb darum unter dem Namen Operation Crossroads neue Atombombentests voran, die im Januar 1946 von Präsident Truman genehmigt wurde. Die Plutoniumproduktion in Hanford und die Urananreicherung in Oak Ridge waren auch nach dem Krieg weitergelaufen, und unter Leitung von General Groves wurden in Los Alamos Atombomben für diese Tests hergestellt. Sie wurden im Juli 1946 vor Zeugen aus zahlreichen Ländern auf dem Bikini-Atoll im Pazifik durchgeführt; es wurden zwei Atombomben ("Able" am 1. Juli und "Baker" am 25. Juli) gezündet. Mit Operation Crossroads sollte getestet werden, welche Auswirkungen die Explosion von  Atombomben in der Luft und unter Wasser auf Schiffe der US-Marine hatten. Zahlreiche (zum Teil alte) Schiffe wurden daher im Zielgebiet in konzentrischen Kreisen aufgestellt, um die Wirkungen der Atombomben auf sie zu untersuchen. Ihr erstes Opfer war die Weltatomenergiebehörde. Die Sowjetunion verstand diesen Test, der zeitgleich zu den Verhandlungen über die internationale Atomwaffenkontrolle durchgeführt wurde, als amerikanische Machtdemonstration und als Symbol amerikanischer Überlegenheit, das sie in der sich >> entwickelnden Rivalität nicht hinnehmen konnte. Die Amerikaner erkannten erst bei der zweiten, unter Wasser gezündeten Bombe mit dem Codenamen "Baker" (>> Foto) die Dimension der radioaktiven Verseuchung durch eine Atombombe: als die Wassersäule zusammenfiel, wurden die amerikanischen Zielschiffe von einem Sprühnebel erreicht, der sie extrem stark radioaktiv belastete (bei der ersten Explosion in der Luft hatten Winde die Radioaktivität schnell in der Atmosphäre verteilt). 49 Schiffe mit 15.000 Mann wurden noch am selben Tag zur Untersuchung der Schäden in die radioaktive Zonen geschickt, mussen aufgrund der hohen Strahlung aber wieder umkehren. Die Navy war auf die Verstrahlung der Zielschiffe nicht vorbereitet und versuchte, die Schiffe – von Matrosen ohne Schutzkleidung – mit Besen, Seifen und Laufe abschrubben zu lassen, was die Strahlenbelastung aber nicht ausreichend absenkte, so dass manche Schiffe gleich in der Lagune versenkt werden musste. Der Rest der Flotte wurde zum Reinigen mit unbelastetem Wasser zur US-Basis Kwajalein geschleppt. Das Ausmaß der Strahlenbelastung der Matrosen, die die Schiffe reinigen mussten, blieb lange unbekannt, da Geigerzähler die Belastung durch Plutonium nicht erfassen. Eine 1996 von der National Academy of Sciences der USA durchgeführte Studie zeigte eine deutlich erhöhte Sterblichkeit unter den Veteranen der Operation Crossroads.

Das Schicksal der Bewohner von Bikini

Die zu Mikronesien gehörenden Marshallinseln, zu denen das Bikini-Atoll gehört, waren erst im Verlauf des Zweiten Weltkriegs von den USA erobert worden, vor Operation Crossroads lebten 167 Menschen auf dem Bikini-Atoll. Sie wurden vor dem Atombombenversuchen auf das benachbarte, aber viel kleinere Rongerik-Atoll umgesiedelt (ob die Bewohner ihrer Umsiedelung zugestimmt haben, ist umstritten – die Amerikaner behaupten dies. Allerdings hätten die 167 Bikinianer gegen die Weltmacht USA ohnehin keine Chance gehabt). Lange glaubten sie an eine Rückkehr. Ihr Anführer Juda, der zur zweiten Atombombenexplosion auf dem Atoll eingeladen war, beglückwünschte die Amerikaner zu ihrem Erfolg – und fragte, ob seine Leute jetzt wieder zurückkehren könnten. Die litten auf Rongerik nämlich unter Hunger. Aber erst nachdem 1947 der frühere Innenminister Harold L. Ickes auf die Situation hinwies, reagierten die USA und siedelten sie auf die US-Basis Kwajalein um. Hier gab es genug zu Essen und zu Trinken, aber sonst nichts: sie lebten in Zelten am Rande einer Landebahn. Im Herbst 1948 wurden sie daher auf die winzige, nicht einmal einen Quadratkilometer große Kili-Insel umgesiedelt, ein Atoll, das jedes Jahr über mehrere Monate aufgrund der rauen See von der Welt abgeschnitten ist und dann mit Hubschraubern versorgt werden muss. Hier leben viele ehemalige Bewohner des Bikini-Atolls bis heute, die anderen sind mittlerweile über den gesamten Pazifik zerstreut: sowohl Trinkwasser als auch Kokosnüsse in ihrer Heimat sind nach wie vor zu verstrahlt für eine Rückkehr (1968 haben die Amerikaner Bikini für sicher erklärt und über 100 Menschen zurückkehren lassen, mussten aber feststellen, dass diese über die Nahrungskette zu viel Radioaktivität aufnahmen – 1978 wurden sie erneut evakuiert).

Die sowjetische Atombombe

Seit der Veröffentlichung von Otto Hahns Entdeckung hatten sowjetische Forscher ebenso intensiv wie ihre westlichen Kollegen an Fragen der Atomphysik gearbeitet. Nach dem deutschen Einmarsch 1941 wurden die Arbeiten eingestellt, aber 1943 wieder aufge­nom­men. Wissenschaftlicher Leiter wurde Igor Kurtschatow. Durch ihr weltweites Spionage­netz – mit dem Deutschen Klaus Fuchs als “berühmtesten” Informanten – wusste die Sowjet­union immer genau über den Stand des Manhattan-Projects Bescheid, und seit Stalin wusste, dass die Atombombe funktionierte, war der Bau einer sowjetischen Bombe be­schlossene Sache (Oppenheimers Weltatomenergiebehörde wäre wohl auch in ihrer Original­fassung gescheitert). Nach Kriegsende ordnete Stalin an, das Projekt “in russischen Dimen­sionen”, also im großen Stil, voranzutreiben. Der sowjetische Atomkomplex bestand schließ­lich aus zehn geheimen Städten, bedeutend waren vor allem der Reaktor von Tscheljabinsk und die Sprengkopffabrik in Sarow, die offiziell Arsamas-16 hieß. Am 29. August 1949 war es soweit: 150 Kilometer nordwestlich der Stadt Semipalatinsk im heutigen Kasachstan explodierte die erste sowjetische Atombombe.

Das atomare Wettrüsten

Für die Amerikaner, die von dem Versuch vorher nicht informiert waren und ihn erst Tage später, als ein Aufklärungsflugzeug über dem Pazifik hohe Radioaktivität feststellte, entdeckten, war die sowjetische Atombombe ein Schock, auf den sie nicht vorbereitet waren. Er sollte zur Stunde des Ed Teller werden, der weiter an seiner Idee einer Wasserstoffbombe (H-Bombe) gearbeitet hatte, die nur noch kurz “Super” genannt wurde und tausend Mal stärker sein würde als die Hiroshima-Bombe. Diese sollte nun den amerikanischen Vorsprung wieder herstellen. Die wissenschaftlichen Berater der Atomenergie-Kommission unter Leitung von Robert Oppenheimer und der Chefstratege des US-Außenministeriums, George Kennan, für den der Einsatz von Atomwaffen bedeutete, “Verhältnisse einreißen zu lassen, wie sie ehemals bei den asiatischen Horden herrschten”, und der einen Neubeginn der amerikanischen Militärstrategie forderte, konnten nicht verhindern, dass Truman im Januar 1950 beschloss, diese Bombe zu bauen. Er lehnte auch ab, eine Erklärung abzugeben, dass die USA diese Bombe nicht als erste einsetzen würden. Nach dem Beginn des >> Korea-Krieges arbeiteten auch einst skeptische Atomforscher wie Hans Bethe dann doch an der Bombe mit. Der Druck war groß, dann inzwischen war Klaus Fuchs verhaftet worden und hatte zugegeben, die Sowjetunion auch über die ersten Schritte zur “Super” informiert zu haben; vermutlich arbeiteten also auch sowjetische Forscher längst an der H-Bombe. Den Durchbruch beim Bau der Bombe brachte der Einsatz der ersten Computer; am 1. November 1952 wurde die erste Wasserstoffbombe, genannt "Ivy Mike", gezündet. Ihre Sprengkraft betrug 10,4 Millionen Tonnen TNT. Die Insel Elugelab im pazifischen Eniwetokatoll, auf der die Explosion stattfand, gab es anschließend nicht mehr. Weniger als ein Jahr später, am 12. August 1953 zündete die Sowjetunion eine Prototyp ihrer Wasserstoffbombe: sie hatte tatsächlich seit 1947 an dieser Bombe gearbeitet, wesentliche Beiträge hatte der junge Physiker Andrei Sacharow geleistet, dessen “Tortenmodell” eine dreistufige Abfolge Atomspaltung, Atomfusion und Atomspaltung ermöglichte.

Der Sturz des Robert Oppenheimer

Im Herbst 1953, mitten in der als “McCarthy-Ära” bekanntgewordenen Phase des Antikommunismus in den USA, erstellte das FBI ein “Digest” seiner lange andauernden Ermittlungen gegen Robert Oppenheimer, der in seiner Jugend Sympathien für den Kommunismus gezeigt hatte. Die Atomenergie-Kommission formulierte darauf ein Schreiben, mit dem Oppenheimer seine “Unbedenklichkeitsbescheinigung” für den Zugang zu Geheimnissen verlieren sollte – einer der Anklagepunkte war sein Widerstand gegen die Wasserstoffbombe. In einem knapp vierwöchigen, nicht-öffentlichem Schauprozess (wie Oppenheimers Biografen Sherwin und Bird zeigten, wurden Gespräche zwischen Oppenheimer und seinem Anwalt abgehört, der Verteidigung Akten vorenthalten) vor der Personal-Sicherheitskommission der Atomenergie-Kommission wurde er im Frühjahr 1954 als Sicherheitsrisiko eingestuft: zwar sei er seinem Lande gegenüber loyal geblieben, aber seine Haltung gegenüber der Wasserstoffbombe “beunruhigte” die Kommission. Damit durfte er an keinen geheimen Regierungsprojekten – und das waren alle kernphysikalischen Projekte – mehr teilnehmen. Erst 1963 wurde er von Präsident Kennedy rehabilitiert.

Zuvor hatte am 3. Oktober 1952 auch Großbritannien auf einer australischen Insel eine eigene Atombombe gezündet. Es war nahezu eine Kopie der Bombe von Nagasaki, die am Manhattan-Project beteiligten britischen Forschern hatten ja das Know-How. Die USA verfügten mittlerweile über ein Testgelände in Nevada, auf dem 1951 die ersten vier Tests mit “gewöhnlichen” Atomwaffen stattgefunden hatten, und bis Ende 1953 fünfzehn weitere Tests. Die amerikanische Antwort auf die sowjetische Wasserstoffbombe sollte jedoch ein im September 1953 gestartetes Programm sein, mit dem Interkontinental­raketen gebaut werden sollten, die neue, leichtere Wasserstoffbomben zum Gegner tragen konnten. Die neuen Bomben sollten statt mit Tritium, das aufwändig gekühlt werden musste, mit einem Lithium-Isotop gebaut werden, und sie sollte wie die russische Wasser­stoffbombe eine dritte Stufe, in diesem Fall eine Bombenhülle aus Uran-238, bekommen. Dadurch wurden radioaktive Spaltstoffe über eine Fläche von 300 Quadratkilometern verteilt. Ein solche Bombe wurde am 1. März 1954 als erste einer neuen Serie von Bombentests auf dem Bikini-Atoll getestet: die Sprengkraft dieser Bombe ("Castle Bravo"), die wesentlich kleiner als die erste amerikanische Wasserstoffbombe war, betrug 15 Millionen Tonnen TNT – es ist bis heute die größte Bombe, die die USA jemals gezündet haben. Obgleich der Wind kurz vor dem Versuch nach Süden gedreht hatte, beschloss der Projektleiter Alvin Graves (der ohnehin die Gefahren der Radioaktivität für von schwäch­lichen Simulanten erfunden hielt – "concocted in the minds of weak malingerers") den Versuch dennoch zu starten: der Wind trug die radioaktive Wolke bis zu dem über 150 Kilometer entfernten Rongelap-Atoll und über einen japanischen Fischkutter, das weit außerhalb des Sperrgebiets unterwegs war, hinweg. Die Besatzung des “Glücksdrache Nr. 5” war von der Explosion derart erschüttert, dass der Kutter sofort in seinen Heimathafen Yaizu zurückkehrte – als er diesen 14 Tage später erreichte, waren alle 23 Besatzungs­mitglieder an akuter Strahlenkrankheit erkannt. Der Funker verstarb im September, sechs Besatzungsmitglieder starben seither an Leberkrebs. Der verseuchte Thunfisch an Bord zog weitere Untersuchungen nach sich: Insgesamt musste der Fang von 683 Booten wegen radioaktiver Verstrahlung vernichtet werden. Die Strahlenkrankheit forderte auch unter Rongelaps 236 Bewohnern viele Opfer; sie wurden erst zwei Tage später auf die Militärbasis Kwajalein evakuiert, wo die Ärzte wenig für sie tun konnten – sie begannen aber eine geheime Studie über die Folgen radioaktiven Fallouts von Atomwaffen auf Menschen. Die Überlebenden wurden 1957 auf die Insel zurückgebracht. (1982 gab die amerikanische Umweltbehörde zu, dass das Atoll immer noch zu stark verseucht sei, 1985 brachte das Greenpeace-Schiff "Rainbow Warrior" die Bewohner auf deren Wunsch hin wieder nach Kwajalein. Die Amerikaner zahlten den Marshallinseln 1986 150 Millionen Dollar, um damit alle Schadenersatzforderungen wegen Strahlenschäden abzudecken.) Radioaktivität aus diesem Versuch wurde bald im Regen über Japan, im Schmieröl indischer Flugzeuge und schließlich über der gesamten Welt festgestellt.

Forderungen nach einem Teststopp

Bis dahin hatten die Militärs die Öffentlichkeit über die radioaktive Strahlung nahezu unwidersprochen belügen können (“keine ernsthafte Gefahr”), jetzt änderte sich dies – zivile Wissenschaftler rechneten vor, wie viele Menschenleben die Atombombentests kosten würden. Auch Andrei Sacharow in Russland errechnete 1955, dass die bis dahin erprobten Atombomben etwa 500.000 Menschen das Leben kosten würden – der Beginn seines Umdenkens über die Atombombe. (Sacharow wurde später aus dem Atomprogramm entlassen und begann, sich für Abrüstung und Minderheiten einzusetzen, er erhielt 1975 den Friedensnobelpreis –  den er wegen Ausreiseverbot nicht persönlich in Empfang nehmen konnte – und wurde 1980 nach Gorki verbannt. Erst Michael Gorbatschow hob die Verbannung 1986 auf.) Unbeachtet blieb bei der Diskussion über die Strahlenbelastung, dass zur Radioaktivität auch Unfälle in den Produktionsstätten beitrugen, die allerdings geheimgehalten oder von den Behörden heruntergespielt wurden: So kam es im September 1957 im Ural zu einer Atomexplosion, als das Kühlsystem eines Speichertanks für flüssige radioaktive Abfälle ausfiel, und einen Monat später brannte einer der beiden Reaktoren in der englischen Wiederaufbereitungsanlage Windscale, wobei größere Mengen des radioaktiven Jod-131 freigesetzt wurden. Dennoch: In Japan unterschrieben bis August 1955 32 Millionen Menschen eine Petition gegen Atomwaffen. Der britische Mathematiker Bertrand Russell verfasste einen als Russell-Einstein-Manifest bekannt gewordenen Text, nach dem der Einsatz von Atomwaffen die Existenz der gesamten Menschheit bedroht, den neben Einstein weitere bedeutende Wissenschaftler unterzeichneten und der die seit 1957 jedes Jahr stattfindenden “Pugwash-Konferenzen” begründete, auf denen Wissenschaftler die Gefahren von Atomwaffen diskutierten. Generalsekretär war bis 1973 der britisch-polnische Physiker Jozef Rotblatt, der als einziger Physiker seine Mitarbeit am Manhattan-Project beendet hatte, als klar wurde, dass Deutschland keine Atomwaffen anstrebt. Er bekam 1995 stellvertretend für die Konferenzen den Friedensnobelpreis. In Deutschland begann der Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer, sich intensiv mit Albert Einstein und Otto Hahn über Atomphysik und Atomwaffen auszutauschen – im Frühjahr 1957 sendete er einen vielbeachteten “Appell an die Menschheit”, mit dem er sich gegen Atomwaffen aussprach. 18 prominente Atomforscher, darunter Otto Hahn, Werner Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker, erklärten, dass sie nicht bereit wären, “sich an der Herstellung, der Erprobung oder dem Einsatz von Atomwaffen in irgendeiner Weise zu beteiligen”; 14 Atomforscher aus der DDR verabschiedeten als Reaktion eine ähnliche Resolution. 1958 sammelte der Chemie-Nobelpreisträger Linus Pauling 11.000 Unterschriften von Wissenschaftlern für ein Atomwaffenverbot, in Großbritannien wurde die Campaign for Nuclear Disarmament gegründet und wählte Bertrand Russell zu ihrem Präsidenten; der erste Ostermarsch fand statt. Auch in Deutschland fanden Demonstrationen gegen die von der Bundesregierung angestrebte Atombewaffnung statt.

Um diesem Druck der Öffentlichkeit etwas entgegenzusetzen, sollten die gewaltigen Kräfte der Atomenergie den Menschen durch zivilen Nutzen schmackhaft gemacht werden. In den USA stieg unter Präsident Eisenhower und nach Stalins Tod die Bereitschaft zu einem Abkommen mit der Sowjetunion; zum anderen wurde Eisenhowers bereits 1953 vor der UN-Vollversammlung angekündigtes Programm “Atoms for Peace” umgesetzt. 1957 wurde unter dem Dach der Vereinten Nationen die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) gegründet, die “den Beitrag der Atomenergie zur Frieden, Gesundheit und Wohlstand weltweit beschleunigen und vergrößern” soll. Die Kritiker des Programms wiesen darauf hin, dass bei der Stromerzeugung durch Atomenergie bombentaugliches Material anfällt – auch für friedliche Atomreaktoren ist angereichertes Uran-238 nötig und auch in ihnen fällt unvermeidlich spaltbares Plutonium an. Die “Atome für den Frieden” (>> mehr) würden also in der Konsequenz die Verbreitung der Atombomben fördern. Dennoch – bis Ende 1959 lieferten die USA Versuchsanlagen und Brennstäbe an 42 Länder. Die um ihren Einfluss besorgte Sowjetunion zog nach, so dass insgesamt hochangereichertes Uran für über 1.000 Bomben der Hiroshima-Art auf der Welt verteilt wurde. Gleichzeitig war der Kalte Krieg längst nicht am Ende. So bereitete Eisenhower die Invasion in der Schweinebucht vor, mit der Fidel Castro auf Kuba gestürzt werden sollte, und auch die Atomwaffenversuche gingen weiter – wenn auch jetzt oft, um die radioaktive Verseuchung zu vermindern, unterirdisch. Nach dem Sputnik-Schock von 1957 (>> mehr) machte die CIA eine “Raketenlücke” – einen sowjetischen Vorsprung bei Interkontinentalraketen – aus, als Reaktion wurde die Zahl der amerikanischen Atombomben erhöht. Aber Eisenhower hat auch Zweifel an dieser Strategie, und der Atomphysiker Hans Bethe soll einen Plan zur weltweiten Abrüstung erarbeiten. Er organisiert im Sommer 1958 eine internationale Konferenz in Genf, auf der Wissenschaftler aus Ost und West erarbeiten, wie ein Atomwaffenteststopp überwacht werden könnte. Bereits im März hatte die Sowjetunion seine oberirdischen Atomversuche ausgesetzt, die USA und Großbritannien schlossen sich dem nun an. Als 1960 ein Teststopp unterschriftsreif war, schoss die Sowjetunion ein US-Spionageflugzeug über ihrem Land ab; für die Sowjets war ein Abkommen mit der Regierung Eisenhower danach undenkbar. Erschüttert wurde die Welt auch durch einen französischen Atomwaffenversuch.

Frankreich, dessen Forscher im britischen Team des Manhattan-Projekts mitgearbeitet hatten, hatte ebenfalls bereits 1945 ein Commissariat à l’Energie Atomique (CEA) gegründet. 1956 ging in Marcoule bei Avignon ein Reaktor ans Netz, der Plutonium für Atomwaffen erzeugen sollte. Der Öffentlichkeit wurde jedoch erzählt, dass er der Stromerzeugung diene; und 1958 machte sich das Wissenschaftsmagazin Sciene & Vie über einen Reaktor lustig, der ein wenig extrem teuren “Kaviarstrom” und “zu nichts taugende Schlacke” erzeuge – es wusste nicht, dass Frankreich nach seiner Niederlage in Vietnam unter strenger Geheimhaltung den Bau der Atombombe beschlossen hatte, die “Schlacke” also der eigentliche Zweck des Reaktors war. 1959 wurde Charles de Gaulle zum Präsidenten gewählt, und gut ein Jahr später, am 13. Februar 1960 testete Frankreich seine erste Atombombe – im besetzten Algerien. Für de Gaulle war eine eigene Atomstreitmacht (“force de frappe”) unverzichtbar, damit das Land neben den Angelsachsen bedeutsam blieb.

Die Welt vor dem Atomkrieg

In der 1961 beginnenden Amtszeit von John F. Kennedy verschärfte sich die Situation zunächst. Erst scheiterte die von Eisenhower vorbereitete Invasion von Exilkubanern in der Schweinebucht, die Blamage der Amerikaner nutzte die Sowjetunion unter Chruschtschow, um Ost-Berlin abzuriegeln. Im Juli forderte Kennedy die Amerikaner in einer Fernseh­anspra­che auf, sich auf einen Atomschlag gegen die Sowjetunion gefasst zu machen. Diese nahm im September ihre Atomtests wieder auf, und zündete im Oktober eine Wasserstoffbombe mit der Sprengkraft von 50 Millionen Tonnen TNT; und auch die Amerikaner nahmen ihre Tests sowohl in Nevada als auch im Pazifik wieder auf. Kennedy, der mit der “Raketenlücke” Wahlkampf gemacht hatte, stellte nach seiner Wahl fest, dass es diese gar nicht gab; viel­mehr hatten die USA nicht nur mehr Raketen, sondern diese standen auch in Deutschland, Großbritannien, Italien und der Türkei, was der Sowjetunion nur eine sehr kurze Reaktions­zeit ließ. Dies wusste auch Chruschtschow, und 1962 begann er, sowjetische Atomrake­ten auf Kuba zu stationieren. Als die Amerikaner dies entdeckten, gab Kennedy die Ent­deckung in einer Fernsehansprache bekannt und kündigte eine Seeblockade Kubas an, um weiteren Nachschub zu unterbinden. Zwei Tage später wurde die strategische Luftstreit­macht – wie sich später herausstellte, unter Umgehung von Präsident Kennedy – zum ersten und bisher letzten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg in höchste Einsatzbereitschaft (defense condition [DEFCON] 2; die noch höhere Stufe DEFCON 1 bedeutet praktisch Krieg) versetzt. Schließlich lenkte Chruschtschow ein und die sowjetischen Frachter mit dem Nachschub drehten ab, aber während der Kubakrise stand die Welt mehrmals – vor allem wegen Eigenmächtigkeiten von Militärs – vor dem Atomkrieg. Angesichts der Tatsache, dass der Kalte Krieg die Welt an den Rand des Abgrunds geführt hatte, wollte Kennedy diesen beenden, die “Strategie der Vernichtung” durch eine “Strategie des Friedens” er­setzen. Zwischen Washington und Moskau wurde eine direkte Telefonverbindung einge­richtet, um zukünftig Fehlwahrnehmungen zu vermeiden; und im August 1963 unter­zeich­neten die USA, die Sowjetunion und Großbritannien ein Abkommen, das oberirdische Atom­tests verbot. Dabei hatten sie auch ein anderes Problem im Blick: immer mehr Länder versuchten, ebenfalls Atomwaffen zu bekommen.

Immer mehr Atommächte

Als wahrscheinlichste Kandidaten für die Atombombe galten vor allem Israel, Indien und China; aber auch Südafrika, Taiwan, Brasilien und Argentinien arbeiteten an Atomwaffen. In Israel sah Premierminister David Ben-Gurion die Atombombe als Überlebensgarantie, und hatte 1953 ein Abkommen mit Frankreich zur Kooperation bei der Atomforschung abge­schlos­sen. 1957, nach der Suezkrise, sagte Frankreich Unterstützung beim Bau eines Reaktors bei Dimona in der Negev-Wüste zu. Indien gründete 1954 eine Atomenergie­behörde und hatte 1955 von Kanada und den USA mit der Verpflichtung, diesen nur für friedliche Zwecke zu verwenden, aber ohne Inspektionsvereinbarungen, die Zusage zur Lieferung eines Natururanreaktors erhalten. Im selben Jahr beschloss Mao Tse-tung, dass auch China – das sich in Korea amerikanischen atomaren Drohungen ausgesetzt gesehen hatte – sich um Atomwaffen kümmern solle: mit Hilfe der damals noch verbündeten Sowjet­union wurde ein atomares Forschungs- und Entwicklungszentrum in Mianyang (Provinz Sichuan) aufgebaut. Nach dem Bruch mit der Sowjetunion im Jahr 1960 machte China alleine weiter, und im Oktober 1964 zündete das Land seine erste Atombombe in der Uigurischen Autonomen Republik Xinjiang. China hatte (wie Frankreich) das Atomtest­abkommen nicht unterzeichnet, und Rüstungslobbyisten und Militärs in den USA und der Sowjetunion forderten und erhielten zusätzliche unterirdische Atomwaffentests –  da diese teurer waren, stiegen die Ausgaben für Atomtest sogar in, in den USA auf eine Milliarde Dollar jährlich. Aber die USA setzte jetzt auf einen Atomwaffensperrvertrag, der weite­ren Ländern den Erwerb von Atomwaffen verbieten sollte. Im Gegenzug dazu sollten sie Zugang zu “friedlicher Atomtechnik” bekommen.

Der Atomwaffensperrvertrag wurde 1968 verabschiedet und von den USA, der Sowjetunion, Großbritannien und 59 anderen Staaten (zunächst aber nicht von Frankreich und China) unterzeichnet und trat 1970 in Kraft. Seine Einhaltung wird von der IAEO überwacht, deren Wirksamkeit bis heute an ihrer Doppelrolle leidet: einerseits soll sie die Atomenergie fördern, andererseits überwachen. Da friedliche und militärische Atomtechnik kaum zu unterscheiden ist und die “friedliche Nutzung” unklar definiert war – in den USA plante man etwa, Kanäle und Tunnel mit Atombomben anzulegen, und so erklärte auch Indien seine 1974 gezündete Atombombe zu einer “friedlichen” – trug der Zugang zur Atomtechnik zu einer Verbreitung der Bombentechnik bei. Hierzu trug nicht zuletzt Deutschland bei, das gegen den Atom­waffensperrvertrag war, der eine “Entmachtung der deutschen Industrie” – so Adenauer 1967 – wäre. Um Deutschlands Zustimmung zu erhalten, wurde ein Passus aufgenommen, nach dem auch solche Staaten Atomtechnologie weiterverkaufen, die Atomwaffen herstel­len “könnten”. Die deutsche Industrie machte dies unter anderem in Südafrika, Argentinien und Brasilien. Alle Programme, die neuen Staaten zu Atomwaffen verhalfen, waren der IAEO Jahre vorher bekannt – sie konnte keines verhindern. Israel, Indien und Pakistan, heute allesamt im Besitz der Bombe, unterzeichneten den Vertrag erst gar nicht. Der Artikel VI, in dem es um die Abrüstung der bestehenden Atomwaffen ging, enthielt zudem keinen Zeit­plan – das Wettrüsten der bestehenden Atommächte ging auch weiter.

Dass Israel heimlich an der Atombombe arbeitete, wussten die USA spätestens seit 1960. Sie drängten auf Inspektionen in Dimona, fanden dort aber nichts – die Israelis hatten, wie sich später zeigte, geheime Teile der Anlage einfach zugemauert, wenn die Inspektoren kamen. Ohnehin würde der Bau der israelischen Atombombe Stoff für einen Film liefern: offenbar wurden sowohl in den USA als auch später in Europa Uran gestohlen (>> hier). Montiert wurden die ersten Atombomben kurz vor dem Sechs-Tage-Krieg 1967. 1969 akzeptierten die USA die israelische Atombombe faktisch und beendeten ihre Inspektion in Dimona (der Preis hierfür wurde später im Irak, Libyen und demnächst im Iran fällig). Die Öffentlichkeit ahnte von der Bombe erst, als eine vermutlich israelische Atombombe 1979 in Südafrika getestet wurde. Ein US-Gutachten behauptete zwar, die von einem Satelliten gesendeten Bilder seien möglicherweise dadurch entstanden, dass ein kleiner Meteorit den Satelliten getroffen hatte, aber am  5. Oktober 1986 veröffentlichte die Londoner Sunday Times nach sorgfältiger Prüfung geheime Unterlagen, die der israelische Atomphysiker Mordechai Vanunu, der neun Jahre in Dimona gearbeitet hatte, aus dem Land geschmug­gelt hatte. Aus den Unterlagen ging hervor, dass Israel 100 bis 200 Atombomben besaß. (Vanunu wurde kurz von der Veröffentlichung entführt und tauchte in einem israelischen Gefängnis wieder auf, in dem er 18 Jahre, davon 11 in Isolationshaft verbrachte. 2004 entlassen, steht er unter Hausarrest und darf weder Handy noch Internet benutzen. Wegen Verstoß gegen die Auflagen – Kontakt mit ausländischen Staatsbürgern – musste er seither weitere Haftstrafen absitzen.)

Wenig ist über das Atomwaffenprogramm Südafrikas bekannt. 1975 hatte westlich von Pretoria eine aus Deutschland gelieferte Urananreicherungsanlage den Betrieb aufgenom­men, und Südafrika arbeitete offenbar mit Israel beim Bau von Atomwaffen zusammen – daher der vermutete gemeinsame Test im Jahr 1979. 1993 verkündete Frederik Willem de Klerk, dass Südafrika sechs Atombomben gebaut, aber (vor der Machtübernahme durch den ANC) wieder demontiert habe.

In Indien begann die Arbeit an der Atombombe spätestens 1964, nach dem chinesischen Atomtest. Um die Pazifisten im Land und die Weltöffentlichkeit zu beruhigen, redeten die Inder von einer friedlichen Atombombe, um “Berge für Industrieparks wegzusprengen”. Die schlechte Infrastruktur verzögerte die Fertigstellung, außerdem konnte Indien nicht selber Uran anreichern. Aber am 18. Mai 1974 zündete Indien in Rajasthan seine erste Atom­bombe; damit hatte jetzt das erste Schwellenland eine Atombombe. Das Uran dafür stamm­te teilweise aus dem kanadisch-amerikanischen Reaktor, der nur für friedliche Zwecke verwendet werden durfte, aber die USA erlaubten dennoch weitere Lieferungen ange­reicherten Urans nach Indien. So konnte das Land, dass den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hatte, unkontrollierte Bombenbestände aufbauen. 1976 reichten daher Umweltgruppen eine Petition ein, Brennstoffexporte nach Indien zu verbieten, und Jimmy Carter machte den Atomwaffensperrvertrag in den USA zum Wahlkampfthema. 1978 wurde der Nuclear Nonproliferation Act verabschiedet, mit dem Atomexporte an Länder, die nicht dem Atomwaffensperrvertrag angehörten und ihre Kraftwerke nicht kontrollieren ließen, verboten wurden. (Angesichts des neuen, pazifistischen indischen Premierministers Morarji Desai legte Carter aber 1980 sein Veto gegen einen Exportstop nach Indien ein. Eingestellt wurden die Lieferungen erst 1982 – und 2008 unter George W. Bush – und zwar ohne Kontrollen – wieder aufgenommen.)

Die indische Atombombe musste Reaktionen in Pakistan auslösen. Pakistans Präsident Zulfikar Ali Bhutto hatte schon als Außenminister verkündet, dass Pakistan nachziehen werde, wenn Indien eine Atombombe baut, “und dafür notfalls nur noch Gras und Laub fressen oder sogar hungern.” Nach der Zündung der indischen Bombe stahl Abdul Qadeer Khan, Mitarbeiter an der deutsch-britisch-holländischen Uran-Anreichungsanlage in Almelo, Blaupausen und Dokumente und setzte sich, nachdem er entdeckt wurde, nach Pakistan ab und leitete ab 1975 das Forschungsprogramm zur Urananreicherung. Die USA, die das pakistanische Militär seit langem als Bollwerk gegen die Sowjetunion betrachteten, waren angesichts der Rivalität zwischen Indien und Pakistan beunruhigt und verhinderten 1978 die Lieferung einer französischen Wiederaufbereitungsanlage, ließen dem Land aber nach der sowjetischen Invasion Afghanistans 1979 freie Hand. Wann Pakistan die Atombombe besaß, ist unklar: da Pakistans Außenminister 1983 an einem chinesischen Atomtest teilnahm, könnte schon hier eine pakistanische Bombe gezündet worden sein. Im Frühjahr 1990 stand die Welt während des Kaschmir-Konflikts zwischen Indien und Pakistan näher an einem Atomkrieg als während der Kubakrise, so der ehemalige CIA-Vizedirektor Richard Kerr. Das Land selbst gab den Besitz von Atomsprengköpfen offiziell erst 1997 bekannt. (Indien reagierte 1998 mit weiteren Atombombenexplosionen.)

Das Ende des Kalten Krieges

Unterdessen war nach dem Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan im Jahr 1979 (>> mehr) das Wettrüsten zwischen den USA und der Sowjetunion wieder aufgeflammt. Im gleichen Jahr noch beschloss die Nato mit einem ”Nachrüstungsbeschluss” die Statio­nierung neuer Mittelstreckenraketen in Europa; US-Präsident Ronald Reagan ließ ab 1981 die Neutronenbombe bauen (die so konstruiert ist, dass die Neutronen möglichst unge­hindert entweichen können – eine solche Bombe tötet Menschen und andere Lebewesen, lässt Gebäude aber weitgehend intakt) und kündigte 1983 seine Strategische Verteidi­gungs­initiave an, die als “Star Wars” bekannt wurde. 1986 erreichte die Zahl der atomaren Sprengköpfe weltweit mit etwa 70.000 ihren bisherigen Höhepunkt. 1985 hatte aber in der Sowjetunion Michael Gorbatschow sein Amt angetreten, und bereits im Oktober 1986 vereinbarten Reagan und Gorbatschow die Beseitigung aller Mittelstreckenwaffen in Europa und die Reduzierung der strategischen Waffen um 50 Prozent. Im November 1989 fiel die Berliner Mauer, das Symbol der Spaltung der Welt in Ost und West. Am 31. Juli 1991 vereinbarten Russland unter Boris Jelzin und die USA mit dem START (Strategic Arms Reduction Treaty) I-Abkommen einen weiteren Abbau strategischer Atomwaffen, zwei Jahre später folgte START II. Die russische Duma stimmte dem Vertrag aber lange nicht zu, erst wegen des Irakkriegs und schließlich wegen des Streits um die NATO-Osterweiterung; endgültig gescheitert war er, als die USA 2002 den 1972 geschlossenen ABM-Vertrag (der Raketenabwehrsysteme einschränkte) aufkündigten. Das als Ersatz von George W. Bush und Wladimir Putin geschlossene SORT (Strategic Offensive Reduction Treaty)-Abkommen von 2002 enthält jedoch weder Kontrollen noch einen Zeitplan; beide Länder besaßen nach wie vor ausreichend Atomwaffen, um die Welt mehrfach zu zerstören. Im Jahr 2010 schlos­sen Barack Obama und Dmitri Medwedew einen New START genannten Vertrag, nach dem bis zum Jahr 2020 die Zahl der Sprengköpfe auf je 1.550 reduziert werden soll. In beiden Ländern sind in den Jahren seit dem Ende des Kalten Krieges auch die katastro­phalen Folgen deutlich geworden, die die teils unter starkem Produktionsdruck laufende Atomwaffenproduktion und die Atomwaffentests auf die Umwelt und die in ihrer Umgebung lebenden Menschen hatten; in beiden Ländern wurden auch gezielte Menschenversuche gemacht, um die Folgen der Radioaktivität zu erforschen. Bill Clintons Energieministerin Hazel O’Leary, die einen Teil der Unterlagen veröffentlichte, sagte, zu manchen der Ver­suche sei ihr “nur noch Nazideutschland eingefallen”. Auch in der ehemaligen Sowjetunion wurden Soldaten von der Schweigepflicht befreit, die ihnen auferlegt wurde, nachdem sie ohne Schutzkleidung in Atomtestgebiete geschickt wurden, um zu sehen, ob sie dort noch kampffähig wären. In beiden Ländern sind weiträumige Testgelände nach wie vor radioaktiv verseucht.

Atomwaffen im Nahen Osten und in Nordafrika

Der damals noch mit dem Westen verbündete Irak unter Saddam Hussein hatte 1977 damit begonnen, außerhalb von Bagdad einen von Frankreich gelieferten Atomreaktor zu bauen. Frankreich lieferte auch spaltbares Uran für den Reaktor. Bevor dieser allerdings mit Brenn­elementen bestückt werden konnten, wurde er am 7. Juni 1981 durch einen gezielten Angriff der israelischen Luftwaffe zerstört. Der Reaktor war zwar von der IAEO kontrolliert worden, aber der Kontrolleur Roger Richter erklärte später vor dem auswärtigen Ausschuss des US-Senats, dass der Irak bestimmte, wann und wo Inspektionen stattfanden. Der Washington Post erklärte er, dass die Kontrolleure nicht berechtigt waren, nach undekla­riertem Material zu suchen, “wir dürfen lediglich nachprüfen, ob die Buchführung über das deklarierte Material stimmt.” Israel war jedenfalls davon überzeugt, dass der Reaktor dem Bau von Atomwaffen dienen sollte. Nach dem ersten Golfkrieg, in dem der vom Westen unterstützte Irak Chemiewaffen einsetzte, untersuchte eine UN-Sonderkommission geheime Waffenprogramme im Irak; und als diese 1991 Calutrone – eine veraltete, aber zur Uran­anreicherung geeignete Technik – entdeckte und beim Versuch, die LKW, die diese gerade abtransportieren wollten, zu verfolgen, auch noch beschossen wurde, war klar, dass der Irak weiter an der Atombombe arbeitete. Ohne westliche Unterstützung kam er aber nicht entscheidend voran, und nach dem Irakkrieg 2003 fanden die Amerikaner keine Atomwaffen.

Der Iran hatte bereits 1975 unter dem Schah bei Buschehr am Persischen Golf mit dem Bau zweier von der deutschen Kraftwerk Union (ein Tochterunternehmen von Siemens und AEG) gelieferten Atomreaktoren begonnen, der Iran beteiligte sich zudem mit 15 Prozent an einer großen Uranmine in Namibia. Nach der Machtübernahme Ayatollah Chomeinis, für den die Atomkraft nicht mit dem Islam zu vereinbaren war, wurde der Bau jedoch eingestellt und später im Krieg mit dem Irak beschädigt. Offenbar wurde aber heimlich doch am Atom­programm weitergearbeitet, 1982 soll der Iran nach Angaben der IAEO 531 Tonnen Uran aus Namibia erhalten haben. Nach Chomeinis Tod startete das Programm in jedem Fall durch, Ende der 1980er Jahre verkaufte Abdul Q. Khan dem Land seine Pläne für Gas­zentrifugen. Weitere Techniken kamen aus China, und der Iran baute eine Urananreiche­rungs­anlage in Natanz. Dort fanden IAEO-Inspekteure 2003 waffentaugliches Uran, der Iran gab Kontamination bei der eingeführten Ausrüstung als Ursache an. 2009 gab der Iran zu, bei Qom eine zweite, bis dahin geheim gehaltene Urananreicherung zu bauen. Nach iranischen Angaben dienen die Anreicherungsanlagen nur zivilen Zwecken – 1995 hatte Russland die Fertigstellung eines der Reaktoren bei Buschehr übernommen, dieser ging im September 2011 ans Netz –; allerdings sind die Anlagen auch zur Herstellung waffen­tauglichen, hochangereicherten Urans geeignet. Seit langem gibt es daher Bemühungen, Iran auf diplomatischem Wege von der Urananreicherung abzuhalten, etwa durch die Lieferung angereicherten Urans für sein Atomkraftwerk und die Rücknahme verbrannter Brennstäbe unter Leitung der Internationalen Atomenergieorganisation IAEO. Bisher waren diese Bemühungen vergeblich.

Libyen hatte bereits Mitte der 1970er Jahre den Bau eines russischen Atomreaktors geplant (die Planung wurde später gestoppt); nach der Explosion einer israelischen Atombombe 1979 erklärte Muammar al-Gaddafi, auch eine Atombombe bauen zu wollen. Das Land kaufte zwei russische Reaktoren und besorgte sich Pläne und Zentrifugen von Abdul Q. Khan in Pakistan, 2003 wurden nach einem anonymen Hinweis Bauteile für Atomanlagen auf einem chinesischen Frachter mit Ziel Libyen gefunden. Muammar al-Gaddafi, der sich damals um eine Aufhebung der Sanktionen nach dem Anschlag auf ein Passagierflugzeug über Lockerbie bemühte, kündigte daraufhin an, die Entwicklung von Atom- und Chemiewaffen zu beenden, und übergab im Januar 2004 die Baupläne an Großbritannien und die USA (offenbar so, wie sie geliefert wurden: in einer Plastiktüte von Abdul Q. Khans Schneider in Islamabad. Als dieser davon erfuhr, soll er das Kundenfoto Khans aus seinem Atelier entfernt haben.) Als die USA Pakistan mit dem in Libyen gefundenen Material konfrontierte, musste Khan im Fernsehen öffentlich Abbitte leisten und wurde unter Hausarrest gestellt.

Auch Syrien scheint ein geheimes Atomprogramm zu besitzen: Nachdem Israel am 6. September 2007 eine vermutete Atomanlage bombardierte, wurden dort Spuren von Uran gefunden. Der Reaktor wurde vermutlich mit nordkoreanischer Unterstützung gebaut. Da Saudi-Arabien das pakistanische Atomprogramm finanziell unterstützte, wird zudem vermutet, dass das Land Zugriff auf pakistanische Atomwaffen hat.

Weitere Atombomben und -aspiranten

Nordkorea betreibt seit 1965 mit sowjetischer Hilfe Atomforschung. 1993 verweigerte das Land den Inspektoren der IAEO den Zutritt zu seiner Forschungsanlage, verpflichtete sich aber 1994 aufgrund des internationalen Drucks dazu, sein Atomwaffenprogramm aufzu­geben. 2002 warfen die USA Nordkorea aufgrund von Geheimdienstberichten vor, weiter an Atomwaffen zu arbeiten, 2003 trat Nordkorea aus dem Atomwaffensperrvertrag aus. 2005 gab Nordkorea bekannt, einsatzfähige Atomwaffen zu besitzen, und am 9. Oktober 2006, einen Bombentest durchgeführt zu haben. Dieser war jedoch so schwach, dass viele Experten ihn für einen Fehlschlag hielten. Am 25. Mai 2009 wurde ein weiterer, etwa 40 Mal stärkerer, Test durchgeführt. Allen internationalen Bemühungen zum Trotz baut das bitterarme Land sein Atomarsenal weiter aus (>> hier).

In Argentinien und Brasilien hatten die Militärregierungen seit 1978 an Atomprogrammen gearbeitet, mit den demokratischen Regierungen ab 1983 bzw. 1985 wurden diese aber beendet. 1995 bzw. 1998 traten beide Länder dem Atomwaffensperrvertrag bei. Brasilien verweigerte jedoch 2004 IAEO-Inspektoren den Zutritt zur Urananreicherungsanlage in Resende, 2007 verkündete Präsident Lula, dass Brasilien atomgetriebene U-Boote bauen will, und im September 2009 sprach sich aber Brasiliens Vizepräsident Alencar für brasilia­nische Atombomben aus: Brasilien brauche sie wegen seiner 15.000 Kilometer Grenze und seiner Offshore-Ölvorkommen zur “Abschreckung”, und sie könne die internationale Bedeu­tung Brasiliens erhöhen. Manche Fachleute, wie Hans Rühle, von 1982 – 1988 Leiter des Planungsstabs im Bundesverteidigungsministerium, vermuten, dass Brasilien längst insgeheim an der Atombombe arbeitet (>> hier). Weiter Länder, die möglicherweise im Geheimen an der Atombombe arbeiten, sind (Foreign Policy Oktober 2009) Kasachstan, Bangladesch, Burma, Vereinigte Arabische Emirate und Venezuela.

Alptraum Atomterror

Neben den Staaten beunruhigt die Fachleute aber vielleicht noch stärker die Möglichkeit, dass Terroristen an einen Teil der großen Bestände an spaltbarem Material – insgesamt etwa 3.000 Tonnen, davon 1.000 Tonnen aus zivilen Atomkraftwerken – in vielen Ländern der Erde kommen. Bereits mit einen winzigen Teil hiervon könnten sie eine primitive Atom­bombe bauen. Experten, wie der am Belfer Center der Harvard Universität tätige Rolf Mowatt-Larssen, fürchten dabei vor allem die Situation in Pakistan, wo gewalttätige Extremisten, eine instabile politische Situation und wachsende Menge spaltbaren Materials zusammentreffen; außerdem werden sowohl Militär als auch Geheimdiensten Kontakte zu al-Qaida nachgesagt. Nordkorea hat höchstwahrscheinlich bereits Atomtechnologie nach Syrien geliefert, und diese Verbindung wurde von den Geheimdiensten erst kurz vor der Fertigstellung des Reaktors entdeckt. Dies lässt sowohl daran zweifeln, ob die Geheim­dienste wirklich alle Atomanlagen auf der Welt auch nur kennen, und ob Nordkorea nicht – ähnlich wie zuvor Abdul Q. Khan in Pakistan, dessen Netzwerk noch immer nicht komplett bekannt ist – auch mit anderen Ländern in Kontakt steht. Mowatt-Larrsens Kollege Prof. Graham Allison, der an der Sicherung des spaltbaren Materials in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion mitarbeitete und 2004 ein Buch über “Nuclear Terrorism: The Ultimate Preventable Catastrophe” schrieb, schätzte in diesem die Wahrscheinlichkeit eines atoma­ren Terroranschlages in den nächsten 10 Jahren auf über 50 Prozent, der ehemalige ameri­ka­nische Verteidigungsminister William Perry nannte diese Schätzung “möglicherweise zu niedrig” (>> mehr). Auch Barack Obama nimmt die Gefahr ernst: im April 2010 nannte er atomaren Terrorismus Amerikas größte außenpolitische Bedrohung, er lud 47 Staaten zu einem “Nuclear Security Summit” nach Washington ein. Die Staaten vereinbarten, bisher unzureichend geschützte Bestände spaltbaren Materials innerhalb von vier Jahren zu schützen und mit besserer Zusammenarbeit illegalen Handel mit spaltbarem Material zu erschweren.

Literatur zum Thema:

Kai Bird, Martin J. Sherwin: J. Robert Oppenheimer: Die Biographie. “Brilliante Biografie” (Rezension des SPIEGEL, >> hier). Propyläen 2009, List Taschenbuch 2010.

>> Bulletin of Atomic Scientists (englischsprachig)

Stephanie Cooke: Atom. Die Geschichte des nuklearen Irrtums. Kiepenheuer & Witsch 2010.

Robert Jungk: Heller als tausend Sonnen. Auch wenn dieses Buch ursprünglich von 1956 ist (1958 überarbeitet), liest es sich immer noch gut und beschreibt den Zwiespalt vieler Atomforscher, die aus Angst vor einer deutschen Atombombe trotzt moralischer Zweifel am Bau der Atombombe mitarbeiteten. Leider nur noch antiquarisch erhältlich.

Norbert F. Pötzl/Rainer Traub (Hrsg.): Der kalte Krieg. DVA 2009 (Spiegel-Buch).

Stern Extra Nr. 1/2011: Die Geschichte der Atomkraft.

Simon Winchester: Pacific. HarperCollins 2015. Das erste Kapitel dieses Buches über den Pazifik beschäftigt sich mit den Atombombenversuchen in diesem (englischsprachig).

© Jürgen Paeger 2006 – 2020

 

Unabhängige Berichte über die Folgen der Atombombe gab es kaum, da die Amerikaner das südliche Japan zum Sperrgebiet erklärt hatten. Nur zwei westliche Journalisten gelangten auf eigene Faust nach Hiroshima und Nagasaki – einer, Wilfred Burchett, berichtete am 5.9.45 im London Daily Express über die “Atompest” in Hiroshima. Der Bericht von Georg Weller von den Chicago Daily News aus Nagasaki wurde von der amerikanischen Zensur einbehalten. Er wurde 60 Jahre später, nachdem Wellers Sohn in seinem Nachlass eine Kopie fand, in der japanischen Mainichi Shimbun veröffentlicht. (>> mehr). Auch in Japan verbot die amerikanische Besatzungsmacht bis 1952 jegliche Berichterstattung über Hiroshima und Nagasaki.

Bulletin of the Atomic Scientists, Titel Juni 1947

Die 1947 eingeführte Uhr auf dem Titel des Bulletin of the Atomic Scientists wurde zum Symbol des Atomzeitalters: Sie zeigte die Einschätzung der Kriegsgefahr an. © Bulletin of the Atomic Scientists. Siehe auch >> Literatur.